Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 318



127 III 318

53. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. März 2001
i.S. A. gegen X. AG (Berufung) Regeste

    Landesmantelvertrag für das Schweizerische Bauhauptgewerbe 2000;
Anspruch der Arbeitnehmenden auf Abschluss einer Kollektivversicherung, die
im Krankheitsfall bestimmte Taggeldleistungen erbringt; Prämienbefreiung.

    Auslegung der normativen Bestimmungen von Gesamtarbeitsverträgen
(E. 2).

    Die Ansprüche der Arbeitnehmenden gegenüber dem Arbeitgeber im
Zusammenhang mit der Kollektivversicherung erlöschen nicht ohne weiteres
mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern können dieses
überdauern (E. 3 und 4).

    Ein Arbeitgeber, der seiner Verpflichtung zum Abschluss einer
Kollektivversicherung mit den zugesicherten Leistungen nicht nachkommt,
haftet für den Schaden, welcher den Arbeitnehmenden daraus entsteht (E. 5).

Sachverhalt

    A. arbeitete seit Februar 1995 als Hilfsarbeiter für die X. AG. Im
April 1997 erlitt er am Arbeitsort einen Unfall und konnte danach
keine Arbeitstätigkeit mehr ausüben. Nachdem die SUVA ihre bis dahin
erbrachten Heilkosten- und Taggeldleistungen im November 1997 mit der
Begründung einstellte, dass keine behandlungsbedürftigen Unfallfolgen
mehr vorlägen, bezog A. von der KollektivTaggeldversicherung SUPRA
Krankentaggelder. Mit Wirkung ab 1. April 1998 wurde ihm sodann eine
Invalidenrente zugesprochen, worauf die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis
auf den 31. Juli 1998 ordentlich kündigte. Auf diesen Zeitpunkt trat A. in
eine Einzelversicherung der SUPRA über, welche bis 7. November 1999 die
gleichen Taggelder wie die Kollektivversicherung erbrachte.

    A. erhob im Februar 2000 beim Bezirksgericht Meilen Klage gegen die
X. AG auf Zahlung von Fr. 10'635.05 nebst 5% Zins seit 1. April 1999. Der
Kläger machte zur Begründung der Klage geltend, er sei gezwungen gewesen,
die Prämien für die Einzelversicherung vom 1. August 1998 bis November
1999 selbst zu bezahlen, obschon im massgebenden Landesmantelvertrag
vorgeschrieben werde, dass während der Krankheit keine Prämien bezahlt
werden müssten. Die Beklagte bestritt die Richtigkeit dieses Standpunktes
und beantragte die Abweisung der Klage.

    Mit Entscheid vom 7. April 2000 wies der Einzelrichter im ordentlichen
Verfahren des Bezirkes Meilen die Klage ab. Der Kläger gelangte mit
Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, welches mit Beschluss vom
30. August 2000 gleich entschied wie die erste Instanz. Zur Begründung des
Beschlusses verwies das Obergericht weitgehend auf jene des Entscheides
des erstinstanzlichen Richters.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung des Klägers teilweise gut,
hebt den Beschluss des Obergerichts auf und weist die Sache zu neuer
Entscheidung an dieses zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Mit der Berufung wird geltend gemacht, der Landesmantelvertrag
für das Schweizerische Bauhauptgewerbe 1998-2000 vom 13. Februar 1998
(nachfolgend: LMV; oder LMV 2000) sehe vor, dass der Arbeitgeber eine
Krankentaggeldversicherung abschliessen müsse, welche im Krankheitsfall
während 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinander folgenden Tagen Taggelder
ausrichte und überdies während der Krankheit die Prämienbefreiung des
Arbeitnehmers gewähre. Die Versicherung müsse so ausgestaltet sein,
dass durch einen Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung nach der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Leistungen weiter erbracht
werden. Davon seien nicht nur die Krankentaggelder erfasst, sondern auch
die Befreiung von der Zahlung der Prämien. Die von der Arbeitgeberin
abgeschlossene Kollektivversicherung habe den Übertritt nicht in dieser
Weise ermöglicht. Der Kläger habe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
trotz Krankheit die Prämien der Einzeltaggeldversicherung bezahlen
müssen, um in den Genuss der Taggelder zu kommen; ihm stehe deshalb ein
Ersatzanspruch in der entsprechenden Höhe gegenüber der Beklagten zu. Mit
der Berufung wird gerügt, die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz
beruhe auf falscher Auslegung der massgebenden Bestimmungen des LMV.

    b) Die für den vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen des
LMV lauten:
      Art. 21 Kündigungsschutz 1 Grundsatz: Eine Kündigung des
      Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der

    Probezeit durch den Arbeitgeber ist unter Vorbehalt von Art. 21
Abs. 2 und

    3 solange ausgeschlossen, wie die Krankentaggeld-Versicherung oder die

    obligatorische Unfallversicherung für den Arbeitnehmenden

    Taggeldleistungen erbringt.
      2 Taggeldleistungen und Invalidenrente: Erhalten Arbeitnehmende neben

    Taggeldleistungen der Krankentaggeld-Versicherung eine Rente der

    Invalidenversicherung, darf ihnen ab Datum der Anspruchsberechtigung
auf

    eine Invalidenrente unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen

    gekündigt werden.
      [...]  Art. 64 Krankentaggeld-Versicherung 1 Lohnfortzahlung durch
      Kollektivversicherung: Der Betrieb ist

    verpflichtet, die dem LMV unterstellten Arbeitnehmenden kollektiv
für ein

    Taggeld von 80 % des wegen Krankheit ausfallenden, der normalen

    vertraglichen Arbeitszeit entsprechenden zuletzt bezahlten Lohnes zu

    versichern. Mit den Taggeldleistungen des Kollektivversicherers ist die

    Lohnfortzahlung des Arbeitgebers nach Art. 324a/b OR vollumfänglich

    abgegolten.
      2 Prämien: a) Prämientragung: Die Prämien für die
      Kollektivtaggeld-Versicherung

    werden vom Betrieb und den Arbeitnehmenden je zur Hälfte getragen;
      b) [...]  3 Minimale Versicherungsbedingungen: Die
      Versicherungsbedingungen haben

    mindestens vorzusehen:
      [...]  c) Entrichtung des Krankentaggeldes (Krankengeld) während
      720 Tagen

    (Taggelder) innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen.
      [...]
        f) Prämienbefreiung während der Krankheitszeit,
      [...]  h) Möglichkeit für die Arbeitnehmenden, nach Ausscheiden
      aus der

    Kollektivversicherung innert 90 Tagen gemäss Art. 71 Abs. 2 KVG in die

    Einzelversicherung überzutreten, wobei die Prämie der
Einzelversicherung

    aufgrund des Alters bei Eintritt in die Kollektivversicherung bemessen

    wird. Ist eine Kollektivversicherung mit aufgeschobenem Krankentaggeld

    abgeschlossen worden, sind die Versicherungsbedingungen so zu
gestalten,

    dass die aus der Kollektivversicherung ausscheidenden Arbeitnehmer
nicht

    schlechter gestellt werden, als im Fall einer Kollektivversicherung
ohne

    Aufschub, dass heisst, die Wartefrist darf höchstens einen Tag
betragen.
      [...]  6 Merkblatt: Es gelten im übrigen die im Einvernehmen mit den

    Vertragsparteien abgefassten Bestimmungen der Versicherer

    "Ausführungsbestimmungen Krankentaggeld-Versicherung für das

    Bauhauptgewerbe" (Anhang 10).

    Die einschlägigen Bestimmungen des Merkblatts betreffend
Krankentaggeld-Versicherung für das Bauhauptgewerbe vom 13. Februar
1998 lauten:
      Art. 5 Dauer der Versicherungsleistungen 1 Die Leistungen werden
      höchstens für 720 Taggelder innert 900

    aufeinanderfolgenden Tagen ausbezahlt. Bezüglich der

    Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bzw. des Kündigungsschutzes
gilt

    Art. 64 LMV bzw. Art. 21 LMV.
      [...]  Art. 8 Erlöschen der Versicherung Der Anspruch auf
      Leistungen erlischt in folgenden Fällen: a) mit dem Austritt aus
      dem versicherten Personenkreis b) wenn der Vertrag aufgehoben oder
      sistiert wird; c) [...]  d) wenn das Leistungsmaximum erreicht ist.
      Art. 9 Übertritte 1 [...]  2 In den Fällen Art. 8 lit. a) und b)
      dieses Merkblattes kann der

    Versicherte ohne erneute Gesundheitsprüfung in die Einzelversicherung
des

    Trägers der Kollektivversicherung übertreten. Die Prämie der

    Einzelversicherung wird aufgrund des Alters bei Eintritt in die

    Kollektivversicherung berechnet.
      Durch die Kollektivversicherung entschädigte Krankheitstage
      werden auf

    die Dauer der Genussberechtigung der Einzelversicherung
angerechnet. Das

    in der Einzelversicherung versicherbare Krankentaggeld darf höchstens
dem

    letzten versicherten Lohn vor dem Übertritt entsprechen.
      [...]

    c) Der Unfall des Klägers hat sich 1997 ereignet, also zu einem
Zeitpunkt, als der LMV 2000 weder abgeschlossen noch vom Bundesrat
für allgemein verbindlich erklärt worden war. Die Frage, wie sich das
in intertemporalrechtlicher Hinsicht auswirkt, ist von den kantonalen
Gerichten nicht geprüft worden. Mit der Berufung wird behauptet, es spiele
keine Rolle, ob der LMV 1995-1997 oder der LMV 2000 angewendet werde. Das
trifft in der Tat zu, stimmen doch die oben zitierten Vorschriften des LMV
2000 inhaltlich mit jenen des Landesmantelvertrags vom 20. Dezember 1994
(LMV 1995-1997) überein. Die intertemporalrechtliche Frage kann somit
offen bleiben. Festzuhalten ist schliesslich, dass die kantonalen Gerichte
zutreffend davon ausgegangen sind, das Vertragsverhältnis der Parteien
unterstehe nach den Bestimmungen über den räumlichen, betrieblichen und
persönlichen Geltungsbereich (Art. 1, 2 und 3) dem Landesmantelvertrag.

Erwägung 2

    2.- a) Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist bezüglich
der Auslegungsregeln bei einem Gesamtarbeitsvertrag zwischen den
schuldrechtlichen und den normativen Bestimmungen zu unterscheiden. Während
Erstere die Rechte und Pflichten der Tarifpartner unter sich regeln und
gemäss den Grundsätzen über die Auslegung von Verträgen zu interpretieren
sind, richtet sich die Auslegung der normativen Bestimmungen, welche auf
die Vertragsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern anwendbar
sind, nach den für Gesetze geltenden Grundsätzen (Urteil des Bundesgerichts
vom 8. Oktober 1997 E. 3a, publ. in: JAR 1998 S. 282 ff; VISCHER, Zürcher
Kommentar, N. 110 zu Art. 356 OR; STÖCKLI, Berner Kommentar, N. 134 zu
Art. 356 OR; REHBINDER, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 4 zu Art. 356 OR).

    Zu Recht ist unbestritten, dass es sich bei den im vorliegenden
Fall massgebenden Vorschriften des LMV um normative Bestimmungen
handelt, regeln sie doch den Inhalt und die Beendigung des jeweiligen
Einzelarbeitsverhältnisses (vgl. dazu VISCHER, aaO, N. 73 und 81 zu
Art. 356 OR).

    b) Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine
Gesetzesbestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. An
einen klaren und unzweideutigen Gesetzeswortlaut ist die rechtsanwendende
Behörde gebunden, sofern dieser den wirklichen Sinn der Norm wiedergibt
(BGE 125 III 57 E. 2b; 120 II 112 E. 3a). Abweichungen von einem klaren
Wortlaut sind indessen zulässig oder sogar geboten, wenn triftige Gründe
zur Annahme bestehen, dass dieser nicht dem wahren Sinn der Bestimmung
entspricht. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der
Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen
Vorschriften ergeben. Vom Wortlaut kann ferner abgewichen werden, wenn
die wörtliche Auslegung zu einem Ergebnis führt, das der Gesetzgeber nicht
gewollt haben kann. Im Übrigen sind bei der Auslegung alle herkömmlichen
Auslegungselemente zu berücksichtigen (systematische, teleologische,
historische und rechtsvergleichende), wobei das Bundesgericht einen
pragmatischen Methodenpluralismus befolgt und es ablehnt, die einzelnen
Auslegungselemente einer Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 124 III
266 E. 4 S. 268 mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- Nach Wortlaut und Systematik des LMV gilt einerseits der Grundsatz,
dass der Arbeitgeber während der Krankheit des Arbeitnehmenden bzw. während
der Zeit, in welcher dieser Taggeldleistungen erhält, das Arbeitsverhältnis
nicht kündigen darf und dafür sorgen muss, dass der Versicherer während
mindestens 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinander folgenden Tagen
Taggelder bezahlt und den Arbeitnehmenden in dieser Zeit von der Zahlung
der Versicherungsprämien befreit (Art. 21 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 3 lit. c
und f LMV). Mit den Taggeldleistungen der Kollektivversicherung wird die
sich aus Art. 324a Abs. 1 und 2 OR ergebende Pflicht des Arbeitgebers
zur Zahlung des Lohnes im Krankeitsfall abgegolten (Art. 64 Abs. 1
LMV). Als Ausnahme vom Kündigungsverbot wird andererseits in Art. 21
Abs. 2 LMV angeordnet, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter
Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen kündigen darf, falls der
Arbeitnehmende neben Taggeldleistungen des privaten Versicherers eine
Rente der Invalidenversicherung erhält (Art. 21 Abs. 2 LMV).

    Gemäss der Auffassung der kantonalen Gerichte endet mit dem
Wirksamwerden der gestützt auf Art. 21 Abs. 2 LMV vorgenommenen
Kündigung auch die Verpflichtung des Arbeitgebers, für die erwähnten
Versicherungsleistungen zu Gunsten des Arbeitnehmenden zu sorgen. Das
lässt sich jedoch weder aus dem Wortlaut noch der Systematik der
zitierten Bestimmungen des LMV ableiten. So bezieht sich Absatz 2
von Art. 21 LMV unter diesen Gesichtspunkten betrachtet eindeutig
auf die Frage der Kündigung des Arbeitsverhältnisses und nicht
auch auf jene der Verpflichtung des Arbeitgebers in Bezug auf die
Versicherungsleistungen. Sodann wird in lit. f des Absatzes 3 von Art. 64
LMV die "Prämienbefreiung während der Krankheitszeit" versprochen, ohne
dass eine Einschränkung von Wortlaut oder Systematik her ersichtlich wäre.
Schliesslich spricht auch der Verweis in Art. 5 Abs. 1 des Merkblattes,
welchem die kantonalen Gerichte in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung
beimessen, nicht für die Richtigkeit ihrer Betrachtungsweise. Es wird dort
unter dem Titel "Dauer der Versicherungsleistungen" zunächst inhaltlich
die Aussage von Art. 64 Abs. 3 lit. c wiederholt und dann festgehalten,
dass die Lohnfortzahlungspflicht und der Kündigungsschutz andernorts,
nämlich in Art. 21 und 64 LMV geregelt würden. Mehr oder anderes lässt
sich daraus nicht ableiten. Wortlaut und Systematik der zitierten
Vorschriften von LMV und Merkblatt sprechen somit gegen das von den
kantonalen Gerichten vertretene Auslegungsergebnis.

Erwägung 4

    4.- Zu prüfen bleibt, ob die Auslegung der kantonalen Gerichte auf die
Entstehungsgeschichte des LMV oder teleologische Überlegungen gestützt
werden kann. Im Beschluss des Obergerichts wird zwar ausgeführt,
dass kein historisches Auslegungskriterium bestehe, wonach die
Frage einer Fortdauer oder eines Bruchs der Übereinstimmung zwischen
Anspruch auf Versicherungsleistungen und Dauer des Kündigungsverbotes
beantwortet werden könnte. Wie aus dem nachfolgenden Text des Beschlusses
hervorgeht, ist damit aber lediglich gemeint, dass dem Obergericht keine
Aufzeichnungen unterbreitet worden oder bekannt sind, welche Aufschluss
über die Vorbereitung oder allgemein die Umstände des Abschlusses des LMV
2000 geben. Der Vergleich mit einem Vorgänger des LMV 2000, welchem die
kantonalen Gerichte entscheidende Bedeutung für die Auslegung beimessen,
gehört indessen ebenfalls zum historischen Element. Im vorliegenden Fall
wurde dieses Element allerdings in enger Verbindung mit teleologischen
Überlegungen verwendet, da es für sich allein in Bezug auf die zu
beurteilende Auslegungsfrage wenig aussagt, wie sich im Folgenden zeigen
wird.

    a) Nach der Darstellung in den kantonalen Entscheiden gab es im
Vorgänger des LMV 2000 keine inhaltlich dem Absatz 2 von Art. 21 LMV
entsprechende Vorschrift. Es galt vielmehr ohne Einschränkung der
Grundsatz, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen
war, solange die Krankentaggeld-Versicherung für den Arbeitnehmenden
Taggeldleistungen erbrachte. Das hatte zur Folge, dass eine Kündigung erst
mit der Einstellung der Taggeldleistungen der Versicherung zulässig war,
somit ein Gleichlauf von Kündigungsverbot und Anspruch des Arbeitnehmenden
auf Taggeldleistungen bestand. Dieses Prinzip des Gleichlaufs gilt
nach den kantonalen Gerichten auch für den LMV 2000, weshalb mit der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Anspruch des Arbeitnehmenden
auf Taggeldleistungen und damit auch auf Prämienbefreiung mehr besteht.

    Dazu ist zunächst anzumerken, dass der unmittelbare Vorgänger des
LMV 2000 bereits die gleiche Regelung enthielt (vgl. oben E. 1c). Die
von den kantonalen Gerichten dargestellte Änderung muss also schon
vorher eingetreten sein. Dieser Umstand relativiert von vornherein
die Überzeugungskraft der Argumente der kantonalen Gerichte. Deren
Argumentation steht aber ohnehin auf schwachen Beinen, denn dem LMV 2000
lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Geltung des Grundsatzes des
Gleichlaufs im erwähnten Sinne entnehmen. Dieser macht vielmehr eine
klare Unterscheidung zwischen der Regelung des Kündigungsschutzes und
jener des Anspruchs auf Taggeldleistungen bzw. Prämienbefreiung, wie
bereits festgehalten worden ist (vgl. oben E. 4). Der von den kantonalen
Gerichten befürwortete Grundsatz des Gleichlaufs lässt sich somit nicht
auf die Entstehungsgeschichte des LMV 2000 stützen.

    b) In teleologischer Hinsicht orientieren sich die kantonalen
Gerichte - ohne dies ausdrücklich zu sagen - am Grundsatz, dass die
Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers im Fall der Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmenden wegen Krankheit mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
endet.

    Zwar trifft zu, dass die Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art.  324a OR
grundsätzlich ohne weiteres zusammen mit dem Arbeitsverhältnis endet
(STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 51 f. zu Art. 324a OR; REHBINDER,
Berner Kommentar, N. 26 zu Art. 324a OR). Da Art. 324a OR nur einseitig
zwingender Natur ist, können die Parteien indessen eine für den
Arbeitnehmenden günstigere Absprache treffen. Von einer solchen Absprache
ist namentlich auszugehen, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet hat,
eine Kollektivtaggeldversicherung mit einem Versicherer abzuschliessen,
die ohne entsprechenden Vorbehalt während einer längeren Dauer den
Lohnbetrag bzw. einen Teil davon weiter bezahlt (BGE 124 III 126 E. 2b
S. 132 f.). Zweck einer solchen Versicherung ist es, den Schutz zu
verbessern, welchen Art. 324a OR dem Arbeitnehmenden gewährt. Dieser
gesetzliche Schutz ist kein vollkommener. Der Anspruch gegenüber dem
Arbeitgeber besteht nur für eine beschränkte Zeit, deren Länge von der
Dauer der Anstellung abhängt. Überdies setzt dieser Anspruch - wie
bereits erwähnt - das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Das
Risiko eines krankheitsbedingten Einkommensausfalls besteht aber in
ganz besonderem Masse für Personen, die ihre Stelle verloren haben.
Ihr Gesundheitszustand erschwert oder verunmöglicht die Stellensuche
und verhindert, dass sie Arbeitslosengeld erhalten, weil sie wegen der
Krankheit nicht vermittelbar sind.

    Mit der Versicherung soll in erster Linie ein längerer als der
gesetzliche Schutz erreicht werden, ohne den Arbeitgeber übermässig zu
belasten. Entsprechend sieht der LMV wie viele andere Gesamtarbeitsverträge
die Verpflichtung des Arbeitgebers vor, eine Kollektivtaggeldversicherung
abzuschliessen, die während weit längerer Dauer Leistungen erbringt,
als dies Art. 324a OR vorschreibt. In zweiter Linie erlauben es
diese Versicherungen aber auch, das Risiko des Arbeitnehmenden
abzudecken, dass sein Arbeitsverhältnis während der Arbeitsunfähigkeit
endet. Für die Abdeckung dieses Risikos ist die Kollektivversicherung
von ganz besonderer Bedeutung, denn es kann kaum vom einzelnen
Arbeitnehmenden mit einer Einzelversicherung abgedeckt werden, da die
entsprechenden Risiken schwierig zu berechnen wären. Genau für diese
Risiken stellt die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluss einer
Kollektivtaggeldversicherung mit einer den Kündigungsschutz überdauernden
Leistungspflicht eine adäquate Massnahme dar.

    Die vorangehenden Überlegungen zeigen, dass die sich aus Art. 64 LMV
ergebenden Verpflichtungen des Arbeitgebers nach ihrem Sinn und Zweck
das Ende des Arbeitsverhältnisses überdauern können. Bei der Auslegung
darf somit nicht auf den eingangs erwähnten Grundsatz abgestellt werden.
Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass die vom Arbeitgeber gemäss
Art. 64 LMV zugesagten Versicherungsleistungen grundsätzlich unabhängig
davon erbracht werden müssen, ob das Arbeitsverhältnis noch andauert oder
beendet worden ist.

Erwägung 5

    5.- Die Auslegung unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik,
Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck führt somit zum Ergebnis, dass
die durch den LMV angeordnete Verpflichtung des Arbeitgebers, zu Gunsten
der Arbeitnehmenden eine Kollektivversicherung mit bestimmten Leistungen
abzuschliessen, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andauern
kann. Zu diesen Leistungen gehört namentlich die Prämienbefreiung des
Arbeitnehmenden während der Krankheitszeit (Art. 64 Abs. 3 lit. f LMV).

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haftet ein Arbeitgeber,
der seiner Verpflichtung zum Abschluss einer Kollektivversicherung
mit den zugesicherten Leistungen nicht nachkommt, für den Schaden,
welcher dem Arbeitnehmenden daraus entsteht. Dabei handelt es sich
um eine Haftung wegen Verletzung vertraglicher Pflichten bzw. wegen
Nichterfüllung im Sinne von Art. 97 OR (124 III 126 E. 4 S. 133; 115 II
251 E. 4b S. 254; JEAN-LOUIS DUC, Quelques aspects de la responsabilité
de l'employeur qui n'a pas assuré un collaborateur contre la maladie, en
violation de l'obligation qui lui incombait, in: Mélanges Guy Flattet,
S. 201 f.). Nach - allerdings bestrittener - Darstellung des Klägers
hat er die Versicherungsprämien vom 1. August 1998 bis November 1999
selbst bezahlen müssen. Würde dies tatsächlich zutreffen, könnte er
den entsprechenden Schaden wegen Vertragsverletzung gegenüber der
Beklagten geltend machen. Daran ändert nichts, dass damals kein Schutz
der Kollektivversicherung mehr bestand, weil der Kläger nach Beendigung
des Arbeitsverhältnisses aus dieser Versicherung ausgeschieden war
(vgl. Art. 8 des Merkblatts und Art. 67 Abs. 3 Bundesgesetz über die
Krankenversicherung vom 18. März 1994; SR 832.10). Die Verpflichtung
der Beklagten, für die Prämienbefreiung besorgt zu sein, bestand im
vorliegenden Fall nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter, wie
bereits mehrmals festgehalten worden ist, und überdauerte damit auch das
Ausscheiden des Klägers aus der Kollektivversicherung und den Eintritt
in eine Einzelversicherung.