Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 IV 48



126 IV 48

8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Januar 2000 i.S. S.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 5 Abs. 1 und 3, Art. 27 Abs. 1 SVG; Art. 16 Abs. 2 SSV;
Rechtsbeständigkeit von Signalen, Fahrverbot.

    Verkehrssignale sind rechtsbeständig, wenn sie von der zuständigen
Behörde ordentlich verfügt und veröffentlicht wurden, und in der konkreten
Signalisation ihre Entsprechung gefunden haben (E. 2a; Bestätigung der
Rechtsprechung).

    Rechtsbeständigkeit eines Fahrverbots bejaht, das einige Meter vor
dem verfügten Ort signalisiert war (E. 2b).

Sachverhalt

    Das Bezirksgericht Zofingen büsste S. am 1. Oktober 1998 wegen
Nichtbeachtens des Vorschriftssignals "Verbot für Motorwagen" mit Fr.
100.-. Eine Berufung des Gebüssten wies das Obergericht des Kantons Aargau
am 1. Juli 1999 ab.

    S. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung vom Vorwurf des
Nichtbeachtens eines Verbotssignals an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, am 29. November 1997
mit seinem Personenwagen das für einen Teil des Pomernwegs in Zofingen
geltende Fahrverbot missachtet zu haben.

    Die Vorinstanz verweist in ihrem Urteil hauptsächlich auf
die Erwägungen des Bezirksgerichts. Danach stehe fest, dass der
Beschwerdeführer mit seinem Personenwagen aus dem Kiesplatz Pomerngut nach
links in den u.a. mit einem Fahrverbot für Motorwagen versehenen Pomernweg
gefahren sei. Das Fahrverbot sei vom Stadtrat Zofingen am 12. Juli 1995
beschlossen und im Amtsblatt des Kantons Aargau vom 28. August 1995 wie
folgt veröffentlicht worden: "Pomernweg (...) Teilstück ab Liegenschaft
Pomerngut F1 bis Einmündung Zufahrt Altersheim Blumenheim - Fahrverbot
für Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder in beiden Richtungen,
ausgenommen Zubringerdienst. Ersetzt Ausschreibung vom 22. Dezember
1990". Das Verbot sei in Rechtskraft erwachsen.

    Der Beschwerdeführer habe eingewendet, dass die Verbotstafel nicht auf
der Höhe der Grenze zwischen der Liegenschaft F1 (3234) und dem Grundstück
1390, sondern ungefähr sechs Meter in Richtung Bottensteinerstrasse
versetzt stehe, weshalb er direkt vom Kiesplatz in den Pomernweg habe
einschwenken können, ohne dabei an der Verbotstafel vorbeizufahren. Zudem
sei die beschränkte Gültigkeit des Verbots ab der Liegenschaft
Pomerngut F1 bis zur Einmündung Altersheim Blumenheim weder in Richtung
Bottensteinerstrasse noch in der Gegenrichtung signalisiert worden.
Schliesslich sei die auf der gegenüberliegenden Seite des Kiesplatzes
angebrachte Tafel "Fahrtrichtung rechts" offenbar überhaupt nicht verordnet
worden. Da somit die im Amtsblatt veröffentlichte Signalisation nicht
signalisiert und die effektiv angebrachte Signalisation nicht publiziert
worden sei, fehle es an der Rechtsgrundlage für eine Verurteilung.

    Der Augenschein habe ergeben, dass die Verbotstafel tatsächlich einige
Meter vor Beginn der Liegenschaft Pomerngut F1 (3234) angebracht sei
und der Beschwerdeführer deshalb ohne an der Verbotstafel vorbeizufahren
vom Kiesplatz nach links in den Pomernweg habe einbiegen können. Daraus
vermöge er aber nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der Umstand, dass
die Signalisationstafel einige Meter vor Beginn des Geltungsbereichs
des Fahrverbots angebracht sei, habe nicht die Ungültigkeit des Verbots
zur Folge, sondern führe einzig dazu, dass die vom Fahrverbot erfassten
Motorfahrzeuglenker, welche bis an die Grenze der Liegenschaft Pomerngut F1
(3234) heranführen, nicht wegen Missachtung dieses Verbots belangt werden
könnten. In diesem Sinne müsse denn auch der erwähnte Art. 16 Abs. 2
Halbsatz 1 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV;
SR 741.21) aufgefasst werden. Angesichts der konkreten Örtlichkeiten -
der Pomernweg ist lediglich vier Meter breit, d.h. der zur Verfügung
stehende Raum ist eng begrenzt - sei davon auszugehen, dass die
Verbotstafel aus rein verkehrspraktischen Gründen einige Meter weiter
vorne stationiert worden sei. Dadurch sei nämlich gewährleistet, dass
insbesondere Automobilisten ihr Fahrzeug noch rechtzeitig und gefahrlos
auf dem linksseitigen Kiesplatz wenden könnten. Mit dieser Standortwahl
werde Art. 103 Abs. 2 Satz 1 SSV nachgelebt, welcher besage, dass
Signale so aufzustellen seien, dass sie rechtzeitig erkennbar seien. Der
Beschwerdeführer habe an der Augenscheinverhandlung ausdrücklich bestätigt,
die Verbotstafel zu kennen, was von ihm als Anrainer auch ohne weiteres
erwartet werden dürfe. Trotzdem sei er - wenn auch links neben der
Verbotstafel - in die verbotene Zone des Pomernwegs hineingefahren. Erst
recht hätte er sich angesichts des unmittelbar neben der Verbotstafel
gut sichtbar angebrachten Signals "Fahrtrichtung rechts" regelkonform
verhalten müssen, zumal davon auszugehen sei, dass dieses Signal nicht
selbständig publiziert werden müsse, sondern im publizierten Fahrverbot
inbegriffen sei. Schliesslich sei anzumerken, dass es sich nicht um eine
(zulässige) Zubringerfahrt gehandelt habe. Der Beschwerdeführer habe sich
somit des Nichtbeachtens des Vorschriftssignals "Verbot für Motorwagen"
schuldig gemacht.

    Die Vorinstanz erwähnt zusätzlich, es sei für jeden Benutzer der
Örtlichkeiten offensichtlich, dass er von der südlichen Seite des
Pomernwegs her ungehindert zum Parkplatz gelangen könne, dass aber die
Weiterfahrt durch den nördlichen Teil des Pomernwegs mit Fahrverbot belegt
sei. Deshalb erübrige sich auch das Anbringen einer Distanztafel gemäss
Art. 16 Abs. 3 SSV.

    b) Der Beschwerdeführer wiederholt im Wesentlichen die vor den
kantonalen Instanzen erhobenen Einwendungen.

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 5 SVG (SR 741.01) müssen Beschränkungen und
Anordnungen für den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr, sofern sie nicht
für das ganze Gebiet der Schweiz gelten, durch Signale oder Markierungen
angezeigt werden (Abs. 1). Im Bereich der für Motorfahrzeuge und Fahrräder
offenen Strassen dürfen nur die vom Bundesrat vorgesehenen Signale und
Markierungen verwendet und nur von den zuständigen Behörden oder mit
deren Ermächtigung angebracht werden (Abs. 3).

    Behördliche Anordnungen zur Regelung bestimmter örtlicher
Verkehrsverhältnisse stellen Verwaltungsakte in Form von
Allgemeinverfügungen dar. Verkehrssignale sind jedoch nicht an sich
unmittelbar verbindliche, verselbständigte Vorschriften, sondern
verkörpern von der zuständigen Behörde durch Verfügung erlassene örtliche
Verkehrsanordnungen. Das Verkehrszeichen ist somit ein Erscheinungsbild
der ihr zugrunde liegenden Verfügung und weist als solches die gleiche
Rechtsnatur wie diese auf (BGE 102 IV 109 E. 2; 101 Ia 73 E. 3b; 100 IV 71
E. 2; SCHAFFHAUSER, Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts,
Band I, N. 70).

    Wer Signale und Markierungen bzw. die in ihnen zum Ausdruck
kommende behördliche Anordnung zur Regelung bestimmter örtlicher
Verkehrsverhältnisse, mit der sie eine Einheit bilden (vgl. BGE 100 IV
71 E. 2), missachtet, wird gemäss Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 SVG
bestraft. Doch ist es nicht Sinn des Gesetzes, dem Strassenbenützer die
Beachtung eines jeden Signals unter Androhung von Strafe vorzuschreiben,
gleichgültig, ob dieses rechtsbeständig ist oder nicht. Art. 27
Abs. 1 SVG verlangt vom Verkehrsteilnehmer vielmehr die Beachtung der
vorschriftsgemäss beschlossenen und angebrachten Signale.

    b) Der Pomernweg zweigt von der Bottensteinerstrasse in nördlicher
Richtung ab. Nach einigen Metern liegt auf der linken Seite ein
gekiester Parkplatz, dessen Nordseite an die Parzelle F1 grenzt. Etwa
6 Meter vor der Parzellengrenze steht rechtsseitig am Pomernweg das
Signal "Fahrverbot für Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder" mit
der Zusatztafel "Zubringerdienst gestattet". Daneben, etwas weiter
Richtung Bottensteinerstrasse, ist für Lenker, die vom gekiesten
Platz in den Pomernweg zurückfahren, das Signal "Fahrtrichtung rechts"
aufgestellt. Der Beschwerdeführer lenkte sein Fahrzeug vom nördlichen Teil
des Kiesplatzes nach links in den Pomernweg, ohne dabei an der Verbotstafel
vorbeizufahren. Nach der in Rechtskraft erwachsenen Verfügung des Stadtrats
von Zofingen ist das Teilstück des Pomernwegs ab Liegenschaft F1 (3234)
bis Einmündung Zufahrt Altersheim Blumenheim mit dem fraglichen Fahrverbot
belegt.

    Es stellt sich die Frage, ob das vorschriftsgemäss verfügte Fahrverbot
auf der Fahrbahn selbst in Form einer entsprechenden Signalisation
kenntlich gemacht wurde. Die Wahl des Signals "Verbot für Motorwagen,
Motorräder und Motorfahrräder" (Anhang 2 zur SSV Ziff. 2.14) mit der
Zusatztafel "Zubringerdienst gestattet" ist nicht zu beanstanden. Dass
das Signal ca. 6 Meter vor Beginn der Verbotszone aufgestellt wurde,
könnte Verkehrsteilnehmer theoretisch dazu veranlassen anzunehmen, die
Verbotszone gelte bereits von dieser Stelle an (Art. 16 Abs. 2 SSV). Wie
die Vorinstanz jedoch zutreffend festhält, ist es für jeden Benutzer
des südlichen Teils des Pomernwegs und des angrenzenden Parkplatzes
offensichtlich, dass er von der südlichen Seite des Pomernwegs her
ungehindert zum Parkplatz gelangen kann, dass aber die Weiterfahrt
durch den nördlichen Teil des Pomernwegs mit einem (Motor-)Fahrverbot
belegt ist. Damit ist das verfügte Fahrverbot entsprechend signalisiert
worden, das Signal mithin grundsätzlich rechtsgültig, und zwar auch ohne
Anbringen einer Distanztafel. Um mögliche Unklarheiten bei ortsunkundigen
Verkehrsteilnehmern ausschliessen zu können, wäre es zwar wünschenswert,
wenn das Verbotssignal auf der Parzellengrenze F1 (3234) stehen würde. Da
der Beschwerdeführer gemäss verbindlicher Feststellungen der Vorinstanz
(Art. 277bis Abs. 1 BStP [SR 312.0]) selbst bestätigt hatte, als Anrainer
die Verbotstafel zu kennen, und da es sich auch nicht um eine erlaubte
Zubringerfahrt handelte, scheidet ein Sachverhaltsirrtum aus; folglich
verstösst die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Missachtung des
Fahrverbots nicht gegen Bundesrecht. Unter diesen Umständen kann offen
bleiben, ob das Signal "Fahrtrichtung rechts" (Anhang 2 zur SSV Ziff. 2.32)
wegen fehlenden Beschlusses der zuständigen Behörde und fehlender
Veröffentlichung (Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 107 Abs. 1 SSV)
überhaupt rechtsbeständig ist. Jedenfalls sind die Signale "Fahrtrichtung
rechts" und "Verbot für Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder" nicht
deckungsgleich, weil sich das erstere auch an Radfahrer richtet, während
beim zweiten die Radfahrer vom Verbot ausgenommen sind, ein Unterschied,
auf den sich allerdings gerade der Beschwerdeführer als Automobilist
nicht berufen kann.

    Der Einwand des Beschwerdeführers, er sei von der Nordseite des
gekiesten Parkplatzes nach links in den Pomernweg eingebogen, ohne an
der Verbotstafel vorbeizufahren, geht an der Sache vorbei. Wer z.B. in
einer Einbahnstrasse sein Fahrzeug auf einem privaten Parkplatz abstellt,
muss bei Wiederantritt der Fahrt wissen, dass die Fahrt bloss in die
eine Richtung erlaubt ist. Genau gleich verhält es sich im Fall des
Beschwerdeführers. Nachdem er vor dem Abstellen seines Fahrzeugs
auf dem linksseitigen Parkplatz die Verbotstafel für den nördlichen
Teil des Pomernwegs gesehen hatte, musste er dieses Verbot auch bei
Wiederantritt der Fahrt beachten; dies umso mehr als er das Verbot genau
kannte. Der Einwand, dass er bei seiner Fahrweise nicht unmittelbar
neben der Verbotstafel vorbeigefahren sei, ist spitzfindig und grenzt
an Rechtsmissbrauch.