Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 268



127 III 268

46. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Januar 2001
i.S. X. gegen Y. (Berufung) Regeste

    Verjährung von Krankentaggeldern; Art. 46 VVG.

    Die Leistungspflicht des Versicherers wurde im vorliegenden Fall
durch die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit und den Ablauf
der vereinbarten Wartefrist ausgelöst. Die für die Dauer der Krankheit
geltend gemachten Taggelder verjährten gesamthaft in zwei Jahren ab diesem
Zeitpunkt (E. 2b).

Sachverhalt

    A.- X. schloss bei der Versicherung Y.  (nachfolgend Y.) für sich und
seine im Betrieb mitarbeitende Ehefrau eine Krankentaggeld-Versicherung
ab. Gemäss dem seit dem 1. April 1996 wirksamen Versicherungsvertrag
betrug das Taggeld für Frau X. 80% des versicherten Jahresverdienstes
von Fr. 32'400.- bei einer Wartefrist von 14 Tagen.

    Am 4. Mai 1998 teilte X. der Y. mit, seine Ehefrau sei im April 1997
an einer Neurodermitis erkrankt; nach einem dreimonatigen Kuraufenthalt in
Italien habe sie im Oktober 1997 ihre Arbeit wieder aufnehmen können. Der
Naturarzt A. habe ihr eine vom 23. April bis 30. September 1997 dauernde
Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Mit Schreiben vom 20. Mai 1998 teilte
die Y. X. mit, Taggeldleistungen würden eine ärztlich attestierte
Arbeitsunfähigkeit voraussetzen, wobei diese Bestätigung von einem
Arzt stammen müsse, der das eidgenössische Diplom besitze und über
eine vom Bundesrat anerkannte Weiterbildung verfüge. Hierauf stellte
X. am 16. Juni 1999 der Y. eine Bescheinigung der Ärztin B. zu, worin
Frau X. eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 23. April
bis zum 30. September 1997 attestiert wurde. Die Y. anerkannte dieses
Attest indessen nicht, weil während des fraglichen Zeitraumes keine
Behandlung oder Kontrolle von Frau X. durch diese Ärztin stattgefunden
habe und zudem während des Italienaufenthaltes keine Begleitung durch
die Ärztin B. möglich gewesen sei. Überdies machte die Y. geltend,
dass zwischenzeitlich die Verjährung der Forderung auf Taggeldleistungen
eingetreten sei.

    Nach ergebnislos verlaufenem Sühneversuch reichte X. am 17.  September
1999 beim Bezirksgericht W. Klage gegen die Y. ein und verlangte deren
Verurteilung zur Bezahlung von Fr. 12'870.- nebst Zins und Kosten. Am
19. November 1999 wies der Bezirksgerichtspräsident die Klage ab, weil die
Forderung verjährt sei. Dagegen gelangte der Kläger mit kantonaler Berufung
an das Kantonsgericht St. Gallen. Der Präsident der III. Zivilkammer wies
am 2. Oktober 2000 die Berufung ab.

    B.- Mit eidgenössischer Berufung beantragt X. dem Bundesgericht, das
Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 2. Oktober 2000 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Betrag von Fr. 12'870.- zuzüglich
5% Zins seit dem 23. Dezember 1998 zu bezahlen. Das Bundesgericht weist
die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass die zweijährige
Verjährungsfrist von Art. 46 des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den
Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) durch jenes Ereignis ausgelöst
werde, welches die grundsätzliche Leistungspflicht des Versicherers zur
Entstehung bringe. Gemäss Art. 10 lit. a der hier massgebenden Allgemeinen
Versicherungsbedingungen (AVB) sei neben der ärztlich bescheinigten
Arbeitsunfähigkeit der Ablauf der in der Police festgesetzten Wartefrist
Voraussetzung für die Leistungspflicht des Versicherers. Mit Ablauf
dieser Wartefrist habe die Verjährungsfrist für sämtliche aus diesem
Versicherungsfall geschuldeten Krankentaggelder zu laufen begonnen. Dies
sei am 7. Mai 1997 geschehen, sodass die Forderung am 23. Juni 1999,
als der Kläger an den Vermittler gelangte, bereits verjährt gewesen sei.

    Der Kläger wirft dem Kantonsgerichtspräsidenten vor, Art. 46
VVG missverstanden und falsch angewendet zu haben. Dieser sei
darüber hinweggegangen, dass der Zeitpunkt des Eintritts der
leistungsbegründenden Tatsache, welcher den Verjährungsbeginn auslöse,
nicht bei allen Versicherungsbranchen gleich sei. Bei der hier relevanten
Krankentaggeld-Versicherung bestehe in Bezug auf den Verjährungsbeginn die
Besonderheit, dass jeder neue Tag Arbeitsunfähigkeit eine neue Tatsache
gebildet, welche die Leistungspflicht für einen weiteren Tag begründet
und die Verjährungsfrist neu ausgelöst habe.

    b) Gemäss Art. 46 Abs. 1 VVG verjähren die Forderungen aus dem
Versicherungsvertrag in zwei Jahren nach Eintritt der Tatsache, welche
die Leistungspflicht begründet. Als leistungsbegründende Tatsache im
Sinne dieser Bestimmung erachteten Lehre und Rechtsprechung anfänglich
das befürchtete Ereignis mit der Folge, dass fristauslösendes Moment
der Versicherungsfall war (BGE 55 II 215 S. 220; 68 II 106 E. 1; 75 II
227 E. 2 S. 231; KÖNIG, Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. 1967, S. 109;
MAURER, Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. 1995, S. 393; ROELLI/KELLER,
Kommentar zum VVG, Bd. I, S. 668.). Diese Auffassung hat allerdings zur
Konsequenz, dass die Verjährung unter Umständen schon eintritt, bevor
der Versicherungsanspruch überhaupt fällig geworden ist (ROELLI/KELLER,
aaO, S. 669). Im Hinblick auf dieses wenig befriedigende Ergebnis wurde
später bezweifelt, ob es richtig sei, die Verjährung stets mit dem
Eintritt des befürchteten Ereignisses beginnen zu lassen (dies trifft
indessen für die Diebstahlversicherung zu, wo die Verjährung ab dem
Schadenereignis und nicht ab dessen Kenntnis zu laufen beginnt: BGE 126
III 278 E. 7a S. 280). Die neuere Lehre und Rechtsprechung weicht denn
auch von der Einheitslösung ab, welche den Verjährungsbeginn generell
mit dem Eintritt des Versicherungsfalles gleichsetzt, und stellt -
wie der Kläger zu Recht vorbringt - je nach Versicherungsart und
Leistungsanspruch auf unterschiedliche fristauslösende Ereignisse ab
(vgl. die umfassende Darstellung der kantonalen und bundesgerichtlichen
Urteile bei CARRÉ, Loi fédérale sur le contrat d'assurance, Lausanne
2000, S. 320 ff.). So verjährt in der Unfallversicherung der Anspruch auf
eine Todesfallsumme erst zwei Jahre nach dem Tod der versicherten Person
und nicht schon zwei Jahre nach dem Unfall (BGE 100 II 42 ff.), und der
Fristenlauf für die Verjährung einer Invaliditätsentschädigung beginnt
mit jenem Tag, an welchem feststeht, dass eine Invalidität vorhanden
ist (BGE 118 II 447 ff.). Eine wegen Erwerbsunfähigkeit geschuldete
Rente aus Versicherungsvertrag verjährt bei jedem Unfallereignis in
zwei Jahren seit dem Unglücksfall (BGE 111 II 501; SJ 1986 S. 513). In
der Haftpflichtversicherung wird ebenfalls nicht auf das befürchtete
Ereignis abgestellt, sondern auf jenen Zeitpunkt, wo die Haftpflicht
der versicherten Person gerichtlich festgestellt wird (BGE 61 II 197;
68 II 106). In der Rechtsschutzversicherung beginnt die Verjährung,
sobald der Bedarf nach Rechtsschutz aufkommt, was in der Regel dann der
Fall ist, wenn sich der Rechtsstreit zwischen dem Versicherten und dem
Dritten konkret abzeichnet (BGE 119 II 468 E. 2c). Diese Beispiele lassen
erkennen, dass fristauslösendes Moment für die Verjährung jener Zeitpunkt
ist, in welchem die die Leistungspflicht des Versicherers begründenden
Tatbestandselemente feststehen.

    Bei Anwendung dieses Grundsatzes auf den vorliegenden Fall ergibt
sich das Folgende. Art. 10 lit. a der hier massgeblichen AVB bestimmt:
"Für die Dauer der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, frühestens
jedoch nach Ablauf der in der Police festgesetzten Wartefrist, bezahlt
die Y. das vereinbarte Taggeld." Die Leistungspflicht des Versicherers
wird also ausgelöst durch die krankheitsbedingte, ärztlich bescheinigte
Arbeitsunfähigkeit einerseits und durch den Ablauf der vereinbarten
Wartefrist anderseits. Stehen diese beiden Tatbestandselemente fest, so
ist die grundsätzliche Leistungspflicht der Versicherungsgesellschaft
gegeben und beginnt damit die Verjährungsfrist zu laufen, und zwar
für alle Taggelder, die während "der Dauer der ärztlich bescheinigten
Arbeitsunfähigkeit" (Art. 10 lit. a AVB) anfallen, endet doch der
Versicherungsfall erst, wenn die versicherte Person wieder arbeitsfähig
ist. In der Regel bestimmen die Policen, dass eine Leistungspflicht des
Versicherers nur für die Zeit besteht, während welcher eine ärztliche
Behandlung nötig ist; mit dieser gegenständlichen Gefahrsbeschränkung
ist die Mitwirkung des Arztes gesichert. Die Taggeldentschädigung muss
grundsätzlich, wenn sich nicht etwas anderes deutlich aus dem Vertrag
ergibt, als einheitliche aufgefasst werden, die gesamthaft verjährt
(THALMANN, Die Verjährung im Privatversicherungsrecht, Diss. Zürich
1939, S. 169; vgl. BGE 124 V 368 E. 2a für die Massgeblichkeit der
ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit im KVG [SR 832.10]). Die
Argumentation des Klägers, dass jeder einzelne Tag der krankheitsbedingten
Arbeitsunfähigkeit ein eigenständiges leistungsbegründendes Ereignis
mit fristauslösender Wirkung darstelle, geht deshalb fehl. Und der
Versuch, seine These gemäss BGE 17 S. 313 E. 4 durch eine Anleihe
beim Sukzessivlieferungsvertrag zu stützen, bei welchem mit der
Ablieferung einer einzelnen Warenpartie und nicht erst mit dem Ende aller
Milchlieferungen die Gewährleistungsansprüche verjähren, erweist sich
als untauglich. Hier ist vielmehr entscheidend, dass mit dem ärztlichen
Attest der Arbeitsunfähigkeit und mit dem Ablauf der Wartefrist die für
die Leistungspflicht der Y. massgebenden Tatbestandselemente feststanden
und damit die zweijährige Verjährungsfrist für die Gegenstand dieser
Leistungspflicht bildenden Krankentaggelder in Gang gesetzt wurde. Dem
hat die Vorinstanz Rechnung getragen, indem sie die Verjährungsfrist mit
jenem Ereignis beginnen liess, welches die grundsätzliche Leistungspflicht
der Versicherungsgesellschaft zum Entstehen gebracht hat. Diese Auffassung
ist bundesrechtskonform. Das Bundesgericht hat in BGE 111 II 501 E. 2 (SJ
1986 S. 513) befunden, die im Rahmen einer Lebensversicherung geschuldete
jährliche Rente für Erwerbsausfall infolge Unfalls verjähre bei jedem
Unfallereignis in zwei Jahren seit dem Unglücksfall. Das gilt in analoger
Weise auch für die hier aufgrund einer privaten Krankenversicherung für
die Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit geltend gemachten
Taggelder.

    c) Weiter beanstandet der Kläger, die Vorinstanz habe den
Verjährungsbeginn mit der Fälligkeit des ersten Taggeldanspruches wie bei
einer Leibrente eintreten lassen und dadurch der Absicht des Gesetzgebers
zuwidergehandelt, der in Abweichung von Art. 130 OR als fristauslösendes
Moment gerade nicht die Fälligkeit des Versicherungsanspruches gewollt
habe. In diesem Zusammenhang beruft sich der Kläger auf BGE 68 II 106
ff. Dort hat das Bundesgericht, ausgehend von der Entstehungsgeschichte
des Art. 46 VVG, ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung des
Eintritts der Verjährung bewusst eine vom gemeinen Recht abweichende
besondere Ordnung habe schaffen und den Lauf der Verjährung weder mit
der Fälligkeit nach den Grundsätzen des OR noch mit der Kenntnis
der anspruchsbegründenden Tatsache, sondern mit einem anderen
bestimmteren Zeitpunkt habe beginnen lassen wollen, nämlich mit dem
Eintritt jener Tatsache, welche die Leistungspflicht des Versicherers
begründet. Im Lichte dieser Rechtsprechung bleibt unerfindlich,
inwiefern der Kantonsgerichtspräsident dieser gesetzgeberischen Intention
zuwidergehandelt habe. Im angefochtenen Entscheid wird nämlich ausgeführt,
dass die Verjährung mit jenem Ereignis beginne, das die grundsätzliche
Leistungspflicht des Versicherers entstehen lasse, was nach Art. 10
lit. a AVB mit der ärztlichen Bescheinigung der krankheitsbedingten
Arbeitsunfähigkeit und dem Ablauf der Wartefrist der Fall sei. Die
Vorinstanz hat also keineswegs die Fälligkeit des Versicherungsanspruches
als fristauslösendes Moment betrachtet, sondern in Übereinstimmung mit
Art. 46 VVG die Verjährung mit dem die grundsätzliche Leistungspflicht
des Versicherers begründenden Ereignis beginnen lassen. Damit ist der
Rüge des Klägers der Boden entzogen.