Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 73



127 III 73

12. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Januar 2001
i.S. Einwohnergemeinde Bern gegen Zürich Versicherungs-Gesellschaft
(Berufung) Regeste

    Haftung des Motorfahrzeughalters (Art. 58 Abs. 1 SVG);
Schadensberechnung.

    Begriff des ersatzfähigen Schadens bei Baumschäden (E.  4).

    Vorgehen bei der Bestimmung des Wertes eines zerstörten Baumes (E. 5).

    Schadensberechnung bei künftigem Absterben eines Baumes (E. 6) und
Anrechnung früherer Schadenersatzleistungen (E. 7b).

Sachverhalt

    Am 18. Mai 1991 kollidierte ein Automobilist am Ostring in Bern auf der
Höhe des Hauses Nr. 46 mit einer Esche. Dieses Schadensereignis wurde durch
Zahlung des von der Einwohnergemeinde Bern (Klägerin) als Eigentümerin
des Baumes geforderten Betrages von Fr. 8'526.- abschliessend geregelt.

    Am 13. Juni 1991 fuhr Hannelore Taroni mit ihrem Personenwagen ohne
Fremdverschulden gegen dieselbe Esche. Die Klägerin konnte sich mit der
Haftpflichtversicherung der schadensverursachenden Fahrzeughalterin,
der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (Beklagte), über die Abgeltung des
Schadens jedoch nicht einigen.

    Mit Klage vom 7. September 1995 forderte die Klägerin für den von
Hannelore Taroni verursachten Schaden von der Beklagten gestützt auf
die Schadensberechnung der Stadtgärtnerei Bern Schadenersatz in der
Höhe von Fr. 27'634.30 nebst Zins. Das Bezirksgericht Zürich hiess
die Klage im Umfang von Fr. 26'474.- nebst Zins gut. Das hierauf mit
der Sache befasste Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich
reduzierte den der Klägerin zuzusprechenden Betrag mit Urteil vom 23.
März 1999 auf Fr. 2'000.- nebst Zins. Eine gegen dieses Urteil gerichtete
kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons
Zürich am 30. Juli 2000 ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. Mit
Urteil vom heutigen Tag wies das Bundesgericht eine gegen das Urteil des
Kassationsgerichts des Kantons Zürich erhobene staatsrechtliche Beschwerde
ab, soweit darauf einzutreten war.

    Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts (II. Zivilkammer)
des Kantons Zürich vom 23. März 1999 eidgenössische Berufung
eingelegt. Darin beantragt sie dem Bundesgericht im Wesentlichen, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben, und die Beklagte sei in Bestätigung
des erstinstanzlichen Entscheides zur Zahlung von Fr. 26'474.- nebst
Zins zu verurteilen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung
und Bestätigung des angefochtenen Urteils.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut und weist die
Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- b) In rechtlicher Hinsicht nicht strittig ist vor Bundesgericht
die grundsätzliche Haftbarkeit der Beklagten für die Beschädigung der in
Frage stehenden Esche. Im Streit liegt jedoch die Schadensberechnung. Das
Obergericht lehnte es ab, dafür von den Richtlinien der Vereinigung
Schweizerischer Stadtgärtnereien und Gartenbauämter (VSSG) zur
Wertberechnung von Bäumen auszugehen. Es erwog, der Schaden entspreche
den Kosten, welche die Klägerin für die Anschaffung eines Ersatzbaumes
aufzuwenden hätte. Dabei sei beim Entscheid, welche Grösse der Ersatz
für die beschädigte Esche mit einem Stammumfang von 145 cm aufzuweisen
habe, vom Grundsatz der Verhältnismässigkeit auszugehen. Die Vorinstanz
bezifferte die Kosten für die Neupflanzung einer Esche mit einem
Stammumfang von 25-26 cm auf Fr. 1'625.90, für eine solche mit Stammumfang
von 56-60 cm auf Fr. 7'955.- und für einen Ersatzbaum mit 90-100 cm
Stammumfang auf Fr. 28'500.-. Weil sie die Anschaffungskosten des von
der Klägerin geforderten Baumes mit einem Stammumfang von 90-100 cm im
Vergleich zu den kleineren Bäumen als unverhältnismässig hoch erachtete,
ging sie bei der Schadensberechnung von massgebenden Anschaffungs-
und Pflanzungskosten für einen Jungbaum mit Stammumfang 56-60 cm, also
von Fr. 7'955.-, aus. Zusammen mit den Kosten für die Entfernung des
beschädigten Baumes und für die anfängliche Pflege des Ersatzbaumes ergab
sich auf dieser Grundlage ein Betrag von Fr. 17'610.30.

    Von dieser Summe brachte die Vorinstanz wegen der höheren
Lebenserwartung des Ersatzbaumes einen Betrag von Fr. 2'500.- als
Vorteilsanrechnung in Abzug. Den sich daraus ergebenden Schaden von
Fr. 15'110.30 diskontierte das Obergericht aufgrund der Erwägung,
dass die beschädigte Esche erst in 18 Jahren ab dem Urteilszeitpunkt
absterben und der Schaden somit erst in Zukunft eintreten werde, für die
verbleibende Lebensdauer mit 2%, womit sich der gegenwärtig zu ersetzende
Schaden auf Fr. 10'581.- reduzierte. Davon wiederum zog die Vorinstanz den
Betrag von Fr. 8'526.- ab, den der Versicherer des Automobilisten bezahlt
hatte, welcher die in Frage stehende Esche am 18. Mai 1991 vorbeschädigt
hatte. Dies ergab den von der Beklagten an die Klägerin zu bezahlenden
Betrag von gerundet Fr. 2'000.-.

    c) Die Klägerin rügt in ihrer Berufung, die Schadensberechnung des
Obergerichts verstosse in verschiedener Hinsicht gegen Bundesrecht. Auf
ihre Rügen ist im Folgenden soweit einzugehen, als sie die Verletzung von
Bundesrecht betreffen (Art. 43 Abs. 1 OG). Im Berufungsverfahren wird als
Rechtsfrage geprüft, ob das Sachgericht dem angefochtenen Urteil einen
zutreffenden Rechtsbegriff des Schadens zugrundegelegt und den Schaden
nach zutreffenden Rechtsgrundsätzen berechnet hat; dagegen beschlagen
Feststellungen zu Bestand und Umfang eines Schadens grundsätzlich vom
kantonalen Gericht abschliessend zu beurteilende Tatfragen (Art. 63 Abs. 2
OG; BGE 126 III 388 E. 8a S. 389; 123 III 241 E. 3a S. 243; 122 III 61
E. 2c/bb S. 65, 219 E. 3b S. 222 mit Hinweisen).

Erwägung 4

    4.- a) Das schweizerische Obligationenrecht definiert den ersatzfähigen
Schaden trotz seiner zentralen Bedeutung im Schadenersatzrecht nicht. Nach
allgemeiner Auffassung entspricht der haftpflichtrechtlich relevante
Schaden der Differenz zwischen dem gegenwärtigen, nach dem schädigenden
Ereignis festgestellten Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen
ohne das schädigende Ereignis hätte (BGE 120 II 423 E. 7a S. 424; 116
II 441 E. 3a/aa S. 444; 115 II 474 E. 3a S. 481; 104 II 198 E. a S. 199
mit Hinweisen; aus der Lehre statt vieler BREHM, Berner Kommentar, N. 69
ff. zu Art. 41 OR; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd.
I, 5. Aufl., S. 70 ff.). Nach Art des Schadens wird unterschieden zwischen
Personenschaden, Sachschaden und sonstigem Vermögensschaden. Soweit
hier wesentlich, kann der Umfang eines Sachschadens entweder nach dem
Minderwert des betroffenen Aktivums oder nach der Vergrösserung der
Passiven infolge zusätzlicher Beseitigungs- oder Reparaturkosten bestimmt
werden (zu weiteren möglichen Schadenfolgen bei Sachschaden vgl. etwa
BREHM, Berner Kommentar, N. 77 ff. zu Art. 41 OR; zum Vermögensschaden
auch BGE 122 IV 279 E. 2a S. 281).

    b) Bäume gelten trotz ihres Wachstums und Absterbens als Sachen im
Rechtssinne. Sie gehören nach dem sachenrechtlichen Akzessionsprinzip
gemäss Art. 667 Abs. 2 ZGB dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem
sie wachsen. Ihre Beschädigung oder Zerstörung beeinflusst daher den
Wert des Grundstücks, dessen Bestandteil sie bilden. Der Verkehrswert
dieses Grundstücks kann durch die Beschädigung eines Baumes je nach Art
und Nutzung der Liegenschaft unabhängig vom Wert des beschädigten Baumes
selbst betroffen sein (vgl. das Urteil des deutschen BGH vom 13. Mai 1975,
in: NJW 1975 S. 2061, E. 1b). Unter Umständen tritt ein wirtschaftlicher
Schaden gar nicht ein, etwa wenn durch die Zerstörung eines Baumes die
Überbaubarkeit eines Grundstücks erst ermöglicht und damit dessen Wert
erhöht wird (ROBERTO, Schadensrecht, Basel etc. 1997, S. 150).

    c) Lässt sich die Werteinbusse eines Grundstücks infolge Beschädigung
eines darauf gewachsenen Baumes mit vernünftigem Aufwand nicht feststellen,
rechtfertigt es sich, zur Berechnung des Schadens vom Baum selbst als der
vom schädigenden Ereignis direkt betroffenen Sache auszugehen (vgl. BGE
116 II 441 E. 3a/aa S. 444 mit Hinweis). Dies trifft im vorliegenden Fall
zu, denn das in Frage stehende Grundstück ist als öffentliche Strasse
nicht frei handelbar, weshalb dessen Verkehrswert - wenn überhaupt -
nur schwer bestimmbar ist. Ausgangspunkt für die Schadensberechnung
war denn auch bereits im kantonalen Verfahren der Wert des Baumes
selbst. Dabei blieb mit Recht unbestritten, dass bei der Zerstörung
eines Baumes die Kosten zu ersetzen sind, welche für die Entfernung
des beschädigten Baumes, für die Neupflanzung eines Ersatzbaumes,
für allenfalls zusätzlich erforderliche Pflegemassnahmen sowie für
die Wiederherstellung der Umgebung anfallen. Umstritten ist jedoch,
welches Alter der Ersatzbaum aufzuweisen hat; überdies ist strittig,
ob und gegebenenfalls wie allfällig verbleibende Minderwerte zu ersetzen
oder sich ergebende Mehrwerte anzurechnen sind.

Erwägung 5

    5.- a) Der neben den unbestrittenen Beseitigungs- und
Neupflanzungskosten verbleibende Schaden besteht nach dem Gesagten
in der Differenz zwischen dem Wert des (intakten) Baumes vor dem
schädigenden Ereignis und dessen Wert nach der Schädigung. Gemäss den
für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist im
vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der beschädigte Baum absterben
und dannzumal keinen Wert mehr aufweisen wird. Damit ist der neben den
unbestrittenen Kosten verbleibende Schaden mit dem Wert des Baumes vor
dem schädigenden Ereignis identisch.

    b) Bei Zerstörung von wertbeständigen Gütern entspricht der Wert der
(intakten) Sache vor dem schädigenden Ereignis den Anschaffungskosten
eines neuen, gleichwertigen Gegenstandes; bei Sachen, deren Wert sich
mit der Zeit vermindert, wird dem Wertverlust im Allgemeinen dadurch
Rechnung getragen, dass nur der um die Abschreibungen verminderte
Neuwert zu ersetzen ist (zum Ganzen statt vieler BREHM, Berner Kommentar,
N. 77 zu Art. 41 OR und N. 26 zu Art. 42 OR; REY, Ausservertragliches
Haftpflichtrecht, 2. Aufl., N. 321; OFTINGER/STARK, aaO, S. 366 ff.,
je mit Hinweisen).

    c) aa) Bäume heben sich von herkömmlichen Gütern insofern ab, als
ihr Wert in der sog. Aufbauphase zunimmt, während der langen Reifephase
auf dem Maximalwert verharrt und in der Altersphase abnimmt. Gemäss den
Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil zum gerichtlichen Gutachten,
auf welche die Vorinstanz verweist, kann die Lebensdauer einer Esche in
natürlichem Umfeld 250 bis 300 Jahre, in städtischen Gebieten 150 Jahre und
mehr betragen. Die Reifephase, während der der Baumwert konstant bleibt,
kann somit mehrere Generationen überdauern, womit sich je nach konkreter
Situation rechtfertigen kann, einen Baum als wertbeständige Sache zu
qualifizieren. Dies mag bei der in Frage stehenden 70-jährigen Esche
grundsätzlich zutreffen. Allerdings sind damit die Anschaffungskosten
eines neuen, gleichwertigen Baumes nicht schon objektiv bestimmbar
(ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. II, 2. Aufl., S. 104;
ROBERTO, aaO, S. 150). Denn während der Holzwert eines zur Holznutzung
gezogenen Baumes mit zunehmendem Alter stetig steigen dürfte und insofern
ein Verkehrswert bestehen mag, können langlebige Bäume auf öffentlichen
Strassen und Plätzen nicht beliebig verpflanzt werden; die Klägerin
anerkannte denn auch vor der Vorinstanz, dass sich eine 70-jährige Esche
nicht pflanzen lässt. Aufgrund dieser eingeschränkten Verkehrsfähigkeit von
ausgewachsenen Bäumen gestaltet sich die Ermittlung der Anschaffungskosten
für einen gleichwertigen Ersatzbaum schwierig. Es stellt sich daher
die Frage, ob unter diesen Umständen zur Bestimmung des Wertes eines
intakten Baumes vor dem schädigenden Ereignis auf die Richtlinien der
Vereinigung Schweizerischer Stadtgärtnereien und Gartenbauämter (VSSG)
zur Wertberechnung von Bäumen abzustellen ist.

    bb) Nach den erwähnten VSSG-Richtlinien berechnet sich der Wert
eines Baumes dadurch, dass ein Basisbetrag - dieser entspricht bei
Laubbäumen dem Ankaufspreis für einen Baum von 25 cm Stammumfang - mit
einem Aufwertungsfaktor multipliziert wird, welcher vom Stammumfang des
zu schätzenden Baumes abhängig ist. Wie bereits im erstinstanzlichen
Urteil festgehalten wurde, ist für den Richter die Bedeutung dieses
Aufwertungsfaktors nicht nachvollziehbar. Es ist einem Gericht deshalb
nicht möglich zu beurteilen, inwiefern bei dieser Faktorenbestimmung
auch Elemente berücksichtigt werden, welche haftpflichtrechtlich nicht
als Schadensposten geltend gemacht werden können. Unverständlich ist
überdies, weshalb gemäss Faktorentabelle der Wert eines Baumes am Ende
der Altersphase nicht deutlich abnimmt. Schliesslich berücksichtigen die
Richtlinien die Grenzen der Verpflanzbarkeit von Bäumen nicht. Aus diesen
Gründen können die Richtlinien jedenfalls in der vorliegenden Form nicht
als Konkretisierung der allgemeinen haftpflichtrechtlichen Grundsätze
gelten und eignen sich daher für die Schadensberechnung kaum. Daran vermag
auch nichts zu ändern, dass es die I. öffentlichrechtliche Abteilung des
Bundesgerichts in einem Entscheid vom 19. Januar 1998 als nicht willkürlich
bezeichnete, zur Berechnung des Ersatzwertes für einen gefällten Baum
auf die VSSG-Richtlinien abzustellen.

    cc) Zur Bestimmung der Anschaffungskosten für einen gleichwertigen
Ersatzbaum ist somit von den allgemeinen haftpflichtrechtlichen Prinzipien
auszugehen. Dabei ergibt sich aus der Differenztheorie, dass der Schädiger
grundsätzlich vollen Ersatz zu leisten hat, demnach der Schaden in seinem
gesamten Ausmass zu berücksichtigen ist. Der Schadensberechnung bei
Zerstörung eines Baumes sind somit grundsätzlich die Anschaffungskosten
für einen Baum gleicher Art und Grösse zugrundezulegen. Der massgebende
Ersatzbaum sollte sich namentlich in derselben Lebensphase wie der
beschädigte befinden, jedoch nicht älter sein als dieser. Im vorliegenden
Fall lassen sich die Kosten jedoch nicht nach diesen Grundsätzen
berechnen. Ein gleichwertiger Ersatzbaum ist im Handel nicht erhältlich,
weil sich ein Baum in der Grösse der beschädigten 70-jährigen Esche nicht
pflanzen lässt. Damit stellt sich die Frage nach dem für solche Fälle
sachgerechten Vorgehen.

    d) In Deutschland hat sich die Rechtsprechung ausführlich mit
Baumschäden befasst (vgl. dazu die Rechtsprechungsübersicht bei WERNER
KOCH, Das Sachwertverfahren für Bäume in der Rechtsprechung, VersR 1990
S. 573 ff.). Die Praxis gewährt dem Geschädigten üblicherweise Ersatz für
die Kosten des Erwerbs eines jungen Baumes im pflanzfähigen Alter, für die
Kosten des Anpflanzens, für die in der Anwachszeit entstehenden höheren
Pflegekosten sowie einen Zuschlag für das Anwachsrisiko. Zudem wird der
verbleibenden Wertminderung des Grundstücks dadurch Rechnung getragen,
dass auch die Herstellungskosten für das Aufwachsen eines Baumes vom
Alter des Ersatzbaumes bis zum Alter des zerstörten ausgeglichen werden
(grundlegend das Urteil des BGH vom 13. Mai 1975, in: NJW 1975 S. 2061
ff.; vgl. auch STAUDINGER/SCHIEMANN, Kommentar zum BGB, 13. Bearbeitung,
N. 90 zu § 251 BGB; SOERGEL/MERTENS, Kommentar zum BGB, 12. Aufl.,
N. 119 zu § 249 BGB). Diese Methode ist jedoch nicht nur sehr aufwendig
(STAUDINGER/SCHIEMANN, aaO, N. 91 zu § 251 BGB), sondern führt auch zu
einer Scheingenauigkeit, indem weder die dem Geschädigten erst künftig
entstehenden Kosten abgezinst werden noch die längere Lebensdauer des
neuen Baumes Berücksichtigung findet (PALANDT/HEINRICHS, Kommentar zum
BGB, 58. Aufl., N. 26 zu § 249 BGB). Eine Anlehnung an die deutsche Praxis
drängt sich daher nicht auf.

    e) Die Vorinstanz legte ihrer Schadensberechnung die Kosten für
einen Jungbaum mit Stammumfang von 56-60 cm zugrunde, obwohl nach ihren
Feststellungen als Ersatz für die beschädigte Esche mit einem Stammumfang
von 145 cm auch ein Baum von 90-100 cm Stammumfang erhältlich wäre. Ihre
Ansicht, dass die Kosten für die Einpflanzung eines grösseren Baumes
unverhältnismässig hoch seien, widerspricht indessen dem Prinzip
des vollen Schadensausgleichs (vgl. oben E. 5c/cc). Die Anwendung
des Verhältnismässigkeitsprinzips lässt sich auch nicht auf Art. 43
Abs. 1 OR stützen, wonach der Richter Art und Grösse des Ersatzes für den
eingetretenen Schaden bestimmt und dabei sowohl die Umstände als die Grösse
des Verschuldens zu würdigen hat. Bei diesem Ermessensentscheid (Art. 4
ZGB) können Besonderheiten des Einzelfalles wie etwa Elemente höherer
Gewalt (BGE 109 II 304 E. 5 S. 312), der mitwirkende Zufall (Urteil des
Bundesgerichts vom 20. Juni 1994, publiziert in: SJ 1995 S. 91 ff. E. 2a),
die sog. Militärgefahr (BGE 111 Ib 192 E. 5a S. 199 f.) oder die
finanzielle Lage der Parteien (BGE 104 II 184 E. 3a S. 188) berücksichtigt
werden (vgl. dazu die Übersicht bei BREHM, Berner Kommentar, N. 51 ff. zu
Art. 43 OR mit Hinweisen). Art. 43 OR ermächtigt das Gericht dagegen nicht,
von einer korrekten Schadensberechnung abzusehen; der Schaden ist vielmehr
auch dort zunächst ziffernmässig so genau wie möglich zu bestimmen, wo
der Ersatz unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles
bemessen wird (GUHL/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9.
Aufl., S. 66 Rz. 17; BREHM, Berner Kommentar, N. 29 zu Art. 43 OR; REY,
aaO, N. 210; ROBERTO, aaO, S. 270; OFTINGER/STARK, aaO, S. 378 Rz. 1).

    Besonderheiten im Sinne der Art. 43 und 44 OR werden im vorliegenden
Fall weder behauptet noch ergeben sie sich aus den Feststellungen der
Vorinstanz. Bei der Schadensberechnung ist deshalb vom gesamten Schaden
der Klägerin auszugehen. Das von der Vorinstanz gewählte Vorgehen lässt
sich daher mit dem Bundesrecht nicht vereinbaren, weshalb sich die Berufung
insofern als begründet erweist.

    f) Lässt sich - wie hier - ein gleichwertiger Ersatz für
einen beschädigten oder zerstörten Baum nicht pflanzen, ist für die
Schadensberechnung von einer Regelung auszugehen, die einerseits dem
haftpflichtrechtlichen Grundsatz des vollen Ausgleichs wirtschaftlicher
Einbussen so weit wie möglich entspricht und anderseits berücksichtigt,
dass in der Schweiz seit jeher eine einfache und praktische
Rechtsauffassung vorgeherrscht hat (BGE 67 II 70 E. 2 S. 74). Diesen
Anforderungen wird eine Lösung gerecht, welche den Haftpflichtigen zum
Ersatz der Kosten eines Baumes verpflichtet, der dem ausgewachsenen
möglichst entspricht, im Handel noch erhältlich und von seinem Alter
her nicht ungeeignet ist, an den vorgesehenen Ort verpflanzt zu werden.
Es muss namentlich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür sprechen,
dass der verpflanzte Baum am neuen Standort anwachsen und eine für Bäume am
vorgesehenen Standort übliche Lebenserwartung aufweisen wird. Im Übrigen
ist für diese Fälle in der Regel anzunehmen, dass sich der Vorteil der
längeren Lebenserwartung des jüngeren Ersatzbaumes und der allfällige
Nachteil wegen noch nicht erreichter Reife ungefähr die Waage halten, so
dass weder ein zusätzlicher Minderwert noch ein Mehrwert abzugelten sind.

    g) Zusammengefasst hat die Beklagte damit die Kosten zu ersetzen,
welche für die Entfernung des zerstörten Baumes, die Neupflanzung eines
im Sinne der vorstehenden Erwägungen gleichwertigen Ersatzbaumes,
allenfalls zusätzlich erforderliche Pflegemassnahmen sowie für die
Wiederherstellung der Umgebung entstehen. Nach den Feststellungen im
angefochtenen Urteil ist ein Baum mit einem Stammumfang von 90-100 cm
für Fr. 28'500.- im Handel erhältlich, wobei in diesem Betrag auch die
Kosten der Einpflanzung enthalten sind. Unter dem Vorbehalt der Eignung
eines Baumes dieses Alters für die Pflanzung am vorgesehenen Standort
sind daher die Anschaffungskosten für einen Ersatzbaum auf diesen Wert
zu veranschlagen. Entsprechend ist allenfalls auch der Betrag für die
Anfangspflege anzupassen. Diesbezügliche Angaben sowie Feststellungen
darüber, ob der von der Klägerin geforderte Ersatzbaum zur Verpflanzung an
den vorgesehenen Standort geeignet ist, fehlen im angefochtenen Urteil. Die
Sache ist daher zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägung 6

    6.- Die Klägerin beanstandet, dass die Vorinstanz ihrer Berechnung
nicht einen gegenwärtigen Totalschaden, sondern einen künftigen Schaden
zugrundegelegt hat.

    a) Die Vorinstanz hat in Würdigung der Beweise geschlossen, die
geschädigte Esche müsse erst in 18 Jahren ersetzt werden. Die dagegen
gerichteten Vorbringen der Klägerin verkennen, dass das Bundesgericht
an die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts
gebunden ist (Art. 63 Abs. 2 OG). Auf die Berufung kann deshalb nicht
eingetreten werden, soweit die Klägerin die Beweiswürdigung kritisiert
und sich gegen den Schluss wendet, dass die Esche erst in 18 Jahren ab
Fällung des angefochtenen Urteils abgestorben sein wird.

    b) Muss der beschädigte Baum nicht sofort gefällt werden, so tritt
der Schaden erst in Zukunft ein. Die Vorinstanz hat bundesrechtskonform
erkannt, dass in diesem Fall der zu ersetzende Betrag entsprechend
zu diskontieren ist. Ein erhöhter Pflegeaufwand während der Zeit des
Absterbens wäre allenfalls zusätzlich zu entgelten, soweit er den Betrag
des Diskontes nicht erreicht. Übersteigen die Kosten für die Zusatzpflege
den Betrag des Diskontes, wäre von einem Totalschaden auszugehen
(ALFRED KELLER, aaO, S. 108; OFTINGER/STARK, aaO, S. 368 Rz. 366),
was - jedenfalls soweit nicht besondere Interessen des geschädigten
Eigentümers an der Lebensverlängerung des beeinträchtigten Baumes
gegeben sind - die Zusprechung der Kosten für den sofortigen Ersatz
des beschädigten Baumes rechtfertigen würde. Diesfalls wäre somit von
einem gegenwärtigen Totalschaden auszugehen und von einer Diskontierung
abzusehen. Im vorliegenden Fall ist indes ein erhöhter Pflegaufwand für
die noch zu erwartende Lebensdauer des Baumes nach den verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz nicht dargetan. Die Diskontierung des
auf gegenwärtigen Werten errechneten Schadenersatzbetrages ist nach dem
Gesagten bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

Erwägung 7

    7.- Bereits einen knappen Monat vor der hier in Frage stehenden
Schädigung war ein Automobilist mit der gleichen Esche kollidiert. Dessen
Haftpflichtversicherer bezahlte in der Folge der Klägerin einen Betrag
von Fr. 8'526.-. Die Vorinstanz brachte diesen Betrag von dem von ihr
berechneten Schadenersatz in Abzug, was die Klägerin als bundesrechtswidrig
anficht.

    b) aa) Die Vorinstanz begründete ihre Auffassung unter Bezugnahme auf
OFTINGER/STARK (aaO, S. 491 N. 11 und S. 501 N 35) und erwog, sofern der
Geschädigte bereits von einem der Haftpflichtigen Schadenersatz erhalten
habe, seien andere Haftpflichtige im Ausmass des bereits geleisteten
Schadenersatzes gegenüber dem Geschädigten von der Leistung befreit. Dabei
sei unerheblich, ob die Klägerin den Betrag von Fr. 8'526.- gestützt
auf ein anderes Schadensereignis erhalten habe. Keine Anrechnung der
bereits erhaltenen Entschädigung würde überdies eine Bereicherung der
Klägerin bedeuten.

    bb) Die von der Vorinstanz zitierte Literaturstelle behandelt nur
den Fall, wo mehrere Schädiger für denselben Schaden verantwortlich sind
(vgl. OFTINGER/STARK, aaO, S. 488 N. 1). Die dafür geltende Regelung ist
auf den vorliegenden Sachverhalt nicht ohne weiteres übertragbar. Ob
der vom Vorschädiger bezahlte Betrag oder ein Teil davon von dem von
der Beklagten zu leistenden Schadenersatz abzuziehen ist, bestimmt sich
danach, ob die Esche durch die Vorschädigung auch eine dem bezahlten Betrag
entsprechende, haftpflichtrechtlich zu ersetzende Werteinbusse erfahren
hat. Dies wäre etwa dann nicht der Fall, wenn der Haftpflichtversicherer
des Vorschädigers auch immaterielle Einbussen entschädigt hätte, welchen
kein Schaden im haftpflichtrechtlichen Sinn gegenüberstand.

    cc) Die Vorinstanz erwog, es sei unbestritten, dass die Klägerin von
der Haftpflichtversicherung des Vorschädigers einen Betrag von Fr. 8'526.-
unter dem Titel Schadenersatz erhalten hatte. Damit stellte sie für das
Bundesgericht verbindlich fest, dass dem für die Vorschädigung bezahlten
Betrag ein entsprechender Schaden gegenüberstand. Die Klägerin wendet
sich zwar gegen die vorinstanzliche Anrechnung dieses Betrages an den
von der Beklagten zu leistenden Schadenersatz, machte jedoch nie geltend,
dass der für die Vorschädigung erhaltene Betrag den damals eingetretenen
haftpflichtrechtlichen Schaden überstiegen hätte. Vielmehr stellte sie
sich im kantonalen Verfahren selbst auf den Standpunkt, der Vorschaden
sei bei der Baumwertberechnung zu berücksichtigen. Unter diesen Umständen
liegt kein Verstoss gegen Bundesrecht vor, wenn die Vorinstanz den für
die Vorschädigung bezahlten Betrag von dem von der Beklagten zu leistenden
Schadenersatz in Abzug brachte.