Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 V 10



127 V 10

2. Urteil vom 3. Januar 2001 i. S. Sozialversicherungsanstalt des Kantons
St. Gallen gegen A. und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Regeste

    Art. 3b Abs. 1 lit. b, Art. 5 Abs. 1 lit. b, Art. 19 Abs. 2 ELG; Art.
16c Abs. 1 und 2 ELV: Mietzinsabzug. Die in Art. 16c ELV statuierte
Mietzinsaufteilung bei gemeinsam bewohnter Wohnung ist gesetzmässig.

Sachverhalt

    A.- Die 1932 geborene A. bezieht Ergänzungsleistungen, welche zuletzt
mit Verfügung vom 17. Juli 1997 auf monatlich 950 Franken festgesetzt
worden waren. Von diesem Betrag entfielen 143 Franken auf die kantonale
(so genannte ausserordentliche) Ergänzungsleistung. Auf Anfrage der
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen vom September 1997
hin teilte die Versicherte am 14. Oktober 1997 mit, sie bezahle einen
Bruttomietzins von jährlich 11'400 Franken; im gleichen Haushalt lebe
auch ihre 14-jährige Enkelin. Die Sozialversicherungsanstalt berechnete
daraufhin den Anspruch auf Ergänzungsleistungen neu. Dabei nahm sie in
Berücksichtigung der im gleichen Haushalt wohnenden Enkelin einen auf die
Hälfte reduzierten Mietzinsabzug vor und setzte die Ergänzungsleistungen
mit Verfügung vom 6. Januar 1998 rückwirkend ab 1. Januar 1998 auf
insgesamt 583 Franken (440 Franken bundesrechtliche und 143 Franken
kantonalrechtliche Ergänzungsleistungen) im Monat herab.

    B.- Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 30. September 1998 gut, hob
die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zur Neuberechnung der
Ergänzungsleistungen unter Berücksichtigung des vollen Mietzinsabzuges
an die Verwaltung zurück.

    C.- Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei die Verfügung vom 6. Januar 1998 zu
bestätigen.

    A. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) beantragt
Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

        Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Soweit sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf die Höhe
der ausserordentlichen Ergänzungsleistung bezieht, kann darauf nicht
eingetreten werden, weil diese Leistungen auf kantonalem Recht beruhen. Zu
prüfen ist deshalb vom Eidg. Versicherungsgericht lediglich die Höhe des
Anspruchs auf bundesrechtliche Ergänzungsleistungen (vgl. BGE 124 V 146
Erw. 1).

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 2 Abs. 1 ELG (in der ab 1. Januar 1998 gültigen
Fassung) haben Schweizer Bürger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt
in der Schweiz Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn sie eine der
Voraussetzungen nach den Art. 2a-2d ELG erfüllen und die gesetzlich
anerkannten Ausgaben (Art. 3b ELG) die anrechenbaren Einnahmen (Art. 3c
ELG) übersteigen. Dabei entspricht die jährliche Ergänzungsleistung
dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen
übersteigen (Art. 3a Abs. 1 ELG in der ab 1. Januar 1998 gültigen Fassung).

    b) Auf Grund der bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen EL-Ordnung
konnten die Kantone bei Alleinstehenden vom Einkommen einen Abzug
von höchstens 11'200 Franken für den Mietzins zulassen, soweit er bei
Alleinstehenden 800 Franken im Jahr überstieg (alt Art. 4 Abs. 1 lit. b
ELG). Für die Nebenkosten konnten sie einen jährlichen Pauschalabzug von
höchstens 600 Franken für Alleinstehende in den Mietzinsabzug einschliessen
(alt Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG). Im Hinblick auf den nach alt Art. 4
Abs. 1 lit. b ELG zulässigen Mietzinsabzug hatte die Rechtsprechung
den Grundsatz aufgestellt, dass bei gemeinsam gemieteten Wohnungen der
Gesamtbetrag des Mietzinses in der Regel auf die einzelnen Mitbewohner
gleichmässig aufzuteilen sei. Die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls
könnten indessen nahelegen, von der allgemeinen Regel abzuweichen, so
etwa dann, wenn eine Person den grössten Teil der Wohnung belegt, oder
wenn ein Versicherter vom Mitbewohner keinen Mietzinsanteil beansprucht,
weil dieser ihn betreut (BGE 105 V 271; ZAK 1974 S. 556 Erw. 2).

    Nach den im Rahmen der 3. ELG-Revision geänderten Bestimmungen (in
Kraft seit 1. Januar 1998) werden die anrechenbaren Ausgaben in Art. 3b
ELG umschrieben. Als Ausgaben anrechenbar sind danach u.a. der Mietzins
einer Wohnung und die damit zusammenhängenden Nebenkosten (Art. 3b Abs. 1
lit. b ELG). Die Kantone legen den Betrag fest für die Mietzinsausgaben
nach Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG, höchstens aber 12'000 Franken im Jahr
bei Alleinstehenden (Art. 5 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 ELG). Gemäss dem neu
in die Verordnung eingefügten Art. 16c ELV ist der Mietzins auf die
einzelnen Personen aufzuteilen, wenn Wohnungen oder Einfamilienhäuser
auch von Personen bewohnt werden, welche nicht in die EL-Berechnung
eingeschlossen sind; die Mietzinsanteile der Personen, welche nicht in
die EL-Berechnung eingeschlossen sind, werden bei der Berechnung der
jährlichen Ergänzungsleistung ausser Betracht gelassen. Gemäss Abs. 2
dieser Verordnungsbestimmung hat die Aufteilung grundsätzlich zu gleichen
Teilen zu erfolgen.

Erwägung 3

    3.- a) Die Sozialversicherungsanstalt begründet die Neuberechnung der
Ergänzungsleistung, welche zur Verfügung vom 6. Januar 1998 führte, mit den
im Rahmen der 3. ELG-Revision durchgeführten und auf den 1. Januar 1998
in Kraft getretenen Gesetzes- und Verordnungsänderungen. Während bisher
gestützt auf die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts bei von
mehreren Personen gemieteten Wohnungen der Gesamtmietzins in der Regel auf
die einzelnen Personen gleichmässig zu verteilen und in Sonderfällen je
nach den konkreten Verhältnissen eine andere Aufteilung vorzunehmen gewesen
sei, sehe Art. 16c ELV keine Ausnahmen vor, und es sei auch nicht mehr von
gemeinsam gemieteten Wohnungen die Rede. Vorausgesetzt werde lediglich,
dass eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus von mehreren Personen bewohnt
werde. Die Verordnungsbestimmung lasse im Einzelfall einzig noch in Bezug
auf die konkrete Aufteilung einen Spielraum offen, indem vom Grundsatz der
gleichmässigen Aufteilung abgewichen werden könne. Mit dem neuen Art. 16c
ELV sei somit eine Rechtsänderung eingetreten, welche ein Zurückkommen
auf die formell rechtskräftige Verfügung vom 17. Juli 1997 erforderlich
gemacht habe.

    b) Die Vorinstanz kommt im angefochtenen Entscheid dagegen zum Schluss,
die Änderungen der gesetzlichen Ordnung liessen die zu beurteilende
Streitfrage unberührt. Den Erläuterungen zu den neuen ELV-Bestimmungen sei
zudem zu entnehmen, dass auf Verordnungsstufe Grundsätze festgelegt werden
sollten, weil bisher die Mietzinsaufteilung nur in den bundesamtlichen
Weisungen enthalten und somit für die Gerichte nicht bindend gewesen sei.
Daraus ergebe sich, dass keine objektive Rechtsänderung eingetreten
sei. Die bisherige Praxis und Rechtsprechung behielten daher ihre
Gültigkeit. Beim Erlass der Verwaltungsverfügung habe somit hinsichtlich
der rechtskräftig erledigten Frage, ob der Mietzins aufzuteilen sei,
keine neue Anordnung getroffen werden dürfen.

Erwägung 4

    4.- a) Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts gilt die
formelle Rechtskraft einer Verfügung über Dauerrechtsverhältnisse nicht
voraussetzungslos (BGE 115 V 312 Erw. 4a; MEYER-BLASER, Die Abänderung
formell rechtskräftiger Verwaltungsverfügungen in der Sozialversicherung,
in: ZBl 1994 S. 348 ff.; ALEXANDRA RUMO-JUNGO, Die Instrumente zur
Korrektur der Sozialversicherungsverfügung, in: Verfahrensfragen in
der Sozialversicherung, St. Gallen 1996, S. 277 ff.). Diese beschränkt
sich vielmehr auf den Sachverhalt und die Rechtslage zur Zeit des
Verfügungserlasses. Nun kann aber der Sachverhalt schon zur Zeit des
Erlasses der Verfügung unrichtig festgestellt worden sein oder er kann
sich nachträglich ändern. Ebenso kann die Verfügung auf einer anfänglich
unrichtigen Rechtsanwendung beruhen oder die objektive Rechtslage kann sich
nach Verfügungserlass ändern (BGE 115 V 312 f. Erw. 4a; UELI KIESER, Die
Abänderung der formell rechtskräftigen Verfügung nach der Rechtsprechung
des EVG - Bemerkungen zu Revision, Wiedererwägung und Anpassung, in:
SZS 1991 S. 132 ff.).

    b) Das Eidg. Versicherungsgericht beantwortet die Frage nach der
Tragweite der formellen Rechtskraft nach vier Gesichtspunkten (BGE 115 V
312 f. Erw. 4a; RÜEDI, Die Verfügungsanpassung als verfahrensrechtliche
Grundfigur namentlich von Invalidenrentenrevisionen, in: Die
Revision von Dauerleistungen in der Sozialversicherung, St. Gallen
1999, S. 12). Erstens soll im Rahmen der prozessualen Revision (als
Rechtsprinzip des Sozialversicherungsrechts zur Verwirklichung des
materiellen Rechts) eine Verfügung zurückgenommen werden können,
die auf von Anfang an fehlerhaften tatsächlichen Grundlagen beruht
(BGE 112 V 371 Erw. 2a). Zweitens steht die formelle Rechtskraft einer
Verfügung über ein Dauerrechtsverhältnis unter dem Vorbehalt, dass nach
Verfügungserlass keine erheblichen tatsächlichen Änderungen eintreten,
welche mittels Leistungs- oder Rentenrevision zu berücksichtigen sind. Der
Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung unter Einschluss
der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung im Sinne der Würdigung des
Sachverhalts dient drittens die Wiedererwägung als allgemeiner Grundsatz
des Sozialversicherungsrechts (BGE 122 V 21 Erw. 3a, 173 Erw. 4a, 271
Erw. 2, 368 Erw. 3, 121 V 4 Erw. 6, je mit Hinweisen). Viertens gilt es
schliesslich zu beurteilen, wie es sich mit der formellen Rechtskraft einer
Verfügung bei nachträglicher Änderung der objektiven Rechtslage verhält
(BGE 121 V 161 Erw. 4a und 108 V 119 Erw. 5 bezüglich Rechtsänderung
durch eine neue gesetzliche Norm; BGE 121 V 162 Erw. 4a, 120 V 131 Erw. 3b
und c, 115 V 314 Erw. 4a/dd und 112 V 394 Erw. 3c bezüglich einer neuen
Verwaltungspraxis oder einer neuen Rechtsprechung).

    c) Nicht zur Diskussion stehen im vorliegenden Fall die prozessuale
Revision, die Anpassung der rechtskräftigen Verfügung vom 17. Juli
1997 an geänderte tatsächliche Verhältnisse (vgl. Art. 25 ELV) oder die
Wiedererwägung wegen zweifelloser Unrichtigkeit und erheblicher Bedeutung
ihrer Berichtigung. Hingegen ist der vierte Gesichtspunkt zu beurteilen. Ob
Änderungen des objektiven Rechts seit Verfügungserlass das Eingreifen
in ein rechtskräftig geregeltes Dauerrechtsverhältnis rechtfertigen,
wird von der Rechtsprechung differenziert beantwortet. Besteht die
Rechtsänderung in einem Eingriff des Gesetzgebers, somit in einer neuen für
den Anspruch erheblichen Norm, so ist - die Existenz wohlerworbener Rechte
vorbehalten - die Anpassung der Verfügung über ein Dauerrechtsverhältnis
nicht nur erlaubt, sondern gefordert. Besteht aber die Änderung des
massgebenden Rechts lediglich in einer neuen gerichtlich bestätigten
Verwaltungspraxis oder einer neuen Rechtsprechung, so darf die Verfügung
über das Dauerrechtsverhältnis grundsätzlich nicht angetastet werden;
eine solche Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an eine
neue gerichtlich bestätigte Verwaltungspraxis oder eine neue Rechtsprechung
ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt (BGE 121 V 161 Erw. 4a).

Erwägung 5

    5.- Was die Mietzinsaufteilung auf verschiedene Personen betrifft,
enthält Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG ebenso wenig eine besondere Anordnung
wie der frühere Art. 4 Abs. 1 lit. b ELG. Im Gesetz selber deutet somit
nichts auf eine Rechtsänderung hin. Hingegen ist mit Art. 16c ELV eine
neue Bestimmung in die Verordnung aufgenommen worden, welche von der
bisherigen Praxis abweicht. Es ist daher zu prüfen, ob der Bundesrat mit
der Schaffung der darin enthaltenen Grundsätze über die Mietzinsaufteilung
die Schranken der ihm zustehenden Befugnisse eingehalten hat.

    a) (Überprüfung von Verordnungen des Bundesrates durch das Eidg.
Versicherungsgericht; vgl. BGE 127 V 7, Erw. 5a mit Hinweisen).

    b) Das Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung ermächtigt den Bundesrat
nicht zum Erlass ergänzender (gesetzesvertretender) Vorschriften
über die Mietzinsaufteilung. Damit steht ihm nur das Recht zu,
Ausführungsvorschriften zu erlassen. Die Kompetenz des Bundesrates
zum Erlass von Vollziehungsverordnungen ist in der allgemeinen, von
Art. 182 Abs. 2 BV eingeräumten Vollzugskompetenz enthalten (vgl. zu
Art. 102 Ziff. 5 aBV HÄFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht,
4. Aufl., Zürich 1998, Rz 1004 sowie BGE 125 V 273 Erw. 6b). Art. 19
Abs. 2 ELG wiederholt diese Vollzugskompetenz, indem er den Bundesrat
mit dem Erlass der Ausführungsbestimmungen beauftragt. Ausführungs-
bzw. Vollzugsverordnungen kommt die Funktion zu, die gesetzlichen
Bestimmungen zu konkretisieren und gegebenenfalls untergeordnete Lücken zu
füllen, soweit dies für den Vollzug des Gesetzes erforderlich ist. Diese
Ausführungsbestimmungen müssen sich jedoch an den gesetzlichen Rahmen
halten und dürfen insbesondere keine neuen Vorschriften aufstellen,
welche die Rechte der Bürger beschränken oder ihnen neue Pflichten
auferlegen, selbst wenn diese Regeln mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar
wären. Vollzugsbestimmungen sind zudem nur in dem Umfang zulässig, als
das Gesetz dafür Raum lässt und nicht bewusst auf eine präzisere Regelung
der betreffenden Frage verzichtet (BGE 126 II 291 Erw. 3b mit Hinweis).

    c) Der Gesetzgeber hat in Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG für die
Ergänzungsleistungsberechnung den Grundsatz der Anerkennung des
Mietzinses einer Wohnung und der damit zusammenhängenden Nebenkosten
als Ausgaben aufgestellt, und er hat in Art. 5 Abs. 1 lit. b ELG den
Höchstbetrag festgelegt, den die Kantone im Rahmen ihrer Kompetenz als
Mietzinsausgaben anrechnen können. Art. 16c ELV bezeichnet lediglich,
wann eine Aufteilung des Mietzinses zu erfolgen hat (Abs. 1) und wie
aufzuteilen ist (Abs. 2). Während das Gesetz somit die grundsätzliche
Anrechenbarkeit des Mietzinsabzuges regelt, beantwortet die Verordnung
die für den Vollzug von Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG bedeutsame, sich in
der Praxis wiederholt stellende, im Gesetz aber nicht beantwortete Frage,
was unter dem Titel des Mietzinses anzurechnen ist. Damit handelt es sich
bei Art. 16c ELV um eine typische Vollzugsbestimmung.

    d) Des Weitern erweist sich die neu in die Verordnung aufgenommene
Bestimmung von Art. 16c ELV als eine sachgerechte Regelung, die
auf einer überzeugenden Auslegung des Gesetzes beruht, geht es doch
darum, die indirekte Mitfinanzierung von Personen, die nicht in die
Ergänzungsleistungsberechnung eingeschlossen sind, zu verhindern (AHI
1998 S. 34). Daher ist als Grundregel immer dann eine Aufteilung des
Gesamtmietzinses vorzunehmen, wenn sich mehrere Personen den gleichen
Haushalt teilen (Art. 16c Abs. 1 ELV). Der Verordnungsgeber hat aber
auch erkannt, dass eine Aufteilung nach Köpfen im Einzelfall zu einem
stossenden Ergebnis führen kann. Absatz 2 der Verordnungsbestimmung
lässt deshalb Ausnahmen in Sonderfällen zu (AHI 1998 S. 34). Das
Eidg. Versicherungsgericht hat keinen Anlass, diese Regelung als
gesetzwidrig anzusehen. Bildet Art. 3b Abs. 1 lit. b in Verbindung mit
Art. 19 Abs. 2 ELG eine genügende gesetzliche Grundlage für die Normierung
der Mietzinsaufteilung auf Verordnungsstufe, verstösst es nicht gegen die
Gewaltenteilung, wenn der Verordnungsgeber eine Vollzugsbestimmung erlässt,
ohne dass sich das Gesetz geändert hätte, sofern sich die Regelung - wie
hier - im Rahmen des geltenden Gesetzes hält. Die gesetzesvollziehende
Behörde kann ihr Recht im Rahmen der Regelungen des formellen Gesetzes
den laufenden Bedürfnissen anpassen, wenn sich Vollzugsbestimmungen
aufdrängen oder wenn sich bisherige Vollzugsbestimmungen nicht bewährt
haben. Unter diesen Voraussetzungen ist er dabei nicht an die auf Grund
bisherigen Rechts ergangene Rechtsprechung gebunden.

Erwägung 6

    6.- Ist mit Art. 16c ELV eine neue Rechtslage eingetreten und hält
sich diese Bestimmung in den Schranken der Gesetzesordnung, ist weiter
zu prüfen, ob die Verwaltung den Mietzinsabzug der Versicherten zu Recht
auf die Hälfte reduziert hat.

    a) Nach Auffassung des kantonalen Gerichts ist eine hälftige
Aufteilung des Mietzinses nicht zulässig. Dies sei auch nach der neuen
Verordnungsbestimmung nur bei einer gemeinsam gemieteten Wohnung oder
einem entgeltlichen Mietverhältnis möglich. Diese Voraussetzungen seien
im vorliegenden Fall indessen nicht erfüllt. Die Versicherte habe infolge
der Aufnahme ihrer Enkelin keine grösseren Mietausgaben auf sich genommen,
als sie für sich selber hätte tätigen müssen. Sie habe auch nicht bezweckt,
die Wohnkosten aufzuteilen und auf diese Weise für die einzelne Partei
zu senken. Zudem habe die Enkelin lediglich von Montag bis Freitag bei
ihrer Grossmutter gewohnt. Auch könne nicht von einer ungerechtfertigten
Belastung der Ergänzungsleistungen mit Wohnungskosten, für die tatsächlich
ein Dritter aufkomme, gesprochen werden.

    Das BSV hält dem entgegen, es sei nicht einfach die bisherige
Rechtsprechung Verordnungstext geworden. Nach Art. 16c ELV sei es nicht
mehr nötig, dass eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus gemeinsam gemietet
sei; gemeinsames Bewohnen genüge.

    b) Der Vorinstanz kann insofern nicht beigepflichtet werden,
als sie annimmt, eine Aufteilung des Mietzinses sei nur dann möglich,
wenn die Wohnung gemeinsam gemietet oder das Mietverhältnis entgeltlich
sei. Hätte der Bundesrat die bisherige Praxis (vgl. BGE 105 V 271) in die
Verordnung aufnehmen wollen, hätte er dies tun können. Nach dem Wortlaut
von Art. 16c ELV gibt jedoch bereits das gemeinsame Bewohnen Anlass für
eine Mietzinsaufteilung. Der französische Text spricht von "aussi occupés
par" und der italienische von "sono occupati anche da". Davon geht auch Rz
3023 der vom BSV herausgegebenen Wegleitung über die Ergänzungsleistungen
zur AHV und IV (WEL) in der seit 1. Januar 1998 gültigen Fassung
aus. Laut dieser Verwaltungsweisung ist für die Berechnung der jährlichen
Ergänzungsleistung der Mietzins (inklusive Nebenkosten) zu gleichen Teilen
auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn mehrere Personen in einer
Wohnung oder einem Einfamilienhaus wohnen. Etwas anderes lässt sich auch
den Erläuterungen des BSV (AHI 1998 S. 34) nicht entnehmen. Beachtenswerte
Gründe, welche gegen eine andere Verordnungsauslegung sprechen, sind
weder dargetan noch ersichtlich. Anknüpfungspunkt ist somit nicht mehr
wie nach bisheriger Praxis ein üblicherweise entgeltliches Mietverhältnis
(BGE 105 V 272 Erw. 1), sondern das gemeinsame Bewohnen.

    c) Nach Art. 16c Abs. 2 ELV hat die Aufteilung grundsätzlich zu
gleichen Teilen zu erfolgen. Gemäss den Erläuterungen des BSV zur Änderung
der ELV auf den 1. Januar 1998 sind Ausnahmen in Sonderfällen möglich,
was mit dem Begriff "grundsätzlich" ausgedrückt werde (AHI 1998 S. 34). In
Rz 3023 WEL wird dazu ausgeführt, wenn eine Person den grössten Teil der
Wohnung für sich in Anspruch nehme, könne je nach den Verhältnissen eine
andere Aufteilung vorgenommen werden.

    Wie den Angaben der Versicherten im vorinstanzlichen Verfahren zu
entnehmen ist, wohnt die Enkelin lediglich während der Schulzeit von Montag
bis Freitag bei der Grossmutter. Das Wochenende und die Ferien verbringt
sie abwechslungsweise bei ihren geschiedenen Eltern. Somit verbringt sie
gerade jene Zeit, in der sie ihr Zimmer und die Gemeinschaftsräume intensiv
nutzen würde, bei ihren Eltern. Die Gemeinschaftsräume dienen somit zum
grösseren Teil der Beschwerdegegnerin. Diese hat auch nicht etwa wegen
ihrer Mitbewohnerin eine teurere oder grössere Wohnung bezogen. Vielmehr
ist davon auszugehen, dass sie dieselbe Wohnung auch gewählt hätte, wenn
sie allein wohnen würde. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen,
dass die Wohnung von der Enkelin lediglich zu etwa einem Drittel genutzt
wird. Die Auffassung der Sozialversicherungsanstalt, wonach der Mietzins
hälftig auf die Bewohnerinnen aufzuteilen sei, da die 14 Jahre alte
Enkelin etwa die Hälfte des Wohnraumes beanspruche, kann auch deshalb
nicht geteilt werden, weil die eigentliche Herrschaft über die Wohnung
einzig bei der Beschwerdegegnerin verbleibt.