Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 V 461



126 V 461

77. Auszug aus dem Urteil vom 22. Dezember 2000 i. S. N. gegen IV-Stelle
des Kantons Zürich und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste

    Art. 4 und 16 IVG: Invaliditätsbedingt verzögerte erstmalige
berufliche Ausbildung. Das Gesetz verlangt nicht Kontemporalität von
Gesundheitsschaden und Erwerbsunfähigkeit.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 4 Abs. 1 IVG gilt als Invalidität im Sinne
dieses Gesetzes die durch einen körperlichen oder geistigen
Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder
Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde
Erwerbsunfähigkeit. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung gilt die Invalidität
als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs
auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht
hat. Das IVG beruht somit auf dem Konzept des leistungsspezifischen
Invaliditätsfalles (BGE 126 V 242 Erw. 4). Dies bedeutet im Bereich der
beruflichen Eingliederungsmassnahmen (Art. 15 ff. IVG) u.a., dass ein
Anspruch auf Beiträge an die erstmalige berufliche Ausbildung besteht,
wenn dem Versicherten aus Gründen eines bleibenden oder längere Zeit
dauernden Gesundheitsschadens, somit invaliditätsbedingt, in wesentlichem
Umfange zusätzliche Kosten entstehen (Art. 16 Abs. 1 IVG in Verbindung mit
Art. 5 Abs. 2 IVV). Dabei gilt es in Bezug auf den Erwerbsausfall, der
mit der Absolvierung einer erstmaligen beruflichen Ausbildung verbunden
sein kann, Art. 22 IVG zu beachten. Nach dessen Absatz 1 Satz 2 wird
u.a. Versicherten in der erstmaligen beruflichen Ausbildung ein Taggeld
ausgerichtet, wenn sie eine invaliditätsbedingte Erwerbseinbusse erleiden.

Erwägung 2

    2.- Prozessthema bildet die Frage, ob bei der Beschwerdeführerin
eine leistungsspezifische Invalidität in dem Sinne vorliegt, dass sie
in der Zeit von Ende Oktober 1991, als sie die Lehre abbrach, bis im
Januar 1996, als sie nach der Entlassung aus der Drogenrehabilitation
die Tätigkeit als Aushilfe in der Firma X aufnahm, aus psychischen
Gründen daran gehindert worden ist, im üblichen Rahmen die erstmalige
berufliche Ausbildung zu absolvieren. Wird diese Frage verneint, liegt
keine Invalidität vor, und die Beschwerdeführerin kann folglich für
die berufliche Ausbildung, der sie sich nunmehr unterziehen will, keine
Ansprüche gegen die Invalidenversicherung erheben. Wird die Frage bejaht,
hätte dies zur Folge, dass die nunmehr nachzuholende erstmalige berufliche
Ausbildung als invaliditätsbedingt verspätet zu qualifizieren und der damit
verbundene Erwerbsausfall als invaliditätsbedingte Erwerbseinbusse gestützt
auf Art. 22 Abs. 1 Satz 2 IVG von der Invalidenversicherung taggeldmässig
zu entschädigen ist. Hingegen ist es, entgegen der offenbaren Auffassung
des kantonalen Gerichts, unerheblich, ob die Beschwerdeführerin noch
bei Erlass der angefochtenen Verwaltungsverfügung am 17. Januar 1997 an
einem invalidisierenden psychischen Gesundheitsschaden litt, weshalb
in dieser Richtung von vornherein kein Abklärungsbedarf besteht. Denn
es kommt im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 IVG, von seinem ausdrücklichen
Wortlaut wie von der Systematik der Invalidenversicherung als final
konzipierter Erwerbsausfallversicherung (AHI 1999 S. 79) her, nicht auf
die Gleichzeitigkeit (Kontemporalität), sondern auf die Kausalität von
Gesundheitsschaden und Erwerbsunfähigkeit (ALFRED BÜHLER, Zur rechtlichen
Bedeutung der invaliditätsfremden Gründe der Erwerbsunfähigkeit für
die Invaliditätsbemessung, in: SZS 1993 S. 249 ff.) an, wie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtig bemerkt wird.