Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 V 183



127 V 183

28. Auszug aus dem Urteil vom 20. April 2001 i. S. Öffentliche
Arbeitslosenkasse Baselland gegen M.B. und zwölf weitere Beschwerdegegner
und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft Regeste

    Art. 51 AVIG; Art. 333 OR: Insolvenzentschädigung. Arbeitnehmer
können unabhängig davon, ob ein Anwendungsfall von Art. 333 OR
(Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Übertragung des Betriebes oder
eines Betriebsteiles auf einen Dritten) vorliegt, Insolvenzentschädigung
beanspruchen, sofern die Voraussetzungen gemäss Art. 51 AVIG in Bezug auf
den bisherigen Arbeitgeber oder die bisherige Arbeitgeberin erfüllt sind.

Sachverhalt

    A.- Die dreizehn im Rubrum als Beschwerdegegner aufgeführten Personen
waren Arbeitnehmer der M. AG und erhielten mehrheitlich für die Monate
Oktober bis Dezember 1997, teilweise bereits für weiter zurückliegende
Monate, keinen Lohn für geleistete Arbeit. Am 1. Dezember 1997 schloss
die M. AG mit der T. AG in Gründung per 1. Februar 1998 einen Kauf-
und Übernahmevertrag ab. Die Gründung der T. AG erfolgte am 9. Dezember
1997. Am 12. Dezember 1997 änderte die M. AG ihre Firma in F. AG. Ein
Grossteil der rubrizierten Arbeitnehmer kündigte am 16. Dezember 1997
das Arbeitsverhältnis mit der M. AG bzw. der F. AG wegen Lohngefährdung
fristlos, anderen hatte die Arbeitgeberin bereits im November 1997 auf
Ende Dezember 1997 gekündigt, einzelne wurden in der T. AG angestellt.

    Mit Verfügungen vom 18. Februar 1998 lehnte die Öffentliche
Arbeitslosenkasse Baselland die Gesuche der im Rubrum aufgeführten
Arbeitnehmer um Insolvenzentschädigung ab. Zur Begründung gab sie an,
die Ausrichtung von Insolvenzentschädigung bei der Übernahme einer Firma
würde zu einer zweckwidrigen Liquidations- bzw. Sanierungshilfe führen.

    B.- Die dreizehn Betroffenen liessen Beschwerde führen mit dem
Rechtsbegehren, die Verfügungen vom 18. Februar 1998 seien aufzuheben
und es seien ihnen Insolvenzentschädigungen samt Zins zu 5% seit
23. Dezember 1997 auszurichten. Nachdem die Arbeitslosenkasse auf ein
Wiedererwägungsgesuch nicht eingetreten war, hiess das Versicherungsgericht
des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerden im Sinne der Erwägungen gut
und wies die Sache zur Prüfung der individuellen Anspruchsvoraussetzungen
sowie zur Berechnung der Insolvenzentschädigungen an die Arbeitslosenkasse
zurück (Entscheid vom 28. April 1999).

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Arbeitslosenkasse
die Aufhebung des kantonalen Entscheides.

    Die dreizehn Arbeitnehmer lassen die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Das Staatssekretariat
für Wirtschaft (seco) schliesst auf Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    D.- Die dreizehn als Beschwerdegegner rubrizierten Personen haben mit
Eingabe vom 11. Februar 2000 mitteilen lassen, dass über die T. AG am 11.
Januar 2000 der Konkurs eröffnet und das Konkursverfahren am 27. Januar
2000 mangels Aktiven eingestellt worden sei. Die bereits seit Einreichung
der Beschwerden beim Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
sistierten Lohnprozesse seien vom Bezirksgericht X daraufhin gemäss
Art. 207 SchKG sistiert worden (Verfügungen vom 27. Januar 2000).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegner nach Massgabe
von Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG Anspruch auf Insolvenzentschädigung
haben. Unter den Parteien besteht Uneinigkeit darüber, ob ein
Betriebsübergang im Sinne von Art. 333 OR vorliegt und, bejahendenfalls,
ob die damit verbundene solidarische Haftung der Erwerberin für die
Lohnforderungen aus den Arbeitsverhältnissen zwischen der Veräusserin und
den Arbeitnehmern den Anspruch auf Insolvenzentschädigung ausschliesst.
Umstritten sind somit die Auswirkungen des Art. 333 OR auf die
insolvenzentschädigungsrechtliche Ordnung.

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG haben beitragspflichtige
Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung
unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, Anspruch
auf Insolvenzentschädigung, wenn gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs
eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen. Die
Insolvenzentschädigung deckt nach Art. 52 Abs. 1 AVIG (in der vom 1. Januar
1996 bis 31. August 1999 geltenden, vorliegend anwendbaren Fassung)
Lohnforderungen für die letzten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses,
für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag nach Artikel 3 Absatz 1;
als Lohn gelten auch die geschuldeten Zulagen.

    b) Der gesetzliche Zweck der Insolvenzentschädigung besteht im
Schutz der Lohnguthaben der Arbeitnehmer und in der Sicherstellung des
Lebensunterhaltes der Arbeitnehmer im Konkursfall des Arbeitgebers (BBl
1980 III 534 f. und 606; BGE 114 V 58 Erw. 3c). Diesem Zweck entsprechend
können nur effektive Lohnansprüche, welche von der versicherten Person
zumindest glaubhaft zu machen sind (Art. 74 AVIV), Gegenstand des Anspruchs
auf Insolvenzentschädigung bilden (ARV 1998 Nr. 12 S. 62 Erw. 3a).

    c) Mit der Ausrichtung der Entschädigung gehen laut Art. 54 Abs. 1 AVIG
die Lohnansprüche des Versicherten im Ausmass der bezahlten Entschädigung
und der von der Kasse entrichteten Sozialversicherungsbeiträge samt
dem gesetzlichen Konkursprivileg auf die Kasse über. Diese darf auf
die Geltendmachung nicht verzichten, es sei denn, das Konkursverfahren
werde durch das Konkursgericht eingestellt (Art. 230 SchKG). Nach der
angeführten Gesetzesbestimmung tritt die Arbeitslosenkasse im Umfang
der von ihr entrichteten Insolvenzentschädigung voll in die Rechte der
Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern ein; die Rechtsstellung der Kasse
entspricht derjenigen der Arbeitnehmer, deren Lohnforderungen sie anstelle
der Arbeitgeber mit gesetzlichem Rückgriffsrecht auf diese bzw. auf die
Konkursmasse befriedigt (BGE 112 V 63 Erw. 2c). Die Arbeitnehmer müssen
allerdings - gemäss der allgemeinen Schadenminderungspflicht - im Konkurs-
oder Pfändungsverfahren alles unternehmen, um ihre Ansprüche gegenüber den
Arbeitgebern zu wahren (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 AVIG; BGE 114 V 59 Erw. 3d;
ARV 1999 Nr. 24 S. 142 f. Erw. 1c).

Erwägung 4

    4.- a) Nach Art. 333 Abs. 1 OR geht das Arbeitsverhältnis mit allen
Rechten und Pflichten mit dem Tage der Betriebsnachfolge auf den Erwerber
über, wenn der Arbeitgeber den Betrieb oder einen Betriebsteil auf einen
Dritten überträgt und der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Der
bisherige Arbeitgeber und der Erwerber des Betriebes haften solidarisch
für die Forderungen des Arbeitnehmers, die vor dem Übergang fällig
geworden sind und die nachher bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den
das Arbeitsverhältnis ordentlicherweise beendigt werden könnte oder bei
Ablehnung des Übergangs durch den Arbeitnehmer beendet wird (Art. 333
Abs. 3 OR).

    b) Der Zweck von Art. 333 Abs. 1 OR in der Fassung vom 25. Juni 1971
bestand ursprünglich nur darin, den Übergang von Unternehmen zu erleichtern
und dem Erwerber des Betriebes die eingearbeiteten Arbeitskräfte nach
Möglichkeit zu sichern; im Übrigen konnte der Erwerber einen Arbeitsvertrag
aus beliebigem Grund kündigen (BGE 114 II 352 Erw. 3). Mit der Revision
vom 17. Dezember 1993, in Kraft seit 1. Mai 1994, wurde die Bestimmung
jedoch der Richtlinie 1977/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur
Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung
von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben
oder Betriebsteilen (ABl. L 61, vom 5. März 1977, S. 26 ff.; modifiziert
durch die Richtlinie 1998/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 [ABl. L 201,
vom 17. Juli 1998, S. 88]) angepasst, mit der die umfassende Wahrung der
Interessen der betroffenen Arbeitnehmer beim Betriebsübergang angestrebt
wird (BGE 123 III 468; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts
vom 25. März 1999, 4C.37/1999; BEAT DENZLER, Zur Tragweite von Art. 333
OR, in: recht 1998 S. 66 ff.; ADRIAN STAEHELIN, Zürcher Kommentar, Der
Arbeitsvertrag: Art. 319-362 OR, 3. Aufl., Zürich 1996, N 1 zu Art. 333 OR;
MANFRED REHBINDER, Berner Kommentar, Kommentar zu den Art. 331-335 OR, Bern
1992, N 2 zu Art. 333 OR; MICHAEL E. WINKLER, Unternehmensumwandlungen
und ihre Auswirkungen auf Arbeitsverträge, Diss. Zürich 2000, S. 29 f.;
WOLFGANG PORTMANN, Individualarbeitsrecht, Zürich 2000, S. 182 Rz 839;
BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Deutsche
Fassung der 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1997, N 3 zu Art. 333 OR;
JÜRG BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., Bern 1996,
N 1 zu Art. 333 OR; vgl. auch GABRIEL AUBERT, Die neue Regelung über
Massenentlassungen und den Übergang von Betrieben, in: AJP 1994 S. 703
f.). Die Auslegung des Betriebsübergangsbegriffs im Sinne von Art. 333 OR
orientiert sich an der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom
25. März 1999, 4C.37/1999, und vom 6. August 1996, 4P.66/1996; WINKLER,
aaO, S. 21 f.; ROLAND A. MÜLLER, Die neuen Bestimmungen über den
Betriebsübergang, in: AJP 1996 S. 150 ff.).

    c) Die erwähnten Interessen der Arbeitnehmer betreffen namentlich
die Vertragsdauer, welche durch den arbeitsrechtlichen Übergang nicht
unterbrochen wird. Nicht beeinträchtigt werden zudem dienstaltersabhängige
Ansprüche wie Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung bei Verhinderung an der
Arbeitsleistung, Gratifikation oder Abgangsentschädigung (PORTMANN, aaO,
S. 182 Rz 839; WINKLER, aaO, S. 63). Zweck der solidarischen Haftung
der alten und neuen Arbeitgeber für die aus den Arbeitsverhältnissen
erwachsenen Forderungen der Arbeitnehmer, die vor der Übergabe fällig
geworden sind und die nachher bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den die
Arbeitsverhältnisse ordentlicherweise beendet werden könnten (Art. 333
Abs. 3 OR), ist der Schutz der Arbeitnehmer vor neuen Arbeitgebern,
deren Bonität sie nicht kennen (BRÜHWILER, aaO, N 5 zu Art. 333 OR).

    d) Im Gegensatz zur Lösung nach altem Recht (BGE 114 II 352 Erw. 3)
geht das Arbeitsverhältnis im Falle eines Betriebsübergangs automatisch
auf die erwerbende Person über, selbst wenn dies gegen deren Willen
geschehen sollte (BGE 123 III 468 Erw. 3b). Die Übernahme der bisherigen
Arbeitsverhältnisse ist seit der Revision von Art. 333 OR Rechtsfolge
und nicht Tatbestandsmerkmal (zur damit verbundenen Erschwernis von
Betriebssanierungen durch Gründung von Auffanggesellschaften: FRANCO
LORANDI, Betriebsübernahmen gemäss Art. 333 OR im Zusammenhang mit
Sanierungen und Zwangsvollstreckungsverfahren, in: Schuldbetreibung und
Konkurs im Wandel, Festschrift 75 Jahre Konferenz der Betreibungs- und
Konkursbeamten der Schweiz, Basel 2000, S. 96 und 101; HANS HOFSTETTER,
Zur Anwendbarkeit von Art. 333 OR bei Unternehmenssanierungen,
in: AJP 1998 S. 927 und 929 f.; RICO A. CAMPONOVO, Übernahme von
Arbeitsverhältnissen gemäss Art. 333 OR bei Unternehmenssanierungen,
in: Der Schweizer Treuhänder, 1998 S. 1417 ff.; WINKLER, aaO, S. 103
ff. mit Hinweisen einerseits auf die in der Literatur vorgeschlagenen
Lösungsansätze zur einschränkenden Anwendung von Art. 333 OR und
anderseits auf die Auswirkungen der neuen Betriebsübergangsrichtlinie
1998/50/EG vom 29. Juni 1998 für die Auslegung von Art. 333 OR; ferner
Entscheid der Kantonalen Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung
Basel-Stadt vom 22. April 1999, publiziert in: BJM 2000 S. 31 ff. und
BlSchK 1999 S. 232 ff.). Die Frage, ob der Erwerber oder die Erwerberin
die Arbeitsverhältnisse tatsächlich übernimmt oder nicht, ist also nur
insoweit von Bedeutung, als sich daraus Rückschlüsse auf die Entwicklung
der betrieblichen Organisation ziehen lassen (nicht veröffentlichtes
Urteil des Bundesgerichts vom 4. September 1998, 4C.221/1998). Eine
Betriebsübertragung im Sinne von Art. 333 OR setzt im Übrigen laut diesem
Urteil keine rechtliche Beziehung zwischen altem und neuem Arbeitgeber
voraus; es genügt, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wieder
aufgenommen wird. Für die Anwendung von Art. 333 OR ist das Vorliegen einer
zivilrechtlichen Übertragung folglich unerheblich (WINKLER, aaO, S. 35;
zu den Konsequenzen des als Vorentwurf des EJPD und des EFD vom Dezember
1997 vorliegenden Bundesgesetzes über die Fusion, Spaltung und Umwandlung
von Rechtsträgern vgl. WINKLER, aaO, S. 38 f.; ferner GASSER/EGGENBERGER,
Vorentwurf zu einem Fusionsgesetz - Grundzüge und ausgewählte Einzelfragen,
in: AJP 1998 S. 457 ff., insbesondere S. 470 f.).

Erwägung 5

    5.- a) Das kantonale Gericht hat die Frage offen gelassen, ob
im vorliegenden Fall ein Betriebsübergang im Sinne von Art. 333
Abs. 1 OR gegeben sei. Die Regelung nach Art. 333 OR und das
Institut der Insolvenzentschädigung würden nebeneinander stehen,
weshalb Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob eine Betriebsübernahme
stattgefunden habe, Anspruch auf Insolvenzentschädigung hätten, sofern
die Voraussetzungen gemäss Art. 51 ff. AVIG gegeben seien. Mache der
Arbeitnehmer Lohnforderungen gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber geltend
und würden diese wegen Insolvenz nicht erfüllt, so bestehe Anspruch auf
Insolvenzentschädigung. Die mit Art. 333 OR privatrechtlich eingeräumte
Wahlfreiheit werde durch die öffentlich-rechtliche Regelung der Art. 51
ff. AVIG nicht eingeschränkt. Eine solche Einschränkung müsste im
AVIG ausdrücklich geregelt sein, was nicht der Fall sei. Bei Zweifeln
über Ansprüche aus Arbeitsvertrag sei die Arbeitslosenversicherung
in analoger Anwendung von Art. 29 AVIG vorleistungspflichtig. Gegen
mögliche Missbräuche stünden ihr gegenüber der konkursiten Gesellschaft
die paulianischen Anfechtungsklagen der Art. 285 ff. SchKG zur Verfügung.

    b) Die Arbeitslosenkasse ist der Ansicht, es lasse sich ohne
Klärung der Bedeutung eines vor Eröffnung des Konkurses über den
vorherigen Arbeitgeber erfolgten Betriebsüberganges für den Anspruch
auf Insolvenzentschädigung nicht entscheiden, ob es der Schutzzweck der
Insolvenzentschädigung und die Ordnung gemäss Art. 333 OR zuliessen,
unter dem Begriff des Arbeitgebers gemäss Art. 51 Abs. 1 AVIG ungeachtet
eines Betriebsüberganges auch den ehemaligen Arbeitgeber zu erfassen. Das
kantonale Gericht verkenne die Absichten des Gesetzgebers, die einer
sachgerechten Auslegung von Art. 333 OR zu Grunde zu legen seien.

    c) Im Ergebnis - so seco und Arbeitslosenkasse - führe die Auffassung
der Vorinstanz dazu, dass Art. 333 OR weitgehend seines Anwendungsbereiches
beraubt und die im Wirtschaftsleben bereits vielfach praktizierte
Methode gewahrt bleibe, sich durch entsprechende Rechtsgestaltungen
der Lohnzahlungspflicht zu entledigen und Lohnkosten wirksam der
Sozialversicherung zu überbinden ("Sozialisierung" von Lohnkosten). Der
Wortlaut des Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG schliesse aus, den Veräusserer
eines Betriebs, über den nach erfolgtem Betriebsübergang der Konkurs
eröffnet wird, weiterhin als Arbeitgeber im Sinne jener Bestimmung zu
betrachten, weil er nicht mehr als Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis
weiterhafte, sondern lediglich auf Grund der gesetzlichen Solidarität
als Solidarschuldner.

    d) Das seco führt an, die Insolvenzentschädigung gewährleiste
keine voraussetzungslose Rückversicherung für die Lohnforderungen
der Arbeitnehmer gegenüber jedem beliebigen Schuldner. Insofern der
Arbeitnehmer von einer Durchsetzung seiner Lohnforderung gegenüber
dem Arbeitgeber auf dem Weg der Zwangsvollstreckung absehe, erweise
sich die Insolvenzentschädigung als subsidiär. In Fällen, in welchen
zum Zweck einer Sanierung eine Betriebsübernahme erfolge und über
den vormaligen Arbeitgeber der Konkurs herbeigeführt werde, könne das
Ziel der Vermeidung einer missbräuchlichen Abwälzung von Lohnkosten auf
die Gemeinschaft der Versicherten nur über eine sach- und zweckgerechte
Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erreicht
werden. Die Tatsache, dass dem Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang in
der Person des Erwerbers ein neuer, solventer Schuldner und Arbeitgeber
gegenüberstehe, schliesse den Anspruch auf Insolvenzentschädigung aus (so
auch LORANDI, aaO, S. 117, der meint, solange der Arbeitnehmer von einer
zwangsvollstreckungsrechtlichen Durchsetzung seiner Lohnforderung gegenüber
dem Betriebsübernehmer absehe, erweise sich die Insolvenzentschädigung
als subsidiär). Durch den automatischen Übergang des Arbeitsverhältnisses
erhielten die Arbeitnehmer für alle ausstehenden Forderungen einen neuen
Schuldner und würden dadurch vom Gläubigerrisiko, mit ihren ungedeckten
Lohnforderungen infolge Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers auszufallen,
befreit. Dieser Bestandesschutz des Arbeitsverhältnisses bilde das
rechtstechnische Instrument, den Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit
des ehemaligen Arbeitgebers zu schützen. Eine Lohnforderung, die sich
wegen Betriebsübergangs primär gegen den Erwerber richte, könne nicht
mehr wegen Konkurses des vormaligen Arbeitgebers im Sinne von Art. 51
AVIG insolvenzbedingt ausfallen, weil der Arbeitgeber weggefallen sei.

    e) Die Beschwerdegegner machen im Wesentlichen geltend, das
Gesetzmässigkeitsprinzip werde verletzt, wenn die Verwaltung als Folge der
Änderung einer Privatrechtsbestimmung auf dem Weg einer restriktiveren
- wirtschaftspolitisch motivierten - Auslegung des Art. 51 Abs. 1 AVIG
Leistungseinschränkungen vornehme, welche das Gesetz nicht kenne. Soweit
die Verwaltung der Meinung sei, infolge der Änderung von Art. 333 OR sei
eine neue Rechtslage geschaffen worden, welche die Frage der Reform der
Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 51 AVIG aufdränge, so sei dafür der
erforderliche Gesetzgebungsprozess einzuleiten. Art. 51 AVIG kenne kein
Anspruchskriterium "Nichtvorhandensein eines Anspruchs gemäss Art. 333 OR".
Eine vorfrageweise Prüfung eines Anspruchs gemäss Art. 333 OR sei nicht
notwendig. Die sozialversicherungsrechtliche Auswirkung von Art. 333
OR bestehe darin, dass der Arbeitslosenkasse nach der Subrogation gemäss
Art. 54 AVIG neu zwei Schuldner zur Verfügung stünden. Geändert hätten sich
nicht die arbeitslosenversicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen,
sondern die privatrechtlichen Grundlagen für den Regress der
Kasse. Schliesslich sei die Auslegung der Verwaltung, wonach mit dem
Betriebsübergang der Arbeitgeber gemäss Art. 51 Abs. 1 AVIG weggefallen
sein solle, gesetzwidrig und verletze die Rechtsgleichheit.

Erwägung 6

    6.- a) Arbeitnehmerschutzrechtliche Bestimmungen müssen gerade dann
greifen, wenn die Gesetze des Marktes unternehmerische Entscheidungen
verlangen (so BGE 116 Ib 276 Erw. 4b bezüglich der Ausnahmen vom
Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot). Aus der Stärkung des Schutzes
der Arbeitnehmer bei Betriebsübernahmen im Sinne einer umfassenden
Wahrung der arbeitsvertraglichen Interessen folgt indessen nicht eine
Entlastung der Arbeitslosenversicherung. Der Zweck des Instituts
der Insolvenzentschädigung im Arbeitslosenversicherungsrecht lässt
deshalb eine Auslegung gemäss der Konzeption der Verwaltung nicht
zu. Lohnforderungen gegenüber den bisherigen Arbeitgebern, die sich
wegen des Betriebsüberganges nun auch gegen die Erwerber richten, können
nach wie vor im Sinne von Art. 51 AVIG geltend gemacht werden. Das
Gesetz knüpft den Anspruch auf Insolvenzentschädigung nicht an die
Bedingung der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeber im Zeitpunkt der
Auflösung der Arbeitsverhältnisse; es wird einzig verlangt, dass den
Arbeitnehmern im Zeitpunkt der Konkurseröffnung Lohnforderungen zustehen
(vgl. SZS 2001 S. 92). Der in Art. 333 Abs. 1 OR geregelte Übergang des
Arbeitsverhältnisses und die Haftungsbestimmung von Art. 333 Abs. 3
OR ändern unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten nichts an der
Arbeitgebereigenschaft der Veräusserer. Entgegen der Auffassung der
Arbeitslosenkasse haften somit vormalige Arbeitgeber, über welche nach
der Übereignung des Betriebes der Konkurs eröffnet wird, gemäss Art. 333
Abs. 1 OR sowohl aus dem ehemaligen Arbeitsverhältnis als auch auf Grund
der gesetzlichen Solidarität (Art. 333 Abs. 3 OR) für die ausstehenden
Lohnforderungen. Den Arbeitnehmern könnte bei einem Betriebsübergang denn
auch in der Regel gar nicht zugemutet werden, ausstehende Lohnforderungen
aus dem früheren Arbeitsverhältnis vorweg gegenüber den neuen Arbeitgebern,
die im Übrigen entgegen der Auffassung des seco nicht immer solvent sein
müssen, zivilprozessual geltend zu machen und vollstreckungsrechtlich
auch durchzusetzen.

    Die insolvenzrechtliche Auswirkung von Art. 333 OR besteht darin,
dass die Arbeitslosenkasse, welche mit der in Art. 54 AVIG geregelten
Subrogation in die Rechte der Arbeitnehmer eintritt, ihre zwingend
auszuübende Regressforderung neu gegenüber zwei Schuldnern, dem bisherigen
Arbeitgeber und dem Betriebserwerber geltend machen kann (so auch WINKLER,
aaO, S. 99; anderer Meinung: THOMAS GEISER, Betriebsübernahmen und
Massenentlassungen im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungsverfahren,
in: HASENBÖHLER/SCHNYDER [Hrsg.], Zivilprozessrecht, Arbeitsrecht,
Kolloquium zu Ehren von Professor Adrian Staehelin, Zürich 1997, S. 113,
welcher die Ansicht vertritt, im Falle der Veräusserung eines Betriebs
im Konkurs hafte der Übernehmer nicht solidarisch für die Forderungen aus
dem Arbeitsverhältnis, die vor Konkurseröffnung entstanden seien - diese
seien ausschliesslich aus der Konkursmasse zu befriedigen und es bestehe
gegenüber der Arbeitslosenkasse ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung).

    Das Sozialversicherungsgericht hat folglich im Rahmen der Beurteilung
des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung nicht zu prüfen (auch nicht
vorfrageweise; vgl. dazu BGE 120 V 382 Erw. 3a mit Hinweisen), ob die
Voraussetzungen des Art. 333 OR erfüllt sind.

    b) Der auf den 1. Mai 1994 revidierte Art. 333 OR führt deshalb nicht
zu einem Koordinationsbedarf. Es ist weder eine neue, restriktivere
Auslegung des unveränderten Art. 51 AVIG noch eine richterliche
Lückenfüllung vorzunehmen. Eine Koordination ist nicht bereits deswegen
notwendig, weil das Arbeitslosenversicherungsrecht in einer besonders
engen Beziehung zum Arbeitsvertragsrecht steht (vgl. als Beispiel BGE 115
V 437, welchem Urteil ein Meinungsaustausch mit der I. Zivilabteilung zu
den arbeitsvertraglichen Grundsatzfragen vorausgegangen ist).

    c) Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus Art. 29 AVIG. Hat
die Kasse begründete Zweifel daran, ob der Versicherte für die Zeit
des Arbeitsausfalls gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber Lohn- oder
Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG hat oder ob
sie erfüllt werden, so zahlt sie Arbeitslosenentschädigung aus (Art. 29
Abs. 1 AVIG). Mit der Zahlung gehen alle Ansprüche des Versicherten
samt dem gesetzlichen Konkursprivileg im Umfang der ausgerichteten
Arbeitslosenentschädigung auf die Kasse über (Art. 29 Abs. 2 Satz 1
AVIG). Art. 29 Abs. 1 AVIG regelt zwei unterschiedliche Tatbestände,
nämlich einerseits den Fall, dass Zweifel darüber bestehen, ob die
versicherte Person überhaupt Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber oder
der Arbeitgeberin hat und anderseits den Fall, dass Zweifel über die
Realisierbarkeit ausgewiesener Ansprüche bestehen (THOMAS NUSSBAUMER,
Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht
[SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 366). Mit der Sonderbestimmung von
Art. 29 Abs. 1 AVIG kommt das Gesetz den Versicherten bei Unsicherheit
über das Bestehen von die Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalles (als eine
der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen) ausschliessenden Ansprüchen
nach Art. 11 Abs. 3 AVIG entgegen, indem es dieses Anspruchsmerkmal im
Sinne einer unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutung als gegeben annimmt
(BGE 126 V 373 Erw. 3a/bb). Die zu Art. 29 Abs. 2 Satz 1 AVIG von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Legalzession sind auf die
Insolvenzentschädigung gemäss Art. 54 Abs. 1 AVIG ebenfalls anwendbar
(BGE 123 V 78 Erw. 2c).

    Art. 29 Abs. 1 und 2 AVIG bestätigen für den vorliegenden Fall somit
sinngemäss, dass die Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Insolvenzentschädigung
unabhängig davon, ob ein Betriebsübergang stattgefunden hat, geltend
machen können.

    d) Die Verwaltung berücksichtigt bei ihrer Argumentation ferner
die Tatsache zu wenig, dass sich die meisten Arbeitnehmer auf Grund
ihrer sozial schwachen Stellung dazu gezwungen sehen, ihre Arbeitskraft
den Übernehmern ebenfalls zur Verfügung zu stellen. Gerade bei einem
Sanierungsfall sind sie kaum in der Lage zu erkennen, wie es sich mit
der Bonität der neuen Gesellschaft verhält. Gesellschaftsrechtliche
Unternehmensumwandlungen können die Realisierbarkeit von
Arbeitnehmerforderungen mit andern Worten gefährden. Der Anspruch auf
Insolvenzentschädigung garantiert den Arbeitnehmerschutz effizienter als
die Solidarhaftung gemäss Art. 333 Abs. 3 OR (vgl. zur Auslegung dieser
Bestimmung: WINKLER, aaO, S. 94 ff.). Dabei ist allerdings einzuräumen,
dass die Insolvenzentschädigung keine volle und voraussetzungslose
Rückversicherung für Lohnforderungen der Arbeitnehmer garantiert.

    Machen Arbeitnehmer von dem in Art. 333 Abs. 1 OR verankerten
Ablehnungsrecht (vgl. Art. 333 Abs. 2 OR) Gebrauch, wäre es
für sie tatsächlich und rechtlich schwierig, die ihnen gegen die
ehemaligen Arbeitgeber zustehenden Lohnansprüche bei den Übernehmern
geltend zu machen. Dieses Hindernis entfällt bei einem Anspruch auf
Insolvenzentschädigung. Um im Rahmen von Unternehmenssanierungen der
von der Arbeitslosenkasse befürchteten missbräuchlichen Abwälzung
von Lohnkosten auf die Versichertengemeinschaft entgegenzutreten (zur
rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung: BGE 123 V 238 Erw. 7b/bb mit
Hinweisen), hat die Arbeitslosenversicherung allerdings ihrer Pflicht
nachzukommen, ihre Forderungen auf dem Regressweg geltend zu machen
(Art. 54 Abs. 1 Satz 2 AVIG; BGE 123 V 77 Erw. 2c).

    e) Nach dem Gesagten entspricht die Leistungspflicht der
Arbeitslosenkasse für die umstrittene Insolvenzentschädigung und
das Regressrecht der Verwaltung der geltenden Rechtslage. Wie die
Beschwerdegegner zutreffend ausführen, ist es gegebenenfalls Sache des
Gesetzgebers, der von der Verwaltung dargelegten und gewünschten Konzeption
zur Lösung des Problems der rückständigen Arbeitnehmerforderungen zum
Durchbruch zu verhelfen (vgl. die Lösungsvorschläge de lege ferenda von
LORANDI, aaO, S. 110 ff.).

Erwägung 7

    7.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens braucht nicht geprüft zu werden,
wie es sich mit den Kündigungen der Arbeitsverhältnisse verhält. Die
Verwaltung vertritt die Auffassung, diese Kündigungen seien aus Anlass
der Betriebsübernahme und im Interesse der Erwerberin, somit in Umgehung
von Art. 333 OR erfolgt. Diesbezüglich ist immerhin darauf hinzuweisen,
dass nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichts als auch des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften eine ausschliesslich im
Hinblick auf einen Betriebsübergang ausgesprochene Kündigung nicht gültig
ist; offen gelassen hat das Bundesgericht allerdings die Konsequenzen einer
Kündigung mit dem Zweck, den Rechtsfolgen des Art. 333 OR zu entgehen
(nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 7. Januar 1999,
4C.333/1998; zum Bestandesschutz übergehender Arbeitsverhältnisse
vgl. WINKLER, aaO, S. 108 ff., der - ebenso wie die Botschaft I über
die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht vom 27. Mai 1992 [BBl
1992 V 402] - zum Schluss kommt, auf Grund von Art. 333 OR bestehe kein
erhöhter Kündigungsschutz).

Erwägung 8

    8.- Zusammenfassend ergibt sich, dass die Übernahmeregelung
gemäss dem revidierten Art. 333 OR und das Institut der
Insolvenzentschädigung sich nicht gegenseitig ausschliessen. Es
kann keine Rede davon sein, dass zwingendes Arbeitsvertragsrecht im
Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Leistungen zur Disposition
gestellt wird. Entgegen der Auffassung der Arbeitslosenkasse und des
seco gibt es de lege lata weder ein Konkurrenzproblem noch wird die
arbeitslosenversicherungsrechtliche durch die arbeitsprivatrechtliche
Leistungspflicht verdrängt. Es ist mit anderen Worten für das Bestehen
eines Anspruchs auf Insolvenzentschädigung unerheblich, ob eine
Übertragung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden hat. Daraus folgt,
dass Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob ein Anwendungsfall von Art. 333
OR vorliegt, Insolvenzentschädigung beanspruchen können, sofern die
Voraussetzungen gemäss Art. 51 AVIG in Bezug auf den bisherigen Arbeitgeber
oder die bisherige Arbeitgeberin erfüllt sind. Dieser Anspruch ergibt
sich auch aus der in der gesetzlichen Ordnung der Insolvenzentschädigung
begründeten Vorleistungspflicht (BGE 112 V 70 Erw. 4; ARV 1990 Nr. 8
S. 53 Erw. 2). Die Arbeitslosenkasse anderseits kann ihr Regressrecht,
das sie zwingend auszuüben hat (BGE 123 V 77 Erw. 2b), gemäss Art. 54
AVIG gegenüber den bisherigen wie auch gegenüber den neuen Arbeitgebern
geltend machen.

Erwägung 9

    9.- (Gerichtskosten und Parteientschädigung)