Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 IV 30



126 IV 30

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Dezember 1999 i.S X.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 13e und Art. 23a ANAG.

    Die Missachtung einer fremdenpolizeilichen Verfügung betreffend
Ausgrenzung oder Eingrenzung ist nur dann strafbar, wenn sich der Vollzug
der Wegweisung des Ausländers als undurchführbar erweist. Massgebend sind
insoweit die Verhältnisse im Zeitpunkt des Urteils (E. 1; Bestätigung
der Rechtsprechung).

    Die Klausel betreffend die erwiesene Undurchführbarkeit des
Wegweisungsvollzugs statuiert den Vorrang der Ausschaffung vor der
Bestrafung und schränkt das strafprozessuale Legalitätsprinzip ein (E. 2).

Sachverhalt

    X. wurde mit Verfügung der Fremdenpolizei des Kantons Zürich vom
23. April 1996 das Betreten des Gebiets des Kantons Zürich verboten. Die
Verfügung wurde ihm am 24. April 1996 ausgehändigt und erläutert. Sie
ist mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen. Am 18. Juni 1996
und am 14. März 1997 hielt sich X. in Missachtung der ihm bekannten
Ausgrenzungsverfügung in Zürich auf.

    X. wurde am 29. Juli 1997 aus der Schweiz ausgeschafft.

    Die II.  Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach
X. am 24. März 1998 in Bestätigung des Entscheids der Einzelrichterin
in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich vom 9. September 1997 der
Widerhandlung im Sinne von Art. 23a i.V.m. Art. 13e des Bundesgesetzes
vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer
(ANAG; SR 142.20) schuldig und verurteilte ihn deshalb sowie wegen
weiterer Straftaten (Hinderung einer Amtshandlung, Widerhandlung gegen
das Betäubungsmittelgesetz) im Sinne einer Gesamtstrafe, teilweise
als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Zürich vom
19. November 1996, zu vier Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei
einer Probezeit von drei Jahren.

    X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ficht einzig seine Verurteilung
wegen Widerhandlung im Sinne von Art. 23a i.V.m. Art. 13e ANAG an.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                 aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 13e ANAG, eingefügt durch Ziff. I des Bundesgesetzes
vom 18. März 1994 über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in Kraft seit
1. Februar 1995, kann die zuständige kantonale Behörde einem Ausländer,
der keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt und der
die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder gefährdet, insbesondere
zur Bekämpfung des widerrechtlichen Betäubungsmittelhandels, die Auflage
machen, ein ihm zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen oder ein bestimmtes
Gebiet nicht zu betreten (Abs. 1). Diese Massnahmen werden von der Behörde
des Kantons angeordnet, der für den Vollzug der Weg- oder Ausweisung
zuständig ist. Das Verbot, ein bestimmtes Gebiet zu betreten, kann auch
von der Behörde des Kantons erlassen werden, in dem dieses Gebiet liegt
(Abs. 2). Gegen die Anordnung dieser Massnahmen kann bei einer kantonalen
richterlichen Behörde Beschwerde geführt werden. Die Beschwerde hat keine
aufschiebende Wirkung (Abs. 3).

    Art. 23a ANAG bestimmt:

    Wer Massnahmen nach Art. 13e nicht befolgt, wird mit Gefängnis bis zu

    einem Jahr oder mit Haft bestraft, "falls sich erweist, dass der
Vollzug

    der Weg- oder Ausweisung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen

    undurchführbar ist" ("... s'il s'avère que l'exécution du renvoi ou de

    l'expulsion est impossible pour des raisons juridiques ou matérielles";

    "... ove risulti che l'allontanamento o l'espulsione è inattuabile per

    motivi giuridici o effettivi").

    a) Die Missachtung einer Eingrenzungs- bzw. Ausgrenzungsverfügung
ist mithin nur strafbar, falls sich erweist, dass der Vollzug der Weg-
oder Ausweisung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar
ist. Im vorliegenden Verfahren ist umstritten, ob insoweit die Verhältnisse
zur Zeit der Tat oder aber die Verhältnisse im Zeitpunkt des Urteils
massgebend sind.

    aa) Die Vorinstanz vertritt im angefochtenen Urteil die Auffassung,
dass die Verhältnisse zur Zeit der Tat massgebend seien. Sie weicht
damit ausdrücklich von einem Entscheid der I. Strafkammer des Zürcher
Obergerichts vom 2. März 1998 ab, wonach die Verhältnisse zur Zeit
des Urteils massgebend seien. Die Vorinstanz kann dieser Ansicht nicht
folgen. Es widerspreche dem im Strafrecht geltenden Bestimmtheitsgebot
im Sinne von Art. 1 StGB, wenn die Strafbarkeit eines Verhaltens von
den an einem noch unbestimmten, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt
(Urteilsfällung) obwaltenden Verhältnissen abhänge. Die Qualifikation
der Unmöglichkeit der Ausschaffung als objektive Strafbarkeitsbedingung
durch die I. Strafkammer stehe dem nicht entgegen. Denn eine solche
beschränke die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens aus Gründen der
Praktikabilität. Damit sei aber der Zeitpunkt, da diese Voraussetzung
vorzuliegen habe, noch nicht bestimmt. Zwar träten gewisse objektive
Strafbarkeitsbedingungen, wie beispielsweise die Eröffnung des Konkurses
beim Tatbestand von Art. 163 StGB, erst nach Vollendung des Tatbestands
ein. Erst ab Konkurseröffnung werde das Verhalten des Schuldners
strafbar. Dies habe aber weiter zur Folge, dass erst dann eine allfällige
Strafuntersuchung eröffnet werden könne. Ein Wegfall dieser Bedingung im
Verlauf des Verfahrens sei nicht denkbar. Davon zu unterscheiden seien
die Prozessvoraussetzungen, bei deren Wegfall ein Prozesshindernis
vorliege, worauf das Verfahren eingestellt werde, beispielsweise
Rückzug des Strafantrags oder Tod des Angeklagten. Massgebend seien
demnach die Verhältnisse zur Zeit der Tat. Denn sogleich nach der
Festnahme des Ausländers wegen Missachtung einer Ausgrenzungs- oder
Eingrenzungsverfügung entscheide sich, ob fremdenpolizeiliche Haft gemäss
Art. 13a ANAG angeordnet werden könne oder ob der Täter freizulassen
sei, wonach das Strafverfahren gemäss Art. 23a ANAG zu eröffnen sei. Die
Eröffnung eines Strafverfahrens, ohne dass feststünde, dass überhaupt
eine strafbare Handlung vorliege, würde dem Legalitätsprinzip im Sinne von
Art. 1 StGB widersprechen. Überdies genügte die Umschreibung der objektiven
Strafbarkeitsvoraussetzung (Unmöglichkeit der Ausschaffung) als einer noch
in der Zukunft festzustellenden Tatsache dem strengen Anklageprinzip nicht.

    bb) Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, massgebend
seien die Verhältnisse im Zeitpunkt des Urteils. Eine Bestrafung
wegen Missachtung einer Ausgrenzungsverfügung falle ausser Betracht,
sobald eine Ausschaffung möglich sei, und somit erst recht dann,
wenn die Ausschaffung bereits stattgefunden habe. Da er am 29. Juli
1997 nach Ghana ausgeschafft worden sei, könne er nicht mehr wegen der
ihm zur Last gelegten mehrfachen Missachtung der Ausgrenzungsverfügung
bestraft werden. Dass bei dieser Betrachtungsweise die Bestrafung auch von
Umständen abhänge, die im Zeitpunkt der Tat noch nicht vorlagen, sei nichts
Besonderes und widerspreche entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht dem
Legalitätsprinzip gemäss Art. 1 StGB. Objektive Strafbarkeitsbedingungen
- und als solche sei die Unmöglichkeit der Ausschaffung im Sinne von
Art. 23a ANAG zu qualifizieren - träten oft erst mehr oder weniger lange
Zeit nach Erfüllung des Straftatbestands ein, so gerade die von der
Vorinstanz erwähnte Konkurseröffnung bei den Konkursdelikten im Sinne von
Art. 163 ff. StGB. Wohl dürfe eine Strafuntersuchung grundsätzlich erst
nach Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung eröffnet werden. Das
bedeute aber nicht, dass in Bezug auf die Strafbarkeitsbedingung der
Unmöglichkeit der Ausschaffung die Verhältnisse zur Zeit der Tat massgebend
seien. Vorliegend sei ganz einfach die Strafuntersuchung allenfalls zu
früh angehoben worden, nämlich als man noch nicht gewusst habe, ob der
Beschwerdeführer nicht doch ausgeschafft werden könnte. Abgesehen davon
würden in der Praxis sehr oft Strafverfahren eröffnet, ohne dass bereits
feststünde, ob überhaupt eine strafbare Handlung vorliege. Dies abzuklären
sei vielmehr gerade Aufgabe der Strafuntersuchung.

    b) Das Bundesgericht hat die hier streitige Frage inzwischen durch
Urteil vom 14. Oktober 1998 entschieden. Gemäss BGE 124 IV 280 sind
nicht die Verhältnisse zur Zeit der Tat massgebend, sondern diejenigen
im Zeitpunkt des Urteils. Ob ein Ausländer ausgeschafft werden kann,
steht im Zeitpunkt, in dem er eine Auflage gemäss Art. 13e ANAG
(betreffend Ein- oder Ausgrenzung) missachtet, häufig noch nicht
fest. Solange unklar ist, ob der Ausländer ausgeschafft werden kann,
kommt grundsätzlich die Vorbereitungshaft im Sinne von Art. 13a lit. b
ANAG bzw. die Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b Abs. 1 lit. b ANAG in
Betracht und ist jedenfalls eine Bestrafung wegen Missachtung der Ein-
bzw. Ausgrenzungsverfügung ausgeschlossen. Wenn im Sinne des Gesetzes
und der diesbezüglichen Rechtsprechung (s. etwa BGE 122 II 148 E.
3 S. 152 f.) "sich erweist, dass der Vollzug der Weg- oder Ausweisung
aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar ist", fallen
einerseits die Vorbereitungs- und die Ausschaffungshaft, welche ja die
Sicherstellung der Ausschaffung bezwecken, ausser Betracht (s. Art. 13c
Abs. 5 lit. a ANAG) und ist andererseits eine Bestrafung wegen Missachtung
einer Ausgrenzungs- bzw. Eingrenzungsverfügung zulässig. Wenn der
Ausländer aus der Schweiz ausgeschafft werden kann, dann ist es aus der
Sicht des Gesetzgebers nicht opportun, vorerst noch eine Freiheitsstrafe
wegen Missachtung einer Ausgrenzungs- bzw. Eingrenzungsverfügung
gemäss Art. 23a i.V.m. Art. 13e ANAG auszusprechen und allenfalls zu
vollziehen. Kann der Ausländer aber nicht ausgeschafft werden, so soll
er wegen der Missachtung der Ausgrenzungs- oder Eingrenzungsverfügung
bestraft werden, womit auch erreicht werden kann, dass er sich in der
Zukunft an solche Auflagen hält. Die Strafe ist damit insoweit subsidiär
gegenüber den fremdenpolizeilichen Massnahmen der Ausschaffung sowie der
diese sicherstellenden Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft. In Anbetracht
des sich aus dem Gesetz ergebenden Vorrangs der Ausschaffung vor einer
Bestrafung muss der Strafrichter bei der Beurteilung der Missachtung
einer Eingrenzungs- bzw. Ausgrenzungsverfügung auf die (ihm bekannten)
Verhältnisse zur Zeit des Urteils abstellen (s. zum Ganzen BGE 124 IV
280 E. 2b S. 282 f.).

    Daran ist festzuhalten. Massgebend sind mithin die Verhältnisse zur
Zeit des Urteils. Ist in diesem Zeitpunkt die Ausschaffung möglich, so
fällt eine Bestrafung ausser Betracht. Eine Bestrafung wegen Missachtung
einer Eingrenzungs- bzw. Ausgrenzungsverfügung ist damit auch dann
ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte, wie vorliegend, im Zeitpunkt des
Urteils bereits ausgeschafft worden ist. Art. 23a ANAG bringt in Bezug
auf die darin geregelte Straftat der Missachtung einer Eingrenzungs-
bzw. Ausgrenzungsverfügung den Grundsatz zum Ausdruck, dass die
Ausschaffung Vorrang vor einer Bestrafung hat (s. zum Verhältnis zwischen
Strafverfahren und Ausschaffung allgemein TRECHSEL, Zwangsmassnahmen
im Ausländerrecht, AJP 1994 S. 43 ff., 56 ff., u.a. mit Hinweis auf
§§ 154b Abs. 3 und 456a Abs. 1 dt.StPO, wonach von der Erhebung der
öffentlichen Klage bzw. von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe etc.
abgesehen werden kann, wenn der Beschuldigte bzw. der Verurteilte aus
dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgewiesen wird).

    Wohl hängt bei dieser Betrachtungsweise die Strafbarkeit der
Missachtung von Eingrenzungs- bzw. Ausgrenzungsverfügungen resp. die
Bestrafung des Beschuldigten auch von Umständen ab, die im Zeitpunkt der
Tat noch nicht vorliegen. Dies ist indessen nichts Aussergewöhnliches
und steht entgegen der Auffassung der Vorinstanz insbesondere auch nicht
im Widerspruch zum Legalitätsprinzip im Sinne von Art. 1 StGB. Die
Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens bzw. die Bestrafung des
Beschuldigten hängt in vielfacher Hinsicht von Umständen ab, die, wie
etwa manche objektive Strafbarkeitsbedingung und Prozessvoraussetzung,
erst mehr oder weniger lange Zeit nach der Tat allenfalls eintreten.

Erwägung 2

    2.- Sowohl die Vorinstanz wie auch der Beschwerdeführer gehen
offenbar davon aus, dass die Undurchführbarkeit des Vollzugs der Weg-
oder Ausweisung im Sinne von Art. 23a ANAG, d.h. die Unmöglichkeit der
Ausschaffung, eine objektive Strafbarkeitsbedingung sei. Gemäss einer
Bemerkung in BGE 124 IV 280 E. 2b S. 283 ist die in Art. 23a ANAG
vorausgesetzte erwiesene Undurchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs
(entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Staatsanwaltschaft in
jenem Verfahren) nicht eine persönliche Sondereigenschaft des Täters,
die im Zeitpunkt der Tat vorliegen muss, sondern eine objektive
Strafbarkeitsbedingung oder allenfalls eine Prozessvoraussetzung aus
Opportunitätsgründen, die zur Zeit der Urteilsfällung erfüllt sein muss.

    a) Die rechtliche Einordnung der in Art. 23a ANAG vorausgesetzten
erwiesenen Undurchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs ist schwierig. Sollte
es sich dabei um eine objektive Strafbarkeitsbedingung oder allenfalls
um eine Prozessvoraussetzung handeln, dann müsste sie nicht nur im
Zeitpunkt des Urteils, sondern auch bereits zur Zeit der Eröffnung des
Strafverfahrens vorliegen. Denn grundsätzlich kann ein Strafverfahren
erst dann eröffnet werden, wenn zum einen die Prozessvoraussetzungen
und zum andern allfällige objektive Strafbarkeitsbedingungen erfüllt
sind. Im Zeitpunkt der Anhaltung eines Ausländers wegen Missachtung
einer Eingrenzungs- bzw. Ausgrenzungsverfügung ist aber oft noch unklar,
ob der Ausländer ausgeschafft werden kann, und die insoweit relevanten
Verhältnisse können sich im weiteren Verlauf der Zeit, unter Umständen
mehrfach, ändern.

    b) Die Frage nach der Rechtsnatur der in Art. 23a ANAG vorausgesetzten
Undurchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs musste in BGE 124 IV 280 nicht
abschliessend entschieden werden. Denn die von der beschwerdeführenden
Staatsanwaltschaft in jenem Verfahren angestrebte Verurteilung des
Beschuldigten fiel ausser Betracht, da entgegen der Ansicht der
Staatsanwaltschaft nicht die Verhältnisse zur Zeit der Tat, sondern
diejenigen im Zeitpunkt des Urteils massgebend sind und in diesem
Zeitpunkt die Ausschaffung möglich war. Unter diesen Umständen musste der
Kassationshof nicht darüber befinden, ob die Vorinstanz in jenem Verfahren
den Beschuldigten zu Recht freigesprochen hatte oder ob sie richtigerweise
hätte das Verfahren einstellen bzw. auf die Anklage nicht eintreten sollen.

    Die Frage nach der Rechtsnatur der in Art. 23a ANAG vorausgesetzten
Undurchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs muss vorliegend entschieden
werden, da es u.a. von ihrer Beantwortung abhängt, ob die Vorinstanz im
neuen Verfahren, nach Massgabe des kantonalen Prozessrechts, ein Sachurteil
(Freispruch) oder aber einen Prozessentscheid (Verfahrenseinstellung,
Nichteintreten auf die Anklage etc.) ausfällen muss.

    c) Wer Massnahmen nach Art. 13e ANAG nicht befolgt, wird gemäss
Art. 23a ANAG bestraft, "falls sich erweist, dass der Vollzug der Weg-
oder Ausweisung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar
ist". Die damit für die Strafbarkeit vorausgesetzte Unmöglichkeit
der Ausschaffung erscheint in Anbetracht des Gesetzeswortlauts formal
betrachtet als eine objektive Strafbarkeitsbedingung. Sie kann aber bei
näherer Prüfung nicht als eine solche qualifiziert werden.

    Objektive Strafbarkeitsbedingungen schränken die Strafbarkeit
eines bestimmten tatbestandsmässigen, rechtswidrigen und schuldhaften
Verhaltens durch das Erfordernis weiterer Umstände ein, die nicht von
der Schuld des Täters erfasst sein müssen. Regelmässig handelt es sich
um eine Störung der Rechtsordnung, einen Schaden bzw. einen "Erfolg" im
untechnischen Sinne, der als ein irgendwie mit der Tat zusammenhängender
Umstand hinzutreten muss, damit die Tat strafbar ist (s. zum Ganzen
STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht Allg. Teil I, 2. Aufl. 1996, § 8
N. 27 ff.; PIERLUIGI SCHAAD, Die objektiven Strafbarkeitsbedingungen im
schweizerischen Strafrecht, Diss. Zürich 1964, S. 19 ff.). Die in Art. 23a
ANAG vorausgesetzte Undurchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs schränkt
nicht in diesem Sinne durch das Erfordernis einer zusätzlichen Störung der
Rechtsordnung die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens als solches
ein. Durch die fragliche Klausel bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck,
dass auf eine Bestrafung wegen Missachtung einer Eingrenzungs- oder
Ausgrenzungsverfügung verzichtet werden soll, wenn der Täter ausgeschafft
werden kann. Die Klausel statuiert in Bezug auf diese eine Straftat der
Missachtung einer Eingrenzungs- oder Ausgrenzungsverfügung den Vorrang der
Ausschaffung vor der Bestrafung und schränkt insoweit das strafprozessuale
Legalitätsprinzip ein. Kann der Ausländer ausgeschafft werden, ist auf
eine Bestrafung bzw. überhaupt auf eine Strafverfolgung wegen Missachtung
einer Eingrenzungs- oder Ausgrenzungsverfügung mangels eines staatlichen
Verfolgungsinteresses zu verzichten. Dasselbe gilt erst recht dann,
wenn der Ausländer bereits ausgeschafft worden ist. Die fragliche Klausel
umschreibt damit nicht eine objektive Strafbarkeitsbedingung, sondern sie
enthält eine Bestimmung, welche, ähnlich wie verschiedene Bestimmungen
des Strafgesetzbuches (Art. 66bis, 187 Ziff. 3, 188 Ziff. 2, 192 Abs. 2,
193 Abs. 2 StGB), das strafprozessuale Legalitätsprinzip einschränkt.

    Daher ist ein Strafverfahren wegen Missachtung einer Eingrenzungs-
bzw. Ausgrenzungsverfügung, nach Massgabe des kantonalen Prozessrechts,
durch Prozessentscheid abzuschliessen, wenn sich erweist, dass der
Ausländer ausgeschafft werden kann, oder wenn der Ausländer, wie im
vorliegenden Fall, tatsächlich ausgeschafft worden ist.

    d) Unabhängig von der rechtlichen Qualifikation der in Art. 23a
und auch in Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG (betreffend Beendigung der
fremdenpolizeilichen Haft) enthaltenen Klausel ergeben sich aus ihr
allerdings zahlreiche Schwierigkeiten u.a. deshalb, weil häufig lange
Zeit unklar bleibt, ob der Ausländer in absehbarer Zukunft ausgeschafft
werden kann oder nicht, und weil sich die insoweit relevanten tatsächlichen
und rechtlichen Verhältnisse im Lauf der Zeit, unter Umständen mehrmals,
ändern können, was der Gesetzgeber offenbar nicht ausreichend bedacht hat
(s. dazu auch PHILIPPE WEISSENBERGER, ZBJV 134/1998 S. 789 ff.; JENNY,
ZBJV 135/1999 S. 648 f.).

Erwägung 3

    3.- (Kostenfolgen)