Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 201



128 III 201

39. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Bank A. gegen B. AG
(Berufung)

    4C.36/2000 vom 21. Januar 2002

Regeste

    Positiver Ordre public; Rechtsmissbrauchsverbot (Art. 18 IPRG; Art. 2
Abs. 2 ZGB).

    Mit der Berufung kann gerügt werden, es sei zu Unrecht gestützt auf
Art. 18 IPRG schweizerisches anstelle ausländischen Rechts angewendet
worden (E. 1a).

    Schweizerische Normen, die in den Bereich des positiven Ordre public
fallen, kommen unmittelbar zur Anwendung (E. 1b).

    Zum positiven Ordre public gehört das Rechtsmissbrauchsverbot im
Allgemeinen und speziell der Grundsatz, dass eine Verjährungseinrede
unbeachtlich ist, wenn sie rechtsmissbräuchlich erhoben wird (E. 1c).

Sachverhalt

    Im Jahre 1990 verkaufte die Maschinenfabrik C.  GmbH in Schweinfurt
(Deutschland) der Firma D. in Belgrad vier Maschinen zum Kaufpreis von
insgesamt DM 960'000.-. Der Gesamtkaufpreis war, nebst 9% Zins auf dem
jeweils ausstehenden Betrag, in 12 halbjährlichen Raten ab 11. April 1991
zahlbar, wobei die fälligen Halbjahreszinsen mit jeder Rate zu bezahlen
waren. Die Bank A. (Beklagte) garantierte gegenüber der Maschinenfabrik
C. GmbH mit Schreiben vom 8. Oktober 1990 unter Bezugnahme auf den von
dieser mit der Firma D. geschlossenen Vertrag die Einhaltung dieser
Zahlungsverpflichtungen durch die Firma E., Beograd, welche sie als ihre
Auftraggeberin bezeichnete. Der Gesamtbetrag der Garantie wurde unter
Einschluss des Zinsenanteils mit DM 1'240'800.- beziffert. Mit Abtretungs-
und Liefererklärung vom 19. November 1990 trat die Maschinenfabrik C. GmbH
die gesamte Forderung sowie ihre Ansprüche aus der Garantie der Beklagten
an die Bank F. AG, Filiale Schweinfurt, ab. Diese zedierte gleichentags
und in der gleichen Urkunde sämtliche Ansprüche und Rechte weiter an die
G. AG (später B. AG; Klägerin) in Zürich.

    Mit Schreiben vom 26. Dezember 1990 bestätigte die Beklagte der
Klägerin, dass die Maschinenfabrik C. GmbH ihre Verpflichtungen aus
dem Vertrag mit der Firma D. vollumfänglich erfüllt habe, dass sie -
die Beklagte - von der unwiderruflichen Abtretung seitens der Lieferantin
zustimmend Kenntnis genommen habe und dass sie der Klägerin die einzelnen
Raten zu den vorgesehenen Terminen bezahlen werde. Die erste Rate von DM
123'200.- wurde bei Fälligkeit bezahlt. Weitere Zahlungen blieben aus. Die
Beklagte bestätigte jeweils den Erhalt der entsprechenden Mahnungen. Am
11. Oktober 1996 rief die Klägerin mittels Telex die Garantie

insgesamt ab und verlangte die Zahlung des ausstehenden Betrages von DM
1'117'600.- zuzüglich 9% Zins ab dem Datum des Verfalls der einzelnen
Raten.

    Auf Begehren der Klägerin erliess der Arrestrichter des Bezirks Zürich
am 1. Oktober 1997 für eine Forderungssumme von Fr. 1'283'695.70 nebst 9%
Zins seit 1. August 1997 einen Arrestbefehl über sämtliche Vermögenswerte
der Beklagten bei der damaligen Bank H., bei der Bank I. und bei der
damaligen Bank J. in Zürich Kreis 1. Ein weiterer Arrestbefehl erging
am 7. Oktober 1997 für dieselbe Forderung über sämtliche Vermögenswerte
der Beklagten bei der Bank I. in Zürich Kreis 3. Auf Einsprache der
Beklagten wurde in diesem zweiten Arrestbefehl die Arrestforderung
auf Fr. 1'271'453.30 reduziert. Gegen die zur Arrestprosequierung
ausgestellten Zahlungsbefehle erhob die Beklagte Rechtsvorschlag.

    Am 5. Mai 1998 klagte die B. AG beim Handelsgericht des Kantons
Zürich gegen die Bank A. mit dem Begehren, die Beklagte sei zur Zahlung
von DM 1'540'126.90 nebst 9% Zins seit 1. August 1997 zu verpflichten
und es sei in der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Zürich 3 für
den Betrag von Fr. 1'271'453.30 nebst Zins die definitive Rechtsöffnung
zu erteilen. Diese Klage ergänzte sie am 10. Juli 1998 mit dem Begehren
um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung für den gleichen Betrag in der
Betreibung Nr. 2 des Betreibungsamtes Zürich 1. Mit Urteil vom 13. Dezember
1999 hiess das Handelsgericht die Forderung im Betrag von DM 1'117'600.-
nebst 9% Zins seit 26. Oktober 1996 gut und hob in diesem Umfang in
der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Zürich 3 den Rechtsvorschlag
auf. Mit Beschluss vom 20. Januar 2000 fasste das Handelsgericht das
Urteilsdispositiv teilweise neu und hob auch in der Betreibung Nr. 2 des
Betreibungsamtes Zürich 1 im gleichen Umfang den Rechtsvorschlag auf.

    Mit Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil
des Handelsgerichts aufzuheben, die Klage abzuweisen und die definitive
Rechtsöffnung zu verweigern; eventuell das Urteil des Handelsgerichts,
soweit die Klage geschützt wurde, aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die
Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Handelsgericht hat das Vertragsverhältnis zwischen der
Maschinenfabrik C. GmbH bzw. der Klägerin und der Beklagten dem
jugoslawischen Recht unterstellt und als Garantievertrag gemäss

Art. 1083 ff. des Gesetzes über die Obligationenverhältnisse
qualifiziert. In Anwendung von Art. 148 Abs. 1 IPRG (SR 291) hielt es fest,
dass die Verjährung der Forderung ebenfalls dem jugoslawischen Recht als
lex causae unterstehe. Die Frage, ob die Verjährung nach jugoslawischem
Recht eingetreten sei, liess das Handelsgericht jedoch offen, da die von
der Beklagten erhobene Verjährungseinrede diesfalls gemäss Art. 2 Abs. 2
ZGB rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich wäre. In der Berufung
rügt die Beklagte, dass das Handelsgericht mit dieser Argumentation in
Missachtung von Art. 148 Abs. 1 IPRG auf die Frage der Verjährung nicht
jugoslawisches Recht angewendet und seinen Entscheid nicht gemäss dem
Ergebnis dieser Anwendung des ausländischen Rechts gefällt habe.

    a) Mit der Berufung kann geltend gemacht werden, der angefochtene
Entscheid habe nicht ausländisches Recht angewendet, wie es das
schweizerische internationale Privatrecht vorschreibt (Art. 43a Abs. 1
lit. a OG). Von einer Anwendung des ausländischen Rechts im Sinne dieser
Bestimmung kann nur gesprochen werden, wenn das Gericht den Sachverhalt
tatsächlich unter die Normen des vom schweizerischen internationalen
Privatrecht bezeichneten ausländischen Rechts subsumiert und sein Urteil
dem Ergebnis dieser Subsumtion entspricht. Dagegen liegt keine Anwendung
ausländischen Rechts vor, wenn das Gericht wegen des schweizerischen Ordre
public von diesem Ergebnis abweicht (Art. 17 IPRG) oder ohne Rücksicht
auf das verwiesene Recht eine Bestimmung des schweizerischen Rechts wegen
ihres besonderen Zweckes zwingend anwendet (Art. 18 IPRG). Auf die Rüge
der Beklagten ist damit einzutreten.

    b) Die Tragweite der im IPRG enthaltenen Verweisungen auf ein
ausländisches Recht wird im 3. Abschnitt der Gemeinsamen Bestimmungen
(Art. 13-19) geregelt. Für die einzelnen Verweisungen gelten damit generell
die Einschränkungen der Ausnahmeklausel (Art. 15), der Vorbehaltsklausel
(Art. 17) und der zwingenden Anwendung des schweizerischen Rechts
(Art. 18). Art. 17 IPRG enthält den Vorbehalt des negativen Ordre
public. Dieser Vorbehalt greift erst ein, wenn das Ergebnis der Beurteilung
nach dem verwiesenen ausländischen Recht ermittelt ist und dieses Ergebnis
das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise verletzt bzw. auf
stossende Weise Sinn und Geist der eigenen Rechtsordnung widerspricht.
Von der Ermittlung und der hypothetischen Anwendung des an sich
anwendbaren ausländischen Rechts ist indessen von vornherein abzusehen,
wenn schweizerische Rechtsvorschriften gemäss

Art. 18 IPRG unmittelbar, das heisst unabhängig von dem durch das
Gesetz bezeichneten Recht, zwingend anzuwenden sind. Diese sog. lois
d'application immédiate umfassen den positiven Ordre public (BGE 125 III
443 E. 3d S. 447; 117 II 494 E. 7 S. 501; VISCHER, IPRG-Kommentar, N. 7
zu Art. 17 IPRG). Die zwingend anwendbare Bestimmung des schweizerischen
Rechts hat somit einen eigenen räumlichen Anwendungsbereich, der sich
gegen die allgemeinere Kollisionsregel durchzusetzen vermag und sie
ausschaltet. Für eine solche Bestimmung erfolgt eine kollisonsrechtliche
Sonderanknüpfung (DUTOIT, Droit international privé suisse, 3. Aufl. 2001,
N. 2 zu Art. 18 IPRG; MÄCHLER-ERNE, Basler Kommentar, N. 23 zu Art. 18
IPRG; SCHWANDER, Einführung in das Internationale Privatrecht, 1. Bd.:
Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2000, S. 239 und 243 f.). Zum positiven Ordre
public gehören namentlich Normen, welche den wesentlichen Interessen
der Gesellschaftsordnung, der politischen oder wirtschaftlichen Ordnung
Rechnung tragen (BGE 125 III 443 E. 3d S. 447; SCHNYDER, Das neue
IPR-Gesetz, 2. Aufl., Zürich 1990, S. 35; KNOEPFLER/SCHWEIZER, Droit
international privé suisse, 2. Aufl., Bern 1995, Nr. 383). Besondere
Zurückhaltung ist geboten bei der ausnahmsweisen Anwendung sowohl des
negativen wie des positiven Ordre public im Fall, dass die zu beurteilende
Sache praktisch keine Beziehung zur Schweiz hat (BGE 125 III 443 E. 3d
S. 448; VISCHER, aaO, N. 20 zu Art. 17 IPRG; MÄCHLER-ERNE, aaO, N. 14
zu Art. 18 IPRG; KELLER/SIEHR, Allgemeine Lehren des internationalen
Privatrechts, Zürich 1986, S. 544).

    In der Berufung macht die Beklagte geltend, zur Anwendung des
ausländischen Rechts auf die Frage der Verjährung gehöre auch die
Anwendung allfälliger im dortigen Recht enthaltener Korrekturnormen. Nur
wenn das so ermittelte Resultat zu einem Ergebnis führen würde, das
mit dem schweizerischen Ordre public unvereinbar ist, sei die Anwendung
der einschlägigen Bestimmungen ausgeschlossen. Um dies feststellen zu
können, müsse aber zuerst das Resultat der Rechtsanwendung unter den
für anwendbar erklärten ausländischen Rechtsnormen bekannt sein. Diese
Argumentation der Klägerin ist auf einen Fall der Anwendung des negativen
Ordre public gemäss Art. 17 IPRG zugeschnitten. Davon unterscheidet sich
jedoch grundsätzlich die Situation beim Vorliegen zwingend anwendbarer
Bestimmungen des schweizerischen Rechts im Sinne von Art. 18 IPRG. Solche
Bestimmungen verdrängen die Anwendung des verwiesenen ausländischen
Rechts ohne Rücksicht auf das konkrete Ergebnis ihrer Anwendung. Einzelne
Autoren vertreten

zwar die Meinung, dass auch die an sich anwendbare lex causae daraufhin
zu prüfen sei, ob sie die vom Inland verfolgten Ziele nicht gleich oder
besser verwirklichen kann (VISCHER, aaO, N. 3 zu Art. 18 IPRG). Dies würde
aber bedeuten, dass je nachdem die Norm der einen verwiesenen ausländischen
Rechtsordnung anwendbar ist, jene einer andern jedoch nicht, und stände im
Widerspruch dazu, dass die unmittelbar anwendbare Norm des schweizerischen
Rechts einen eigenen räumlichen Anwendungsbereich hat und die allgemeine
Kollisionsregel ausschaltet. Die von der Klägerin erhobene Rüge erweist
sich als unbegründet.

    c) Zu prüfen ist damit, ob das Rechtsmissbrauchsverbot (Art. 2 Abs. 2
ZGB) zu den zwingend anwendbaren Bestimmungen des schweizerischen Rechts
im Sinne von Art. 18 IPRG gehört.

    Art. 2 ZGB ist eine Grundschutznorm, welche der Durchsetzung der
öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit dient (BAUMANN, Zürcher Kommentar,
N. 3 f. zu Art. 2 ZGB). Ihre Geltung erstreckt sich auf die gesamte
Rechtsordnung mit Einschluss des öffentlichen Rechts sowie des Prozess-
und Zwangsvollstreckungsrechts. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist in
jeder Instanz von Amtes wegen anzuwenden, was auch für die Frage gilt,
ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt (BGE 121 III 60 E. 3d; 118 II 225
E. 2c/bb; BAUMANN, aaO, N. 42 zu Art. 2 ZGB; MERZ, Berner Kommentar,
N. 99 zu Art. 2 ZGB). Soweit die als rechtsmissbräuchlich betrachtete
Rechtsanwendung in einer gerichtlichen Rechtsdurchsetzung besteht, hat
der Grundsatz einen engen inneren Zusammenhang mit der Rechtsanwendung
durch den Richter. Dieser soll nicht gehalten sein, einem Ergebnis der
formalen Rechtsordnung zum Durchbruch zu verhelfen, das in offensichtlichem
Widerspruch zu elementaren ethischen Anforderungen steht (BAUMANN, aaO,
N. 14b zu Art. 2 ZGB; MERZ, aaO, N. 21 zu Art. 2 ZGB).

    Das Bundesgericht hat deshalb bereits im Urteil 5C.255/1990
vom 23. April 1992 festgehalten, dass sich die Voraussetzungen des
Rechtsmissbrauchsverbots in jedem Fall im Sinne von Art. 18 IPRG nach
schweizerischem Recht richten, unabhängig davon, welches Recht in der
Sache anwendbar ist. Die Frage stellte sich damals im Zusammenhang
mit dem Durchgriff bei einer juristischen Person. In jenem Entscheid
wurde ausdrücklich vermerkt, dass es sich um einen Anwendungsfall des
Rechtsmissbrauchsverbotes handelt. Auch in einem kantonalen Entscheid ist
festgehalten worden (ZR 1999 Nr. 52, Urteil A, E. 5, S. 238 f.), dass das
Rechtsmissbrauchsverbot gestützt auf Art. 18 IPRG auch bei transnationalen

Rechtsverhältnissen seine volle Wirkung entfaltet. Das Gebot von Treu
und Glauben im Geschäftsverkehr, welches wie das Rechtsmissbrauchsverbot
eine Ausprägung des gleichen Grundsatzes ist, gehört ebenfalls zum Kreis
der universell anerkannten Rechtsgüter, deren Schutz der positive Ordre
public dient.

    Die Zuordnung des Rechtsmissbrauchsverbots zum positiven Ordre
public der schweizerischen Rechtsordnung muss deshalb auch für andere
Anwendungsfälle gelten wie zum Beispiel die Rechtsmissbräuchlichkeit
einer erhobenen Verjährungseinrede. Dass das Rechtsmissbrauchsverbot
ungeachtet des anwendbaren Rechtes im Bereich der Verjährung absolute
Geltung im Sinne des positiven Ordre public beansprucht, wird auch von
KELLER/GIRSBERGER (IPRG-Kommentar, N. 64 zu Art. 148 IPRG) bejaht (ebenso
SCHNITZER, Handbuch des Internationalen Privatrechts, 4. Aufl. 1958,
S. 670). Davon ging auch das Bundesgericht in BGE 96 II 4 E. 3b S. 8
aus, wo es das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs allerdings verneinte.
KELLER/GIRSBERGER führen an der von der Beklagten zitierten Stelle
(N. 31 zu Art. 148 IPRG) lediglich aus, dass der negative Ordre public
im Sinne von Art. 17 IPRG nicht das geeignete Mittel sei, um Ergebnisse
zu korrigieren, die auf unterschiedlichen gesetzgeberischen Wertungen
oder auf historischen Gründen beruhen, selbst wenn diese vom materiellen
Recht des Forums grundlegend abweichen. Unter Hinweis auf eine nicht
einschlägige Stelle in einem Bundesgerichtsentscheid und auf deutsche
Lehrmeinungen vertreten die genannten Autoren allerdings die Auffassung,
die Frage, ob im konkreten Einzelfall ein Recht missbraucht worden sei,
unterliege dem Statut, das das Recht beherrscht, dessen unzulässige
Ausübung behauptet wird (N. 65 zu Art. 148 IPRG). Diese Auffassung verträgt
sich jedoch nicht mit dem Charakter des Rechtsmissbrauchsverbots als
Grundschutznorm, welche die ganze schweizerische Rechtsordnung und damit
auch die hiesige Rechtsdurchsetzung beherrscht. Diese Funktion kann die
Bestimmung nur erfüllen, wenn der Richter bei ihrer Anwendung auf die
grundlegenden ethischen Wertungen der eigenen Rechtsordnung und nicht
auf jene einer fremden Rechtsordnung abstellt. Wenn der schweizerische
Richter auch bei transnationalen Sachverhalten Art. 2 Abs. 2 ZGB gemäss
Art. 18 IPRG zwingend anzuwenden hat, beurteilt sich somit auch nach
schweizerischem Recht, ob die Rechtsausübung aufgrund der konkreten
Umstände als rechtsmissbräuchlich erscheint.

    d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sodann ein genügender
Inlandbezug gegeben. Die Klägerin hat ihren Sitz in der

Schweiz. Die von ihr geltend gemachten Ansprüche beruhen zwar auf einer
Abtretung durch die seinerzeitige deutsche Lieferfirma. Diese Abtretung
erfolgte jedoch schon vor vielen Jahren und nicht etwa erst im Hinblick
auf die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche. Auch der ganze
Schriftverkehr, aus welchem der Einwand des Rechtsmissbrauchs abgeleitet
wird, fand zwischen ihr und der Beklagten statt. Es ist deshalb nicht zu
beanstanden, dass das Handelsgericht trotz Anwendbarkeit des jugoslawischen
Rechts auf die Frage der Verjährung der eingeklagten Forderungen geprüft
hat, ob die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede gegen das der
schweizerischen Rechtsordnung zugehörige Rechtsmissbrauchsverbot verstösst.

    e) Die Beklagte weist schliesslich darauf hin, dass das in der
Schweiz ergehende Urteil im Ausland auch durchsetzbar sei für jenen
Teil der eingeklagten Forderung, welcher nicht durch die in der
Schweiz verarrestierten Vermögenswerte gedeckt ist. Dies trifft zu,
soweit die Anerkennungsvoraussetzungen des jeweiligen ausländischen
Staates gegeben sind, kann aber nicht gegen die Zugehörigkeit des
Rechtsmissbrauchsverbots zum positiven Ordre public im Sinne von Art. 18
IPRG sprechen. Gegebenenfalls müsste der ausländische Vollstreckungsstaat
auch ein schweizerisches Urteil mit dem gleichen Ergebnis anerkennen, wenn
das schweizerische IPR das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien überhaupt
oder nur die Verjährungsfrage dem schweizerischen Recht unterstellen würde.