Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 I 68



126 I 68

10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 22. Mai 2000 i.S. Y. gegen Kassationsgericht des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK; § 182
StPO/ZH. Heilung einer Gehörsverweigerung; Garantie des unparteiischen
Richters; Unvoreingenommenheit.

    Die Voraussetzungen für die Heilung einer Gehörsverweigerung im
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde sind vorliegend erfüllt (E. 2).

    Keine unzulässige Vorbefassung eines Gerichtes, das sich nach der
Hauptverhandlung von der Schuld des Angeklagten überzeugt zeigt, das Urteil
aussetzt und die Anklage zur (geringfügigen) Verbesserung zurückweist,
wie dies von § 182 Abs. 3 StPO/ZH vorgesehen wird (E. 3, 4).

Sachverhalt

    A.- Am 11. Juni 1997 erhob die Bezirksanwaltschaft Zürich gegen
Prof. Y. Anklage wegen Schändung im Sinne von Art. 191 StGB und mehrfacher
Ausnützung der Notlage im Sinne von Art. 193 StGB. Sie warf ihm vor,
zwischen 1988 und 1993 sechs Patientinnen zum Teil wiederholt sexuell
missbraucht zu haben. Der Präsident der 6. Abteilung des Bezirksgerichts
Zürich wies diese Anklage wegen intertemporalrechtlicher Unklarheiten am
27. Juni 1997 zurück.

    Am 27. August 1997 reichte die Bezirksanwaltschaft Zürich eine
verbesserte Anklage ein. Mit Teilurteil vom 16. Januar 1998 sprach die 6.
Abteilung des Bezirksgerichts Zürich Y. in zwei Punkten frei und trat
in einem weiteren Punkt auf die Anklage wegen Verjährung nicht ein. In
Bezug auf weitere Punkte setzte das Gericht den Entscheid aus und gab
der Anklagebehörde gestützt auf § 182 Abs. 3 StPO/ZH Gelegenheit, eine
allfällige bereinigte Anklage einzureichen. - Den Freispruch focht die
Staatsanwaltschaft mit Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich an.

    Am 12. Februar 1998 erhob die Bezirksanwaltschaft erneut eine
verbesserte Anklage gegen Y. Gestützt darauf verurteilte die 6. Abteilung
des Bezirksgerichtes Zürich diesen am 5. Juni 1998 in, abgesehen vom
Gerichtsschreiber, gleicher Besetzung wie beim Entscheid vom 16. Januar
1998, wegen Schändung im Sinne von Art. 189 Abs. 2 aStGB, mehrfacher
sexueller Handlungen mit Anstaltspfleglingen im Sinne von Art. 192 Abs. 1
StGB sowie mehrfacher Ausnützung einer Notlage im Sinne von Art. 193
Abs. 1 StGB zu 1 Jahr Gefängnis bedingt.

    Dieses Urteil fochten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch
Y. mit Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich an. Mit Beschluss
vom 15. April 1999 hiess das Obergericht die Berufung von Y. gut, hob
das angefochtene Urteil auf und wies "die Sache zur Wiederholung der
Hauptverhandlung in anderer Besetzung an die Vorinstanz" zurück. Es erwog,
das Bezirksgericht habe die Anklage zurückgewiesen, weil die Umschreibung
der subjektiven Tatbestandselemente in tatsächlicher Hinsicht den formellen
Anforderungen des Anklageprinzips nicht genügt hätten. Insbesondere
könne der Formulierung "der Angeklagte habe nicht nur aus medizinischen
Gründen, sondern auch aus Gründen der sexuellen Stimulation bzw. aus
sexuellem Interesse die angeklagten Handlungen vorgenommen" nicht
entnommen werden, "in welchem Umfang bzw. für welchen Teilbereich
medizinische Gründe gegeben seien". Seien die dem Beschwerdeführer
vorgeworfenen Handlungen medizinisch indiziert oder im ausdrücklichen
oder konkludenten Einverständnis der Patientinnen erfolgt, könne darin
je nach den weiteren Umständen eine Rechtfertigung liegen, was die
Straflosigkeit der Tat zur Folge hätte, selbst wenn der Angeklagte neben
medizinischen noch andere Zwecke verfolgt haben sollte. Die Vorinstanz
habe daher zwar hohe Anforderungen an das Anklageprinzip gestellt, die
Rückweisung der Anklage sei aber vertretbar. Im Rückweisungsentscheid
hätte das Bezirksgericht der Anklagebehörde Anweisungen gegeben, wie
die Anklage zu ändern sei, und es hätte ausdrücklich festgehalten, dass
"eine Mehrheit des Gerichtes (...) der Meinung sei, dass nach einer
entsprechenden Konkretisierung der Anklage mit hoher Wahrscheinlichkeit
eine Verurteilung des Angeklagten erfolgen müsste". Dieses Vorgehen habe
zu einer Durchbrechung des Anklageprinzips geführt, indem die erkennenden
Richter faktisch zum Ankläger geworden seien. "Anders ausgedrückt wird
derjenige, welcher veranlasst, jemanden auf bestimmte Weise anzuklagen,
schwerlich als Richter über diese Anklage anders denn schuldig sprechen
können, weil er der subjektiven Überzeugung ist, dass die Schuld des
Angeklagten nachgewiesen ist".

    B.- Dieses Urteil des Obergerichts fochten sowohl die
Staatsanwaltschaft als auch Y. mit Nichtigkeitsbeschwerde beim
Kassationsgericht des Kantons Zürich an. Erstere beantragte, den
angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Verfahren ans Obergericht zwecks
Fortsetzung der Berufungsverhandlung zurückzuweisen. Y. beantragte, das
angefochtene Urteil teilweise aufzuheben und die Sache zur Abschreibung
der von der Staatsanwaltschaft gegen das Teilurteil vom 16. Januar 1998
erklärten Berufung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Mit eingehend begründeter Vernehmlassung vom 29. September 1999
beantragte Y., die Beschwerde der Staatsanwaltschaft abzuweisen.

    Mit Urteil vom 24. Januar 2000 hiess das Kassationsgericht beide
Nichtigkeitsbeschwerden gut, hob den angefochtenen Entscheid des
Obergerichts auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen an die
Vorinstanz zurück. In der Prozessgeschichte hielt es fest, in beiden
Verfahren seien keine Vernehmlassungen eingegangen.

    C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 8. März 2000 wegen Verletzung
von Art. 29 Abs. 2 und Art. 30 Abs. 1 BV beantragt Y.,
      "es sei der Beschluss des Kassationsgerichtes des Kantons Zürich vom

    24. Januar 2000 aufzuheben, soweit in Gutheissung der

    Nichtigkeitsbeschwerde der Beschwerdegegnerin der Beschluss der

    I. Strafkammer des

    Obergerichtes des Kantons Zürich vom 15. April 1999 aufgehoben wurde,

    unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten des Staates."

    Im Hauptstandpunkt führt er an, das Kassationsgericht habe den Eingang
seiner Vernehmlassung übersehen und sich damit nicht auseinander gesetzt,
weshalb der angefochtene Entscheid wegen Gehörsverweigerung aufzuheben
sei. Zur Sache äussert sich Y. nur "kursorisch". Er macht geltend, es sei
mit Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (SR 0.101) unvereinbar,
dass das Bezirksgericht, welches mit Entscheid vom 16. Januar 1998
die Anklage zur Verbesserung zurückgewiesen und dabei erwogen hatte,
eine Konkretisierung der Anklage führe mit hoher Wahrscheinlichkeit
zur Verurteilung des Beschwerdeführers, ihn in gleicher Besetzung
der Richterbank dann verurteilt habe. Zur Begründung verweist er im
Wesentlichen auf den von Kassationsrichter Spühler zu Protokoll gegebenen
Minderheitsantrag.

    Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Kassationsgericht hat eingestandenermassen die Vernehmlassung
des Beschwerdeführers zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
übersehen, sich dementsprechend nicht mit ihr auseinander gesetzt und
damit offensichtlich dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die
Gehörsverweigerungsrüge ist insofern begründet.

    Das führt indessen nicht ohne weiteres zur Aufhebung des
angefochtenen Entscheides. Eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs
kann auch im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde geheilt werden,
wenn die Kognition des Bundesgerichts gegenüber derjenigen der letzten
kantonalen Instanz nicht eingeschränkt ist und dem Beschwerdeführer kein
Nachteil erwächst (BGE 125 I 209 E. 9; 107 Ia 1 E. 1). Die Heilung des
Verfahrensmangels ist ausgeschlossen, wenn es sich um eine besonders
schwerwiegende Verletzung der Parteirechte handelt, und sie soll die
Ausnahme bleiben (BGE 124 V 180 E. 4a).

    Die Voraussetzungen für eine Heilung des Verfahrensmangels sind
hier erfüllt. Das Bundesgericht prüft die Rüge der Verletzung von
Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK, die der Beschwerdeführer
in der Sache selbst erhebt, frei (E. 3b unten), und seine Kognition
ist damit nicht enger als jene des Kassationsgerichts. Die Frage der
Befangenheit der am Urteil vom 5. Juni 1998 beteiligten Bezirksrichter war
vor Obergericht wie vor Kassationsgericht zentraler Verfahrensgegenstand,
und der Beschwerdeführer hat sich dazu vor Obergericht eingehend äussern
können. Sie war zudem bei beiden Gerichten kontrovers, in beiden
Urteilen hat die unterlegene Minderheit eine abweichende Meinung zu
Protokoll gegeben. Der Beschwerdeführer konnte somit seinen Standpunkt
ins Verfahren einbringen, wenn er auch nur vor Obergericht formell
ordnungsgemäss gehört wurde. Er konnte eine Mehrheit des Obergerichts
überzeugen und eine Minderheit des Kassationsgerichts nahm seinen
Standpunkt auf, obwohl seine Vernehmlassung aus Versehen unbeachtet
blieb. Unter diesen Umständen erscheint die unterbliebene ausdrückliche
Auseinandersetzung des Kassationsgerichts mit der Stellungnahme des
Beschwerdeführers nicht als eine besonders schwerwiegende Verletzung der
Parteirechte. Dem Beschwerdeführer erwächst zudem kein Nachteil, wenn
diese Gehörsverweigerung im Verfahren vor Bundesgericht geheilt wird. Bei
der Beurteilung der Befangenheitsrüge sind sowohl die Vernehmlassung
des Beschwerdeführers vom 29. September 1999 ans Kassationsgericht als
auch der Minderheitsantrag von Kassationsrichter Spühler, auf den sich
der Beschwerdeführer ausdrücklich beruft, mitzuberücksichtigen. Auch im
Sinne der verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen beförderlichen
Behandlung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer, das schon mehrere
Verzögerungen wegen Verfahrensfragen erfahren hat, ist daher auf eine
Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Gehörsverweigerung zu
verzichten und der Verfahrensmangel als durch die Behandlung der in der
Sache selbst erhobenen Rüge durch das Bundesgericht geheilt zu betrachten.

Erwägung 3

    3.- In der Sache beruft sich der Beschwerdeführer auf die Garantie
des unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richters, wie
sie sich aus Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK ergibt.

    a) Nach der in Art. 58 Abs. 1 aBV bzw. im materiell unverändert in die
neue Bundesverfassung vom 18. Dezember 1998 überführten Art. 30 Abs. 1 BV
und in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Garantie des verfassungsmässigen
Richters hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem
unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne
Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver
Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit
und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die
Garantie verletzt (BGE 125 I 209 E. 8a; 120 Ia 184 E. 2b).

    b) Wird mit einer staatsrechtlichen Beschwerde eine Verletzung des
Anspruchs auf den verfassungs- und konventionsmässigen Richter geltend
gemacht, so überprüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des
kantonalen Verfahrensrechts nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Mit
freier Kognition prüft es dagegen, ob die als vertretbar erkannte Auslegung
des kantonalen Prozessrechts mit den Garantien von Art. 58 Abs. 1 aBV und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist (BGE 117 Ia 170 E. 1; 116 Ia 14 E. 3;
Pra 87/1998 Nr. 95 S. 546 E. 4c).

    c) Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen
in das Gericht kann bei den Parteien immer dann entstehen, wenn einzelne
Gerichtspersonen in einem früheren Verfahren mit der konkreten Streitsache
schon einmal befasst waren. In einem solchen Fall sogenannter Vorbefassung
stellt sich die Frage, ob sich ein Richter durch seine Mitwirkung
an früheren Entscheidungen in einzelnen Punkten bereits in einem Mass
festgelegt hat, die ihn nicht mehr als unvoreingenommen und dementsprechend
das Verfahren als nicht mehr offen erscheinen lassen. Ob dies der Fall ist,
kann nicht generell gesagt werden; es ist nach der Rechtsprechung vielmehr
in jedem Einzelfall zu untersuchen, ob die konkret zu entscheidende
Rechtsfrage trotz Vorbefassung als offen erscheint (BGE 114 Ia 50 E. 3d;
vgl. die Beispiele in BGE 120 Ia 82 E. 6d).

Erwägung 4

    4.- a) Die Entscheide, in denen das Bundesgericht über die Zulässigkeit
der Vorbefassung zu befinden hatte, beziehen sich indessen, soweit
ersichtlich, ausschliesslich auf Fälle, in denen ein Richter oder ein
Gerichtsschreiber mit der Sache in unterschiedlichen Verfahren oder in
vom anwendbaren Verfahrensrecht klar getrennten Verfahrensabschnitten
befasst waren, z.B. zunächst im Rechtsöffnungs- und anschliessend im
Zivilverfahren oder bei der Anklagezulassung und im Strafurteilsverfahren.

    Diese Rechtsprechung kann nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall
übertragen werden, in welchem das Bezirksgericht in der Urteilsberatung
einen an besondere Voraussetzungen gebundenen (dazu näher E. c unten)
prozessleitenden Entscheid und später das Sachurteil fällte.

    b) Das Bezirksgericht ist am 16. Januar 1998 nach durchgeführter
Hauptverhandlung und damit nach Abschluss des Beweisverfahrens und
den Parteivorträgen zum Schluss gekommen, dass ein Teil der gegen den
Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe nicht berechtigt sind und hat ihn
in diesen Punkten freigesprochen. In anderen Punkten ist es aufgrund
seiner Beweiswürdigung zum Schluss gelangt, der Beschwerdeführer habe
die ihm vorgeworfenen Handlungen begangen, dass aber die Umschreibung
der subjektiven Tatbestandselemente in tatsächlicher Hinsicht in der
Anklageschrift den formellen Anforderungen des Anklageprinzips nicht
genüge.

    Offensichtlich nicht zu beanstanden ist, dass sich das Bezirksgericht
in der Urteilsberatung eine Meinung von der Sach- und Rechtslage bildete,
liegt darin doch gerade der Zweck der Urteilsberatung nach durchgeführter
Hauptverhandlung. Es kann dem Gericht daher nicht schon deswegen
Befangenheit vorgeworfen werden, weil es das Ergebnis seiner bisherigen
Urteilsberatung mit der im Beschluss vom 16. Januar 1998 enthaltenen
Formulierung bekanntgab, dass eine Konkretisierung der Anklage mit "hoher
Wahrscheinlichkeit" zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führen
müsste. Unzulässig wäre eine solche Feststellung selbstverständlich
dann, wenn sie vor Abschluss des Beweisverfahrens gemacht worden
wäre, beispielsweise in einem Beschluss zur Anordnung von weiteren
Beweismassnahmen im Sinne von § 183 Abs. 2 StPO/ZH, da ein Richter,
dessen Überzeugung vor der Würdigung aller Beweise bereits feststeht,
kein unbefangener Richter im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV sein könnte.

    c) Eine Rückweisung der Anklage nach § 182 Abs. 3 StPO/ZH ist hingegen
nur zulässig, wenn das Gericht aufgrund der erhobenen Beweismittel zur
Überzeugung gekommen ist, dass ein strafbares Verhalten vorliegt und sich
dieses im Bereich der eingeklagten Lebensvorgänge, also des ursprünglichen
Prozessthemas bewegt, dass aber die Anklage für einen Schuldspruch
nicht ausreicht, weil z. B. wie im vorliegenden Fall die subjektiven
Tatbestandselemente nicht mit hinreichenden Sachverhaltsbehauptungen
unterlegt sind (SCHMID, in Donatsch/Schmid, Kommentar zur Zürcher StPO/ZH,
Zürich 1999, N. 13 ff. zu § 182). Dabei macht sich das Gericht nicht
in unzulässiger Weise zum Ankläger, denn die in § 182 Abs. 3 StPO/ZH
vorgesehene Rückweisung der Anklage zur Abänderung stellt eine vom
kantonalen Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene Durchbrechung des
Anklageprinzips dar.

    d) Da die Rückweisung der Anklage zwecks Abänderung nach § 182 Abs. 3
StPO/ZH überhaupt nur unter der Voraussetzung zulässig ist, dass nach
der Überzeugung des Bezirksgerichts "ein strafbarer Tatbestand vorliege",
hätte das Bezirksgericht, wäre es davon nicht überzeugt gewesen, keinen
Anlass gehabt, die Anklage zurückzuweisen. Vielmehr hätte es nur die
Möglichkeit gehabt, den Beschwerdeführer freizusprechen oder allenfalls
nach § 183 Abs. 2 StPO/ZH weitere Beweiserhebungen anzuordnen. Insofern
gibt die Formulierung, eine Abänderung der Anklage führe mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung, nur die Rechtslage gemäss der
angewendeten Gesetzesvorschrift wieder. Es ist daher müssig, darüber zu
streiten, ob diese Formulierung mehr oder weniger geschickt war: mit der
Aussetzung des Urteils und der Rückweisung der Anklage gemäss § 182 Abs. 3
StPO/ZH stand in jedem Falle fest, dass sich das Bezirksgericht von der
Schuld des Beschwerdeführers überzeugt hatte und ihn verurteilen werde,
wenn die Anklage die notwendige - geringfügige, da nur in engen Grenzen
zulässige (oben E. b) - Abänderung der Anklage vornehme. Von einer eine
Befangenheit begründende Vorbefassung des Bezirksgerichts kann daher
nicht gesprochen werden, wenn es in, mit Ausnahme des Gerichtsschreibers,
gleicher Besetzung den Rückweisungsbeschluss vom 16. Januar 1998 und,
nachdem die notwendige Abänderung der Anklage erfolgt war, das Endurteil
vom 5. Juni 1998 fällte. Der angefochtene Entscheid des Kassationsgerichts
verletzt daher die Garantie des unparteiischen, unvoreingenommenen und
unbefangenen Richters gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht.