Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 V 221



126 V 221

38. Auszug aus dem Urteil vom 22. August 2000 i. S. N. AG gegen
Ausgleichskasse Zug und Verwaltungsgericht des Kantons Zug Regeste

    Art. 5 Abs. 4 AHVG; Art. 8 lit. b AHVV: Nicht zum massgebenden Lohn
gehörende Sozialleistungen. Art. 8 lit. b AHVV ist in der ab 1. Januar
1997 geltenden Fassung dahingehend auszulegen, dass die Ausnahme vom
massgebenden Lohn (nebst der Gleichbehandlung der Arbeitnehmenden)
voraussetzt, dass die Beiträge des Arbeitgebers direkt an die Kranken- und
Unfallversicherer der Arbeitnehmenden entrichtet werden. Gesetzmässigkeit
der Bestimmung bejaht.

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 26. November 1997 stellte die Ausgleichskasse Zug
fest, dass die Entschädigung von 250 Franken pro Monat, welche die N. AG
ihren Arbeitnehmenden gegen Vorlage der entsprechenden Versicherungspolice
an deren Krankenkassenprämie bezahlt, der AHV-Beitragspflicht unterliege.

    B.- Beschwerdeweise liess die N. AG beantragen, es sei die
Verwaltungsverfügung aufzuheben und die Ausgleichskasse anzuweisen,
die Leistungen an die Krankenkassenkosten ihrer Arbeitnehmenden vom
massgebenden Lohn auszunehmen. Mit Entscheid vom 29. Dezember 1999 wies
das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Beschwerde ab.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die N. AG das im kantonalen
Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern. (...).

    Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV)
schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 AHVG werden vom
Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit, dem massgebenden
Lohn, Beiträge erhoben. Als massgebender Lohn gemäss Art. 5 Abs. 2
AHVG gilt jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte
oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Zum massgebenden Lohn gehören
begrifflich sämtliche Bezüge des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit
dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis
fortbesteht oder gelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet
werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus
unselbstständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares
Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung
oder Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird,
soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der
Beitragspflicht ausgenommen ist (BGE 123 V 6 Erw. 1, 122 V 179 Erw. 3a,
298 Erw. 3a, je mit Hinweisen; AHI 1997 S. 22 Erw. 2a).

    b) Gestützt auf die ihm in Art. 5 Abs. 4 AHVG eingeräumte Befugnis,
Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende
Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer vom Einbezug in den
massgebenden Lohn auszunehmen, hat der Bundesrat Art. 8 AHVV erlassen
(vgl. hiezu auch BBl 1946 II 391; HANSPETER KÄSER, Unterstellung
und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl., Bern 1996,
Rz. 4.172 ff.; UELI KIESER, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, Rz.
49). Nicht zum Erwerbseinkommen gehören nach lit. b dieser Bestimmung (in
der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung) die Beiträge des Arbeitgebers
an die Kranken- und Unfallversicherer seiner Arbeitnehmer sowie an
Familienausgleichskassen, sofern alle Arbeitnehmer gleich behandelt werden.
Die Wegleitung des BSV über den massgebenden Lohn (WML; in der ab 1. Januar
1997 geltenden Fassung) statuiert in Rz. 2167 als Voraussetzungen für die
Ausnahme von der Beitragspflicht, dass die Arbeitgeber die Prämie für ihre
Arbeitnehmer direkt bezahlen und alle Arbeitnehmer gleich behandelt werden.

Erwägung 7

    7.- a) Art. 8 lit. b AHVV umschreibt gestützt auf Art. 5 Abs. 4
AHVG die Voraussetzungen, unter denen Beiträge des Arbeitgebers an die
Kranken- und Unfallversicherung der Arbeitnehmer sowie an die hier nicht
weiter interessierenden Familienausgleichskassen von der Beitragspflicht
befreit sind. Der Wortlaut ("Beiträge des Arbeitgebers an die Kranken- und
Unfallversicherer seiner Arbeitnehmer", "les cotisations de l'employeur
aux assureurs maladie et accidents de leurs salariés", "i contributi
versati dal datore di lavoro agli assicuratori malattia e infortuni dei
loro salariati"), insbesondere dessen Vergleich mit der bis 31. Dezember
1996 geltenden Fassung ("... an die Kranken- und Unfallversicherung ...",
"... à l'assurance-maladie et accidents ...", "... all'assicurazione contro
le malattie e gli infortuni ..."), stützt die restriktive Interpretation
von Vorinstanz und Verwaltung, wonach nur Beiträge, welche die Arbeitgeber
den Versicherern der Arbeitnehmenden direkt bezahlen, vom massgebenden
Lohn ausgenommen sind. Für deren Auffassung sprechen schliessen auch
die in AHI 1996 S. 269 f. und 273 f. publizierten Erläuterungen des BSV
zu den ab 1. Januar 1997 Anwendung findenden, geänderten Bestimmungen
der AHVV. Danach drängte sich für den Bundesrat eine Überprüfung der in
Art. 8 AHVV statuierten Ausnahmen daraufhin auf, ob und inwieweit sie
noch gerechtfertigt erscheinen, weil die Arbeitnehmenden heute u.a. wegen
des Krankenversicherungsobligatoriums (Art. 3 des am 1. Januar 1996 in
Kraft getretenen Krankenversicherungsgesetzes, KVG) sozial wesentlich
besser abgesichert seien als beim Inkrafttreten des AHVG im Jahre 1948
und weil in den vergangenen Jahren, insbesondere für sozial besser
gestellte Arbeitnehmende immer wieder versucht worden sei, eigentliche
Lohnbestandteile anders zu definieren, mit dem Ziel, sie über Art. 8
AHVV der Beitragserhebung zu entziehen. Dies habe den Bundesrat bewogen,
im Rahmen der Neufassung der Verordnungsbestimmung dem ihr zu Grunde
liegenden Grundgedanken, Notlagen der Arbeitnehmenden zu vermeiden (BBl
1946 II 391), vermehrt Rechnung zu tragen (AHI 1996 S. 269 f.). Um eine
Zweckentfremdung der Beiträge auszuschliessen bzw. sicherzustellen,
dass diese auch für die Krankenversicherung verwendet werden, habe er
deshalb nur die Entschädigungen von der Beitragspflicht ausgenommen,
welche die Arbeitgeber direkt der jeweiligen Versicherungseinrichtung
ihrer Arbeitnehmenden entrichten. Im Weitern habe er vorgesehen, dass
von der Beteiligung der Arbeitgeber lediglich diejenigen Arbeitnehmenden
profitieren sollen, die tatsächlich eine Krankenkassenprämie zu bezahlen
haben, d.h. nicht wegen Prämienverbilligung befreit sind (AHI 1996
S. 273 f.).

    Zusammenfassend ergibt sich, dass Art. 8 lit. b AHVV, wovon Vorinstanz
und Verwaltung zutreffend ausgegangen sind, für eine Beitragsbefreiung
der entsprechenden Sozialleistungen der Arbeitgeber - nebst der
Gleichbehandlung der Arbeitnehmenden - voraussetzt, dass die Arbeitgeber
diese direkt an die entsprechenden Versicherer erbringen (so ausdrücklich
Rz. 2167 WML). Damit wird sichergestellt, dass die Prämie zwar zu Gunsten
des Arbeitnehmers verwendet wird, dieser aber nicht frei darüber verfügen
kann (KÄSER, aaO, Rz. 4.180; vgl. auch die Ausnahmebestimmung des Art. 8
lit. a AHVV, welcher im Wesentlichen der gleiche Gedanke zu Grunde liegt,
AHI 1996 S. 271).

    Im Rahmen der vorfrageweisen Prüfung unselbstständigen
Verordnungsrechts ist die Bestimmung des Art. 8 lit. b AHVV als
gesetzmässig zu erachten. Die Delegationsnorm des Art. 5 Abs. 4 AHVG
eröffnet dem Bundesrat einen weiten Ermessensspielraum. Mit der Änderung
des Art. 8 lit. b AHVV, welche die Ausnahme vom massgebenden Lohn auf die
direkt an die Kranken- und Unfallversicherer entrichteten Leistungen
beschränkt, hat der Bundesrat den Intentionen des Gesetzgebers,
die Arbeitgebenden zu entsprechenden Leistungen zu motivieren und
damit Notlagen der Arbeitnehmenden zu vermeiden (BBl 1946 II 391),
Rechnung getragen. Dass die im Weitern erforderliche Gleichbehandlung
aller Arbeitnehmenden dem Gesetz widersprechen könnte, wird zu Recht
nicht geltend gemacht. Da der Bundesrat in rechtskonformer Ausübung
des ihm zustehenden Ermessens eine sachgerechte Lösung getroffen hat,
die sich auf ernsthafte Gründe stützen lässt, besteht kein Anlass für
ein richterliches Eingreifen in den dem Verordnungsgeber offen stehenden
Gestaltungsspielraum.

    b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gebietet es auch der
Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 4 Abs. 1 der bis 31. Dezember 1999
gültig gewesenen Bundesverfassung [aBV], Art. 8 BV) nicht, der Bestimmung
des Art. 8 lit. b AHVV (bzw. Rz. 2167 WML) die Anwendung zu versagen.

    Für die streitige Regelung sprechen, wie sich auch aus den dargelegten
Erläuterungen des BSV ergibt, vorab praktische Gründe. Wird der für
die Begleichung der Kranken- und/oder Unfallversicherungsprämien
geleistete Betrag direkt den Versicherern überwiesen, besteht eine
klare Trennung zwischen dem an die Arbeitnehmenden ausbezahlten, der
Beitragspflicht unterliegenden Lohn und der darüber hinaus gewährten,
beitragsbefreiten Sozialleistung. Im Weitern ist eine Zweckentfremdung von
vornherein ausgeschlossen und kann damit sichergestellt werden, dass nur
Arbeitnehmende, welche tatsächlich eine Krankenkassenprämie zu bezahlen
haben, von der Beteiligung der Arbeitgeber profitieren. Schliesslich
bietet die Regelung auch Vorteile im Hinblick auf Arbeitgeberkontrollen,
weil sie klare Verhältnisse schafft und damit die Überprüfung der
abrechnungspflichtigen Lohnsumme massgeblich erleichtert.

    Die angeführten technischen und praktischen Gründe vermögen
rechtsprechungsgemäss eine Ungleichbehandlung jedenfalls dann
zu rechtfertigen, wenn sie nicht zu unbilligen Ergebnissen führt
(BGE 117 Ia 100 Erw. 2b). Derartige Konsequenzen hat die streitige
Verordnungsbestimmung nicht. Denn es steht jedem Arbeitgeber, der
freiwillige Sozialleistungen im Sinne der Verordnungsbestimmung erbringen
will, offen, seinen Beitrag an die Prämienschuld der Arbeitnehmenden
direkt den entsprechenden Versicherern zu entrichten, sodass dieser vom
massgebenden Lohn ausgenommen ist.

    c) Fehlt es vorliegend bereits an der direkt den Krankenversicherern
der Arbeitnehmenden entrichteten Beteiligung an der Prämienschuld,
besteht für die entsprechenden Leistungen der Beschwerdeführerin keine
Ausnahme vom massgebenden Lohn im Sinne von Art. 8 lit. b AHVV, ohne dass
geprüft zu werden braucht, ob die kumulativ erforderliche Voraussetzung,
dass alle Arbeitnehmenden gleich behandelt werden, erfüllt wäre.