Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 I 144



126 I 144

18. Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. März 2000 i.S. D. gegen
Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern und Obergericht des
Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 6 Ziff. 1 EMRK; kantonale Staatshaftung; Umfang der Überprüfung
des Schadenersatzanspruches in einem Staatshaftungsprozess wegen
Verweigerung des Zuschlags von Arbeiten.

    Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist auf Staatshaftungsprozesse anwendbar. Diese
Bestimmung verlangt, dass der Schadenersatzanspruch des Klägers durch ein
Gericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend geprüft wird.
Verletzung der Bestimmung im vorliegenden Fall, weil die Gerichte des
Kantons Luzern die Frage der Widerrechtlichkeit in Übereinstimmung mit
§ 4 Abs. 2 des kantonalen Haftungsgesetzes nicht überprüft, sondern
ihrem Entscheid jenen des Regierungsrates zu Grunde gelegt haben, der
die Arbeitsvergebung an eine Drittunternehmung als rechtmässig erachtet
hat. Eine eingeschränkte Prüfung durch die Gerichte wäre lediglich dann mit
Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu vereinbaren gewesen, wenn der Vergabeentscheid vor
ein Gericht hätte gebracht werden können, das seinerseits den Anforderungen
von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügt.

Sachverhalt

    A.- D. ist Inhaber eines Malergeschäftes in E. Die Römisch-katholische
Landeskirche des Kantons Luzern schrieb aufgrund des damals geltenden
kantonalen Submissionsgesetzes vom 10. April 1973 die Bauarbeiten für
den Umbau des Hauses S. am 18. November 1995 öffentlich aus. Für die
Position "Innere Malerarbeiten" gingen 26 Offerten ein, worunter jene von
D. die günstigste war. Die Ausschreiberin teilte ihm am 11. Januar 1996
mit, sein Angebot sei nicht berücksichtigt worden. Der Regierungsrat
des Kantons Luzern wies am 5. März 1996 eine Aufsichtsbeschwerde D.s
ab. Diesen Entscheid hob das Bundesgericht, das die submissionsrechtliche
Aufsichtsbeschwerde als eigentliches Rechtsmittel qualifizierte, mit Urteil
vom 4. Dezember 1996 wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs auf. Der
Regierungsrat wies in der Folge mit Entscheid vom 16. Dezember 1997 die
Aufsichtsbeschwerde erneut ab, soweit er darauf eintrat, im Wesentlichen
mit der Begründung, das Unternehmen von D. habe nicht Gewähr für die
Einhaltung der gesamtarbeitsvertraglichen Vorschriften geboten.

    B.- D. erhob am 24. April 1998 gestützt auf das kantonale
Haftungsgesetz vom 13. September 1988 Klage gegen die Römisch-katholische
Landeskirche des Kantons Luzern beim Amtsgericht Luzern-Stadt auf
Bezahlung von Fr. 25'000.- zuzüglich Zins. In dieser Höhe sei ihm Schaden
entstanden, weil seine Offerte im Submissionsverfahren widerrechtlich
nicht berücksichtigt worden sei.

    Das Amtsgericht Luzern-Stadt wies die Klage mit Urteil vom 12. Januar
1999 ab. Das Obergericht des Kantons Luzern bestätigte dieses Urteil am
7. September 1999.

    C.- D. hat mit Eingabe vom 2. November 1999 staatsrechtliche Beschwerde
an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts
vom 7. September 1999 aufzuheben, und macht namentlich geltend, es
verstosse gegen den Anspruch auf Zugang zu einem Gericht (Art. 6 EMRK)
sowie gegen schweizerisches Verfassungsrecht, die Widerrechtlichkeit im
Haftungsverfahren nicht zu überprüfen, sondern diesbezüglich den Entscheid
des Regierungsrates zu Grunde zu legen.

    Die Römisch-katholische Landeskirche und das Obergericht des Kantons
Luzern beantragen in ihren Vernehmlassungen, die staatsrechtliche
Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen
Entscheid auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss § 4 Abs. 1 des Haftungsgesetzes des Kantons Luzern (HG)
haftet das Gemeinwesen, zu dem die Landeskirchen zählen (§ 2 HG), für
den vollen Schaden, den ein Beamter einem Dritten in Ausübung amtlicher
Verrichtungen widerrechtlich zufügt, sofern es nicht nachweist, dass
dem Beamten kein Verschulden zur Last fällt. Wird ein Entscheid im
Rechtsmittelverfahren geändert, haftet das Gemeinwesen nur beim Nachweis,
dass der Beamte oder die Behörde die Widerrechtlichkeit beabsichtigt hat
(§ 4 Abs. 2 Satz 1 HG). Die Rechtmässigkeit rechtskräftiger Entscheide
kann im Haftpflichtverfahren nicht überprüft werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2
HG). Für die Zuständigkeit und das Verfahren gelten die Vorschriften der
Zivilprozessordnung (§ 7 HG).

    Der Beschwerdeführer leitet seinen Schadenersatzanspruch daraus ab,
dass sein Angebot im Submissionsverfahren zu Unrecht wegen mangelnder
Gewähr für die Einhaltung der Vorschriften des Gesamtarbeitsvertrages
(§ 20 lit. f der Verordnung vom 9. Juli 1973 zum Submissionsgesetz)
unberücksichtigt geblieben ist. Das damals massgebende Submissionsgesetz
vom 10. April 1973 sah zwar vor, dass wegen Verletzung des Gesetzes
und der zugehörigen Verordnung Aufsichtsbeschwerde beim Regierungsrat
geführt werden kann, welcher Rechtsmittelqualität zukommt (§ 6
Abs. 1 Submissionsgesetz; Urteil des Bundesgerichts vom 4. Dezember
1996 in der vorliegenden Angelegenheit); unzulässig war aber die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den regierungsrätlichen Entscheid (§
6 Abs. 4 Submissionsgesetz). Das geltende Gesetz vom 19. Oktober 1998
über die öffentlichen Beschaffungen sieht nunmehr, in Übereinstimmung
mit den Vorgaben des Bundesrechts, namentlich des Bundesgesetzes vom
6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (BGBM; SR 943.02; vgl. BGE 125 II 86;
125 I 406), die Beschwerde an das Verwaltungsgericht vor. Im vorliegenden
Fall fand diese neue Rechtsmittelordnung aber noch keine Anwendung.

Erwägung 2

    2.- a) Die kantonalen Gerichte haben die Haftungsvoraussetzung der
Widerrechtlichkeit verneint und dabei den Entscheid des Regierungsrates
zu Grunde gelegt, dessen Rechtmässigkeit aufgrund der Bestimmung
von § 4 Abs. 2 Satz 2 Haftungsgesetz nicht überprüft werden könne.
Die Regelung des Luzerner Haftungsgesetzes entspricht derjenigen des
Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes
sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz,
VG; SR 170.32). Dessen Art. 12 lautet:

    "Die Rechtmässigkeit formell rechtskräftiger Verfügungen, Entscheide
und Urteile kann nicht in einem Verantwortlichkeitsverfahren überprüft
werden."

    Fällt als Ursache eines im Verantwortlichkeitsverfahren geltend
gemachten Schadens einzig eine formell rechtskräftige Verfügung in
Betracht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Klage ohne
weitere Untersuchung der Frage der Widerrechtlichkeit des staatlichen
Verhaltens bereits gestützt auf Art. 12 VG abzuweisen. Zweck der
Regelung ist, zu verhindern, dass der Bürger eine ihm unbequeme, aber
rechtskräftig gewordene Verfügung oder Entscheidung auf dem Umweg über das
Verantwortlichkeitsverfahren erneut angreifen kann. Wer eine Verfügung
erfolglos bis vor oberster Instanz (Gericht oder Verwaltungsbehörde)
angefochten oder die für die Anfechtung der schädigenden Verfügung offen
stehenden Rechtsmittel gar nicht genutzt hat, soll die Rechtmässigkeit
dieser Verfügung nicht (nochmals) in einem Verantwortlichkeitsprozess
bestreiten bzw. überprüfen lassen können (BGE 119 Ib 208 E. 3c S. 212
mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat Art. 12 VG allerdings nicht
angewendet, wenn eine Verfügung bloss mündlich und ohne Hinweis auf die
Anfechtungsmöglichkeiten eröffnet und ausserdem sofort vollzogen worden
ist, so dass ein Beschwerdeverfahren gar keine Korrektur mehr hätte bringen
können (BGE 100 Ib 8 E. 2b; 119 Ib 208 E. 3c S. 212). Billigerweise
könne dem Betroffenen im Verantwortlichkeitsverfahren der unbenutzte
Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht entgegengehalten werden, wenn ein
Beschwerdeverfahren in einer blossen Feststellung enden müsste (BGE
100 Ib 8 E. 2b). Bei Erhebung von Verwaltungsgerichtsbeschwerden sieht
das Bundesgericht folgerichtig ein aktuelles praktisches Interesse an
der Aufhebung einer angefochtenen Verfügung, die schon vollzogen ist oder
deren Wirkung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, nicht schon darin,
dass der Beschwerdeführer Schadenersatz geltend zu machen beabsichtigt;
zugleich hat das Gericht aber festgehalten, dass die Rechtskraft solcher
Entscheide dem Betroffenen im Schadenersatzprozess nicht entgegengehalten
werden kann (Urteil vom 22. Dezember 1999 i.S. H. AG c. UVEK; Urteil
vom 2. September 1998 i.S. X. AG c. S. AG; Urteil vom 17. Mai 1983 i.S.
T. AG c. EVD).

    b) Der Beschwerdeführer hat den ersten Entscheid des Regierungsrates
mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten, den zweiten allerdings nicht
mehr. Die kantonalen Gerichte haben dem Beschwerdeführer entgegengehalten,
er hätte, wenn er die Rechtmässigkeit des Entscheides des Regierungsrates
in Frage stellen wollte, staatsrechtliche Beschwerde ergreifen müssen;
im Haftungsprozess könne er darauf nicht mehr zurückkommen, und der
Entscheid des Regierungsrates sei für die Frage der Widerrechtlichkeit
verbindlich. Das Bundesgericht hat allerdings bereits in seinem Urteil
vom 4. Dezember 1996 (E. 2a) festgehalten, es fehle am für die Ergreifung
der staatsrechtlichen Beschwerde im allgemeinen erforderlichen aktuellen
praktischen Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides
(Art. 88 OG; BGE 120 Ia 165 mit Hinweisen), nachdem mit der Ausführung
der betreffenden Submissionsarbeiten bereits vor längerer Zeit begonnen
worden sei. Es trat auf die staatsrechtliche Beschwerde nur deshalb ein,
weil grundsätzliche Fragen betreffend die Parteirechte im Verfahren der
submissionsrechtlichen Aufsichtsbeschwerde (nach luzernischem Recht) zu
beantworten waren. Das aber erlaubte ihm, vom Erfordernis des aktuellen
Interesses abzusehen. Auf eine weitere Eingabe des Beschwerdeführers,
ein anderes Submissionsverfahren betreffend, bei dem die Arbeiten
bereits ausgeführt waren, ist denn das Bundesgericht auch nicht mehr
eingetreten (Urteil vom 22. August 1997 i.S. D. c. Regierungsrat des
Kantons Luzern). Es hat in diesem Urteil ein aktuelles Interesse an der
Feststellung der Widerrechtlichkeit auch im Blick auf einen allfälligen
Haftungsprozess verneint, weil der Beschwerdeführer in jenem Prozess noch
Gelegenheit habe, die behauptete Widerrechtlichkeit nach den Vorschriften
besagten Verfahrens zu beweisen. In einem früheren Urteil (BGE 118 Ia
488 E. 1c), darauf weist das Obergericht zu Recht hin, hatte sich das
Bundesgericht noch nicht derart eindeutig geäussert. Vielmehr liess es
offen, ob ein aktuelles praktisches Interesse allenfalls zu bejahen wäre,
wenn nach der massgeblichen kantonalen Regelung für einen allfälligen
Haftungsprozess alle Möglichkeiten zur Feststellung der Rechtswidrigkeit
des Aktes, der die Haftung begründen soll, vorweg ergriffen werden
müssten. Zugleich hat das Bundesgericht allerdings als zweifelhaft
bezeichnet, ob eine Einschränkung der Überprüfbarkeit im Haftungsprozess
auch dann gelten könne, wenn die ursprüngliche Verfügung rechtskräftig
geworden ist, weil sie aus prozessualen Gründen nicht mehr angefochten
werden konnte (BGE, aaO).

    Es liefe auf eine Rechtsverweigerung hinaus, wenn einerseits das
Bundesgericht kantonale Entscheide wegen fehlenden aktuellen Interesses
nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüfen würde, anderseits aber im
Staatshaftungsprozess ohne eigenständige Prüfung der Widerrechtlichkeit
auf kantonale Entscheide abgestellt würde, gegen welche staatsrechtliche
Beschwerde wegen Wegfalls des Interesses gar nicht geführt werden
konnte. Die Auffassung des Obergerichts des Kantons Luzern bedingt,
dass auch im kantonalen Verwaltungsprozess konsequent auf Beschwerden
eingetreten wird, selbst wenn deren Gutheissung dem Beschwerdeführer
zwar keinen direkten praktischen Nutzen mehr bringen würde, er aber in
Betracht zieht, Schadenersatz geltend zu machen.

    c) Vorliegend verhält es sich allerdings nicht so, dass das
Bundesgericht auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des
Regierungsrates des Kantons Luzern vom 16. Dezember 1997 nur deshalb nicht
eingetreten wäre, weil es das aktuelle Interesse an der Beschwerdeführung
verneint hätte. Nach der damals massgebenden Rechtsprechung konnte
der in einem Submissionsverfahren ergangene Zuschlag vom unterlegenen
Bewerber mit staatsrechtlicher Beschwerde materiell nicht angefochten
werden. Zulässig war einzig die Beschwerde wegen Verletzung der durch das
kantonale Verfahrensrecht gewährleisteten oder unmittelbar aus Art. 4 aBV
fliessenden Parteirechte (BGE 119 Ia 424 E. 3b und c mit Hinweisen). Solche
Rügen hatte der Beschwerdeführer mit seiner ersten staatsrechtlichen
Beschwerde denn auch erhoben, und das Bundesgericht hiess diese wegen
Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Regierungsrat gut. Nachdem
der Regierungsrat diesen Verfahrensfehler mit seinem Entscheid vom
16. Dezember 1997 aber korrigiert hatte, war eine Anfechtung nicht mehr
möglich, weil nur noch materiellrechtliche Fragen Gegenstand der Beschwerde
hätten bilden können. Auf eine solche Beschwerde wäre das Bundesgericht
unabhängig vom fehlenden aktuellen Interesse an der Beschwerdeführung nicht
eingetreten. Erst in einem Urteil vom 20. November 1998 wurde aufgrund der
neuen rechtlichen Vorgaben im Submissionswesen entschieden, dass derjenige,
der an einem Vergabeverfahren teilnimmt, auch materiellrechtlich in seinen
rechtlich geschützten Interessen im Sinne von Art. 88 OG betroffen sein
kann und folglich zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde befugt ist
(BGE 125 II 86). Da der hier im Streit liegende Vergabeentscheid aber noch
nach altem Recht getroffen wurde, hätte der Entscheid des Regierungsrates
materiell beim Bundesgericht gar nicht angefochten werden können. Damit
aber steht nicht in Frage, ob die formelle Rechtskraft des Entscheides
dem Kläger im Haftungsprozess auch dann entgegengehalten werden kann,
wenn ein Rechtsmittel gegen den Entscheid an sich gegeben, wegen Wegfalls
des Interesses aber nicht mehr geprüft worden wäre.

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei mit dem Anspruch
auf Zugang zu einem Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK nicht vereinbar,
dass im Staatshaftungsprozess der Entscheid des Regierungsrates ungeprüft
zu Grunde gelegt und gestützt darauf die Widerrechtlichkeit verneint
werde. Art. 6 Ziff. 1 EMRK lautet, soweit hier von Bedeutung, in seiner
deutschen Fassung wie folgt:

    "Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise
öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und
zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden
Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen (...) zu
entscheiden hat."

    Ansprüche aus Staatshaftung sind zivilrechtlicher Natur im
Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, und zwar ohne Rücksicht darauf,
wie die angeblich schädigende amtliche Verrichtung zu qualifizieren
ist. So wurde ein aus behaupteter diskriminierender Behandlung bei der
Gewährung steuerlicher Privilegien abgeleiteter Schadenersatzanspruch vom
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als zivilrechtlich gewertet
(Urteil i.S. Editions Périscope vom 26. März 1992, Série A vol. 234-B),
wiewohl steuerrechtliche Verfahren als solche nicht unter den Begriff
der zivilrechtlichen Streitigkeiten fallen (Urteil i.S. Schouten und
Meldrum vom 9. Dezember 1994, Série A vol. 304, Ziff. 50; ausführlich zur
genannten Unterscheidung: JIRI MUCHA, The Case-Law of the Commission as
Regards the Administration of Civil Justice, in: de Salvia/Villiger, The
Birth of European Human Rights Law, Festschrift Norgaard, Baden-Baden 1998,
S. 138-140). Das Bundesgericht hat seinerseits einen Entscheid betreffend
Entschädigung wegen behaupteter unrechtmässiger Untersuchungshaft ebenfalls
als zivilrechtlich gewertet, obwohl deren Anordnung und Überprüfung der
verfahrensrechtlichen Ausgestaltung von Art. 5 EMRK unterliegt und Art. 6
Ziff. 1 EMRK darauf nicht anwendbar ist (BGE 119 Ia 221). Auf den Ursprung
des Streites kommt es mithin nicht an. Ausreichend und entscheidend ist
vielmehr, dass der geltend gemachte Anspruch selber vermögensrechtlichen
Charakter aufweist (BGE 119 Ia 221 E. 2 mit weiteren Hinweisen; siehe
auch RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege,
Diss. Bern 1995, S. 213 f.). Es bedarf daher nicht der Prüfung, ob die
Arbeitsvergebung nach dem damals massgebenden luzernischen Recht als
zivilrechtliche Rechtsstreitigkeit hätte qualifiziert werden müssen
(vgl. die differenzierten Ausführungen von HERZOG, aaO, S. 205-209). So
oder anders handelt es sich beim geltend gemachten Anspruch aus
Staatshaftung um eine Zivilrechtssache im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK.

    b) Die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK setzt ferner voraus,
dass sich die Streitigkeit auf ein Recht bezieht, von dem sich mit guten
Gründen ("de manière défendable"; "on arguable grounds") sagen lässt,
es sei im nationalen Recht verankert (BGE 125 I 209 E. 7a; DE SALVIA,
Compendium de la CEDH, Kehl/Strassburg/Arlington 1998, Rz. 79 zu Art. 6,
S. 121, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs). Das
Luzerner Haftungsgesetz sieht einen Schadenersatzanspruch für Schaden
vor, der in Ausübung amtlicher Verrichtungen widerrechtlich zugefügt
wird. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beschwerdegegnerin habe
sein Angebot im Submissionsverfahren zu Unrecht wegen mangelnder Gewähr
für die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages unberücksichtigt gelassen;
daraus sei ihm ein Schaden erwachsen, weil ihm der Zuschlag hätte
erteilt werden müssen. Dass insoweit eine vertretbare Rechtsbehauptung
vorliegt, kann nicht zweifelhaft sein. Heikler ist die Frage, ob sich
etwas anderes aus § 4 Abs. 2 HG ergibt, wonach die Rechtmässigkeit
rechtskräftiger Entscheide im Haftpflichtverfahren nicht überprüft
werden kann. Diese Bestimmung beruht - wie schon dargelegt - auf dem
Prinzip der Einmaligkeit des Rechtsschutzes: Es soll nicht eine Verfügung,
die der Betroffene erfolglos angefochten oder anzufechten versäumt hat,
auf dem Umweg über das Staatshaftungsverfahren erneut angegriffen werden
können. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Recht auf Schadenersatz
bei widerrechtlicher Zufügung eines Schadens nicht bestünde. Geregelt wird
damit nur der prozessuale Weg, der einzuschlagen ist, um Schadenersatz
geltend zu machen. Die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf den
Staatshaftungsprozess wird damit nicht ausgeschlossen. Auch der Gerichtshof
hat den Einwand der französischen Regierung, Editions Périscope hätte statt
Staatshaftungsklage zu erheben zunächst die zu Grunde liegende Verfügung
anfechten müssen, als Problem der Begründetheit des Anspruchs betrachtet,
was nicht ausschliesst, dass die Klägerin des Haftungsprozesses mit
vertretbaren Gründen ein im französischen Recht verankertes Recht behauptet
(aaO, Ziff. 38). Ob das Prinzip der Einmaligkeit des Rechtsschutzes der
Haftung entgegensteht, ist folglich in einem Verfahren zu prüfen, das
den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügt (so auch HERZOG, aaO,
S. 214 f.).

    c) Ein Gericht muss, um die Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1
EMRK zu erfüllen, über umfassende Kognition in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht verfügen (BGE 123 I 87 E. 3a; Urteil des Gerichtshofs
i.S. Terra Woningen BV c. Niederlande vom 28. November 1996, Rec. 1996,
2105, Ziff. 52, mit Hinweisen; HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische
Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 159
ff.). Dies war vorliegend nicht gewährleistet. In Übereinstimmung mit
§ 4 Abs. 2 HG haben die kantonalen Gerichte ihrem Entscheid zu Grunde
gelegt, dass der Regierungsrat des Kantons Luzern die Arbeitsvergebung an
eine Drittunternehmung als rechtmässig erachtete. Weder in tatsächlicher
noch in rechtlicher Hinsicht wurden die Argumente des Beschwerdeführers
gehört, der geltend machte, er hätte Gewähr für die Einhaltung des
Gesamtarbeitsvertrages geboten und es sei - da er das günstigste
Angebot eingereicht hatte - widerrechtlich gewesen, ihm den Zuschlag zu
verweigern. Das ist mit dem Anspruch auf Zugang zu einem Gericht im vorne
beschriebenen Sinne nicht vereinbar. Etwas anderes würde gelten, wenn der
ursprüngliche Streit vor ein Gericht, das seinerseits den Anforderungen
von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügt, hätte gebracht werden können, was aber
nach der damals massgebenden Rechtslage im Kanton Luzern nicht zutraf,
zumal sie die Beschwerde an das Verwaltungsgericht ausschloss.

Erwägung 4

    4.- Das Obergericht hätte somit für die Frage der Widerrechtlichkeit
im Staatshaftungsprozess nicht ungeprüft darauf abstellen dürfen, dass
der Regierungsrat des Kantons Luzern die Verweigerung des Zuschlags an den
Beschwerdeführer als rechtmässig erachtete. Die staatsrechtliche Beschwerde
ist folglich gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben.

    Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen, wobei es nicht darauf ankommt,
ob dies gestützt auf Abs. 1 oder Abs. 2 von Art. 156 OG zu verfügen
ist. Selbst wenn die Beschwerdegegnerin nämlich als öffentlichrechtliche
Körperschaft mit öffentlichem Auftrag dem Kanton gleichzusetzen wäre
(Art. 156 Abs. 2 OG), so bliebe es dabei, dass sie mit dem strittigen
Verfahren ihre eigenen Vermögensinteressen verfolgt hat und daher auch
in Anwendung von Art. 156 Abs. 2 OG zu den Kosten verurteilt werden
müsste. Sodann hat sie den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG).