Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 503



127 III 503

84. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. August 2001
i.S. S.S. gegen J.H. (Berufung)

Regeste

    Kindesunterhalt; Abänderungsklage des Unterhaltsschuldners (Art. 286
Abs. 2 ZGB); Anwendungsbereich von Art. 279 Abs. 1 ZGB.

    Zugunsten des Unterhaltsschuldners ist die in Art. 279 Abs. 1 ZGB
vorgesehene einjährige Rückwirkung ab Klageerhebung nicht sinngemäss
anzuwenden (E. 3b/aa).

Sachverhalt

    J.H. ist der aussereheliche Vater der am 17. Mai 1986 geborenen
S.S. Mit Unterhaltsvertrag vom 25. Februar 1989 verpflichtete er sich,
seiner Tochter bis zum vollendeten sechsten Altersjahr einen

indexierten monatlichen Unterhaltsbeitrag zu bezahlen. Ab Mai 1998
belief sich der zu bezahlende Unterhaltsbeitrag unter Berücksichtigung
des Teuerungszuschlages auf Fr. 965.-. Im März 1998 verheiratete sich
J.H. und wurde Vater einer weiteren Tochter (geboren im Juni 1998) und
eines Sohnes (geboren im November 1999).

    J.H. erhob am 22. April 1999 beim Bezirksgericht Bülach Klage auf
Abänderung des Unterhaltsvertrages und begehrte, den von ihm geschuldeten
monatlichen Unterhaltsbeitrag vom 1. Oktober 1998 an bis zur Mündigkeit
seiner Tochter S.S. auf Fr. 200.- festzusetzen. Das Bezirksgericht
setzte in teilweiser Gutheissung der Klage den vom Kläger ab dem 1.
Mai 1999 monatlich zu leistenden Unterhaltsbeitrag auf Fr. 300.-
nebst Kinderzulagen herab. Auf Berufung der Beklagten hin erhöhte das
Obergericht des Kantons Zürich mit Wirkung ab 1. Mai 1999 den der Beklagten
monatlich zustehenden Unterhaltsbeitrag auf Fr. 620.- zuzüglich etwaiger
Kinderzulagen.

    Die Beklagte führt eidgenössische Berufung und beantragt
dem Bundesgericht, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die
Abänderungsklage abzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der
Berufung und erhebt Anschlussberufung. Er ersucht insofern um Abänderung
des vorinstanzlichen Entscheides, als er ab dem 1. Oktober 1998 zu
verpflichten sei, der Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von
Fr. 620.- nebst etwaigen Kinderzulagen zu bezahlen. Das Bundesgericht weist
die Berufung und die Anschlussberufung ab und bestätigt den angefochtenen
Entscheid.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- b/aa) Nach der überwiegenden Lehre gilt der in Art. 279
Abs. 1 ZGB festgeschriebene Grundsatz, dass das Kind nicht nur für die
Zukunft, sondern auch für das Jahr vor der Klageerhebung auf Leistung des
Unterhalts klagen kann, sinngemäss auch für den auf Abänderung klagenden
Unterhaltsschuldner (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 94 zu Art. 286
ZGB; derselbe, Aktuelle Fragen der elterlichen Unterhaltspflicht,
in: ZVW 1990 S. 48; WULLSCHLEGER, Praxiskommentar Scheidungsrecht,
Basel 2000, N. 15 zu Art. 286 ZGB). Nur HAUSHEER/SPYCHER (in: Handbuch
des Unterhaltsrechts, Bern 1997, N. 09.61 f.) sprechen sich gegen die
einjährige Rückwirkung der Abänderungsklage nach dem Vorbild des Art.
279 Abs. 1 ZGB aus. Sie begründen dies unter anderem damit, Art. 279
Abs. 1 ZGB enthalte von seinem Zweck her eine Privilegierung des

Kindes, das darauf angewiesen ist, seinen Unterhaltsanspruch auf
gerechtlichem Wege geltend zu machen. Es sei nicht folgerichtig, die
Vorzugsstellung der einjährigen Rückwirkung auch dem Unterhaltsschuldner
angedeihen zu lassen, der auf Abänderung zu seinen Gunsten klagt. Zu
bedenken sei auch, dass die bisherige Rechtsprechung zur Abänderung
von Scheidungsrenten die Wirkung des Abänderungsbegehrens im Regelfall
frühestens im Zeitpunkt von dessen Einreichung eintreten lässt (BGE 117
II 368 E. 4c S. 369 ff. mit Hinweisen; Entscheid des Bundesgerichtes vom
2. November 1989 i.S. B., 5C.117/1989, E. 5a, veröffentlicht in: SJ 1990
S. 108; unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichtes vom 14. April
1997 i.S. R., 5C.45/1997, E. 2b).

    Diese Argumentation überzeugt. So sehr Art. 279 Abs. 1 ZGB bezweckt,
dem auf Unterhalt klagenden Kind mit der einjährigen Rückwirkung eine
Vorzugsstellung einzuräumen, so wenig ist ein sachlicher Grund ersichtlich,
in dieser Beziehung den Unterhaltsschuldner, der auf Herabsetzung des
Unterhaltsbeitrages klagt, gleich zu behandeln. Seine Lage ist mit jener
des klagenden Kindes nicht vergleichbar und folglich ist hinsichtlich der
Rückwirkung eine gleichgeartete Schutzbedürftigkeit nicht auszumachen. Die
Rückwirkung soll dem Kind ermöglichen, sich vor der Klageerhebung mit
dem Unterhaltspflichtigen auf eine vertragliche Einigung zu verständigen,
ohne im Falle des Scheiterns der Verhandlungen einen Nachteil gewärtigen
zu haben (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die
Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesverhältnis] vom
5. Juni 1974, BBl 1974 II 58 f. Ziff. 322.41).

    Anders als bei der Unterhalts- und Abänderungsklage des Kindes, die
nach Art. 279 Abs. 1 ZGB rückwirkend für das Jahr vor Klageerhebung erhoben
werden kann, ist den Interessen des Unterhaltsschuldners demnach Genüge
getan, wenn die Abänderung frühestens ab dem Zeitpunkt der Klageeinreichung
wirkt oder, sollte das massgebende Änderungsereignis erst nach der
Klageerhebung eintreten, spätestens nach dessen Verwirklichung Wirkung
erlangt. Dem Unterhaltsschuldner steht es frei, unmittelbar nach Eintritt
der erheblichen Änderung der Verhältnisse auf Abänderung zu klagen und
damit eine Herabsetzung mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zu
erlangen, so dass es einer (einjährigen) Rückwirkung nicht bedarf und es
somit nicht geboten ist, Art. 279 Abs. 1 ZGB über seinen Wortlaut hinaus
auch zugunsten des Unterhaltsschuldners anzuwenden.