Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 559



127 III 559

95. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Oktober 2001 i.S. X.
AG gegen Bank Y. (Berufung)

Regeste

    Befristete Bürgschaft. Frist zur rechtlichen Geltendmachung und
Verfolgung der Forderung (Art. 510 Abs. 3 OR).

    Rechtliche Struktur des Eigenwechsels. Eigenwechsel als
Zahlungsversprechen (E. 3).

    Abstraktheit des Eigenwechsels (E. 4a).

    Wirkung der Indossierung des Eigenwechsels (E. 4b).

    Verfolgung der Grundforderung durch Prosequierung des Eigenwechsels
(E. 4c).

    Ratio legis von Art. 510 Abs. 3 OR (E. 5).

Sachverhalt

    Die Bank Y. verbürgte sich im Jahre 1992 für mietvertragliche
Verpflichtungen einer neu zu gründenden Gesellschaft gegenüber der
Vermieterin, der X. AG. Der Höchstbetrag der Bürgschaft belief sich auf
Fr. 463'000.- und ihre Dauer war bis zum 1. August 1994 befristet.

    Die Hauptschuldnerin kam ihren Verpflichtungen aus dem Mietvertrag
nicht nach. Die Vermieterin liess sich daher für ausstehende Mietzinse
einen per 31. Dezember 1993 fälligen Eigenwechsel über Fr. 342'289.20
ausstellen. Dieser wurde bis zum Fälligkeitstermin nicht honoriert. In der
Folge leitete die Vermieterin gegen die Hauptschuldnerin Wechselbetreibung
ein, in welcher am 1. Februar 1994 der Zahlungsbefehl zugestellt
wurde. Die Hauptschuldnerin ersuchte daraufhin um Nachlassstundung. Die
Vermieterin ihrerseits stellte ein Konkursbegehren. Am 1. März 1994 wurde
das Konkurseröffnungsverfahren bis zum Entscheid über die Nachlassstundung
sistiert.

    Die Vermieterin wies den Bürgen mit Schreiben vom 11. Juli 1994
darauf hin, dass sie ihn in Anspruch nehme. Am 20. Juli 1994 erklärte
sich dieser ausserstande, die Ansprüche zu befriedigen, weil der Konkurs
über die Hauptschuldnerin nicht eröffnet sei.

    Nachdem das Nachlassstundungsgesuch der Hauptschuldnerin abgewiesen
worden war, wurde am 7. Dezember 1994 der Konkurs über sie eröffnet. Die
Vermieterin meldete am 3. März 1995 sämtliche Mietzinsforderungen im
Konkurs an.

    Am 22. März 1995 reichte die Vermieterin beim Amtsgericht Luzern-Stadt
Klage gegen die heutige Bank Y. ein und verlangte die Bezahlung
von Fr. 463'000.-. In einem ersten Verfahren wiesen das Amtsgericht
Luzern-Stadt und das Luzerner Obergericht die Bürgschaftsforderung mit
der Begründung ab, die Klägerin habe mit der Einreichung der Klage gegen
die Bürgin nach der Konkurseröffnung über die Hauptschuldnerin zu lange
zugewartet, um dem Erfordernis des rechtzeitig eingeschlagenen und ohne

erhebliche Unterbrechung verfolgten Rechtswegs gemäss Art. 510 Abs. 3 OR
zu genügen.

    Eine hiergegen erhobene Berufung hiess das Bundesgericht mit Urteil vom
14. Juli 1999 teilweise gut und wies die Streitsache zu neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurück (BGE 125 III 322). Es erwog im Wesentlichen,
das gesetzlich verankerte Beschleunigungsgebot betreffe nur die Haupt-,
nicht auch die Bürgschaftsforderung. Ohne anders lautende Vereinbarung
genüge daher grundsätzlich, wenn der Gläubiger dem Bürgen binnen vier
Wochen nach beendetem Vorgehen gegen den Hauptschuldner anzeige, die
Bürgschaft zu beanspruchen. Einer fristgebundenen Klageanhebung bedürfe
es zur Rechtsverfolgung gegenüber dem Bürgen nicht. Die Klägerin habe die
Bürgschaft folglich rechtzeitig im Sinne des Gesetzes in Anspruch genommen.

    Das Obergericht wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Amtsgericht
zurück, welches die Klage am 13. Juni 2000 erneut abwies. Gleich entschied
das Obergericht am 20. März 2001.

    Die Klägerin führt auch gegen diesen Entscheid Berufung beim
Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und
die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Fr. 463'000.-. Eventualiter
verlangt sie die Rückweisung der Streitsache zu neuer Entscheidung an
die Vorinstanz. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung und
Bestätigung des angefochtenen Urteils.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Bei einer nur für eine bestimmte Zeit eingegangenen Bürgschaft
verliert der Gläubiger nach Art. 510 Abs. 3 OR seinen Anspruch gegenüber
dem Bürgen, wenn er die Hauptforderung nicht binnen vier Wochen nach
Ablauf der Frist rechtlich geltend macht und den Rechtsweg ohne erhebliche
Unterbrechung verfolgt.

    Die von der Beklagten zu vertretende Bürgschaft wurde auf den 1. August
1994 befristet. Sie fällt somit unter die genannte Bestimmung.

Erwägung 2

    2.- a) Das Obergericht stellte für das Bundesgericht verbindlich
fest, die Hauptschuldnerin habe zwar mehrere Eigenwechsel ausgestellt,
doch decke nur derjenige über Fr. 342'289.20 die durch die Bürgschaft
gesicherte Mietzinsforderung der Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin.

    b) Nach Auffassung des Obergerichts ist die Klägerin durch die
rechtliche Eintreibung der Wechselforderung über Fr. 342'289.20
gegenüber der Hauptschuldnerin ihrer Obliegenheit zur rechtzeitigen
Verfolgung der durch die Bürgschaft gesicherten Mietzinsforderung nicht
nachgekommen. Damit habe sie ihre Ansprüche gegenüber der Bürgin verwirkt
(Art. 510 Abs. 3 OR). Das Obergericht folgte dabei der Auffassung des
Amtsgerichts, die Klägerin habe mit der Wechselforderung eine zweite
"zweckidentische", von der Hauptforderung aber losgelöste und damit eine
nichtverbürgte Forderung rechtlich verfolgt. Sie habe insoweit zwar die
Wechselforderung innert der Frist von Art. 510 Abs. 3 OR geltend gemacht,
nicht aber die verbürgte Mietzinsforderung.

    c) Die Klägerin bringt vor, sie habe die Voraussetzung der
rechtzeitigen Verfolgung der verbürgten Mietzinsforderung im Sinne von
Art. 510 Abs. 3 OR durch Prosequierung der Wechselforderung gegenüber
der Hauptschuldnerin erfüllt. Die vom Obergericht vertretene Auffassung,
dass durch den Eigenwechsel eine andere, von der Mietzinsforderung
unabhängige und daher nicht verbürgte Forderung begründet worden sei,
verletze Bundesrecht.

Erwägung 3

    3.- a) Die rechtliche Struktur des Eigenwechsels unterscheidet
sich von derjenigen des gezogenen Wechsels. Der gezogene Wechsel
ist eine unwiderrufliche Anweisung, die den besonderen Formalien
des Wechselrechts unterliegt, wodurch namentlich die Umlauffähigkeit
gewährleistet wird. Seine Begebung hat als liberatorisches Rechtsgeschäft
Zahlungs-, d.h. Erfüllungsfunktion. Der eigene Wechsel unterscheidet
sich vom gezogenen dadurch, dass sich der Aussteller selbst zur Zahlung
der Wechselsumme verpflichtet. Er ist ein abstraktes Schuldbekenntnis
im Sinne von Art. 17 OR, das ebenfalls den Regeln des Wertpapierrechts
unterliegt. Der Eigenwechsel ist eine Schuldanerkennung in Wechselform
(GUHL/DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., S. 915;
JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, Wertpapierrecht, S. 146 und 170; MEIER-HAYOZ/VON
DER CRONE, Wertpapierrecht, 2. Aufl., S. 204 f.; GRÜNINGER/HUNZIKER/NOTTER,
Basler Kommentar, Vorbemerkungen zu Art. 990-1099 OR, N. 15 f.;
MERZ, Der Einfluss des Wechsels auf das Grundgeschäft und der
Wechselbereicherungsanspruch, Diss. Bern 1932, S. 51 f.).

    b) Die Begebung eines gezogenen Wechsels als qualifizierte
Zahlungsanweisung erfolgt vermutungsweise zahlungshalber und nicht an
Erfüllungs statt (Art. 116 Abs. 2 OR; BGE 42 III 496 E. 2; AEPLI, Zürcher
Kommentar, N. 34 zu Art. 116 OR mit weiteren

Hinweisen; SCHRANER, Zürcher Kommentar, Vorbemerkungen zu Art. 68-96 OR, N.
122). Soweit diese Rechtswirkung ausdrücklich auch für die Begebung eines
Eigenwechsels beansprucht wird (MERZ, aaO, S. 53), wird der Grundsatz
übersehen, dass der Eigenwechsel als blosses Zahlungsversprechen
im Allgemeinen keine Erfüllungswirkungen zeitigt, namentlich kein
liberatorisches Rechtsgeschäft darstellt. Als solches erscheint die
Hingabe eines Eigenwechsels ausnahmsweise bloss, wenn sie entgegen der
negativen Vermutung in Art. 116 OR novierende Wirkung zeitigt und damit
an Erfüllungs statt erfolgt (WEBER, Berner Kommentar, Einleitung und
Vorbemerkungen zu Art. 68-96 OR, N. 146; im Ergebnis gleich SCHRANER,
aaO, Vorbemerkungen zu Art. 68-96 OR, N. 97). Die nicht novierende
Begebung eines Eigenwechsels bewirkt demgegenüber nur eine vorübergehende
Modifikation am Leistungsinhalt des Grundverhältnisses, indem sie dem
Aussteller gegenüber dem Wechselnehmer bis zum Verfalldatum des Wechsels
die dilatorische Einrede der Stundung der Grundforderung verschafft
(BGE 42 III 496 E. 2; JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 107 zu Art. 965 OR;
THOMAS VON BALLMOOS, Der wertpapierrechtliche Verkehrsschutz, Diss. Bern
1993, S. 90; MERZ, aaO, S. 21). Die Ausstellung eines Eigenwechsels dient
daher vorwiegend dem Kreditinteresse des Schuldners. Umgekehrt wird der
Gläubiger in eine günstigere Lage versetzt: unmittelbar durch die Vorteile
der formellen Wechselstrenge (Wechselbetreibung, Umkehr der Beweislast für
zugelassene Einreden) und mittelbar durch die materielle Wechselstrenge
(Einredeausschluss zu Gunsten des gutgläubigen Dritterwerbers), wodurch
die wechselbekleidete Forderung eine verbesserte Umlaufsfähigkeit erfährt
(JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, aaO, S. 135; MERZ, aaO, S. 29, Fn. 1).

    c) Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz beabsichtigten die Parteien mit der Begebung des Eigenwechsels
keine Novation der Mietzinsschuld. Damit wurde diese nicht aufgehoben und
die Frage stellt sich nicht, ob der Bürge bereits mit der Neuerung befreit
wurde (so die herrschende Lehre und Rechtsprechung: BGE 60 II 332 E. 2;
64 II 284 E. 2b; GIOVANOLI, Berner Kommentar, N. 3 und 11 zu Art. 509
OR; PESTALOZZI, Basler Kommentar, N. 7 zu Art. 509 OR; kritisch BECK,
Das neue Bürgschaftsrecht, N. 25 zu Art. 509 OR).

Erwägung 4

    4.- a) Wie jedes Schuldbekenntnis im Sinne von Art. 17 OR beinhaltet
der Eigenwechsel vorerst bloss eine unbedingte und unwiderrufliche
Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Gläubiger

ohne Angabe des Verpflichtungsgrundes. Diese Schuldanerkennung ist indessen
nicht in dem Sinne abstrakt, dass sie vom vorbestandenen Grundverhältnis
losgelöst erfolgt. Die Ausstellung eines Eigenwechsels begründet keine
vom Rechtsgrund der ursprünglichen Schuld gelöste Rechtsbeziehung
zwischen Schuldner und erstem Nehmer (JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 107
zu Art. 965 OR). Die Forderung des ersten Nehmers aus dem Wechsel
ist vielmehr identisch mit der Forderung aus dem der Schuldanerkennung
zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis (WIELAND, Der Wechsel und seine
civilrechtlichen Grundlagen, S. 61).

    Der Eigenwechsel erzeugt zwischen Aussteller und Remittent stets
nur Beweisabstraktheit im formellen, rein urkundenrechtlichen Sinn
(JÄGGI, aaO, N. 104-107 zu Art. 965 OR; MERZ, aaO, S. 4; VON BÜREN, Die
Beschränkung der Einreden des Wechselschuldners, S. 2; CLAUDIA SIEBER,
Schweizerischer Wechsel - U.S. Bill of Exchange und Promissory Note,
Diss. Zürich 1995, S. 151 f.). Die Bedeutung seiner Abstraktheit erschöpft
sich hier in der Beweislastverschiebung (MERZ, aaO, S. 52). Dies entspricht
dem Astraktheitsbegriff von Art. 17 OR, wonach ohne gegenteilige Abrede
der Schuldner keinem materiellen Einredenaussschluss ausgesetzt ist (BGE
105 II 183 E. 4a; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 22 f. und N. 50 f. zu
Art. 17 OR; JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, aaO, S. 26 f., 62 f., 138 und 217
f.; FURTER, Basler Kommentar, N. 10 zu Art. 979 OR; VON BALLMOOS, aaO,
S. 91; SIEBER, aaO, S. 152). Vorbehältlich einer Novationsabrede bleibt
daher die ursprüngliche Forderung mit ihren Nebenrechten - wie namentlich
einer Bürgschaft - durch die Ausstellung eines Wechsels unberührt, womit
die Wechselverbindlichkeit auch späteren Änderungen der ursprünglichen
Forderung unterworfen ist. Dem Aussteller stehen daher gegenüber dem ersten
Nehmer sämtliche Einreden und Einwendungen aus dem Grundgeschäft offen
(JÄGGI, aaO, N. 102 zu Art. 965 OR; JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, aaO, S. 216).

    b) Liegt der Eigenwechsel ununterbrochen oder mittels Rückindossierung
wiederum beim ersten Nehmer, besteht folglich von Privatrechts wegen
materiell nur eine Forderung, und zwar die Grundforderung aus dem
unterliegenden Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner (WIELAND,
aaO, S. 61).

    Diese Rechtslage ändert sich erst, wenn die Wechselforderung über
den Kreis der unmittelbaren Kontrahenten hinausgelangt, d.h. mit seiner
Indossierung an einen gutgläubigen Dritten. Erst in dessen Händen ist
der Wechsel mehr als bloss formelle Umhüllung

der causa (WIELAND, aaO, S. 65). Ihm gegenüber ist eine Anfechtung der
Wechselforderung durch den Aussteller wegen Mängeln des Grundverhältnisses
ausgeschlossen, weil durch das Indossament ein davon unabhängiges
Versprechen entsteht (Art. 1007 OR; JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, aaO,
S. 63; VON BÜREN, aaO, S. 6; WIELAND, aaO, S. 65 und 71; OTT, Das
Vertrauensprinzip und die Lehre vom Einredenausschluss im Wechselrecht, in:
SJZ 75/1979 S. 153 ff., 154). Erst mit der Indossierung des Eigenwechsels
entsteht neben der Forderung zwischen Aussteller und erstem Nehmer eine
zweite, von der Grundforderung losgelöste aber zweckidentische Forderung
zwischen Indossatar und Aussteller (MERZ, aaO, S. 55). Vor der Indossierung
ist die Zweiung der Forderungen bloss eine latente oder bedingte.

    Das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner könnte sich
durch die Ausstellung eines Eigenwechsels nur dann ändern, wenn es dadurch
materiell-abstrakt würde und zufolge einer Beschränkung der Einreden
aus dem Grundgeschäft die in der Urkunde nicht genannte Bürgenhaftung
ausschlösse. Die materielle Wechselstrenge als Einredeabstraktheit der
Wechselforderung gemäss Art. 1007 OR ist jedoch nicht eine Folge der
Wertpapiereigenschaft, sondern des Indossaments oder des Umlaufs des
Wechsels (VON BÜREN, aaO, S. 11; OTT, aaO, S. 154). Das im Wechsel
verurkundete Versprechen aus dem Skripturakt richtet sich allein an
gutgläubige Dritterwerber (WIELAND, aaO, S. 84 f.; GUHL/DRUEY, aaO,
S. 904). Nur ihnen gegenüber ist das Wechselversprechen skripturrechtlich
vom Grundverhältnis losgelöst. Eine weitergehende Einredeabstraktheit
lässt sich dagegen dem Wechselrecht nicht entnehmen. Es besteht denn auch
kein Grund, diesen Verkehrsschutz in irgendeiner Weise auf die kausal
verbundenen Parteien auszudehnen.

    c) Im Ergebnis wird daher mit der Prosequierung der im Eigenwechsel
verbrieften Forderung durch den ersten Nehmer nichts anderes verfolgt als
die Grundforderung, wenn auch auf prozessual sicherere und bequemere Weise
(MERZ, aaO, S. 27 f.). Mithin kann insoweit der Auffassung der Vorinstanz
nicht gefolgt werden. Die Bürgenhaftung ging durch die Ausstellung des
Eigenwechsels nicht unter, weil dadurch keine von der ursprünglichen
Mietzinsschuld gelöste Rechtsbeziehung zwischen der Hauptschuldnerin und
der Klägerin als erster Nehmerin entstand. Mit der rechtlichen Verfolgung
des Eigenwechsels durch die Klägerin wurde somit weder die Identität der
Grundforderung aus dem Mietverhältnis noch die

Bürgenhaftung aufgegeben. Vielmehr erfüllte die Klägerin die
Voraussetzungen von Art. 510 Abs. 3 OR, als sie die verbürgte
Grundforderung auf dem Weg der Wechselbetreibung und dem anschliessenden
Begehren auf Konkurseröffnung innerhalb der gesetzlichen Frist rechtlich
geltend machte. Daran ändert nichts, dass die Klägerin jedenfalls nach
erfolglosem Einlösungsversuch des Eigenwechsels nach der zutreffenden
Rechtsauffassung des Obergerichts ohne weiteres berechtigt gewesen wäre,
auch gestützt auf die Grundforderung gegenüber der Hauptschuldnerin
rechtlich vorzugehen. Eine derartige Pflicht bestand jedoch entgegen
der Ansicht des Obergerichts nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass
im Verhältnis der Mietparteien stets nur eine, und zwar die durch die
Bürgenhaftung gesicherte Mietzinsforderung bestand.

Erwägung 5

    5.- Der hier vertretenen Auffassung steht auch die ratio legis
von Art. 510 Abs. 3 OR nicht entgegen. Die zeitliche Strenge in der
Verfolgung der Hauptforderung rechtfertigt sich aus dem Interesse
des Bürgen an einer Klärung von Grundsatz und Umfang seiner Haftung,
aus der Tendenz zur Erleichterung seiner Befreiung von einer in aller
Regel einseitig eingegangenen Verpflichtung und aus der Schwierigkeit der
Schadensbestimmung bei unterlassener oder verzögerter Geltendmachung der
Hauptforderung (BGE 125 III 322 E. 3b). Diese Interessen aber werden
in der hier zu beurteilenden Konstellation ebenso gut wenn nicht
besser gewahrt, wenn der Gläubiger seine Forderung auf dem raschen
Weg der Wechselbetreibung verfolgt anstatt unbesehen des zusätzlichen
wertpapierrechtlichen Zahlungsversprechens aus dem Grundgeschäft
vorzugehen. Mithin stehen auch bürgschaftsrechtliche Überlegungen dieser
Auffassung nicht entgegen.