Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 V 348



127 V 348

52. Auszug aus dem Urteil vom 27. Juli 2001 i. S. Staatssekretariat für
Wirtschaft gegen R. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich

Regeste

    Art. 23 Abs. 1 und 4 AVIG; Art. 37 AVIV: Versicherter Verdienst.
Hat die versicherte Person zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit eine
Teilzeitarbeit angenommen und dabei weniger als normalerweise verdient,
so ist, gemäss BGE 112 V 226 Erw. 2c, für die Bestimmung des versicherten
Verdienstes auf den letzten ordentlichen Verdienst abzustellen, der
innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit noch während mindestens
eines Monats erzielt worden ist. BGE 112 V 220 ist demgegenüber seit dem
Inkrafttreten des neuen Art. 23 Abs. 4 AVIG insoweit überholt, als er
sich auf die Berechnung des versicherten Verdienstes in einer zweiten
Leistungsrahmenfrist bezieht.

Sachverhalt

    A.- Die 1965 geborene R. war seit 21. Februar 1995 bei der T.
AG als Redaktorin tätig. Nachdem die T. AG das Arbeitsverhältnis
per 31. August 1996 beendet hatte, arbeitete R. anschliessend als
freie Journalistin für verschiedene Printmedien, wobei sie gleichzeitig
wieder eine vollzeitliche Festanstellung suchte. Am 20. Mai 1998 stellte
R. Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 10. Mai 1998. Mit Verfügung
vom 13. August 1998 bejahte die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau
& Industrie GBI die Anspruchsberechtigung und setzte den versicherten
Verdienst auf 3708 Franken fest.

    B.- Dagegen erhob R. beim Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich Beschwerde und stellte das Rechtsbegehren, die Verfügung
der Arbeitslosenkasse vom 13. August 1998 sei aufzuheben und der
versicherte Verdienst neu nach ihrem als Redaktorin erzielten Einkommen
festzulegen. Das kantonale Gericht hiess die Beschwerde in dem Sinne gut,
als es den versicherten Verdienst auf Fr. 7655.70 festsetzte und die Sache
an die Arbeitslosenkasse zur Vornahme von Differenzzahlungen zurückwies
(Entscheid vom 21. März 2000).

    C.- Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) führt hiegegen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides sei die Verwaltungsverfügung vom 13. August
1998 zu bestätigen.

    R. lässt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen,
während die Arbeitslosenkasse mit Hinweis auf die Begründung in der
Verwaltungsverfügung und die Ausführungen des seco deren Gutheissung
beantragt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Streitig und zu prüfen ist die Höhe des versicherten Verdienstes,
welcher den Taggeldberechnungen zu Grunde zu legen ist, wobei die Frage
des massgeblichen Bemessungszeitraumes im Vordergrund steht.

    Gestützt auf die Sonderfallregelung in Art. 37 Abs. 3bis AVIV setzte
die Arbeitslosenkasse den versicherten Verdienst anhand der Einkommen
der letzten zwölf vollen Kalendermonate innerhalb der vom 20. Mai 1996
bis 19. Mai 1998 dauernden Rahmenfrist für die Beitragszeit fest. Die
Vorinstanz betrachtet dagegen die in BGE 112 V 226 Erw. 2c ergangene
Rechtsprechung als anwendbar, wonach bei Personen, welche in Ausübung
ihrer Schadenminderungspflicht zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit eine
Ersatzarbeit (alt Art. 25

AVIG) oder Teilzeitbeschäftigung angenommen oder einen Zwischenverdienst
(alt Art. 24 AVIG) erzielt und dabei weniger als normalerweise verdient
haben, auf den letzten ordentlichen Verdienst abzustellen ist, den die
versicherte Person innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit noch
während mindestens eines Monats erzielt hat. Demgegenüber macht das
Beschwerde führende seco geltend, BGE 112 V 226 Erw. 2c sei nicht mehr
einschlägig, vielmehr gelte Art. 23 Abs. 4 AVIG (in der seit 1. Januar
1996 geltenden Fassung), wonach bei einer auf einem Zwischenverdienst
beruhenden Verdienstberechnung die erhaltenen Kompensationszahlungen bei
der Ermittlung des versicherten Verdienstes mitberücksichtigt würden. Daher
sei die in BGE 112 V 220 ergangene Rechtsprechung überholt.

Erwägung 3

    3.- a) Die Versicherte war innerhalb der Rahmenfrist für
die Beitragszeit von zwei Jahren (Art. 9 Abs. 1 und 3 AVIG) bei
vier verschiedenen Printmedien teilzeitlich als freie Journalistin
tätig gewesen. Die Entlöhnung bemass sich nach Aufwand (Tagessätze)
pro Artikel, wobei diese Beiträge jeweils lediglich wenige Tage in
Anspruch nahmen. Vorher arbeitete die Beschwerdegegnerin in festen
Arbeitsverhältnissen, zunächst als Volontärin (August 1990 bis Dezember
1992), anschliessend bis 31. August 1996 als Redaktorin mit einem 100%igen
Pensum.

    b) Die von der Arbeitslosenkasse angewendete Sonderregelung des
Art. 37 Abs. 3bis AVIV sieht zwar vor, dass bei einem besonderen, in der
Art des Arbeitsverhältnisses oder des branchenüblichen Arbeitszeitkalenders
angelegten Grund für die Lohnschwankungen der versicherte Verdienst aus den
letzten zwölf Kalender- und nicht Beitragsmonaten ermittelt wird, wobei mit
der Wendung "Art des Arbeitsverhältnisses" in erster Linie die in Art. 8
Abs. 1 AVIV genannten Personen gemeint sind (BGE 121 V 173 Erw. 4b),
welche Bestimmung den Beruf des Journalisten ausdrücklich aufführt. Daher
ist die Anwendung des Art. 37 Abs. 3bis AVIV nicht zum Vornherein von
der Hand zu weisen. Auf Grund der Aktenlage steht jedoch fest, dass die
Versicherte rund sechs Jahre als Volontärin und Redaktorin in festen
Arbeitsverhältnissen mit fixem Gehalt tätig war und in den massgeblichen
zwei Jahren lediglich zur Schadensminderung und als Überbrückung bis zur
nächsten Festanstellung als freie Journalistin Aufträge annahm. Dies wird
auch durch die fast ausschliessliche Stellensuche in der angestammten
Tätigkeit sowie durch den Umstand, dass die Beschwerdegegnerin seit
1. August 1999 wieder eine teilzeitliche Festanstellung als Redaktorin
innehat,

glaubhaft dargelegt. Daher ist bei vorliegender Sachlage Art. 37 Abs.
3bis AVIV nicht massgeblich, da bei dieser Art journalistischer Tätigkeit
Lohnschwankungen gerade nicht üblich sind.

    c) Zu Recht erachtet das seco seine interne Verwaltungsweisung für
arbeitslose Personen mit schwankendem Beschäftigungsrad (ALV-Praxis 97/1,
Blatt 11) nicht als massgeblich. Die darin festgelegte differenzierte
Betrachtungsweise sieht vor, dass sich der versicherte Verdienst nach dem
gesuchten Beschäftigungsgrad bemisst, soweit der Versicherte innerhalb
der Rahmenfrist für die Beitragszeit während mindestens sechs Monaten
eine beitragspflichtige Beschäftigung im entsprechenden Umfang ausgeübt
hat. Diese - im Übrigen mit Art. 37 AVIV vereinbare Weisung - erging
zwar ebenfalls mit dem Zweck, dass Versicherten, welche den Verlust
ihrer Arbeitsstelle oder die Reduktion des Beschäftigungsgrades
kurz oder mittelfristig ohne Inanspruchnahme von Leistungen der
Arbeitslosenversicherung zu überbrücken versuchen, nicht zum Nachteil
gereichen soll, wenn sie einen Taggeldanspruch nicht unmittelbar bei
Eintritt der ganzen oder teilweisen Arbeitslosigkeit geltend machen. Die
Beschwerdegegnerin war aber in den massgeblichen letzten zwei Jahren
vor Anmeldung zum Taggeldbezug lediglich rund drei Monate bei der T. AG
vollzeitig angestellt und anschliessend nur noch tageweise tätig, sodass
die Anwendung dieser Weisung ausser Betracht fällt.

    d) Weiter geht der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachte
Einwand fehl, dass die Versicherte bei einer früheren Anmeldung zum
Leistungsbezug einen höheren versicherten Verdienst erlangt hätte. Dies
steht dem Sinn und Zweck der Arbeitslosenversicherung entgegen, deren
Ziel es ist, Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zumindest zu verkürzen
(Art. 17 Abs. 1 AVIG), und nicht, diese möglichst früh zu begründen.

    Daher ist mit kantonalem Gericht die in BGE 112 V 226 Erw. 2c
ergangene Rechtsprechung anzuwenden, welche insoweit nicht überholt ist,
als sie sich auf Arbeitsvertragsverhältnisse bezieht, die vor Eintritt
der Arbeitslosigkeit zur Vermeidung derselben eingegangen wurden
(vgl. THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 304). Mit dem
Inkrafttreten des revidierten Abs. 4 von Art. 23 AVIG bezweckte der
Gesetzgeber mit Bezug auf eine zweite Rahmenfrist für den Leistungsbezug
(BGE 125 V 482 Erw. 1b), eine Schlechterstellung derjenigen Versicherten
zu vermeiden, welche in der ersten Leistungsrahmenfrist einen

Zwischenverdienst erzielt haben, indem die Differenzzahlungen bei der
Festlegung des versicherten Verdienstes so in Rechnung gestellt werden, wie
wenn darauf, entsprechend der Grundregel des Art. 23 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 3 Abs. 1 AVIG, Beiträge nach Massgabe der AHV-Gesetzgebung
erhoben worden wären. Diesbezüglich ist die Rechtsprechung in BGE 112 V 220
gegenstandslos geworden (nicht veröffentlichtes Urteil E. vom 14. Dezember
1998, C 91/98). Folglich wäre mit dem seco in einem solchen Fall der
versicherte Verdienst nach der Regelung des Art. 37 AVIV zu bestimmen,
welcher Sachverhalt hier aber nicht vorliegt. Die Versicherte stellte
erst im Mai 1998 Antrag auf Arbeitslosenentschädigung, was auch erstmals
ihre Arbeitslosigkeit begründete (Art. 10 Abs. 3 AVIG), sodass keine in
einer früheren Leistungsrahmenfrist ausgeübte Zwischenverdiensttätigkeit
vorliegt (Art. 24 Abs. 1 AVIG).

    Während der Rahmenfrist für die Beitragszeit arbeitete
die Beschwerdegegnerin noch vom 20. Mai 1996 bis 31. August 1996
als Redaktorin für die T. AG, sodass die Festlegung des versicherten
Verdienstes aus dieser Tätigkeit auf Fr. 7655.70 nicht zu beanstanden
ist und der vorinstanzliche Entscheid somit Stand hält.