Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 209



128 III 209

40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. A.S. und
B.S. gegen Stiftung T. und Eidgenössisches Departement des Innern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    5A.2/2002 vom 20. März 2002

Regeste

    Abberufung von Stiftungsratsmitgliedern durch den Stiftungsrat
(Art. 84 Abs. 2 ZGB).

    Der Stifterwille, wonach bestimmte Personen zwingend dem Stiftungsrat
anzugehören haben, vermag eine sachlich begründete Abberufung dieser
Personen durch den Stiftungsrat nicht zu verhindern; offen gelassen, ob
im vorliegenden Fall überhaupt ein zwingender Stifterwille besteht (E. 4a).

    Auf die Abberufung von Stiftungsratsmitgliedern ist Art. 68 ZGB
analog anwendbar. Die abzuberufenden Stiftungsratsmitglieder sind an der
Beratung und der Abstimmung über ihre Abberufung nicht zu beteiligen,
haben jedoch Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 4c).

Sachverhalt

    Die Stiftung T. (nachfolgend die Stiftung), eine Stiftung im Sinne von
Art. 80 ff. ZGB mit dem Zweck, in Chile ein Kinderdorf zu errichten und
zu betreiben, wurde mit Stiftungsurkunde vom 11. April 1994 errichtet und
am 28. Juni 1994 in das Handelsregister eingetragen. Ihrem Stiftungsrat
gehörten die Eheleute A.S. und B.S. an. Die Stiftung steht unter der
Stiftungsaufsicht des Bundes (Eidgenössischen Departements des Innern
[EDI]).

    Mit Zirkularbeschluss des Stiftungsrates vom 8. November 2001 wurden
A.S. und B.S. als Stiftungsräte abgesetzt. Dagegen gelangte A.S. an das
EDI, welches mit Verfügung vom 21. Dezember 2001 (Nr. 413/1564) vom
Zirkularbeschluss Kenntnis nahm (Dispositiv-Ziff. 1) und gleichzeitig die
neue Zusammensetzung des Stiftungsrates feststellte (Dispositiv-Ziff. 2).

    Gegen diese Verfügung haben A.S. und B.S. in einer gemeinsamen
Eingabe beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie
beantragen im Wesentlichen, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und
die Angelegenheit unter bestimmten Auflagen an das EDI zurückzuweisen. Das
Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Strittig ist im vorliegenden Fall zunächst die Frage,
ob die Beschwerdeführer mit Zirkularbeschluss vom 8. November 2001
rechtsgültig abgesetzt wurden, bzw. ob die diesbezüglichen - bestätigenden
bzw. sinngemäss zustimmenden - Kenntnisnahmen und Feststellungen des EDI
vom 21. Dezember 2001 (Dispositiv-Ziff. 1 und 2) rechtsbeständig sind.

    a) In diesem Zusammenhang verweisen die Beschwerdeführer auf Art. 5
der Stiftungsurkunde, wonach dem Stiftungsrat mindestens ein Mitglied
ihrer Familie angehören sollte, und halten gestützt auf diesen Wortlaut
dafür, ihre Absetzung verstosse gegen den Stifterwillen und sei daher
rechtswidrig.

    Die Beschwerdeführer scheinen davon auszugehen, sie hätten beide
zwingend dem Stiftungsrat anzugehören. Der Formulierung von Art. 5 der
Stiftungsurkunde lässt sich indes zum einen nur entnehmen, dass mindestens
ein Mitglied der Familie der Beschwerdeführer

im Stiftungsrat Einsitz nehmen "sollte". Zum andern ist fraglich, ob aus
dem Wortlaut ("sollte") der besagten Satzung geschlossen werden darf, dass
nach dem Willen des Stifters auch tatsächlich mindestens ein Mitlied der
Familie im Stiftungsrat Aufnahme finden muss. Wie es sich damit verhält
kann hier indes offen bleiben. Auch wenn die besagte Satzung im Sinne der
Beschwerdeführer als zwingender Ausdruck des Stifterwillens zu verstehen
wäre, vermöchte sie eine sachlich begründete Abwahl beider Eheleute nicht
zu verhindern (vgl. RIEMER, Berner Kommentar, N. 101 zu Art. 84 ZGB).

    c) Des Weiteren beanstanden die Beschwerdeführer in diesem
Zusammenhang, sie seien mit Zirkularbeschluss abgesetzt worden, obwohl
sich der Beschwerdeführer nicht daran beteiligt habe, was aber - in
analoger Anwendung von Art. 713 Abs. 2 OR - Voraussetzung eines derartigen
Beschlusses gewesen wäre.

    Von vornherein fehl geht der Hinweis auf eine analoge Anwendung von
Art. 713 Abs. 2 OR. Da die Stiftungsurkunde nichts anderes bestimmt,
ist auf den vorliegenden Fall vielmehr Art. 68 ZGB analog anzuwenden
(zur grundsätzlichen Frage der analogen Anwendbarkeit von Vereinsrecht
in diesem Zusammenhang auch BGE 112 II 97 E. 4, 471 E. 2 S. 471/472;
Urteil 5A.23/1999 vom 27. März 2000, E. 2b; vgl. ferner RIEMER, Berner
Kommentar, N. 32 zu Art. 83 ZGB; derselbe, Berner Kommentar, N. 136
f. des Syst. Teils vor Art. 60-79 ZGB). Danach waren die Beschwerdeführer
an der Beratung und Abstimmung über ihre Abwahl gar nicht zu beteiligen
(vgl. RIEMER, Berner Kommentar, N. 18 zu Art. 68 ZGB i.V.m. N. 53 zu
Art. 69 ZGB), weshalb es auch nicht entscheidend darauf ankam, ob sie
mit der Abstimmung auf dem Wege des Zirkularbeschlusses einverstanden
waren. Zu berücksichtigen galt es dabei einzig das rechtliche Gehör
der Abzuberufenden (vgl. RIEMER, Berner Kommentar, N. 18 zu Art. 68
ZGB), welchem Erfordernis aber durch die - an sich nicht zulässige -
Aufforderung zur Beteiligung an der Abstimmung Genüge getan wurde;
die Beschwerdeführerin hat sich Gehör verschafft, indem sie an der
Zirkularabstimmung betreffend ihre Abwahl teilnahm, während sich der
Beschwerdeführer anderweitig hat vernehmen lassen. Eine Verletzung von
Bundesrecht ist demnach nicht ersichtlich.