Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 161



128 III 161

30. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. B. gegen
A. (Berufung)

    5C.299/2001 vom 7. Februar 2002

Regeste

    Bemessung der Kinderunterhaltsbeiträge, Berücksichtigung von
freiwilligen Zuwendungen Dritter an den Unterhaltspflichtigen (Art. 285
Abs. 1 ZGB).

    Bei der Bemessung von Unterhaltsbeiträgen ist es nicht
bundesrechtswidrig, hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des
Unterhaltspflichtigen freiwillige Zuwendungen Dritter zu berücksichtigen,
wenn die Anrechnung im Ergebnis nicht dem Willen der zuwendenden Dritten
widerspricht und diese als Grosseltern unter den Voraussetzungen von
Art. 328 Abs. 1 ZGB gegenüber dem unterhaltsberechtigten Kind eine
Unterstützungspflicht trifft (E. 2c).

Sachverhalt

    A.- Auf Klage der im Mai 1999 geborenen B.  stellte das Bezirksgericht
fest, dass A. ihr Vater ist, und verpflichtete diesen zur Zahlung von
Unterhaltsbeiträgen.

    Bei der Bemessung der Unterhaltsbeiträge berücksichtigte das
vom Beklagten A. angerufene Obergericht des Kantons Aargau, dass der
Unterhaltsbedarf des Beklagten während seines Weiterbildungsstudiums
durch die Beiträge seiner Eltern gedeckt wurde.

    B.- Das Bundesgericht weist die Berufung, mit welcher der Beklagte
die Abweisung der Klage beantragte, ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- c) Des Weiteren wendet der Beklagte ein, durch die Berücksichtigung
der freiwilligen Leistungen seiner Eltern habe das Obergericht Bundesrecht
verletzt.

    aa) Der Unterhaltsbeitrag bemisst sich in erster Linie nach den
Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und der Leistungsfähigkeit
der Eltern (Art. 285 Abs. 1 ZGB). Dabei steht dem Sachgericht ein weites
Ermessen zu. Im Berufungsverfahren übt das Bundesgericht deshalb bei
der Prüfung der vom kantonalen Richter festgelegten Unterhaltsbeiträge
grosse Zurückhaltung. Es schreitet insbesondere ein, wenn die Vorinstanz
entweder Kriterien berücksichtigt hat, die nach dem Gesetz keine Rolle
spielen dürfen, oder Umstände ausser Acht gelassen hat, die für den
Unterhaltsbeitrag ausschlaggebend sein sollten. Zu einer Korrektur
des vorinstanzlichen Entscheides kommt es schliesslich, wenn der
festgesetzte Unterhaltsbeitrag aufgrund der konkreten Umstände als
eindeutig unangemessen erscheint (BGE 107 II 406 E. 2c).

    Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ergibt sich aus
der Gegenüberstellung seines Bedarfs und seines Nettoeinkommens. Seine
tatsächliche Leistungskraft wird durch freiwillige Zuwendungen Dritter
zwar erhöht, doch lehnt die herrschende Lehre die Berücksichtigung
solcher Leistungen grundsätzlich ab mit dem Argument, dass diese
nach dem Willen des zuwendenden Dritten dem Empfänger und nicht der
unterhaltsberechtigten Person zukommen sollen (HAUSHEER/SPYCHER [Hrsg.],
Handbuch des Unterhaltsrechts, 1997, Rz. 01.44; SUTTER/FREIBURGHAUS,
Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, N. 53 zu Art. 125 ZGB;
SCHWENZER, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, 2000, N. 18 zu
Art. 125 ZGB; a.A. GEISER, Neuere Tendenzen in der Rechtsprechung zu
den familienrechtlichen Unterhaltspflichten, AJP 1993 S. 904). Dennoch
erscheint die Anrechnung der elterlichen Zuwendungen bei der Ermittlung
der beklagtischen Leistungsfähigkeit unter den gegebenen Umständen nicht
als bundesrechtswidrig:

    bb) Würden die Leistungen der Eltern des Beklagten an dessen Unterhalt
nicht berücksichtigt, so könnten diesem während seiner Weiterbildung keine
Unterhaltsbeiträge auferlegt werden. Da die Mutter der Klägerin nach den
Feststellungen der Vorinstanz für den fehlenden Betrag nicht aufkommen
kann, bliebe der Unterhalt der Klägerin teilweise ungedeckt. Unter
diesen Umständen wäre dem Beklagten aber der Abbruch der Weiterbildung
zuzumuten. Da ihm die Fortsetzung des Studiums demnach einzig möglich
ist, wenn die Beiträge seiner Eltern im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit
berücksichtigt werden, kommt die Berücksichtigung in erster Linie ihm
selbst zugute und steht somit auch nicht im Widerspruch zu den Absichten
seiner Eltern.

    Dazu kommt, dass die Eltern des Beklagten die Grosseltern der Klägerin
sind und sie diese somit bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen
unterstützen müssen (Art. 328 Abs. 1 ZGB). Sie verfügen offensichtlich
über die Mittel, die zur Deckung des Bedarfs des Beklagten erforderlich
sind. Werden ihre Zuwendungen nicht berücksichtigt, so führt dies -
wenn der Beklagte seine Weiterbildung fortsetzt - zu einer Notlage der
Klägerin und sie hätten unter Umständen eine Unterstützungsklage zu
gewärtigen. Soweit die Beiträge der Eltern des Beklagten indirekt auch
der Klägerin zugute kommen, ist dies folglich gerechtfertigt.