Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 229



127 III 229

40. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom
30. April 2001 i.S. X. (Beschwerde) Regeste

    Art. 11 SchKG; Freihandverkauf im Konkurs.

    Die Gesellschaft, die mit der Verwaltung eines zur Konkursmasse
gehörenden Immobilienkomplexes betraut ist, fällt als Hilfsperson des
Konkursamtes unter das Selbstkontrahierungsverbot des Art. 11 SchKG
(E. 7 und 8).

    Die von ihr im Namen einer andern Gesellschaft eingereichte Offerte
für einen Freihandverkauf des Immobilienkomplexes würde zu einem nichtigen
Akt führen und ist daher unbeachtlich (E. 9).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 7

    7.- Erstmals macht der Beschwerdeführer geltend, die Offerte der Y. AG
sei unbeachtlich, weil diese Gesellschaft als Verwalterin der strittigen
Überbauung im Sinne von Art. 10 SchKG in den Ausstand zu treten habe
bzw. ein Verkauf an sie gegen Art. 11 SchKG verstossen würde.

    a) Nach Art. 11 SchKG dürfen die Beamten und Angestellten der
Betreibungs- und Konkursämter über die vom Amt einzutreibenden Forderungen
oder die von ihm zu verwertenden Gegenstände keine Rechtsgeschäfte
auf eigene Rechnung abschliessen; Rechtshandlungen, die gegen dieses
Verbot verstossen, sind nichtig. Diese Bestimmung dient einer von
persönlichen Interessen unbeeinflussten Behandlung des Verfahrens
durch die genannten Organe; weder Schuldner noch Gläubiger sollen durch
Interessen der genannten Art geschädigt werden (JAMES T. PETER, Kommentar
zum SchKG, Basel 1998, N. 1 zu Art. 11). Art. 11 SchKG setzt nicht etwa
voraus, dass das in Frage stehende Vollstreckungsorgan seine Stellung
tatsächlich missbraucht hat (BGE 122 III 335 E. 2c S. 337). Unerheblich
ist angesichts der vorgesehenen Sanktion (Nichtigkeit) zudem auch der
Preis, der bei einer Verwertung durch den strittigen Akt erzielt worden
ist (dazu JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, Zürich 1911, N. 3 zu
Art. 11). Das Selbstkontrahierungsverbot gilt nach der Rechtsprechung nicht
nur für die eigentlichen Beamten und Angestellten eines Betreibungs- oder
Konkursamtes, sondern auch für die von einem solchen zur Erfüllung seiner
Aufgaben allenfalls beigezogenen Hilfspersonen, soweit diese als Träger
staatlicher Funktionen erscheinen (BGE 44 III 147; vgl. PIERRE-ROBERT
GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes
et la faillite, N. 9 zu Art. 11).

    b) Wegen Verstosses gegen Art. 11 SchKG wurde etwa die Ersteigerung von
Schuldbriefen durch einen Mitarbeiter des Betreibungsamtes (BGE 112 III
65 ff.), aber auch die Ersteigerung eines Grundstücks durch ein Mitglied
des Gläubigerausschusses im Rahmen des Vollzugs eines Nachlassvertrags mit
Vermögensabtretung (BGE 122 III 335 ff.) als nichtig erklärt. Demgegenüber
wurde dafür gehalten, dass der Erwerb durch den Gantrufer (BGE 26 I 493
ff.; kritisiert von JAEGER, aaO, N. 1 zu Art. 11, und von BLUMENSTEIN,
Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, S. 48 Fn. 16)
bzw. durch den zur Schätzung der ihm später zugeschlagenen Sache
beigezogenen Sachverständigen (BGE 44 III 147 ff.) von Art. 11 SchKG
nicht erfasst werde. Im zweiten Fall erklärte das Bundesgericht, dass der
Sachverständige bloss die nötigen Grundlagen zur eigentlichen Schätzung
liefere, die als betreibungsrechtliche Amtshandlung nach Art. 97 SchKG
vom Betreibungsbeamten selbst vorgenommen werde, und dass die besonderen
Rechte und Pflichten des öffentlichen Rechts, die der Sachverständige
zur Erfüllung seiner Aufgabe allenfalls übertragen erhalte, auf jeden
Fall mit der Abgabe des Expertenbefundes erlöschen würden (S. 147).

Erwägung 8

    8.- Als Konkursverwaltung hat das Konkursamt alle zur Erhaltung und
Verwertung der Masse gehörenden Geschäfte zu besorgen (Art. 240 SchKG). Bei
Grundstücken obliegt ihm - wie dem Betreibungsamt beim Pfändungsverfahren
(dazu Art. 16 ff. VZG [SR 281.42]) - die Verwaltung und Bewirtschaftung,
worunter ordentlicherweise etwa die Anordnung und Bezahlung kleinerer
Reparaturen, der Abschluss und die Erneuerung der üblichen Versicherungen,
die Kündigung an Mieter, die Ausweisung von Mietern und der Abschluss neuer
Mietverträge fallen (vgl. Art. 17 VZG; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung
und Konkurs nach schweizerischem Recht, II. Bd., 3. Aufl., § 48 Rz. 2).

    Hier hat das Konkursamt mit Wirkung ab 1. November 2000 die Y. AG zur
Erfüllung dieser Verwaltungsaufgaben eingesetzt. Die Natur des hiefür
abgeschlossenen Vertrags ist ohne Belang. Entscheidend ist, dass die Y. AG
eine gesetzlich geregelte konkursamtliche Aufgabe übertragen erhalten hat
und insofern Trägerin eines öffentlichen Amtes geworden ist (vgl. JAEGER,
aaO, N. 5 zu Art. 240 S. 203; MARC RUSSENBERGER, Kommentar zum SchKG,
Basel 1998, N. 8 zu Art. 240). Die Y. AG ist in dem ihr anvertrauten
Bereich an die Stelle des Konkursamtes getreten und deshalb als eine von
Art. 11 SchKG erfasste Hilfsperson zu betrachten.

Erwägung 9

    9.- a) In ihrer Vernehmlassung weist die Y. AG darauf hin, dass
die vom Beschwerdeführer beanstandete Offerte nicht von ihr stamme,
sondern im Namen der Z. AG eingereicht worden sei und dass die beiden
Gesellschaften nicht in einem Beteiligungsverhältnis zueinander, sondern
lediglich unter dem gemeinsamen Holding-Dach der W. AG stünden; es gehe
nicht an, den Kreis der von Art. 11 SchKG Betroffenen auf alle Personen
auszudehnen, die natürlich oder juristisch miteinander "verwandt" seien. In
tatsächlicher Hinsicht stimmen diese Vorbringen mit den von der Vorinstanz
übernommenen Feststellungen der unteren Aufsichtsbehörde überein.

    b) Von einer Erörterung der gesellschaftsrechtlichen Verbindungen
zwischen der Y. AG und der als Offerentin aufgetretenen Z. AG
kann aus den nachstehenden Gründen abgesehen werden: Durch das
Selbstkontrahierungsverbot nach Art. 11 SchKG soll in erster
Linie verhindert werden, dass die mit einer öffentlichen Aufgabe
vollstreckungsrechtlicher Natur betraute Person die damit verbundenen
Befugnisse für eigene Zwecke ausnützt. Die mit der erwähnten
Gesetzesbestimmung angestrebte Unbefangenheit und Unabhängigkeit
(vgl. BGE 122 III 335 E. 2c S. 337), mit der jede abstrakte Gefahr einer
Benachteiligung von Gläubiger oder Schuldner ausgeschlossen werden will,
kann aber bei jedem Interessenkonflikt bedroht sein; eine solche Gefahr
besteht auch dann, wenn ein Amtsträger nicht ausschliesslich die Interessen
der Zwangsvollstreckung wahrnimmt, sondern daneben auch Interessen eines
Dritten zu berücksichtigen hat.

    In einem Konflikt dieser Art befand sich die Y. AG im massgebenden
Zeitpunkt: Als vom Konkursamt beauftragte Hilfsperson steht sie im
Dienste einer unparteiischen Durchführung des Konkurses, zu der auch der
vom Konkursamt angestrebte freihändige Verkauf des in Frage stehenden
Immobilienkomplexes gehört. Gleichzeitig hatte sie die Interessen der
Z. AG wahrzunehmen, in deren Namen sie für eben diesen Freihandverkauf
am 17. November 2000 die am 24. März 2000 (damals im Namen der von ihr
"betreuten" P. AG) eingereichte Offerte bestätigt hat.

    c) Nach dem Gesagten würde die Annahme der strittigen Offerte zu
einem im Sinne von Art. 11 SchKG nichtigen Akt führen. Die Offerte ist
daher unbeachtlich.