Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 506



127 III 506

85. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Juni 2001
i.S. A. gegen B. (Berufung)

Regeste

    Art. 712m Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 66 ZGB, Art. 712n Abs. 2
ZGB; Begründung von besonderen Nutzungsrechten bei bestehender
Stockwerkeigentümergemeinschaft.

    Die Stockwerkeigentümergemeinschaft kann formlos kein ausschliessliches
Benutzungsrecht an einer Terrasse einräumen (E. 3). Ein Mitglied, das
die exklusive Benutzung eines nicht im Sonderrecht stehenden Teils der
Liegenschaft während vielen Jahren durch ein anderes bloss geduldet hat,
klagt nicht rechtsmissbräuchlich auf Wiederherstellung des ursprünglichen
Zustandes, selbst wenn es der Benutzung damals zugestimmt hat (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Stockwerkeigentümergemeinschaft "X."  wurde am 10. Juli
1968 begründet und umfasst das Grundstück Kat.-Nr. 2945 in Y. Auf
dem Grundstück stehen zwei Wohngebäude (Assek.-Nr. 614 und 613)
und ein Garagentrakt (Assek.-Nr. 615). B. und A. sind Mitglieder der
Stockwerkeigentümergemeinschaft, Ersterer mit Sonderrecht an der Wohnung
im Obergeschoss des Hauses Nr. 20 am Weg Z. (Wertquote 248/1000),
der Zweite mit Sonderrecht an der ebenfalls nach Süden orientierten
Erdgeschosswohnung des gleichen Hauses (Wertquote 217/1000). B. erwarb
seine Wohnung im Jahre 1968, A. kaufte die seine auf Jahresbeginn 1973
von C. Dieser hatte auf dem Dach des Traktes zwischen den Wohnhäusern, der
in gemeinschaftlichem Eigentum steht, einen Dachgarten mit Plattenbelag,
Mauerumrandung und Bepflanzung angelegt. Die Dachfläche des Zwischentraktes
liegt (wie das Dach des anschliessenden Gebäudes Nr. 22 am Weg Z.) auf
gleichem Niveau wie A.s Erdgeschosswohnung und wird von diesem für sich
allein als Dachterrasse in Anspruch genommen. Gemäss Aufteilungsplan hat
A. nur an einem untergeordneten, an seinen Balkon angrenzenden Teil der
Dachfläche ein besonderes Nutzungsrecht (im Aufteilungsplan rot umrandet).

    Anlässlich einer Stockwerkeigentümerversammlung vom 4.
November 1997 wurde über die Sanierung des Daches des Zwischentrakts
diskutiert. A. lehnte in diesem Zusammenhang eine persönliche Kostenpflicht
auch insoweit ab, als für die Dachsanierung die Sitzplatzeinrichtungen
vorübergehend beseitigt werden müssen.

    B.- Am 27. November 1998 reichte B. beim Bezirksgericht W. Klage
ein. Er beantragte, A. sei zu verpflichten, die unberechtigte Nutzung
gemeinschaftlicher Teile aufzugeben sowie die Bauteile zur Nutzung
der Dachfläche als Terrasse zu entfernen, und es sei ihm zu verbieten,
die ausserhalb des rot gekennzeichneten Bereichs liegenden Teile des
Zwischentrakts und des Hauses Nr. 22 zu nutzen, zu betreten oder durch
bauliche Massnahmen zu verändern.

    Mit Urteil vom 21. Dezember 1999 wies das Bezirksgericht die
Klage ab. Es erwog im Wesentlichen, dem Beklagten sei das besondere
Nutzungsrecht an der Dachfläche einstimmig durch mündlichen Beschluss
erlaubt worden. Dieser sei unangefochten geblieben und noch immer
verbindlich. Selbst wenn der Beschluss aber ungültig wäre, müsste das
Klagebegehren als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden und es könnte
nicht geschützt werden.

    C.- Auf Berufung des Klägers hin hiess das Obergericht des Kantons
Zürich die Klage am 6. Oktober 2000 teilweise dahin

gut, als es dem Beklagten untersagte, das Flachdach über den rot
umrandeten Bereich hinaus als Dachterrasse zu benützen (Dispositivziffer
1 lit. a), und ihn verpflichtete, von diesem Bereich des Flachdaches
alles Mobiliar und alle Pflanzen (einschliesslich Pflanzentröge)
zu entfernen (Dispositivziffer 1 lit. b). Weitergehend wies es die
Klage ab. In der Begründung führte es aus, die Willensbildung der
Stockwerkeigentümergemeinschaft könne nur an einer Eigentümerversammlung
oder durch schriftlichen Zirkulationsbeschluss erfolgen. Das
mündlich erteilte Einverständnis habe nicht zu einer Erweiterung des
besonderen Nutzungsrechts an der Dachfläche geführt, und es sei nicht
rechtsmissbräuchlich, auf die bloss auf Zusehen hin erteilte Zustimmung
zurückzukommen.

    Ein Berichtigungs- bzw. Erläuterungsbegehren des Beklagten betreffend
die Dispositivziffer 1 lit. a des zweitinstanzlichen Urteils wies das
Obergericht mit Beschluss vom 27. Oktober 2000 ab.

    D.- Der Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit Berufung, das Urteil
vom 6. Oktober 2000 (insbesondere hinsichtlich der Dispositivziffer 1
lit. a und lit. b) aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eventuell sei die
Angelegenheit zur Aktenergänzung und neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen; subeventuell sei ihm nur zu verbieten, das Flachdach über
den rot umrandeten Bereich hinaus ausschliesslich zu nutzen. Die Berufung
bleibt erfolglos.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Obergericht ist davon ausgegangen, die interessierende
Dachfläche sei ein gemeinschaftlicher Bauteil. Ein besonderes
Nutzungsrecht daran bedürfe der Zustimmung der Eigentümerversammlung. Da
für besondere Nutzungsrechte die zum Benutzungs- und Verwaltungsreglement
(nachfolgend: BVR) gehörenden Aufteilungspläne massgebend seien,
setze ein neues besonderes Nutzungsrecht (z.B. am Dachgarten) eine
Reglementsänderung voraus. Gemäss Art. 20 und 24bis BVR fielen solche
Änderungen in die Kompetenz der Stockwerkeigentümerversammlung. Diese
könne an einer Versammlung mit Protokollführung oder schriftlich, auf dem
Zirkulationsweg, beschliessen. Ein nicht an der Versammlung und bloss
mündlich zustande gekommener Beschluss aber scheide aus, weil mündlich
nur mit Protokollierung gültig beschlossen werden könne. Art. 26 BVR
(schriftliche Zustimmung auf dem Zirkulationsweg) sei mehr als ein
vertraglicher Formvorbehalt, auf den verzichtet werden könne. Auch bei
kleinen Stockwerkeigentümergemeinschaften

müsse mit Blick auf das Rechtssicherheitsgebot und die erforderliche
Klarheit bezüglich des Fristenlaufs zur Anfechtung von Beschlüssen am
Erfordernis der Schriftform festgehalten werden. Mit Blick auf diese
Anforderungen habe sich aus einer seinerzeitigen Abrede unter den
Stockwerkeigentümern keine Erweiterung der besonderen Nutzungsrechte des
Beklagten ergeben können. Die umstrittene Mehrnutzung müsse deshalb als
ungerechtfertigte Einwirkung im Sinne von Art. 641 Abs. 2 ZGB betrachtet
und das Unterlassungsbegehren gutgeheissen werden.

    Nach Auffassung des Beklagten hat das Obergericht den Grundsatz
der Formfreiheit missachtet und dadurch Bundesrecht verletzt. Das
Gesetz enthalte keinen gesetzlichen Formvorbehalt für Beschlüsse der
Stockwerkeigentümergemeinschaft, und der Formvorbehalt gemäss Art. 20
ff. und Art. 26 BVR habe nur vertraglichen Charakter. Auf ihn könne
verzichtet werden und sei auch verzichtet worden. Namhafte Lehrmeinungen,
die das Obergericht missverstanden habe, bestätigten die Zulässigkeit
mündlicher einstimmiger Beschlüsse. Hätte der Kläger den auch aus den
Folgetatsachen hervorgehenden Beschluss nicht als verbindlich betrachten
wollen, so hätte er Einspruch erheben müssen. Hierzu sei es längst zu
spät. Auch Überlegungen um den Fristenlauf sprächen nicht gegen die
Zulässigkeit der mündlichen Beschlussfassung, zumal ja Einstimmigkeit
vorausgesetzt werde und eine Anfechtung deshalb regelmässig ausscheide.

    a) Es ist zu Recht unbestritten geblieben, dass die
Einräumung von besonderen Nutzungsrechten in die Kompetenz der
Stockwerkeigentümerversammlung fällt (vgl. den nicht abschliessend
zu verstehenden Katalog und den Wortlaut von Art. 712m Abs. 1 ZGB;
MEIER-HAYOZ/REY, Berner Kommentar, N. 44 ff. zu Art. 712g ZGB,
N. 14, 20 ff. und 59 f. zu Art. 712m ZGB; HEINZ REY, Schweizerisches
Stockwerkeigentum, Zürich 1999, Rz. 99 ff. und 279 f. S. 22 ff. und
75; ROLF WEBER, Die Stockwerkeigentümergemeinschaft, Diss. Zürich
1979, S. 209, 244 f. und 309 f.; CHRISTOPH MÜLLER, Zur Gemeinschaft
der Stockwerkeigentümer, Diss. Zürich 1973, S. 87 f.; KURT MÜLLER,
Der Verwalter von Liegenschaften mit Stockwerkeigentum, Diss. Zürich
1965, S. 51 und 71 f.). Soweit besondere Nutzungsrechte nicht schon
im Begründungsakt oder im Reglement zugewiesen worden sind, können die
Stockwerkeigentümer solche in einer Versammlung mündlich mit Protokoll oder
auf dem Zirkulationsweg ausschliesslich schriftlich beschliessen (Art. 712m
Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 66 Abs. 1 und 2 ZGB und Art. 712n Abs. 2

ZGB). Eine weitere Beschlussform lässt sich aus der gesetzlichen Regelung
höchstens für den Fall ableiten, dass man die schriftliche Urabstimmung
zulassen will, was im vorliegenden Fall mangels erfüllter Voraussetzungen
aber offen bleiben kann (vgl. dazu MEIER-HAYOZ/REY, aaO, N. 121 ff. zu
Art. 712m ZGB und REY, aaO, Rz. 336 ff. S. 89 f.).

    b) Die Argumentation des Beklagten, die in Art. 26 BVR vorgesehene
schriftliche Zustimmung sei einem vertraglichen Formvorbehalt
gleichzusetzen, von dem einvernehmlich abgewichen werden könne, geht fehl:

    Wohl kann Art. 11 Abs. 1 OR, wonach von der Formfreiheit von
Verträgen auszugehen ist, gemäss Art. 7 ZGB auf andere zivilrechtliche
Verhältnisse angewendet werden mit der Folge, dass die letztlich auf dem
Zivilgesetzbuch basierende Formvorschrift von Art. 26 BVR im vorliegenden
Fall nicht beachtet werden müsste. Jedoch verkennt der Beklagte, dass
dem Gesetz vorliegendenfalls zwangslos Formvorschriften entnommen werden
können, weil Art. 712m Abs. 2 i.V.m. Art. 66 Abs. 1 und 2 ZGB formlose
Zirkularbeschlüsse nicht zulässt. Wo dem Gesetz klare Regeln entnommen
werden können, ist ausgeschlossen, über Art. 7 ZGB Vorschriften des
allgemeinen Teils des Obligationenrechts anzuwenden (FRIEDRICH, Berner
Kommentar, N. 35, 37 und 59 bis 64 zu Art. 7 ZGB; HANS SCHMID, Basler
Kommentar, ZGB Bd. I, N. 8 f. zu Art. 7 ZGB; LIEBER, Zürcher Kommentar,
N. 43 ff. und 57 zu Art. 7 ZGB). Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben,
ob gestützt auf eine für Verträge bestimmte Norm (Art. 11 Abs. 1 OR)
von der reglementarischen Formvorschrift (Art. 26 BVR) im Einzelfall
abgewichen werden kann, schreibt doch das Gesetz auch vor, wie das
Reglement zu ändern ist (Art. 712g Abs. 3 Halbsatz 2 ZGB).

    c) Der Beklagte will zwar aus der Auffassung von WEBER, wonach das
Protokoll für Beschlüsse der Eigentümerversammlung keine konstitutive
Wirkung habe (aaO, S. 396 Ziff. 3), ableiten, das Gesetz erlaube nicht
protokollierte mündliche Beschlüsse ausserhalb der Versammlung. Er
interpretiert den genannten Autor jedoch falsch. Dieser hat an der
angegebenen Stelle bloss ausgeführt, die unrichtige Protokollierung berühre
die Wirksamkeit eines Beschlusses nicht. Dass ein Protokoll überhaupt
entbehrlich sei, sagt WEBER nicht. Eine solche Meinung stünde denn auch im
Widerspruch zu Art. 712n ZGB, der nicht nur eine Protokollierungspflicht,
sondern auch eine Aufbewahrungspflicht vorsieht. Ebenso wenig verfängt
der weitere Vorwurf des Beklagten an die Vorinstanz, sie

habe die Autoren MEIER-HAYOZ/REY falsch verstanden. Wenn diese
Verfasser unter Hinweis auf CH. MÜLLER festgehalten haben, das
schriftliche Verfahren könne einstimmig ausgeschlossen werden, weil
der einzelne Stockwerkeigentümer keinen unentziehbaren Anspruch auf
die Möglichkeit schriftlicher Stimmabgabe habe (MEIER-HAYOZ/REY,
aaO, N. 119 zu Art. 712m ZGB), so betrachten sie nicht die mündliche
Stimmabgabe ausserhalb der Stockwerkeigentümerversammlung als zulässig,
sondern bringen nur zum Ausdruck, dass die Stockwerkeigentümer sogar
das schriftliche Zirkulationsverfahren ausschliessen können. Das ergibt
sich bereits klar aus der Referenzstelle bei CH. MÜLLER (aaO, S. 106;
vgl. ferner MEIER-HAYOZ/REY, aaO, N. 32 ff. und 36 zu Art. 712n ZGB). Wie
die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, vermag ein mündlicher Beschluss
ausserhalb einer Stockwerkeigentümerversammlung einen schriftlichen
Zirkulationsbeschluss oder einen protokollierten und aufzubewahrenden
Versammlungsbeschluss nicht zu ersetzen.

    Die Möglichkeit, formlos Beschlüsse zu fassen, würde grundlegende
Publizitätsinteressen namentlich der Rechtsnachfolger und Erwerber
von dinglichen Rechten an Stockwerkeigentumsanteilen missachten, für
die die Beschlüsse der Eigentümerversammlung zur Nutzungsordnung und
Verwaltung verbindlich sind (Art. 649a ZGB analog; MEIER-HAYOZ/REY,
aaO, N. 32 f. und 37 zu Art. 712n ZGB; RENÉ BÖSCH, Basler Kommentar, ZGB
Bd. II, N. 6 zu Art. 712n ZGB; REY, aaO, Rz. 341 S. 90 f.). Dies wäre der
Rechtssicherheit abträglich. Hinzu kämen Schwierigkeiten bei der Berechnung
der Anfechtungsfrist (Art. 712m Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 75 ZGB). Gewiss
können Mitglieder, die zugestimmt haben, Versammlungsbeschlüsse in der
Regel nicht anfechten. Zur Anfechtung wegen Willensmängeln aber sind auch
sie befugt (REY, aaO, Rz. 344 S. 91 f.; MEIER-HAYOZ/REY, aaO, N. 136 zu
Art. 712m ZGB).

    Das soziale Zusammenleben unter einem Dach ist grundsätzlich nicht
unproblematisch (MEIER-HAYOZ/REY, aaO, N. 6 und 42 f. vor Art. 712a
ff. ZGB). Die Schriftlichkeit dient dem Rechtsfrieden, weil die Rechtslage
mit Dokumenten klar dargelegt werden kann und damit Streitigkeiten
unter Menschen vermieden werden können, die als Mitglieder einer
Stockwerkeigentümergemeinschaft zwangsläufig nahe zusammenleben.

    d) Es ergibt sich somit, dass die behauptete mündliche Zustimmung
aller Stockwerkeigentümer dem Beklagten kein besonderes Nutzungsrecht
an der umstrittenen Dachfläche verschaffen konnte, weshalb es nicht
erforderlich ist, den Rückweisungsantrag des

Beklagten so weit gutzuheissen (Art. 64 Abs. 1 OG), dass zu klären wäre, ob
ein entsprechender Beschluss ausserhalb der Stockwerkeigentümerversammlung
ergangen ist. Weil keine vom Gesetz zugelassene Beschlussvariante gewählt
worden ist, kann sich bloss die Frage stellen, ob gar kein Beschluss
oder ein nichtiger vorliegt. Denn der (Form-) Fehler ist jedenfalls so
gravierend, dass er nicht bloss einen Anfechtungsgrund darstellen kann
(Art. 712m Abs. 2 i.V.m. Art. 75 ZGB; MEIER-HAYOZ/REY, aaO, N. 128 ff. und
146 ff. zu Art. 712m ZGB; REY, aaO, Rz. 342 ff. S. 91 ff.; WEBER, aaO,
S. 402 ff.; CH. MÜLLER, aaO, S. 107 ff.).

    Soweit der Beklagte sinngemäss geltend machen will, ihm sei ein
vertragliches Benutzungsrecht an der seiner Stockwerkeigentumseinheit
vorgelagerten Dachterrasse eingeräumt worden, ist auf seine Berufung
mangels hinreichender Begründung (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 116
II 745 E. 3 S. 749) nicht einzutreten. Bei diesem Ergebnis kann
auch offen bleiben, wie der Umstand zu berücksichtigen wäre, dass der
Beklagte sowohl auf der Seite der Benutzungsrechtgeber stünde als auch
Benutzungsberechtigter wäre. Denn bei dieser Ausgangslage hätte für den
Beklagten offensichtlich ein Interessenkonflikt bestanden (Art. 712g
Abs. 1 i.V.m. Art. 647b Abs. 1 ZGB sowie Art. 712l und 712m Abs. 2
i.V.m. Art. 68 ZGB).

Erwägung 4

    4.- Für den Fall, dass der vom Beklagten behauptete Beschluss keine
Rechtsfolgen zeitigt und die Vorinstanz den Abwehranspruch des Klägers
bundesrechtskonform bejaht hat, macht der Beklagte weiter geltend,
die Berufung des Klägers auf den Formmangel sei rechtsmissbräuchlich
und aus diesem Grunde nicht zu schützen. Rechtsmissbrauch liege vor,
weil der Kläger selber dem Beschluss zugestimmt und dessen Umsetzung
während Jahrzehnten geduldet habe, und weil er kein Interesse an der
Aufgabe der ausschliesslichen Nutzung habe. Die Immissionen aus der
Dachterrassennutzung würden sich im Gegenteil in den erlaubten (rot
umrandeten) Bereich nahe beim Haus und damit zum Schlafzimmer des Klägers
hin verlagern. Dieser habe einen allfälligen Abwehranspruch auch durch
Untätigkeit und lange Duldung verwirkt. Sein Vorgehen sei rein schikanös.

    Das Obergericht hat dazu ausgeführt, der Beklagte hätte aus den
Aufteilungsplänen und dem im Grundbuch angemerkten BVR vor dem Kauf
ersehen können, wie weit sein Benutzungsrecht gehe. Aus dem Umstand,
dass der Kläger nicht schon früher gerichtlich vorgegangen sei, könne
er daher nichts für sich ableiten. Zudem habe er selber den vorliegenden
Prozess ausgelöst mit der Forderung, für

die Räumung und Wiederherstellung des Dachgartens zwecks Sanierung des
Flachdaches habe die Gesamtheit der Stockwerkeigentümer aufzukommen. Eine
auf blosses Zusehen hin erteilte Nutzungserlaubnis dürfe nach einer
vernünftigen Zeitspanne, während der die baulichen Vorkehren hätten
amortisiert werden können, zurückgenommen werden. Unverhältnismässig oder
gar rechtsmissbräuchlich sei das Beharren auf einer reglementskonformen
Nutzung des Stockwerkeigentums nicht.

    a) Die Ausführungen des Obergerichts überzeugen. Der Beklagte
muss sich in der Tat das Wissen um den Umfang seines Benutzungsrechts
entgegenhalten lassen. Auch wenn er davon ausgegangen ist, die nirgends
festgehaltene und deshalb nur auf Zusehen erteilte Erlaubnis zur
ausschliesslichen Nutzung der Dachfläche werde nicht zurückgezogen,
musste er doch grundsätzlich jederzeit, jedenfalls aber nach Ablauf einer
vernünftigen Amortisationsfrist, mit dem Entzug rechnen. Auch eine sehr
lange widerspruchslose Duldung der Nutzung lässt das Zurückkommen auf die
Bereitschaft zur Überlassung erst als rechtsmissbräuchlich erscheinen,
wenn der Kläger beim Beklagten die bestimmte Erwartung geweckt hätte,
er werde sein Recht nicht durchsetzen und dann (insoweit widersprüchlich)
trotzdem auf seinem Recht beharrt hätte (MERZ, Berner Kommentar, N. 512
ff. zu Art. 2 ZGB; BAUMANN, Zürcher Kommentar, N. 385, 391 ff., 399,
401, 407 ff. und 426 zu Art. 2 ZGB; MAYER-MALY, Basler Kommentar, ZGB
Bd. I, N. 52 zu Art. 2 ZGB). Denn blosses Zuwarten mit der Rechtsausübung
begründet noch nicht Rechtsmissbrauch (BGE 124 II 436 E. 10e/dd S. 453; 110
II 273 E. 2 S. 275 Abs. 3). Allein mit der mündlichen, seitens des Klägers
offenbar nur unter Vorbehalt erteilten Einwilligung erhielt der Beklagte
somit keineswegs eine ihrer Natur nach unentziehbare Nutzungsbefugnis,
deren Rücknahme rechtsmissbräuchlich wäre. Der Beklagte macht nicht mit
den erforderlichen Aktenhinweisen geltend (Art. 64 Abs. 1 OG), er habe
prozesskonform und erfolglos die Abnahme von Beweisen beantragt (BGE 119 II
353 E. 5c/aa S. 357; 115 II 484 E. 2a), aus denen gefolgert werden könnte,
der Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, der Kläger werde seine Rechte
nicht durchsetzen (BGE 117 II 575 E. 4c S. 578 f.).

    Der Beklagte kann sich für den Rechtsmissbrauchsvorwurf an den Kläger
auch nicht auf BGE 114 II 106 E. 4 S. 111 f. und 109 II 338 E. 2a S. 340
f. berufen, wo umstritten war, ob die Verletzung eines Rechts während so
langer Zeit widerspruchslos geduldet wurde, dass der klägerische Anspruch
als verwirkt betrachtet werden durfte.

Denn in den beiden zitierten Entscheiden ging es um die Verletzung von
immaterialgüterrechtlichen Unterlassungsansprüchen (so auch BGE 117 II
575 E. 4). Hier stehen auch nicht verjährbare obligationenrechtliche
Forderungen, deren Durchsetzbarkeit von den Verjährungsvorschriften
zeitlich begrenzt wird (Art. 60 Abs. 1, Art. 67 Abs. 1 und Art. 127
ff. OR), sondern unverjährbare sachenrechtliche Abwehransprüche in
Frage mit der Folge, dass wegen Zeitablaufs nur sehr zurückhaltend auf
Rechtsmissbrauch geschlossen werden kann, weil damit die Unverjährbarkeit
unterlaufen werden könnte. Weiter ging es vorliegend um eine bis zum
Entzug der Zustimmung geduldete und damit rechtmässige Nutzung und es wurde
keine Verletzung hingenommen. Schliesslich kann von Rechtsmissbrauch umso
weniger die Rede sein, als der Beklagte - wie das Obergericht verbindlich
festgestellt hat (Art. 63 Abs. 2 OG) - den Anlass für den Sinneswandel
beim Kläger selber geboten hat.

    Es kann auch nicht argumentiert werden, der Kläger dürfe sich wegen
seiner Zustimmung nicht mehr auf den Formmangel berufen. Die Vorinstanz
hat nirgends verbindlich festgestellt, eine allfällige Zustimmung der
Stockwerkeigentümer habe sich nicht nur auf die (formlose) Überlassung
der Dachfläche zur Verwendung als Terrasse, sondern auch auf die
Nichteinhaltung der Form bezogen.

    b) Endlich führt auch die Interessenlage nicht zu einer anderen
Beurteilung:

    Gewiss wird der Beklagte seine Aktivitäten im Rahmen der
Terrassennutzung verlagern und unmittelbar beim Haus und unter dem
Schlafzimmer des Klägers ausüben müssen. Indessen erlaubt die stark
verkleinerte Terrasse naturgemäss nur noch verminderte Aktivitäten. Diese
werden überdies zum Teil in den Bereich verdrängt, der durch den
vorkragenden Balkon des Klägers abgeschirmt wird, was die Immissionen eher
vermindern dürfte. Das und der Umstand, dass gemeinschaftliches Eigentum
von einem einzelnen Stockwerkeigentümer ohne besonderen Rechtstitel nicht
exklusiv benutzt werden soll, liegt im Interesse des Klägers mit der Folge,
dass die Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht krass zu Gunsten des
Beklagten ausfallen kann (BGE 123 III 200 E. 2b a.A. und 2b/bb S. 203 f.;
117 II 575 E. 4c S. 579). Weil die Rechtsausübung des Klägers nicht unnütz
und somit auch nicht schikanös erscheint (BGE 123 III 200 E. 2b/aa S. 203),
hat die Vorinstanz auch unter diesem Gesichtswinkel Rechtsmissbrauch ohne
Verletzung von Bundesrecht verneint.