Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 572



127 III 572

98. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 15. Oktober 2001 i.S. A. gegen Obergericht des Kantons Thurgau als
kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs (Beschwerde)

Regeste

    Einkommenspfändung (Art. 93 Abs. 1 SchKG).

    Der Gläubiger, der die Pfändungsurkunde anfechten will, weil er mit dem
Ermessensentscheid des Betreibungsamtes betreffend das Existenzminimum
des Schuldners nicht einverstanden ist, hat innert zehn Tagen seit
der Zustellung der Pfändungsurkunde Beschwerde zu erheben, auch wenn
die Berechnung des Existenzminimums des Schuldners aus dieser Urkunde
nicht ersichtlich ist. Es ist aber sinnvoll, dass das Betreibungsamt dem
Gläubiger diese Berechnung mit der Pfändungsurkunde bekannt gibt (E. 3b
u. c).

Sachverhalt

    A.- Am 11. Juli 2000 pfändete das Betreibungsamt X. in der Betreibung
Nr. ... den Monatslohn des Schuldners A. im das Existenzminimum
von Fr. 3'920.-/Monat übersteigenden Betrag. Die Pfändungsurkunde
wurde am 17. Oktober 2000 versandt. Da die eigentliche Berechnung des
Existenzminimums daraus nicht ersichtlich war, verlangte die Gläubigerin
B. AG in Konkursliq. vom Betreibungsamt die Berechnung, welche ihr
am 30. Oktober 2000 zugesandt wurde und am 1. November 2000 bei ihr
eintraf. Am 10. November 2000 erhob die B. AG in Konkursliq. gegen die
Festsetzung des Existenzminimums des Schuldners Beschwerde. Während der
Vernehmlassungsfrist setzte das Betreibungsamt am 20. November 2000 das
Existenzminimum des Schuldners rückwirkend ab 11. Juli 2000 auf Fr.
1'521.45/Monat fest und verfügte die Pfändung des Verdienstes im den
Notbedarf übersteigenden Betrag. A. erhob am 30. November 2000 gegen
die Neufestsetzung des Existenzminimums bzw. der pfändbaren Lohnquote
Beschwerde. Mit Verfügung vom 9. März 2001 wies das Vizegerichtspräsidium
Bischofszell als untere Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
Konkurs die Beschwerde von A. ab; mit Verfügung gleichen Datums schrieb
es die Beschwerde der Gläubigerin als gegenstandslos ab. A. legte gegen
beide Verfügungen Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 7. Mai 2001 hiess
das Obergericht des Kantons Thurgau als kantonale Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs die Beschwerde (betreffend
Existenzminimumsberechnung) teilweise gut und setzte das Existenzminimum
auf Fr. 2'528.35/Monat für die Zeit vom 11. Juli bis

19. November 2000 und auf Fr. 1'521.45/Monat ab 20. November 2000 fest.

    B.- A. hat den Beschluss vom 7. Mai 2001 des Obergerichts des Kantons
Thurgau mit Beschwerdeschrift vom 19. Juli 2001 (rechtzeitig) an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Er
stellt folgende Anträge:
      "1. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 7. Mai
      2001

    und die damit angefochtene Verfügung des Betreibungsamtes X. vom 2.

    [recte: 20.] November 2000 über die Festsetzung des Existenzminimums
bzw.

    der pfändbaren Eigentumsquote [recte: Einkommensquote] in der
Betreibung

    Nr. ... seien aufzuheben.
      2. Es sei festzustellen, dass in der Betreibung Nr. ... des

    Betreibungsamtes X. weiterhin die ursprüngliche Festsetzung des

    Existenzminimums vom 11. Juli 2000 gilt mit Reduktion auf Fr. 3'410.-
ab

    1. September 2000.
      3. Eventuell sei das Existenzminimum in der Betreibung Nr. ... des

    Betreibungsamtes X. für die Zeit ab 1. Juli 2000 ohne spätere Reduktion

    auf Fr. 2'528.35 festzusetzen."

    Die Gläubigerin B. AG in Konkursliq. als Beschwerdegegnerin beantragt
die Abweisung der Beschwerde. Die obere Aufsichtsbehörde schliesst
ebenfalls auf Abweisung. Das Betreibungsamt X. hat sich nicht vernehmen
lassen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts heisst
die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- b) Das Erwerbseinkommen ist insoweit pfändbar, als es nach
Ermessen des Betreibungsamtes für den Schuldner und seine Familie nicht
unbedingt notwendig ist (Art. 93 Abs. 1 SchKG). Die Nichtpfändung
des Existenzminimums ist lediglich die negative Seite der Pfändung
des pfändbaren Einkommens; die Verfügung über das nicht pfändbare
Einkommen liegt für den Gläubiger in der Pfändungsurkunde, nicht in
der nachträglich verlangten Notbedarfsberechnung, die vielmehr das
Motiv zur Verfügung darstellt (BGE 73 III 114 S. 115 f.). Um Rückfragen
des Gläubigers und unnötige Beschwerden wenn möglich zu vermeiden und
weil die Existenzminimumsberechnung ohnehin unentbehrlich ist, um eine
Einkommenspfändung zu verfügen, ist es gerechtfertigt, dem Gläubiger
mit der Pfändungsurkunde die Zusammensetzung des Existenzminimums des
Schuldners bekannt zu geben; dies pflegen einige Betreibungsämter seit
jeher zu tun (vgl. BGE 77 III 69 E. 2 S. 71). Der

Gläubiger hat indessen in jedem Fall - auch wenn ihm die
Existenzminimumsberechnung nicht zugestellt wird - innert 10 Tagen
Beschwerde gegen die Pfändungsurkunde zu erheben (BGE 77 III 69 E. 3
S. 72; 73 III 114 S. 117/118), wenn er mit der Ermessensbetätigung
des Betreibungsamtes bei der Nichtpfändung des Existenzminimums
des Schuldners nicht einverstanden ist (AMONN/GASSER, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl. 1997, § 23 Rz. 61). Wenn
die Vorinstanz für die Beschwerdegegnerin die Frist zur Beschwerdeführung
gegen die Festsetzung des unpfändbaren Notbedarfs nicht vom Empfang der
Pfändungsurkunde an laufen lässt, sondern vom Empfang der detaillierten
Existenzminimumsberechnung, die beim Betreibungsamt verlangt wurde und
am 1. November 2000 zuging, ist dies nicht haltbar.

    c) Die Vorinstanz ist in diesem Zusammenhang zu Unrecht davon
ausgegangen, dass die Beschwerdegegnerin das mit der Pfändungsurkunde
vom 17. Oktober 2000 mitgeteilte Existenzminimum nicht in Frage habe
stellen können. Das Betreibungsamt und die kantonalen Aufsichtsbehörden
(vgl. Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG) haben von Amtes wegen die
tatsächlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Beschränkungen
der Pfändbarkeit gemäss Art. 92 und 93 SchKG massgeblich sind (BGE
112 III 79 E. 2 S. 80 mit Hinweisen), und im Beschwerdeverfahren hat
das Betreibungsamt die Beträge zu rechtfertigen, auf welche es bei der
Festlegung des pfändbaren Einkommens bzw. des Existenzminimums abgestellt
hat (vgl. BGE 87 III 104 E. 2 S. 105; GILLIÉRON, Commentaire de la loi
fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 176 zu Art. 93
SchKG). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt sich auch aus
dem Anspruch auf rechtliches Gehör kein anderer Fristbeginn ableiten:
Wollte die Beschwerdegegnerin behaupten, der Pfändungsurkunde fehlten
ohne die Existenzminimumsberechnung wesentliche Gesichtspunkte in der
Entscheidbegründung (vgl. Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 mit
Hinweisen), hätte sie gegen die Pfändungsurkunde im kantonalen Verfahren
Betreibungsbeschwerde (vgl. vor Bundesgericht Art. 43 Abs. 1 i.V.m. Art. 81
OG; BGE 121 III 24 E. 2d S. 28) erheben müssen.