Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 V 119



127 V 119

19. Auszug aus dem Urteil vom 5. Juni 2001 i. S. A. gegen Ausgleichskasse
für das schweizerische Bankgewerbe und Verwaltungsgericht des Kantons
Freiburg Regeste

    Art. 35 Abs. 1 und 3 AHVG; Art. 68 Abs. 3 AHVV; Art. 29 Abs. 2 BV:
Eröffnung von Rentenverfügungen. In Fällen, in welchen die Voraussetzungen
der Plafonierung der Individualrenten von Ehepaaren gegeben sind, hat
die Verwaltung beide Rentenverfügungen beiden Ehegatten zu eröffnen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Im kürzlich ergangenen BGE 126 V 455 hat das Eidg.
Versicherungsgericht das Recht zur Beschwerdeerhebung nach Art. 84 Abs. 1
AHVG auch für den Ehegatten des Adressaten einer auf Grund des AHVG
erlassenen Verfügung bejaht, wenn und soweit sich der Verwaltungsakt
unmittelbar oder allenfalls in einem späteren Zeitpunkt auf die Höhe
seiner Altersrente auswirkt oder auswirken kann. Ist der Ehegatte im
dargelegten Sinne betroffen, ist er, soweit beschwert, auch legitimiert,
gegen den Entscheid der kantonalen Rekursbehörde gemäss Art. 84 Abs. 2
und Art. 85 Abs. 1 AHVG Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben
(Art. 103 lit. a OG), und zwar ungeachtet, ob er die Verfügung angefochten
hatte oder nicht. Für den (gesamten) verwaltungsgerichtlichen Prozess
ergibt sich daraus folgerichtig für den Fall, wo nur der Ehegatte,
der nicht Verfügungsadressat war, Beschwerde erhoben hat, dass der
Verfügungsadressat ins Verfahren miteinzubeziehen ist, als Partei,
wenn er eigene Rechtsbegehren stellt, oder dann als Mitinteressierter
(BGE 126 V 459 Erw. 2d mit Hinweisen).

    b) Das Eidg. Versicherungsgericht hat im zitierten Urteil unter dem
Gesichtspunkt des Betroffen-Seins beider Ehegatten namentlich auch auf den
im Rahmen der 10. AHV-Revision neu gefassten, am 1. Januar 1997 in Kraft
getretenen Art. 35 AHVG hingewiesen. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesbestimmung
beträgt die Summe der beiden Altersrenten eines Ehepaares (lit. a),
oder wenn ein Ehegatte Anspruch auf eine Altersrente und der andere
Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat (lit. b), maximal
150% des Höchstbetrages der Altersrente. Als Folge der Plafonierung der
"Summe der beiden Renten für Ehepaare" (so die Überschrift zu Art. 35
AHVG) kann also die Höhe der Altersrente (oder Invalidenrente) eines
Ehegatten von Anfang an oder nachträglich reduziert werden, und zwar
im Verhältnis ihres Anteils an der Summe der ungekürzten Renten (Art. 35
Abs. 3 AHVG). Diese Regel greift allerdings nicht und eine Kürzung entfällt
bei Ehepartnern, deren gemeinsamer Haushalt richterlich aufgehoben wurde
(Art. 35 Abs. 2 AHVG; zur ratio legis dieser Bestimmung [Gleichstellung
mit Einzelpersonen und Konkubinatspaaren] vgl. die in BGE 126 V 459
Erw. 2c/bb in fine angeführten Gesetzesmaterialien).

    c) Angesichts der gesetzlich verankerten starren Koppelung der
plafonierten Individualrenten von Ehepaaren (die Erhöhung der einen Rente
bewirkt grundsätzlich die zwangsläufige Senkung der andern) sind beide
Ehegatten vom Entscheid über die Rente des jeweils anderen Ehegatten
direkt betroffen. Unter verfahrensrechtlichem Blickwinkel drängt es sich
deshalb auf, dass die Verwaltung in Fällen, in denen die Voraussetzungen
der Plafonierung gegeben sind, als Ausfluss des verfassungsrechtlichen
Gehörsanspruchs (Art. 29 Abs. 2 BV) beide Rentenverfügungen beiden
Ehegatten eröffnet (vgl. BGE 113 V 4 Erw. 3a; ferner Praxis 1998 Nr. 26
S. 171 Erw. 3a). Diese in BGE 126 V 459 Erw. 2d in fine ausdrücklich
offen gelassene Frage ist demnach zu bejahen.

    Ist eine Verfügung über eine plafonierte Individualrente nur dem
Verfügungsadressaten eröffnet worden und hat dieser Beschwerde erhoben,
muss das erstinstanzliche Gericht entweder den anderen Ehegatten
beiladen oder die Sache an die Verwaltung zurückweisen, damit letztere
dessen Verfahrensrechte wahre (durch Zustellung der angefochtenen
Rentenverfügung auch an den mitbetroffenen Ehegatten, der diesbezüglich
nicht Verfügungsadressat ist; vgl. BGE 113 V 5 Erw. 4a mit Hinweisen;
ferner Praxis 1998 Nr. 26 S. 171 Erw. 3a in fine; vgl. auch RKUV 1997
Nr. U 270 S. 143, Nr. U 276 S. 196 Erw. 2, je mit Hinweisen).