Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 II 129



127 II 129

13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Januar
2001 i.S. X. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 24a Abs. 1 und Art. 7 Abs. 3 lit. b VZV; Kontrollfahrt,
vertrauensärztliche Untersuchung.

    Die Kontrollfahrt kann angeordnet werden zur Abklärung, ob ein älterer
auffälliger Lenker noch als geeignet erscheint. Die bei Ausweisinhabern
von mehr als 70 Jahren alle zwei Jahre durchzuführende vertrauensärztliche
Untersuchung schliesst eine Kontrollfahrt nicht aus.

Sachverhalt

    A.- 1. X. (geb. 1929) fuhr am 6. November 1999, um 10.35 Uhr, mit ihrem
Personenwagen auf der Altersheimstrasse in Galgenen und beabsichtigte,
in die Kantonsstrasse einzufahren, um nach links in Richtung Lachen zu
fahren. Die Altersheimstrasse ist mit dem Signal 3.02 (Kein Vortritt)
signalisiert und mit der Markierung "Wartelinie 6.13" versehen. X. übersah
einen aus Richtung Lachen kommenden vortrittsberechtigten Personenwagen
und fuhr diesem zwischen den beiden Achsen in die Beifahrerseite hinein.

    Mit Strafverfügung vom 13. Dezember 1999 verurteilte das Bezirksamt
March X. in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG (SR 741.01) zu Fr. 300.-
Busse. Diese Verfügung ist in Rechtskraft erwachsen.

    2. Am 13. Dezember 1999, kurz vor 12.00 Uhr, fuhr X. mit ihrem
Personenwagen auf der Zugerstrasse in Wädenswil in Richtung See. Sie
beabsichtigte, nach links auf den Parkplatz der Kantonalbank zu fahren. Sie
stellte den linken Blinker und hielt wegen des Gegenverkehrs an. Nach
kurzem Warten hielt eine auf der Linksabbiegespur entgegenkommende
Lenkerin an und gab X. ein Blinkzeichen. Darauf bog X. nach links ab.
Sie übersah dabei einen auf der vortrittsberechtigten Geradeausspur
herannahenden Personenwagen und stiess mit diesem zusammen.

    Mit Strafverfügung vom 27. Dezember 1999 verurteilte das Statthalteramt
des Bezirks Horgen X. wegen dieses neuen Vorfalles in Anwendung von
Art. 90 Ziff. 1 SVG zu Fr. 300.- Busse. Auch diese Strafverfügung ist in
Rechtskraft erwachsen.

    B.- Am 1. Februar 2000 entzog das Verkehrsamt des Kantons Schwyz
X. den Führerausweis für die Dauer von einem Monat. Die Wiedererteilung des
Ausweises machte es von der erfolgreichen Absolvierung einer Kontrollfahrt
abhängig.

    C.- Die von X. dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Schwyz am 14. April 2000 ab.

    D.- X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den
Entscheid des Verwaltungsgerichtes aufzuheben; es sei von Massnahmen
abzusehen; eventualiter sei eine Verwarnung ohne weitere Auflagen zu
erteilen; subeventualiter sei die Sache zum neuen Entscheid an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Voraussetzungen für
die Anordnung der Kontrollfahrt seien nicht gegeben.

    a) Bestehen Bedenken über die Eignung eines Fahrzeugführers,
so kann zur Abklärung der notwendigen Massnahmen eine Kontrollfahrt
angeordnet werden (Art. 24a Abs. 1 der Verordnung vom 27. Oktober 1976
über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr [VZV;
SR 741.51]). Die Kontrollfahrt kann angeordnet werden zur Abklärung,
ob ein älterer auffälliger Fahrzeuglenker noch als geeignet erscheint
(RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts,
Bd. III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, N. 2664).

    Die Kontrollfahrt dient der Verkehrssicherheit. Es geht nicht um
die Abgeltung des Verschuldens; dafür wurden hier der Warnungsentzug des
Führerausweises und die Bussen ausgesprochen.

    Bei der Frage, ob eine Kontrollfahrt anzuordnen sei, verfügt die
Verwaltungsbehörde über einen Spielraum des Ermessens. Das Bundesgericht
greift nur ein bei Ermessensüberschreitung oder -missbrauch.

    b) Die Beschwerdeführerin hat den ersten Unfall grob fahrlässig
verursacht. Sie ist dem korrekt fahrenden Unfallgegner in einer
übersichtlichen, einfachen und leicht erfassbaren Situation in die Seite
hineingefahren. Dieser erste Unfall bildet ein erhebliches Indiz für eine
Beeinträchtigung der Fähigkeit zum sicheren Führen eines Motorfahrzeuges.
Hinzu kommt der zweite Unfall vergleichsweise kurze Zeit danach, bei dem
die Beschwerdeführerin erneut das Vortrittsrecht missachtete. Auf Grund
dieser beiden Unfälle bestand Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Eignung
der Beschwerdeführerin.

    Die Kontrollfahrt wird, wie dargelegt, angeordnet im Interesse
der Verkehrssicherheit; es geht um den Schutz möglicher Opfer im
Strassenverkehr. Dieses Interesse ist hochwertig. Die Kontrollfahrt
stellt für die Beschwerdeführerin - insbesondere im Vergleich zum
Führerausweisentzug von einem Monat - einen leichten Eingriff dar. Sie
muss lediglich mit einem Experten eine Fahrt absolvieren. Dieser
Eingriff ist mit Blick auf das gefährdete Rechtsgut - Leib und Leben der
Verkehrsteilnehmer - verhältnismässig.

    Gemäss Art. 7 Abs. 3 lit. b VZV unterliegen die Ausweisinhaber
von mehr als 70 Jahren alle zwei Jahre einer vertrauensärztlichen
Kontrolluntersuchung. Das schliesst die Anordnung einer Kontrollfahrt nicht
aus. Der Arzt äussert sich zur medizinischen Eignung (Sehschärfe, Gehör
usw.). Er kann nicht im Arztzimmer beurteilen, wie sich jemand am Steuer
verhält. Erkenntnisse dazu lassen sich aus einer Kontrollfahrt gewinnen. Es
wäre im Übrigen verfehlt, in einem Fall wie hier den Ablauf der Frist
von zwei Jahren nach Art. 7 Abs. 3 lit. b VZV abzuwarten. Verhält sich
der Lenker auffällig, ist die Eignung unverzüglich abzuklären.

    Die Anordnung der Kontrollfahrt liegt danach im Ermessensbereich und
verletzt kein Bundesrecht.

    c) Anzumerken bleibt Folgendes: Die Kontrollfahrt ist keine Strafe. Es
geht darum, die Eignung abzuklären und festzustellen, welche Massnahmen
gegebenenfalls erforderlich sind. Das liegt gerade in einem Fall wie
hier auch im Interesse des Fahrzeugführers. Denn fehlt ihm die Eignung
zum Führen eines Fahrzeuges, ist es auch für ihn besser, wenn er aufhört
zu fahren, bevor es zu einem weiteren und dann möglicherweise schwereren
Unfall kommt. Ist dagegen die Eignung auch künftig zu bejahen, kann ihm
die Kontrollfahrt gegebenenfalls Erkenntnisse vermitteln, die ihm für
seine weitere Teilnahme am Strassenverkehr hilfreich sein können.

    d) Die Einwände der Beschwerdeführerin sind unbehelflich.

    Wie dargelegt, kann die Lungenentzündung als Erklärung für ihr
Verhalten beim ersten Unfall nicht herangezogen werden.

    Zutreffend ist, dass keine grundsätzliche Vermutung besteht,
wonach sich ältere Personen nicht mehr als Fahrzeugführer eignen. Von
einer solchen Vermutung sind die kantonalen Behörden aber nicht
ausgegangen. Sie haben die Kontrollfahrt nicht allein wegen des Alters
der Beschwerdeführerin angeordnet, sondern weil diese auf Grund von zwei
ähnlichen Unfällen innert kurzer Zeit verkehrsauffällig geworden ist.