Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 374



127 III 374

63. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. März 2001
i.S. S. gegen Staat Luzern (Direktprozess) Regeste

    Haftung des Staates bei angeblich verspäteter Konkurseröffnung über
eine Aktiengesellschaft; Aktivlegitimation; Unterscheidung zwischen
unmittelbarem und mittelbarem Schaden der Gesellschaftsgläubiger;
Art. 725a OR.

    Unterscheidung zwischen Gesellschaftsschaden und Gläubigerschaden
(E. 3a). Kriterien für die Abgrenzung von unmittelbarem und
mittelbarem Gläubigerschaden gemäss der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung (E. 3b). Art. 725a OR bezweckt, im Interesse der
Gläubiger und der Gesellschaft die Rahmenbedingungen zu schaffen, um
realistische Chancen auf eine Sanierung der Gesellschaft gegebenenfalls
wahrzunehmen (E. 3c). Gegenüber der Gesellschaft und den Gläubigern
übernimmt der Konkursrichter in ähnlichem Umfang Verantwortung wie die
Gesellschaftsorgane; es ist deshalb sachgerecht, die Unterscheidung
zwischen mittelbarem und unmittelbarem Gläubigerschaden auch dann Platz
greifen zu lassen, wenn nicht ein Gesellschaftsorgan, sondern gestützt
auf Art. 725a OR das Gemeinwesen ins Recht gefasst wird (E. 3d).

Sachverhalt

    A.- Anfang Mai 1991 wurde die Z. Invest & Treuhand AG (nachfolgend:
Z.) mit Sitz in Luzern gegründet. Ihr statutarischer Zweck bestand
in der Durchführung von Vermögensverwaltungen und Treuhandgeschäften
sowie im Halten von Beteiligungen. Die Z. nahm Darlehen ab DM 5'000.-
gegen Zins zu hohen Ansätzen (1993 zwischen 9,5 und 11% pro Jahr)
entgegen, wobei die meisten Kapitalanleger aus Deutschland stammten. Die
Laufzeit der Darlehen war auf zwölf Monate mit Verlängerungsmöglichkeit
festgelegt. Die Z. verpflichtete sich im Darlehensvertrag, die Darlehen
durch Grundschuldbriefe auf deutschen Grundstücken, durch Beteiligungen
an Unternehmen und durch Guthaben bei schweizerischen Grossbanken
sicherzustellen.

    Am 16. März 1995 stellte S., Deutschland, einen "Beteiligungsantrag"
für ein Darlehen im Betrag von DM 25'000.- zu einem Zinssatz von 11%. Am
20. April 1995 bestätigte der Treuhänder namens der Z. die Annahme des
Antrags. Der Darlehensbetrag wurde am 23. März 1995 überwiesen.

    B.- Schon einige Monate zuvor, am 18. Oktober 1994, hatte der
Verwaltungsratspräsident der Z. dem Konkursrichter des Amtsgerichts
Luzern-Stadt (Amtsgerichtspräsident III) die Überschuldung der Z. zu Buch-
und Veräusserungswerten mitgeteilt und um Konkursaufschub ersucht. Da die
Bemühungen um eine Sanierung scheiterten, wies der Amtsgerichtspräsident
III mit Entscheid vom 12. Juni 1995 das Aufschubgesuch ab und eröffnete
unter dem gleichen Datum den Konkurs über die Z.

    C.- Am 11. November 1999 reichte S. beim Bundesgericht Klage gegen
den Staat Luzern ein. Sie beantragt, dieser sei zu verpflichten, ihr DM
22'500.- bzw. Fr. 18'495.- nebst Zins zu 5% seit dem 23. März 1995 zu
bezahlen. Das Bundesgericht weist die Klage ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beklagte bestreitet, dass die Klägerin zur Geltendmachung des
Staatshaftungsanspruchs aktivlegitimiert ist. Er macht geltend, aus der
angeblich verspäteten Konkurseröffnung resultiere jedenfalls keine direkte,
klagbare Schädigung der Gläubiger, sondern höchstens ein mittelbarer
Schaden. Direkt geschädigt wäre die Klägerin allenfalls, wenn die von ihr
angerufene Norm (Art. 725a OR) ausschliesslich dem Gläubigerschutz dienen
würde, was nicht der Fall sei, oder wenn die Schadenersatzpflicht aus
Art. 41 OR oder einem Tatbestand der "culpa in contrahendo" abgeleitet
würde, was ebenfalls nicht zutreffe. Aus dem gerügten Verstoss des
Konkursrichters gegen Art. 725a OR sei gegebenenfalls die Gesellschaft
direkt geschädigt worden und zur Schadenersatzklage legitimiert. Diese
habe nie auf das Klagerecht verzichtet. Die Konkursverwaltung habe
sich vielmehr an der zweiten Gläubigerversammlung ermächtigen lassen,
Verantwortlichkeitsansprüche gegen den Beklagten zu erheben.

    Die Klägerin führt zu ihrer Aktivlegitimation aus, bei Art.  725a OR
handle es sich nicht um eine Norm mit doppeltem Schutzzweck (Schutz der
Gesellschaft einerseits und der Gläubiger anderseits). Dies gelte nur
für Art. 725 OR, d.h. für Fälle, in denen die Verantwortlichkeit der
Gesellschaftsorgane und nicht diejenige des Richters in Frage stehe. Bei
Art. 725a OR seien die Interessen des einzelnen Gläubigers absolut zentral
und liege dessen Klagelegitimation deshalb auf der Hand. Im Übrigen lasse
sich die Klage auch auf die Schutznormen des SchKG abstützen, da Art. 25
Ziff. 2 SchKG i.V.m. Art. 192 aSchKG den Konkursrichter zu rascher
Entscheidung verpflichte. Geschädigt und zur Klage legitimiert seien
jedenfalls alle neuen Gläubiger, d.h. diejenigen, die bei rechtzeitiger
Konkurseröffnung ihr Geld nicht angelegt hätten und daher nicht zu Schaden
gekommen wären.

    Die Frage der Aktivlegitimation ist vorweg zu prüfen.

    a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist beim Konkurs einer
Aktiengesellschaft zu unterscheiden zwischen dem Gesellschaftsschaden
einerseits und dem Gläubigerschaden andererseits. Der Schaden der
Gesellschaft wird nach der Konkurseröffnung von der Gläubigergesamtheit -
bzw. im Fall einer Abtretung nach Art. 260 SchKG vom Abtretungsgläubiger
- geltend gemacht. Der einzelne Gläubiger darf daneben unabhängig vom
Gesellschaftsschaden den ihm unmittelbar entstandenen (Gläubiger-)Schaden,
auf den er sich aus eigenem Recht unabhängig vom Vorgehen der Konkursorgane
berufen kann, ins Recht legen. Soweit er indessen einen Schaden erleidet,
der sich bloss aus dem Schaden der Gesellschaft ableitet, indem er
infolge der Vermögenseinbusse der Gesellschaft für seine Forderungen
nicht gedeckt ist, liegt ein mittelbarer Schaden vor, den er nicht
selbstständig einklagen kann (BGE 122 III 176 E. 7a und b S. 189 f.,
mit weiteren Hinweisen).

    b) Massgebliches Kriterium für die Abgrenzung von unmittelbarem
und mittelbarem Gläubigerschaden ist nicht, in welcher Vermögensmasse
der Schaden unmittelbar eintritt bzw. ob die haftungsbegründenden
Handlungen zu einer Beeinträchtigung des Vermögens der Gesellschaft geführt
haben. Vielmehr kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auf
die Rechtsgrundlage der jeweiligen Schadenersatzpflicht an, mithin auf die
Art der Pflichtverletzung, die dem ins Recht gefassten Organ vorgeworfen
wird, sowie auf die Interessen, deren Schutz die missachtete Vorschrift
dient. Ein unmittelbarer Gläubigerschaden liegt demnach vor, wenn das
Verhalten des fehlbaren Organs gegen aktienrechtliche Bestimmungen
verstösst, die ausschliesslich dem Gläubigerschutz dienen, oder die
Schadenersatzpflicht auf einem anderen widerrechtlichen Verhalten
des Organs im Sinne von Art. 41 OR oder einem Tatbestand der "culpa
in contrahendo" gründet. Werden Bestimmungen verletzt, die sowohl den
Interessen der Gesellschaft als auch dem Schutz der Gläubiger dienen,
liegt ein mittelbarer Schaden vor, der ausserhalb des Konkurses durch
die Gesellschaft oder die Aktionäre und nach der Konkurseröffnung
durch die Gläubigergesamtheit, allenfalls durch den an ihrer Stelle
klagenden Gläubiger oder Aktionär geltend zu machen ist (Art. 756 Abs. 1
und Art. 757 Abs. 1 und 2 OR; BGE 122 III 176 E. 7b S. 190 f.). Diese
Rechtsprechung ist zwar in der Lehre teilweise auf Kritik gestossen,
doch hat das Bundesgericht in BGE 125 III 86 E. 3a S. 88 ausdrücklich
daran festgehalten (vgl. auch die dortigen Hinweise auf die Lehre). Trotz
erneuter Kritik (s. LUKAS GLANZMANN, Die Verantwortlichkeitsklage unter
Corporate-Governance-Aspekten, in: ZSR 119/2000 II S. 135 ff., S. 168 f.,
mit weiteren Hinweisen) besteht daher kein Anlass, hier von dieser Praxis
abzuweichen, umso weniger, als sie vor kurzem in einem ähnlich gelagerten
Fall bestätigt worden ist (vgl. auch Urteil der II. Zivilabteilung vom
29. Juni 2000 i.S. X. AG [5C.124/1999], E. 2c und d S. 6; ferner zustimmend
ALAIN HIRSCH, La responsabilité des organes en cas d'insolvabilité de
la SA: dommage direct et dommage indirect des créanciers, in: SZW 2000
S. 94 ff., S. 99 f.).

    c) Art. 725a OR, dessen Verletzung die Klägerin dem Konkursrichter
vorwirft, bezweckt, im Interesse der Gläubiger und der Gesellschaft
die Rahmenbedingungen zu schaffen, um realistische Chancen auf eine
Sanierung der Gesellschaft auszuloten und gegebenenfalls wahrzunehmen
(ALEXANDER DUBACH, Der Konkursaufschub nach Art. 725a OR, in: SJZ
94/1998 S. 149 ff., S. 151). Es handelt sich somit um eine Bestimmung mit
doppelter Schutzfunktion. Dies macht bereits das Antragsrecht sowohl des
Verwaltungsrates als auch der Gläubiger deutlich (Art. 725a Abs. 1 OR),
was das Bundesgericht zur altrechtlichen Vorschrift von Art. 725 aOR,
die in Abs. 4 die gleichen Voraussetzungen zum Aufschieben des Konkurses
enthielt wie die revidierte Norm, ausdrücklich festgehalten hat (BGE
125 III 86 E. 3b S. 89; 101 III 99 E. 4 S. 106; vgl. auch WÜSTINER,
Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 725a OR). Die anderslautende Auffassung
der Klägerin entbehrt jeder Grundlage; ihr kann nicht gefolgt werden.

    Der von der Klägerin eingeklagte Schaden ist somit als mittelbarer
Schaden zu qualifizieren. Daran ändert nichts, dass die Klägerin nicht nur
auf Art. 725a OR, sondern auch auf Bestimmungen des SchKG verweist (Art. 25
Ziff. 2 und Art. 192 aSchKG). Diesen Normen kommt als Haftungsgrundlage
keine selbstständige Bedeutung zu, wenn ein Schaden aus widerrechtlicher
Behandlung eines Konkursaufschubbegehrens durch den Richter behauptet
wird. Sie halten bloss fest, dass das summarische Verfahren zur Anwendung
gelangt (Art. 25 Ziff. 2 SchKG) und der Konkurs ohne vorgängige Betreibung
eröffnet werden kann (Art. 192 SchKG bzw. Art. 192 aSchKG). Unter welchen
Voraussetzungen der Richter aber einen Aufschub gewähren darf bzw. welche
Anforderungen er an den Nachweis der Sanierungsaussichten zu stellen hat
und welchen Zeitraum er für den Nachweis zur Verfügung stellen darf,
ergibt sich in erster Linie aus Art. 725a OR. Dies gilt umso mehr,
als Art. 194 SchKG betreffend das Verfahren der Konkurseröffnung ohne
vorgängige Betreibung die Vorschrift von Art. 171 SchKG, wonach über
die Konkurseröffnung ohne Aufschub zu befinden sei, (wie schon unter
altem Recht) nicht als anwendbar erklärt. Die Klägerin räumt denn auch
- in anderem Zusammenhang - selber ein, dass der Konkursaufschub ein
aktienrechtliches Moratorium darstelle, die damit verbundenen Aufgaben
dem Konkursrichter durch das OR und nicht durch das SchKG zugewiesen seien
und die Anwendbarkeit der Haftungsnormen des SchKG "a priori entfalle".

    Im Übrigen hat auch die Gesamtheit der Gläubiger der Z. die
Gesellschaft als direkt geschädigt betrachtet, indem sie an der
zweiten Gläubigerversammlung vom 30. März 1998 einem Antrag der
ausseramtlichen Konkursverwaltung zugestimmt hat, wonach die Konkursmasse
Verantwortlichkeitsansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen habe
und die Konkursverwaltung ermächtigt werde, diese auf dem Prozessweg
durchzusetzen.

    d) Die Klägerin bringt weiter vor, die Rechtsprechung zur Abgrenzung
von mittelbarem und unmittelbarem Schaden sei im Zusammenhang mit der
Verantwortlichkeit von Gesellschaftsorganen entwickelt worden und könne
nicht auf Schädigungen durch den Konkursrichter übertragen werden. Der
Hinweis auf den Hintergrund der Schadensdifferenzierung trifft zwar zu,
spielt jedoch keine Rolle. Die Unterscheidung zwischen mittelbarem
und unmittelbarem Schaden knüpft nicht an die Person oder Stellung
des Schädigers an, sondern an die Rechtsgrundlage und die durch sie
geschützten Interessen; auf die Person des Schädigers kommt dabei nichts
an. Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb die Unterscheidung nur
zu beachten sein sollte, wenn ein Gesellschaftsorgan im Zusammenhang
mit den Folgen von Kapitalverlust und Überschuldung seine Pflichten
missachtet, nicht aber, wenn der Konkursrichter im selben Zusammenhang
widerrechtlich handelt und dadurch Gesellschaft und Gläubiger schädigt (im
gleichen Sinn Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Juni 2000 i.S. X. AG
[5C.124/1999], E. 2d und e S. 6 f.). Die Vorschriften über das Vorgehen
und die Obliegenheiten der Organe und des Richters bei Kapitalverlust
und Überschuldung einer Gesellschaft sind aufeinander abgestimmt und
bilden ein Ganzes, und gegenüber der Gesellschaft und den Gläubigern
übernimmt der Konkursrichter in ähnlichem Umfang Verantwortung wie die
Gesellschaftsorgane. Hinzu kommt, dass die innere Rechtfertigung der
Unterscheidung zwischen mittelbarem und unmittelbarem Gläubigerschaden bei
Schädigungen durch Gesellschaftsorgane in ähnlichem Masse gegeben ist wie
bei Schädigungen durch den Konkursrichter. In beiden Fällen würden ohne
diese Unterscheidung mit dem Schadenersatzanspruch der Gesellschaft (hier
aus Art. 725a OR) auch konkurrierende Schadenersatzansprüche einzelner
Gläubiger bejaht, die zwar einen anderen Inhalt, aber dennoch einen engen
Zusammenhang mit der Vermögenssituation der Gesellschaft haben. Es wäre
unklar und bedürfte der Regelung, welchen Einfluss die Tilgung des einen
Anspruchs oder der Verzicht auf Geltendmachung des einen Anspruchs auf
den Fortbestand des andern hat (BGE 122 III 176 E. 7c S. 193 f., auch
zum Folgenden). Im Weiteren wäre auch nicht auszuschliessen, dass die
Bejahung eines Anspruchs aus unmittelbarer Gläubigerschädigung ähnlich
wie bei der Organverantwortlichkeit zu einer faktischen Privilegierung
dieser Kategorie von Gläubigern gegenüber den anderen führen würde. Das
könnte dann der Fall sein, wenn das haftende Gemeinwesen gemessen an
den geltend gemachten Schadenersatzansprüchen - zumindest zur Zeit -
nur über ein ungenügendes Haftungssubstrat verfügen würde und es zu einem
Wettlauf um Befriedigung daraus käme. Ausserdem würde der Verzicht auf die
Unterscheidung zwischen mittelbarem und unmittelbarem Gläubigerschaden
bei widerrechtlichen Handlungen des Konkursrichters dazu führen, dass
das Gemeinwesen im Zusammenhang mit Konkurseröffnungen in weitergehendem
Umfang haftet als fehlbare Gesellschaftsorgane. Es ist indessen nicht
einzusehen, aus welchen Gründen das Gemeinwesen diesbezüglich eine grössere
Verantwortung übernehmen sollte als die mit der Unternehmensleitung
betrauten Personen. Die Interessen des Gläubigerschutzes gebieten
nicht, die Verantwortlichkeit des Gemeinwesens im Zusammenhang mit
Konkurseröffnungen im Sinne eines Auffangbeckens für alle von den Organen
nicht erhältlichen Schadenersatzleistungen zu umschreiben, liegt doch die
primäre Verantwortung für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit den
am Markt tätigen Unternehmen beim Gläubiger und nicht beim Gemeinwesen.
Der Gesellschaftsgläubiger muss damit rechnen, dass die Gesellschaft in
finanzielle Schwierigkeiten gerät und seine Forderungen letztendlich nicht
begleichen kann. Er kann nicht darauf vertrauen, dass das Gemeinwesen
solche Gesellschaften sofort vom Markt entfernt und für allfällige
Verluste wegen Verzögerungen ohne Einschränkungen einsteht, und er hat
letztendlich keine Gewähr, dass ein mit ihm in Geschäftsbeziehungen
tretendes Unternehmen nicht bereits überschuldet ist (vgl. PETER BÖCKLI,
Schweizer Aktienrecht, 2. Aufl., Zürich 1996, Rz. 1719 f.).

    Aus diesen Gründen erscheint es folgerichtig und sachgerecht, die
Unterscheidung zwischen mittelbarem und unmittelbarem Gläubigerschaden
auch dann Platz greifen zu lassen, wenn nicht ein Gesellschaftsorgan,
sondern gestützt auf Art. 725a OR das Gemeinwesen ins Recht gefasst wird.

    e) Aus den Ausführungen der Klägerin in der Replik ist abzuleiten,
dass sie aus der nach ihrer Auffassung verspäteten Konkurseröffnung auf
eine Verminderung des Gesellschaftsvermögens und dadurch auch auf eine
Schädigung der Ansprüche aller Gläubiger schliesst, wobei insbesondere
die erst nach dem Zeitpunkt rechtzeitiger Konkurseröffnung zu Gläubigern
gewordenen Personen geschädigt worden seien. Die Klägerin ist demnach
von einem unmittelbaren Gesellschaftsschaden einerseits und mittelbaren
Gläubigerschäden andererseits ausgegangen und hat ihren zur zweiten
Kategorie zu zählenden mutmasslichen Verlust eingeklagt. Dazu ist sie
nach dem Dargelegten nicht aktivlegitimiert. Im Parteivortrag bringt sie
zwar neu vor, die Gesellschaft habe keinen Schaden erlitten, weil das
Aktienkapital und die Reserven bei Einreichung der Überschuldungsanzeige
bzw. im Zeitpunkt der Darlehensgewährung längst verloren gewesen
seien. Einer Gesellschaft entsteht jedoch nicht nur dann ein Schaden,
wenn Geldmittel oder Reserven verloren gehen, sondern auch dann, wenn zu
ihren Lasten ungedeckte Verbindlichkeiten begründet werden. Weshalb ein
solcher Schaden nicht spezifizierbar sein sollte, ist unerfindlich. Es
ist auch nicht nachvollziehbar, warum es der Gesellschaft bzw. - nach
Konkurseröffnung - der Konkursverwaltung verwehrt sein sollte, einen
durch fehlbares Verhalten der Gesellschaftsorgane verursachten Schaden
gegen die Organe geltend zu machen, so dass hierzu die (nach dem Gesagten
nur mittelbar geschädigten) Gläubiger berechtigt sein sollten (Art. 754
Abs. 1, 755, 756 Abs. 1 und 757 Abs. 1 OR). Die Argumentation der Klägerin
geht schon aus diesen Gründen fehl. Die Klägerin macht zudem selber nicht
geltend, sie sei gestützt auf Art. 757 Abs. 2 OR oder auf eine Abtretung
nach Art. 260 SchKG berechtigt, einen Teil des Gesellschaftsschadens
einzuklagen.

    f) Im Weiteren legt die Klägerin nicht dar, dass sie einen
unmittelbaren Gläubigerschaden erlitten hat, weil sich der Konkursrichter
gegenüber ihr persönlich widerrechtlich im Sinne von Art. 41 OR oder
eines Tatbestands der "culpa in contrahendo" verhalten habe. Sie
zeigt nicht auf, dass der Konkursrichter eine Norm verletzt hat, die
ausschliesslich ihrem Schutz dient (vgl. BGE 122 III 176 E. 7b S. 190
ff.). Damit aber steht fest, dass ihr die Aktivlegitimation fehlt, um den
geltend gemachten Schaden einzuklagen. Die Klage ist daher abzuweisen. Bei
dieser Sachlage erübrigt es sich, die Frage der Verjährung und die weiteren
Haftungsvoraussetzungen zu prüfen.