Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 371



127 III 371

62. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom
7. Juni 2001 i.S. A. (Beschwerde) Regeste

    Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven (Art. 230 SchKG);
Verrechnungsguthaben des Gemeinschuldners bei der WIR Bank.

    Der Vorbehalt der WIR Bank, der mit der Überweisung des einem
Verrechnungsguthaben des Gemeinschuldners entsprechenden Geldbetrags
an die Konkursmasse verbunden worden ist und wonach der Geldbetrag im
Falle einer Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven an die Bank
zurückzuerstatten sei, ist für die Konkursorgane unbeachtlich (E. 4 und 5).

Sachverhalt

    Als im Jahre 1995 über A. der Konkurs eröffnet wurde, stand ihm bei
der WIR Bank ein Verrechnungsguthaben von Fr. 5'516.30 zu. Die WIR Bank
erklärte sich mit Schreiben vom 29. November 1995 gegenüber dem Konkursamt
zu einer Geldüberweisung bereit mit dem Hinweis, sie bestehe für den
Fall einer Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven auf einer
Rückerstattung. In der Folge wurde der Betrag von Fr. 5'494.10 überwiesen.

    Mangels Aktiven wurde das Konkursverfahren am 4. September 2000
rechtskräftig eingestellt. Mit Verfügung vom 8. Januar 2001 ordnete das
Konkursamt an, das Guthaben von Fr. 5'494.10, das sich aus der Saldierung
des WIR-Kontos Nr. x ergeben habe, werde samt Zins im Betrage von Fr. 70.30
- durch Auszahlung an die WIR Bank - A. zurückerstattet.

    Mit Eingabe vom 17. Januar 2001 erhob A. beim Kantonsgericht St. Gallen
als kantonaler Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde
und verlangte, der Betrag von Fr. 5'564.40 sei direkt ihm auszuzahlen. Die
Beschwerde wurde am 27. Februar 2001 abgewiesen.

    Soweit die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts auf
die von A. gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde erhobene
Beschwerde eintritt, heisst sie diese gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- In der Verfügung des Konkursamtes, wonach der Betrag von
Fr. 5'494.10 und der Zins von Fr. 70.30 an die WIR Bank überwiesen werden
sollen, erblickt der Beschwerdeführer einen Verstoss gegen Art. 230
SchKG: Nach Erlass der Einstellungsverfügung gehe das Verfahren in die
Zuständigkeit des Konkursrichters über und verbleibe der Konkursverwaltung
einzig noch die Befugnis, die Einstellungsverfügung zu publizieren und
die Höhe der für eine allfällige Durchführung des Konkursverfahrens
sicherzustellenden Kosten zu bemessen.

    a) Die Konkursmasse wird durch das gesamte pfändbare Vermögen
gebildet, das dem Schuldner zur Zeit der Konkurseröffnung gehört (Art. 197
Abs. 1 SchKG). Dazu zählte hier auch das WIR-(Verrechnungs-)Guthaben
des Beschwerdeführers. Da für dieses Guthaben kein Anspruch auf
Barauszahlung bestand (dazu BGE 95 II 176 E. 3 S. 179; Ziff. 3.1.1. der
"Geschäftsbedingungen für offizielle WIR-Teilnehmer", Ausgabe vom
1. November 1996), hätte es sich nicht im Sinne von Art. 243 Abs. 1 SchKG
durch das Konkursamt eintreiben lassen; der Anspruch hätte öffentlich
versteigert oder allenfalls freihändig veräussert werden müssen (Art. 256
Abs. 1 SchKG; vgl. JOHANNA MAYER-LADNER, Verwertung von WIR-Guthaben,
in: Insolvenz- und Wirtschaftsrecht [IWIR] 1999, S. 14). Die WIR Bank kam
den Konkursgläubigern, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, entgegen und
überwies der Konkursverwaltung den dem Guthaben entsprechenden Geldbetrag,
allerdings mit der Erklärung, dass dieser im Falle einer Einstellung des
Konkurses mangels Aktiven zurückzuerstatten wäre. Strittig ist letztlich
die Verbindlichkeit dieses Vorbehalts.

    b) Die WIR Bank macht zu Recht nicht etwa geltend, sie habe den
erwähnten Geldbetrag lediglich hinterlegt. Für eine blosse Hinterlegung
liesse sich im Konkursrecht keine Grundlage finden. Wie denn auch aus
der vom Beschwerdeführer angefochtenen Verfügung vom 8. Januar 2001
hervorgeht, ist der Betrag auf das Depositenkonto bei der St. Galler
Kantonalbank überwiesen worden. Er ist damit in die Masse geflossen und
vom Konkursbeschlag erfasst worden (vgl. Art. 18 Abs. 2 der Verordnung des
Bundesgerichts vom 13. Juli 1911 über die Geschäftsführung der Konkursämter
[KOV; SR 281.32]; Ziffer 2 der Richtlinien der Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer vom 30. August 1972 für das konkursamtliche Rechnungswesen,
abgedruckt in: BGE 98 III 1 ff.). Mit der richterlichen Einstellung
des Konkursverfahrens und dem Ablauf der Frist nach Art. 230 Abs. 2
SchKG für ein allfälliges Begehren eines Gläubigers, das Verfahren
gleichwohl durchzuführen, sind sodann die Befugnisse der Konkursorgane
hinsichtlich Verwaltung und Verwertung der Masse dahingefallen. Ebenso
ist das Beschlagsrecht der Konkursgläubiger am noch vorhandenen Vermögen
des Gemeinschuldners erloschen. Es besteht mit andern Worten kein
Massavermögen mehr, aus dem der in Frage stehende Betrag an die WIR Bank
überwiesen werden könnte (dazu BGE 102 III 85 E. 2 S. 87 mit Hinweisen).
Eine solche Überweisung fällt auch aus einem andern Grund ausser Betracht:
Das Vermögen, das dem ehemaligen Konkursiten grundsätzlich wieder zur
freien Verfügung steht, haftet dessen Gläubigern neu in der Weise, dass
die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen wieder aufleben
(Art. 230 Abs. 4 SchKG) und dass während zwei Jahren neue Betreibungen
auch auf Pfändung eingeleitet werden können (Art. 230 Abs. 3 SchKG). Durch
eine Rückerstattung an die WIR Bank, wie sie das Konkursamt gestützt
auf deren Vorbehalt für den Fall der Einstellung des Konkurses mangels
Aktiven in Aussicht genommen hat, würde dieses Haftungssubstrat in
gesetzwidriger Weise geschmälert. Als Aussenstehende haben die Gläubiger
des Beschwerdeführers sich weder die Geschäftsbedingungen der WIR Bank
noch Erklärungen der Organe der Bank entgegenhalten zu lassen.

Erwägung 5

    5.- Der Vorbehalt der WIR Bank, der der angefochtenen Verfügung
des Konkursamtes zugrunde liegt, widerspricht nach dem Gesagten den
die Verhältnisse nach Einstellung des Konkursverfahrens regelnden
Bestimmungen. Er ist für die Konkursorgane daher unbeachtlich. In
Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 2 der Verfügung vom 8. Januar 2001 ist
das Konkursamt daher anzuweisen, (auch) den strittigen Betrag - direkt -
dem Beschwerdeführer herauszugeben. Ob der Beschwerdeführer allenfalls
verpflichtet ist, bei der WIR Bank ein Verrechnungskonto zu unterhalten
bzw. neu eröffnen zu lassen und ob er in diesem Zusammenhang den strittigen
Betrag an die Bank zu überweisen hat, bestimmt sich ausschliesslich nach
den Geschäftsbedingungen der WIR Bank. Die Frage ist - ausserhalb des
Konkursverfahrens - gegebenenfalls vom Richter zu beurteilen.