Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 V 93



126 V 93

18. Urteil vom 28. April 2000 i. S. J. gegen BVG-Sammelstiftung der
Rentenanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Art. 34 Abs. 2 BVG; Art. 24 Abs. 1 BVV 2:
Überentschädigungsberechnung. Der mutmasslich entgangene Verdienst umfasst
auch nicht versichertes Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit.

Sachverhalt

    A.- Der 1942 geborene J. war seit 15. August 1979 bei der T.
AG angestellt und dadurch der BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt
(nachfolgend: Stiftung) angeschlossen. Daneben übte er eine selbstständige
Erwerbstätigkeit aus.

    Am 2. März 1985 erlitt er bei einem Unfall eine Contusio cerebri
mit Impressionsfraktur links parietal mit transduraler Hirnverletzung
und beidseitigen Frakturen im Bereiche der Pyramide. Die Basler
Versicherungs-Gesellschaft richtete ihm als obligatorische
Unfallversicherung ab 1. Februar 1986 bis 30. Juni 1986 auf der
Grundlage eines Invaliditätsgrades von 100% sowie ab 1. Juli 1986
auf der Basis eines solchen von 70% eine Invalidenrente aus. Von der
Eidg. Invalidenversicherung bezieht J. seit Februar 1986 bei einem
Invaliditätsgrad von 70% eine ganze Rente.

    Im Dezember 1994 liess J. gegenüber der Stiftung die Ausrichtung
von Invalidenleistungen rückwirkend ab November 1990 beantragen. Die
Vorsorgeeinrichtung lehnte dieses Begehren ab, weil die Leistungen der
Invaliden- und der Unfallversicherung mehr als 90% des massgebenden
Verdienstes erreichten. Die Stiftung stellte sich dabei auf den
Standpunkt, dass der vom Versicherten geltend gemachte Nebenverdienst
aus selbstständiger Erwerbstätigkeit bei der Ermittlung der
Überentschädigungsgrenze unbeachtlich sei.

    B.- Am 26. Februar 1997 liess J. beim Versicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt Klage einreichen mit dem Rechtsbegehren um Ausrichtung
einer vollen Invalidenrente ab November 1990; und zwar insoweit
gekürzt, als sie zusammen mit den Renten der Unfallversicherung und der
Eidg. Invalidenversicherung 90% des mutmasslich entgangenen Verdienstes,
einschliesslich des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit,
übersteige. Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die
Klage ab (Entscheid vom 19. Dezember 1997).

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J. das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern.

    Die Stiftung und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) beantragen
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Invalidenleistungen
gemäss BVG (BGE 117 V 295 Erw. 2a, 114 V 244 Erw. 3d). Dabei ist
unbestritten und steht auf Grund der Akten fest, dass der Beschwerdeführer
materiellrechtlich (Art. 23 und 24 BVG) ab November 1990 Anspruch auf
eine volle Invalidenrente hat. Namentlich entfaltet der in Art. 15 Abs. 2
des Reglements der Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 25 Abs. 1 BVV 2
(in der ursprünglichen, bis 31. Dezember 1992 gültig gewesenen Fassung,
wonach die Vorsorgeeinrichtung die Gewährung von Hinterlassenen- oder
Invalidenleistungen ausschliessen konnte, wenn die Unfall- oder die
Militärversicherung für den gleichen Versicherungsfall leistungspflichtig
war) statuierte Leistungsausschluss ab 1. November 1990 keine Wirkung
mehr. Ab diesem Datum steht einzig eine - allenfalls vollumfängliche -
Leistungskürzung nach Massgabe von Art. 24 und 25 Abs. 2 BVV 2 in Frage
(BGE 120 V 336 Erw. 10b, 116 V 189; vgl. auch Art. 25 Abs. 1 BVV 2 in
der entsprechend geänderten, seit 1. Januar 1993 geltenden Fassung).

    b) Die Vorinstanz hat eine Leistungspflicht der Vorsorgeeinrichtung
ab November 1990 mit der Begründung verneint, der Beschwerdeführer
würde andernfalls ungerechtfertigt bevorteilt im Sinne von Art. 24
Abs. 1 BVV 2, da die Leistungen der Eidg. Invalidenversicherung und der
Unfallversicherung 90 Prozent des mutmasslich entgangenen Verdienstes
übersteigen würden. Während das kantonale Gericht, die Vorsorgeeinrichtung
und das BSV die Auffassung vertreten, Einkommen aus nebenberuflicher
selbstständiger Erwerbstätigkeit falle nicht unter den Begriff des
mutmasslich entgangenen Verdienstes, nimmt der Beschwerdeführer den
gegenteiligen Standpunkt ein. Die Beschwerdegegnerin macht sodann geltend,
im obligatorischen Bereich stelle der Maximalbetrag des koordinierten
Lohnes gemäss Art. 8 BVG den absoluten Grenzbetrag für das Vorliegen
einer Überentschädigung dar.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 34 Abs. 2 BVG erlässt der Bundesrat Vorschriften zur
Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile des Versicherten oder seiner
Hinterlassenen beim Zusammentreffen mehrerer Leistungen (Satz 1); treffen
Leistungen nach diesem Gesetz mit solchen nach dem Bundesgesetz vom 20.
März 1981 über die Unfallversicherung oder nach dem Bundesgesetz vom
19. Juni 1992 über die Militärversicherung zusammen, gehen grundsätzlich
die Leistungen der Unfallversicherung oder der Militärversicherung vor
(Satz 2).

    a) Unter dem Titel "Ungerechtfertigte Vorteile" hat der Bundesrat
in Art. 24 BVV 2 nähere Vorschriften zur Überentschädigung in der
beruflichen Vorsorge erlassen. Nach Abs. 1 kann die Vorsorgeeinrichtung
die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen kürzen, soweit sie
zusammen mit anderen anrechenbaren Einkünften 90% des mutmasslich
entgangenen Verdienstes übersteigen. Als anrechenbare Einkünfte
gelten gemäss Abs. 2 (in der bis Ende 1992 gültig gewesenen Fassung)
Renten- oder Kapitalleistungen mit ihrem Rentenumwandlungswert in-
und ausländischer Sozialversicherungen und Vorsorgeeinrichtungen,
mit Ausnahme von Hilflosenentschädigungen, Abfindungen und ähnlichen
Leistungen. Bezügern von Invalidenleistungen wird überdies das weiterhin
erzielte Erwerbseinkommen angerechnet. Nach Abs. 3 (in der bis Ende 1992
gültig gewesenen Fassung) dürfen Ehepaar-, Kinder- und Waisenrenten der
AHV/IV nur zur Hälfte, Zusatzrenten für die Ehefrau überhaupt nicht
angerechnet werden. Die Einkünfte der Witwe und der Waisen werden
zusammengerechnet.

    b) Mit Verordnungsänderung vom 28. Oktober 1992, in Kraft seit
1. Januar 1993, hat der Bundesrat die Absätze 2 und 3 von Art. 24 BVV 2
sowie die Absätze 1 und 2 von Art. 25 BVV 2 neu gefasst. Nach Art. 24
Abs. 2 BVV 2 gelten nunmehr als anrechenbare Einkünfte Leistungen
gleicher Art und Zweckbestimmung, die der anspruchsberechtigten
Person auf Grund des schädigenden Ereignisses ausgerichtet werden,
wie Renten oder Kapitalleistungen mit ihrem Rentenumwandlungswert in-
und ausländischer Sozialversicherungen und Vorsorgeeinrichtungen,
mit Ausnahme von Hilflosenentschädigungen, Abfindungen und ähnlichen
Leistungen. Bezügern von Invalidenleistungen wird überdies das weiterhin
erzielte Erwerbseinkommen angerechnet. Nach Abs. 3 dürfen Ehepaarrenten
der AHV/IV nur zu zwei Dritteln angerechnet werden. Die Einkünfte der
Witwe und der Waisen werden zusammengerechnet. Gemäss Art. 25 Abs. 1
BVV 2 kann die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistungen nach Art. 24 kürzen,
wenn die Unfallversicherung oder die Militärversicherung für den gleichen
Versicherungsfall leistungspflichtig ist.

Erwägung 3

    3.- Das Eidg. Versicherungsgericht hatte in jüngerer Zeit
verschiedentlich Gelegenheit, darüber zu befinden, was unter dem Begriff
"mutmasslich entgangener Verdienst" im Sinne von Art. 24 Abs. 1 BVV
2 zu verstehen ist. In BGE 122 V 151 entschied es nach eingehender
Auseinandersetzung mit Literatur und koordinationsrechtlichen Normen aus
anderen Sozialversicherungszweigen, dass sich dieser, seinem wörtlichen
Sinne entsprechend, auf das hypothetische Einkommen bezieht, das die
versicherte Person ohne Invalidität erzielen könnte. Der mutmasslich
entgangene Verdienst entspricht demnach rechtlich nicht (betraglich
höchstens zufällig) dem versicherten Verdienst oder dem bei Eintritt
der Invalidität tatsächlich erzielten Einkommen. Gemäss BGE 123 V 278
Erw. 2b unterliegt er keiner oberen Grenze, wie z.B. dem Maximalbetrag
des koordinierten Lohnes. Massgebend für die Bestimmung des hypothetischen
Einkommens ist der Zeitpunkt, in welchem sich die Kürzungsfrage stellt. Als
Faktor der Überentschädigungsberechnung kann der mutmasslich entgangene
Verdienst im Rahmen von Art. 24 Abs. 5 BVV 2 sodann jederzeit neu
festgelegt werden (BGE 123 V 197 Erw. 5a mit Hinweisen).

Erwägung 4

    4.- a) Im Lichte dieser Rechtsprechung kann der Ausschluss des aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit hypothetisch erzielbaren Einkommens von
vornherein nicht, wie die Beschwerdegegnerin zu Unrecht einwendet, mit dem
Umstand begründet werden, dass sonst der koordinierte Lohn überschritten
würde. Damit ist die Frage nach der Auslegung des Begriffs des mutmasslich
entgangenen Verdienstes indes noch nicht abschliessend beantwortet.

    b) (Auslegung des Gesetzes; s. BGE 125 II 196 Erw. 3a, 244 Erw. 5a,
125 V 130 Erw. 5, 180 Erw. 2a, je mit Hinweisen).

    Zu beachten ist, dass Verordnungsrecht gesetzeskonform auszulegen
ist, d.h. es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und
der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen
Grenzen zu berücksichtigen (BGE 120 V 49 Erw. 3a mit Hinweisen). Im
Rahmen verfassungskonformer oder verfassungsbezogener Auslegung
ist sodann rechtsprechungsgemäss der Gleichbehandlungsgrundsatz zu
beachten, wobei der klare Sinn einer Gesetzesnorm nicht durch eine
verfassungskonforme Auslegung beiseite geschoben werden darf (BGE 121
V 352 Erw. 5, 119 V 130 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Begründet wird
die verfassungskonforme Auslegung hauptsächlich mit der Einheit der
Rechtsordnung und der Überordnung der Verfassung (ULRICH HÄFELIN, Die
verfassungskonforme Auslegung und ihre Grenzen, in: Recht und Prozess
als Gefüge, Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag, Bern 1981,
S. 241-259, insbes. S. 242). Da die neue Bundesverfassung am Stufenbau
der landesinternen Rechtsordnung grundsätzlich nichts geändert hat
(GEORG MÜLLER, Formen der Rechtssetzung, in: ULRICH ZIMMERLI [Hrsg.],
Die neue Bundesverfassung, Konsequenzen für Praxis und Wissenschaft,
Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 1999, Bern 2000, S. 249-266,
insbes. S. 250; vgl. auch Art. 182 Abs. 1 BV), sind die Normen auch
unter Geltung der neuen Bundesverfassung so auszulegen, dass sie mit
deren Grundwerten übereinstimmen.

    c) Der Wortlaut "mutmasslich entgangener Verdienst" ("... gain
annuel dont on peut présumer que l'intéressé est privé"; "... del
guadagno presumibilmente perso dall'assicurato") spricht dafür,
jeglichen Verdienst bei der Ermittlung der Überentschädigungsgrenze
zu berücksichtigen. Hätte der Verordnungsgeber einzig mutmassliche
Entgelte aus (versicherter) unselbstständiger Erwerbstätigkeit als
massgeblich erklären wollen, wäre eine einschränkende Formulierung am
Platze gewesen. Die Norm spricht nun aber gerade nicht von Lohn oder
von Entgelten aus versicherter unselbstständiger Erwerbstätigkeit. Die
drei sprachlichen Fassungen stimmen darin überein und weisen einen
hohen Indizwert für die Richtigkeit der vom Beschwerdeführer vertretenen
Interpretation auf. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Wortlaut
in allen drei sprachlichen Fassungen den von Vorinstanz, Beschwerdegegnerin
und BSV angenommenen Rechtssinn nicht geradezu ausschliesst. Es lässt
sich, namentlich auch mit Blick auf die Systematik (Erw. 4d hienach),
argumentieren, dass nur mutmasslich entgangener Verdienst aus versicherter
Erwerbstätigkeit in die Überentschädigungsberechnung einbezogen werden
soll. Da die vom Verordnungsgeber gewählte Formulierung jedenfalls nicht
in erkennbarer Weise auf eine bewusste Ablehnung der von kantonalem
Gericht, Beschwerdegegnerin und BSV vertretenen Auffassung hinweist und
der Verordnung gewordene Text deren Schlussfolgerung nicht ausdrücklich
verneint, ist der Auslegungsvorgang fortzusetzen, obwohl der Wortlaut in
erheblicher Weise für die Berücksichtigung auch mutmasslichen Einkommens
aus selbstständiger Erwerbstätigkeit spricht.

    d) In systematischer Hinsicht ist zu beachten, dass die Art. 24
ff. BVV 2 die Frage der Überentschädigung und der Koordination mit
anderen Sozialversicherungen im Obligatoriumsbereich regeln. Im Lichte
dieses Auslegungselementes erscheinen sowohl die vom Beschwerdeführer
als auch die von den anderen Verfahrensbeteiligten befürworteten
Lösungen vertretbar. Vor dem Hintergrund, dass Art. 24 ff. BVV 2
die Koordination im Obligatoriumsbereich normieren, wäre denkbar,
nur mutmasslich entgangenen Verdienst aus versicherter Tätigkeit der
Ermittlung der Überentschädigungsgrenze zu Grunde zu legen. Es gilt
indes zu beachten, dass die gesetzliche Regelung zwischen Festsetzung
des berufsvorsorgerechtlichen Leistungsanspruchs und der Frage
der Überentschädigung sowie der Leistungskoordination mit anderen
Sozialversicherungen unterscheidet (BGE 123 V 92 Erw. 3a). Indem die
Art. 24 ff. BVV 2 die Koordination im obligatorischen Bereich regeln,
heisst dies einzig, dass die Vorsorgeeinrichtungen obligatorische
Leistungen, anders als in der weitergehenden beruflichen Vorsorge,
nur im Rahmen des Gesetzes kürzen können (BGE 116 V 197 Erw. 4). Eine
Aussage darüber, was unter den Begriff des mutmasslich entgangenen
Verdienstes fällt, ist damit nicht gemacht. Im Übrigen spricht die
Bedeutung des Begriffs des "mutmasslich entgangenen Verdienstes" in
anderen Sozialversicherungsgesetzen für den Einbezug mutmasslichen
Einkommens aus selbstständiger, nicht versicherter Erwerbstätigkeit
in die Überentschädigungsberechnung: Gemäss Art. 72 Abs. 2 MVG
liegt eine Überentschädigung in dem Masse vor, als die gesetzlichen
Sozialversicherungsleistungen, die wegen der Erwerbseinbusse ausgerichtet
werden, den mutmasslich entgangenen Verdienst übersteigen. Art. 40
UVG als im Verhältnis zu Art. 20 Abs. 2 und 31 Abs. 4 UVG subsidiäre
Generalklausel zur Vermeidung von Überentschädigungen (MAURER,
Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 536 f.) bestimmt, dass
Geldleistungen, ausgenommen Hilflosenentschädigungen, vorbehältlich
anderer Koordinationsregeln, soweit gekürzt werden, als sie mit den
anderen Sozialversicherungsleistungen zusammentreffen und den mutmasslich
entgangenen Verdienst übersteigen. Nach Art. 51 Abs. 3 UVV entspricht
der mutmasslich entgangene Verdienst jenem Verdienst, den der Versicherte
ohne schädigendes Ereignis erzielen würde. Ob und gegebenenfalls inwieweit
dieser versichert ist, fällt nicht in Betracht. Davon zu unterscheiden
ist das System der Komplementärrente nach Art. 20 Abs. 2 UVG, welches
ausdrücklich auf den versicherten Verdienst als Bezugsgrösse abstellt
(BGE 122 V 155 Erw. 3c).

    e) Sinn und Zweck der Art. 34 Abs. 2 BVG und Art. 24 ff. BVV 2 ist die
Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile ("avantage injustifié", "indebiti
profitti") des Versicherten oder seiner Hinterlassenen beim Zusammentreffen
mehrerer Leistungen. Dies hat einerseits zur Konsequenz, dass die
Vorsorgeeinrichtung nicht verpflichtet ist, Leistungsverweigerungen oder
-kürzungen der Unfall- oder der Militärversicherung auszugleichen, wenn
der Anspruchsberechtigte den Versicherungsfall schuldhaft herbeigeführt
hat (Art. 25 Abs. 2 BVV 2). Andererseits soll, wie es im Titel zu
Art. 24 ff. BVV 2 zum Ausdruck kommt (6. Abschnitt: Überentschädigung und
Koordination mit anderen Sozialversicherungen), verhindert werden, dass die
versicherte Person überentschädigt wird. Verfassungsrechtliche Grundlage
für Art. 34 Abs. 2 BVG bildete bis 31. Dezember 1999 Art. 34quater
Abs. 3 aBV; seit 1. Januar 2000 ist Art. 113 BV massgebend. Weder in
kompetenzrechtlicher Hinsicht noch bezüglich des Normzweckes hat die
Verfassungsnovelle grundlegende Änderungen gebracht (Botschaft des
Bundesrates über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996,
Separatdruck S. 325 f.; Amtl.Bull. BV 1998 [Separatdruck] S 94 und 186,
N 335 und 457): Der Bund wird gehalten, Vorschriften über die berufliche
Vorsorge zu erlassen (Art. 113 Abs. 1 BV; bisher Art. 34quater Abs. 3
aBV). Er hat dabei verschiedene Grundsätze zu beachten (Art. 113 Abs. 2
lit. a-e BV; bisher Art. 34quater Abs. 3 lit. a-d aBV). Die Zielsetzung
der 2. Säule ist unverändert geblieben, indem die berufliche Vorsorge
zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die
Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen
soll (Art. 113 Abs. 2 lit. a BV; bisher Art. 34quater Abs. 3 aBV). Daraus
leitet sich ab, dass es beim Verbot der Überentschädigung darum geht,
die versicherte Person im Versicherungsfall finanziell nicht besser,
sondern so zu stellen, wie wenn das versicherte Ereignis nicht eingetreten
wäre. Aus der verfassungsrechtlichen Ordnung ergibt sich weiter, dass
die Berücksichtigung des hypothetischen Einkommens aus selbstständiger
Erwerbstätigkeit bei der Überentschädigungsberechnung jedenfalls nicht
als sachfremd bezeichnet werden kann, wie die Vorinstanz sagt. Immerhin
sieht die 2. Säule neben der obligatorischen auch die ausserobligatorische
Vorsorge vor. Weiter enthält sie eine differenzierte Regelung hinsichtlich
der Selbstständigerwerbenden. Diese können sich freiwillig bei einer
Vorsorgeeinrichtung versichern (Art. 113 Abs. 2 lit. d BV); für bestimmte
Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge
allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären (Art. 113
Abs. 2 lit. e BV).

    f) Die Überentschädigungsgrenze des "mutmasslich entgangenen
Verdienstes" ist in Art. 24 Abs. 1 BVV 2 verankert worden. Im Kommentar
des BSV zu BVV 2 (vom Sommer 1993) wird der Begriff nicht definiert. Die
Bezugsgrösse des mutmasslich entgangenen Verdienstes war bereits bei
den Beratungen des Art. 34 Abs. 2 BVG (der im Entwurf Art. 35 Abs. 2
BVG entsprach) an sich unbestritten, wobei auch hier keine konkrete
Umschreibung des Begriffs vorliegt (Amtl.Bull. 1982 N 206 und 768;
S 189). Aus den Materialien lässt sich demnach nicht eindeutig darauf
schliessen, was unter mutmasslich entgangenem Verdienst gemäss Art. 24
Abs. 1 BVV 2 zu verstehen ist.

    g) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die auf den Wortlaut des
Art. 24 Abs. 1 BVV 2 gestützte Auslegung durch die bisher geprüften
Auslegungselemente überwiegend bestätigt wird.

Erwägung 5

    5.- Zu prüfen bleibt, ob diese Auffassung, wie von Vorinstanz
und Beschwerdegegnerin geltend gemacht, gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung der Versicherten und das Prinzip der Gegenseitigkeit
verstösst. Während zu Recht allseits unbestritten ist, dass die versicherte
Person keine höhere als die versicherte Leistung beanspruchen kann, stellt
sich das kantonale Gericht auf den Standpunkt, die Berücksichtigung
mutmasslichen Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit führe
zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung der versicherten
Personen, welche sowohl unselbstständig als auch selbstständig erwerbstätig
sind, gegenüber denjenigen Versicherten, welche einzig Einkünfte aus
unselbstständiger Tätigkeit beziehen.

    Der Umstand, dass die Beiträge im obligatorischen Bereich innerhalb
des beschränkten Rahmens des koordinierten Lohnes berechnet werden, die
Überentschädigungsgrenze einerseits nach oben offen ist und anderseits auch
nicht versichertes Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit umfasst,
führt etwa dazu, dass bei Erzielung eines hohen Lohnes im Koordinationsfall
die vollen versicherten Leistungen eher geltend gemacht werden können
als bei einem niedrigeren Einkommen. Die Berücksichtigung von nicht
versichertem Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit hat zur Folge,
dass eher die ungekürzte Leistung ausgerichtet wird, als wenn nur Einkünfte
aus versicherter unselbstständiger Erwerbstätigkeit relevant sind. Entgegen
der Auffassung von Vorinstanz und Beschwerdegegnerin liegt darin indes kein
Verstoss gegen das in Art. 8 BV statuierte Rechtsgleichheitsgebot. Die
der 2. Säule zukommende Aufgabe besteht (Erw. 4e hievor) darin, dass
sie zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise
ermöglichen soll (Art. 113 Abs. 2 lit. a BV; bisher Art. 34quater Abs. 3
aBV). Sie bildet einen sachlichen Grund, dass bei Versicherten, die auch
selbstständig erwerbstätig waren, entsprechende Einkommensteile, soweit
rechtsgenüglich nachgewiesen, im Rahmen der Überentschädigungsberechnung
zu berücksichtigen sind. Eine tatsächliche Gleichbehandlung ist übrigens
auch auf Seite der anrechenbaren Einkünfte nicht gewährleistet, können
doch Versicherte in höchst unterschiedlichem Umfang solche Leistungen
beanspruchen oder Erwerbseinkommen erzielen. Tritt der Versicherungsfall
ein, ist es daher gerechtfertigt, den gesamten mutmasslich entgangenen
Verdienst in die Überentschädigungsberechnung miteinzubeziehen. Ob es
sich dabei um versicherte oder nicht versicherte Verdienste handelt,
ist mit Blick auf den Verfassungsauftrag des Art. 113 Abs. 2 lit. a BV -
Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise - und den
Normzweck von Art. 24 Abs. 1 BVV 2 - Verhinderung der Überentschädigung -
nicht von Bedeutung.

Erwägung 6

    6.- Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Berücksichtigung der
massgebenden Auslegungselemente und der Grundsätze der gesetzes- und
verfassungskonformen Auslegung unter mutmasslich entgangenem Verdienst
gemäss Art. 24 Abs. 1 BVV 2 auch nicht versicherte Einkünfte aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit zu verstehen sind. Dies lässt sich ohne
weiteres mit der in der Lehre vorherrschenden Auffassung vereinen, welche
den mutmasslich entgangenen Verdienst als haftpflichtrechtlich relevanten
Schaden versteht (ERICH PETER, Die Koordination von Invalidenrenten im
Sozialversicherungsrecht, Diss. Freiburg 1996, S. 336 ff., derselbe,
Das allgemeine Überentschädigungsverbot - Gedanken zu BGE 123 V 88
ff., in: SVZ 1998 S. 161; MARKUS MOSER, Die zweite Säule und ihre
Tragfähigkeit, Diss. Basel 1992, S. 257; URS CH. NEF, Die Leistungen der
Beruflichen Vorsorge in Konkurrenz zu anderen Versicherungsträgern sowie
haftpflichtigen Dritten, in: SZS 1987 S. 27).