Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 289



127 III 289

49. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. Mai 2001
i.S. S.S. gegen A.S. (Berufung) Regeste

    Berücksichtigung von Drittschulden im Grundbedarf des
Unterhaltsschuldners (Art. 125 ZGB); Indexklausel (Art. 128 ZGB).

    Voraussetzungen, unter denen Drittschulden im Grundbedarf des
Unterhaltsschuldners berücksichtigt werden können (E. 2a).

    Muss der Beitragsschuldner zur Erfüllung einer aus der güterrechtlichen
Auseinandersetzung hervorgehenden Forderung des Unterhaltsgläubigers
ein zusätzliches Darlehen aufnehmen, so kann die hierdurch entstandene
Tilgungsrate nicht im schuldnerischen Grundbedarf eingesetzt werden
(E. 2b).

    Indexklauseln, die dem Unterhaltsschuldner den Nachweis überbinden,
sein Einkommen habe mit der Teuerung nicht Schritt gehalten, sind auch
mit Blick auf die Zwangsvollstreckung hinreichend klar (E. 4a).

Sachverhalt

    Die Parteien heirateten am 1. Juni 1984; am 24.  Dezember 1985
wurde ihr gemeinsamer Sohn geboren. Der Ehemann (geb. 1954) ist als
selbständiger Architekt tätig; die Ehefrau (geb. 1956) litt seit 1996 an
einer zunehmenden depressiven Verstimmung und hält sich gegenwärtig in
einem Kurhaus auf.

    Auf Klage des Ehemannes hin schied das Amtsgericht Luzern-Land die
Parteien am 22. Dezember 1999. Es stellte den Sohn unter die elterliche
Sorge des Klägers und verpflichtete diesen, der Beklagten bis Ende Dezember
2014 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'800.- zu bezahlen,
wobei sich die Beklagte hieran allfällige Versicherungsleistungen im
Umfang von 75% anzurechnen lassen habe. Die eheliche Liegenschaft übertrug
es ins Alleineigentum des Klägers. Der Kläger appellierte in der Folge
an das Obergericht des Kantons Luzern, welches ihn verpflichtete, der
Beklagten bis zum 30. Juni 2001 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr.
2'200.- und hiernach bis zum 31. Dezember 2014 in Höhe von Fr. 1'400.- zu
bezahlen. Es genehmigte ausserdem eine Vereinbarung der Parteien, wonach
der Kläger die güterrechtlichen Ansprüche der Beklagten mit Fr. 136'000.-
abzugelten hat.

    Die Beklagte führt eidgenössische Berufung und beantragt dem
Bundesgericht, das vorinstanzliche Urteil im Unterhaltspunkt aufzuheben und
den Kläger zu verpflichten, ihr bis zum 30. Juni 2001 einen monatlichen
Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'800.- zu bezahlen. Für die Zeitspanne vom
1. Juli 2001 bis zum 31. Dezember 2014 ersucht sie, ihr einen monatlichen
Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'475.- zuzusprechen, wobei ihr ein allfälliges
Erwerbseinkommen oder Versicherungsleistungen zu 75% anzurechnen seien. Das
Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2 OG) liegt bei der Beklagten eine Unterdeckung
in Höhe von Fr. 3'780.- vor. Sie beanstandet, dass die Vorinstanz in
der Berechnung des familienrechtlichen Grundbedarfs des Klägers die
Amortisation der zweiten Hypothek im Umfang von monatlich Fr. 500.-
berücksichtigt habe. Gemäss vorinstanzlicher Feststellung war der
Kläger genötigt, das grundpfandgesicherte Darlehen um Fr. 150'000.-
zu erhöhen, um dadurch die güterrechtliche Forderung der Beklagten in
Höhe von Fr. 136'000.- erfüllen zu können. Die Beklagte macht geltend,
die Einsetzung der Tilgungsrate im klägerischen Grundbedarf bewirke,
dass im Ergebnis sie selbst die Erfüllung ihrer Güterrechtsforderung
mitfinanziere, weil zugleich der ihr gebührende Unterhaltsbeitrag
entsprechend reduziert werde.

    a/aa) Gemäss dem am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Art. 125
Abs. 1 ZGB hat der Ehegatte dem anderen einen angemessenen Beitrag zu
leisten, sofern diesem nicht zuzumuten ist, selbst für den ihm gebührenden
Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge aufzukommen.
Abs. 2 führt die wichtigsten Gesichtspunkte auf, die das Gericht beim
Entscheid in Erwägung zu ziehen hat, ob und gegebenenfalls in welcher
Höhe und Dauer ein Unterhaltsbeitrag zuzusprechen ist. Art. 125 ZGB ist
zum einen Ausdruck des Prinzips der nach Beendigung der Ehe beiden Gatten
obliegenden Eigenversorgung; zum anderen konkretisiert diese Bestimmung den
Gedanken der nachehelichen Solidarität, der namentlich Bedeutung erlangt,
wenn es einem Gatten beispielsweise durch eine ehebedingte Beeinträchtigung
seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit nicht zumutbar ist, nach Auflösung
der Ehe selbst für seinen Unterhalt aufzukommen (BGE 127 III 136 E. 2a
S. 138; Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches
vom 15. November 1995, BBl 1996 I S. 30 f. Ziff. 144.6, S. 112
ff. Ziff. 233.51-52; statt vieler: HAUSHEER/SPYCHER, Unterhalt nach neuem
Scheidungsrecht, Bern 2001, N. 05.51 f., 05.76, 05.111). Voraussetzung und
Grenze der Beitragsverpflichtung bildet auf der einen Seite der Bedarf
des auf den Unterhaltsbeitrag angewiesenen Gatten, auf der anderen
Seite die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beitragspflichtigen
(Art. 125 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB; zuletzt: BGE 127 III 68 E. 2c S. 70 mit
Hinweisen). Neben dem Alter (BGE 115 II 6 E. 5a S. 11) kann namentlich
eine verminderte Gesundheit zu einer nur beschränkten oder gar gänzlich
entfallenden Eigenversorgungskapazität führen (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 4
ZGB; STETTLER, Les pensions alimentaires consécutives au divorce, in: Le
nouveau droit du divorce, Lausanne 2000, S. 150 f.). In Anbetracht ihrer
angeschlagenen Gesundheit, ihres Alters und der infolgedessen reduzierten
Eigenversorgungskapazität ist die Beklagte auf einen nachehelichen
Unterhaltsbeitrag des Klägers angewiesen.

    bb) Bezüglich der Höhe des Unterhaltsbeitrages ist streitig, ob die
Amortisationsrate von Fr. 500.- im Grundbedarf des Klägers berücksichtigt
werden darf, wodurch seine Leistungsfähigkeit entsprechend herabgesetzt
würde.

    Hat der unterhaltspflichtige Gatte neben der Unterhaltspflicht
anderen Schuldverpflichtungen nachzukommen, gebieten die Interessen des
Unterhaltsgläubigers, diese nur zurückhaltend in der Bedarfsrechnung
des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen (vgl. BGE 63 III 105
E. 2 S. 111). Andernfalls würde dessen nach Deckung des eigenen
Grundbedarfs verbleibende finanzielle Leistungskraft derart
gemindert, dass sie gegebenenfalls nicht einmal mehr ausreichte,
die familienrechtlichen Unterhaltspflichten zumindest teilweise
zu erfüllen. Der Unterhaltspflichtige hätte es in der Hand, durch
Eingehung von Drittschulden seine Leistungsfähigkeit zulasten des
unterhaltsbedürftigen Gatten herabzumindern. So hat bei knappen
finanziellen Mitteln des Beitragsschuldners selbst das Gemeinwesen
zurückzutreten, darf doch unter solchen Umständen die Steuerlast nicht
im Grundbedarf des Rentenschuldners berücksichtigt werden (BGE 126 III
353 E. 1a/aa S. 356; 127 III 68 E. 2b S. 70).

    Das Schrifttum hält eine Aufnahme von Schulden in den Grundbedarf des
Pflichtigen für geboten, wenn die Schuld vor Aufhebung des gemeinsamen
Haushaltes zum Zwecke des Unterhaltes beider Ehegatten begründet wurde
(JEAN-FRANÇOIS PERRIN, La méthode du minimum vital, in: SJ 1993 S. 437;
SCHWENZER, Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel 2000, N. 77 in fine
zu Art. 125 ZGB; dieselbe, Unterhaltsrechtliche Probleme nach Trennung
und Scheidung, in: Eherecht in der praktischen Auswirkung, Zürich 1991,
S. 26), nicht hingegen, wenn sie bloss im Interesse einer Partei liegt,
es sei denn, beide Gatten hafteten solidarisch (HAUSHEER/SPYCHER,
Handbuch des Unterhaltsrechts, Bern 1997, N. 02.43; ANNETTE SPYCHER,
Unterhaltsleistungen bei Scheidung: Grundlagen und Bemessungsmethoden,
Diss. Bern 1996, S. 161 f.). Amortisationen für Hypothekardarlehen seien
dagegen nicht in den Grundbedarf aufzunehmen, weil sie vermögensbildend
wirkten (HAUSHEER/SPYCHER, Handbuch, N. 02.44; SPYCHER, aaO, S. 163);
von diesem Grundsatz könne nur abgewichen werden, wenn die finanziellen
Verhältnisse es zuliessen (BRÄM/HASENBÖHLER, Zürcher Kommentar, N. 118A
zu Art. 163 ZGB).

    b) Im vorliegenden Fall ist die monatliche Amortisationsrate von
Fr. 500.- entstanden, weil der Kläger ohne Erhöhung des Grundpfandkredits
nicht imstande gewesen wäre, die güterrechtliche Forderung der
Beklagten unverzüglich zu erfüllen. Zugleich steht für das Bundesgericht
verbindlich fest, dass die Beklagte nach Vergleich ihres Vermögensertrages
(monatlich Fr. 300.-) mit ihrem Grundbedarf (Fr. 4'080.-) eine monatliche
Unterdeckung in Höhe von Fr. 3'780.- hinzunehmen hat. Zudem wird sie
sich gegebenenfalls Sozialversicherungsleistungen oder einen etwaigen
künftigen Arbeitserwerb zu 75% bedarfsmindernd anrechnen lassen müssen,
was ausser Streit steht.

    Die vom Kläger zusätzlich eingegangene Darlehensverpflichtung dient
nicht gleichermassen den Interessen beider Ehegatten. Sie wurde vielmehr
begründet, um ihm zu ermöglichen, seine güterrechtliche Verpflichtung
umgehend zu erfüllen und liegt daher in seinem unmittelbaren Interesse
als leistungspflichtiger Schuldner. Naturgemäss steht seine durch das
aufgenommene Darlehen verbesserte finanzielle Leistungsfähigkeit auch im
mittelbaren Interesse der Gläubigerin, die hierdurch in den Genuss der
raschen Erfüllung ihrer Güterrechtsforderung kam. Hieraus nun aber ableiten
zu wollen, die Tilgungsrate müsse als Mehrbelastung im Grundbedarf des
Klägers berücksichtigt werden, hiesse letztlich, die Beklagte indirekt
an der Bezahlung ihres güterrechtlichen Guthabens zu beteiligen, fiele
doch gleichzeitig der ihr gestützt auf Art. 125 Abs. 1 ZGB zustehende
angemessene Unterhaltsbeitrag entsprechend geringer aus. Damit aber
erlitte ihre Güterrechtsforderung eine Werteinbusse, was das Ergebnis der
güterrechtlichen Auseinandersetzung in ungerechtfertigter Weise zu ihren
Ungunsten schmälerte. Nicht massgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass
die Beklagte auf der sofortigen Erfüllung der Güterrechtsforderung beharrt
hat. Hatten sich die Parteien über den ihr aus Güterrecht gebührenden
Forderungsbetrag verständigt, so war es ihr als Gläubigerin unbenommen, auf
rascher Erfüllung zu bestehen. Der Kläger hat im kantonalen Verfahren nicht
dargetan, dass er durch Zahlung der Beteiligungsforderung in ernstliche
Schwierigkeiten hätte geraten können, weshalb ihm in Anwendung von Art. 218
Abs. 1 ZGB Zahlungsfristen hätten eingeräumt werden müssen.

Erwägung 4

    4.- a) Damit ergibt sich, dass von einem um Fr. 500.- tieferen
Grundbedarf des Klägers auszugehen ist, womit der Beklagten ein um
diesen Betrag erhöhter Unterhaltsbeitrag im Sinne von Art. 125 Abs. 1
ZGB zuzusprechen ist. Folglich ist Ziff. 4 des vorinstanzlichen Urteils
dahin abzuändern, dass der Kläger ab dessen Rechtskraft der Beklagten
bis zum 30. Juni 2001 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von
Fr. 2'700.- und danach bis zum 31. Dezember 2014 einen Beitrag in Höhe von
Fr. 1'900.- zu bezahlen hat. Antragsgemäss ist der Unterhaltsbeitrag
an die Teuerungsentwicklung anzupassen (Art. 128 ZGB), wobei dem
Unterhaltsschuldner anheim zu stellen ist, den Nachweis zu erbringen,
dass sein Einkommen nicht mit der Teuerung Schritt gehalten hat. BGE 126
III 353 (E. 1b S. 358) könnte zwar entnommen werden, einer Indexklausel
ermangle es der für die Zwangsvollstreckung erforderlichen Klarheit, wenn
der Teuerungszuschlag nur gewährt wird, sofern der Unterhaltsschuldner
nicht nachweist, sein Einkommen sei nicht entsprechend angestiegen. Dem
ist indes präzisierend anzufügen, dass damit nicht bedeutet werden
sollte, derlei Indexklauseln seien nicht hinreichend klar, um im
Zwangsvollstreckungsverfahren einen definitiven Rechtsöffnungstitel
darzustellen. Es verhält sich vielmehr so, dass es dem betriebenen
Unterhaltsschuldner obliegt, im Rechtsöffnungsverfahren urkundlich zu
belegen, sein Einkommen sei nicht der Teuerung angepasst worden. Gelingt
ihm dies, kann für die anbegehrte teuerungsbedingte Beitragserhöhung die
Rechtsöffnung nicht erteilt werden (vgl. BGE 124 III 501 E. 3b S. 503
f.; PETER STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, Diss. Zürich 2000, S. 204 mit
Nachweisen). Demnach ist die Indexierung wie folgt zu fassen:
      "Der vorstehende Unterhaltsbeitrag beruht auf dem Landesindex der

    Konsumentenpreise des Bundesamtes für Statistik (Stand bei
Urteilsfällung:

    April 2001 = 101.2 Punkte, Basis Mai 2000 = 100 Punkte). Verändert sich

    der Index gegenüber dem ursprünglichen Indexstand um 10% oder mehr,
wird

    der Unterhaltsbeitrag in entsprechendem Umfang auf den Beginn des

    Folgemonats angepasst, es sei denn, der Kläger beweise, dass sein

    Einkommen nicht mit der Teuerung entsprechend Schritt gehalten hat."