Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 127 III 195



127 III 195

35. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. März 2001
i.S. R. gegen K. und Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Löschung einer Dienstbarkeit, die jede rechtliche Bedeutung verloren
hat (Art. 976 ZGB); Begehren des Eigentümers des belasteten Grundstücks
um Löschung; Vorgehen des Grundbuchverwalters.

    Liegt ein Begehren des Eigentümers des belasteten Grundstücks
um Löschung der Dienstbarkeit gestützt auf Art. 976 ZGB vor, so hat
der Grundbuchverwalter die Löschung im Hauptbuch vorzunehmen, wenn er
die gesetzliche Voraussetzung als erfüllt betrachtet. In diesem Fall
ist es unzulässig, das Löschungsbegehren vor dem Vollzug in einer
beschwerdefähigen Verfügung gutzuheissen und die Löschung erst nach
Eintritt der Rechtskraft der Verfügung vorzunehmen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- R. ist Eigentümer der beiden Grundstücke Nrn.  104 und 2785 des
Grundbuches von Z.; diese sind unter anderem mit einem Fusswegrecht
über Punkt Nr. 1166 zu Gunsten des Grundstücks Nr. 1576 belastet;
dessen Eigentümer ist K. Am 26. Januar 2000 ersuchte R. um Löschung des
Fusswegrechtes gestützt auf Art. 976 ZGB, worauf der Grundbuchverwalter von
Luzern-Land am 18. Februar 2000 die Löschung des Rechtes nach Rechtskraft
der Verfügung anordnete.

    B.- Auf Beschwerde von K. befand die Justizkommission des Obergerichts
des Kantons Luzern (nachfolgend: die Justizkommission), die Voraussetzung
für eine Löschung gestützt auf Art. 976 ZGB sei nicht erfüllt, und hob
daher die Löschungsverfügung des Grundbuchverwalters am 21. Juni 2000 auf.

    C.- Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des
R. gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und erkennt, auf die kantonale
Beschwerde des K. werde nicht eingetreten.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall hat der Grundbuchverwalter auf Begehren des
Beschwerdeführers die Voraussetzung des Art. 976 Abs. 1 ZGB geprüft und
als gegeben erachtet, die Löschung der Dienstbarkeit jedoch nicht sogleich
vorgenommen, sondern eine Verfügung des Inhalts erlassen, dass er die
Löschung nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung vornehme. Streitig ist
nunmehr, ob dieses Vorgehen mit Art. 976 ZGB vereinbar ist. In der Lehre
ist umstritten, ob der Grundbuchverwalter die Löschung der Dienstbarkeit
vor der Eintragung im Grundbuch in einer beschwerdefähigen Verfügung
anordnen kann (befürwortend etwa: CHRISTINA SCHMID-TSCHIRREN, Aktuelle
Tendenzen im Grunddienstbarkeitsrecht, BN 1999 S. 27/28; ablehnend etwa:
CHARLES BESSON, La révision de l'art. 976 ZGB, in: ZBGR 71/1990 S. 263/264;
PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, Bd. I, 3. Aufl., Bern 1997, § 24,
N. 992a; JÜRG SCHMID, Basler Kommentar, Basel 1998, N. 16 zu Art. 976 ZGB).

    a) Hat eine Eintragung jede rechtliche Bedeutung verloren, so kann
der Belastete deren Löschung verlangen; der Grundbuchverwalter kann die
Löschung auch von Amtes wegen vornehmen (976 Abs. 1 ZGB). Entspricht er dem
Begehren oder nimmt er die Löschung von Amtes wegen vor, so teilt er dies
den Beteiligten mit (Abs. 2). Wer durch die Löschung in seinen Rechten
verletzt wird, kann auf Wiedereintragung klagen (Abs. 3). Nach Art. 956
Abs. 2 ZGB werden Beschwerden gegen die Amtsführung des Grundbuchverwalters
und Anstände bezüglich der eingereichten oder einzureichenden Belege
und Erklärungen von der kantonalen Aufsichtsbehörde entschieden, sofern
nicht der gerichtliche Weg vorgesehen ist. Art. 976 Abs. 3 ZGB sieht
als einzigen Rechtsweg gegen eine Löschung des eingetragenen Rechts
die Klage auf Wiedereintragung vor. Damit aber ist der Beschwerdeweg
ausgeschlossen (vgl. dazu auch: JÜRG SCHMID, aaO, N. 28 zu Art. 956 ZGB;
PAUL-HENRI STEINAUER, aaO, § 24, N. 992a).

    b) Das Bundesamt für Justiz lässt ausführen, der Grundbuchverwalter
habe die Anmeldung zur Löschung des Wegrechtes gutgeheissen und damit
eine Verfügung im Sinne von Art. 104 der Verordnung vom 22. Februar
1910 betreffend das Grundbuch (GBV; SR 211.432.1) erlassen, die bei der
Aufsichtsbehörde angefochten werden könne. Im Grundbuchverfahren gehe es
nicht um den Bestand des materiellen Rechts; darüber entscheide vielmehr
der Richter aufgrund einer Klage nach Art. 736 bzw. 975 ZGB. Hinsichtlich
des Verhältnisses zwischen beiden Verfahren verhalte es sich ähnlich
wie zwischen dem Verfahren um Beseitigung des Rechtsvorschlages und dem
ordentlichen Zivilprozess.

    Dem ist einmal entgegenzuhalten, dass Art. 976 ZGB für die Löschung
von Dienstbarkeiten, die jede rechtliche Bedeutung verloren haben,
eine Verfahrensordnung geschaffen hat, die einen eigenen Klageweg
vorsieht. Inwiefern diese Ordnung mit dem Verhältnis zwischen dem
Verfahren um Beseitigung des Rechtsvorschlages und dem ordentlichen
Prozess vergleichbar sein soll, bleibt unerfindlich. Wird ein Begehren um
Löschung einer Dienstbarkeit eingereicht, so hat der Grundbuchverwalter
aufgrund von Art. 976 Abs. 1 ZGB zunächst zu prüfen, ob die strittige
Dienstbarkeit jegliche rechtliche Bedeutung verloren hat (JÜRG SCHMID,
aaO, N. 16 zu Art. 976 ZGB). Aus der Wendung des Art. 976 Abs. 2 ZGB:
"Entspricht der Grundbuchverwalter dem Begehren" ergibt sich alsdann,
dass dieser die Löschung im Hauptbuch ohne weiteres vorzunehmen
hat, falls er die Voraussetzung des Art. 976 Abs. 1 ZGB als gegeben
erachtet (vgl. dazu auch allgemein: STEINAUER, aaO, § 20, N. 851). So
wurde Art. 976 ZGB bereits in seiner Fassung von 1907 verstanden, die
praktisch die gleiche Wendung aufwies (HOMBERGER, Zürcher Kommentar,
2. Aufl., Zürich 1938, N. 5 zu aArt. 976 ZGB); in diesem Sinne ist die
geltende Fassung auch nach der Lehre auszulegen (SCHMID, aaO, N. 16 zu
Art. 976 ZGB). Dieser Schluss liegt aber auch darin begründet, dass der
Grundbuchverwalter den Beteiligten die Löschung, d.h. die vollzogene
Löschung mitteilen muss (Art. 976 Abs. 2 ZGB). Es verhält sich nicht
anders als im Fall von Art. 969 ZGB, wonach der Grundbuchverwalter den
Beteiligten von grundbuchlichen Verfügungen, die ohne ihr Wissen erfolgen,
Anzeige zu machen hat. Auch in diesem Zusammenhang wird angenommen, die
Löschung sei nur mitzuteilen, wenn sie erfolgt ist (HENRI DESCHENAUX,
Das Grundbuch, 1. Abteilung, Schweizerisches Privatrecht V/3,1, Basel
1988, § 25, S. 542; SCHMID, aaO, N. 14 zu Art. 969 ZGB). Der Auffassung
des Bundesamtes, der Grundbuchverwalter könne vorerst die Anmeldung in
einer beschwerdefähigen Verfügung gutheissen, kann somit nicht gefolgt
werden. Wird aber - der Vorschrift des Gesetzes entsprechend - erst die
bereits vollzogene Löschung mitgeteilt, so ist die Grundbuchbeschwerde
des Art. 104 GBV sinngemäss ausgeschlossen (STEINAUER, aaO, § 20, N. 851
und insbes. § 24 N. 992a; BGE 99 Ib 244 E. 2).