Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 IV 236



126 IV 236

38. Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 2000 i.S. Martin Stoll
gegen Statthalteramt des Bezirkes Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Art.  293 StGB);
Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit (Art. 10 EMRK).

    Dem Tatbestand der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen
liegt der formelle Geheimnisbegriff zugrunde (E. 2; Bestätigung der
Rechtsprechung).

    Der Tatbestand lässt sich nicht auf dem Wege der Auslegung auf
Geheimnisse von erheblicher Bedeutung oder auf Fälle beschränken,
in denen das Geheimhaltungsinteresse der staatlichen Behörden das
Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt. Die Pressefreiheit
rechtfertigt tatbestandsmässiges Verhalten nicht. Es ist Sache des
Gesetzgebers, die für die Gerichte massgebende Strafbestimmung allenfalls
erneut einer Überprüfung zu unterziehen (E. 4).

    Der Quellenschutz steht einer Bestrafung des Journalisten wegen
Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen nicht entgegen (E. 6).

    Im konkreten Fall verstösst im Übrigen die Verurteilung
des Journalisten nicht gegen Art. 10 EMRK (E. 5) und war das
Geheimhaltungsinteresse der staatlichen Behörden gewichtiger als das
Informationsinteresse der Öffentlichkeit (E. 9).

Sachverhalt

    A.- In der "SonntagsZeitung" vom 26. Januar 1997 erschienen
unter den Überschriften "Botschafter Jagmetti beleidigt die Juden"
und "Mit Bademantel und Bergschuhen in den Fettnapf" zwei von Martin
Stoll signierte Artikel. Darin werden mehrere Passagen aus einem laut
den Artikeln "vertraulichen" Strategiepapier des damaligen Schweizer
B-otschafters in den USA, Carlo Jagmetti, wiedergegeben.

    Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten
erstattete im Auftrag des Bundesrates Strafanzeige gegen Unbekannt wegen
Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB). Die Bundesanwaltschaft
stellte dieses Verfahren mit Verfügung vom 6. März 1998 ein. Gleichzeitig
übertrug sie die Strafverfolgung wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer
Verhandlungen (Art. 293 StGB) dem Kanton Zürich.

    B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich verurteilte
Martin Stoll am 22. Januar 1999 wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer
Verhandlungen (Art. 293 StGB) zu einer Busse von 800 Franken.

    Am 25. Mai 2000 wies das Obergericht des Kantons Zürich die vom
Gebüssten erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf
eintrat.

    C.- Martin Stoll ficht den Entscheid des Obergerichts mit
staatsrechtlicher Beschwerde und mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde
an. Mit der Letzteren beantragt er, der Entscheid sei aufzuheben und die
Sache zur Neubeurteilung, eventuell zur Einstellung des Verfahrens wegen
inzwischen eingetretener Verjährung, an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 293 StGB wird wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer
Verhandlungen mit Haft oder mit Busse bestraft, wer, ohne dazu berechtigt
zu sein, aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die
durch Gesetz oder durch Beschluss der Behörde im Rahmen ihrer Befugnis
als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt (Abs.
1). Die Gehilfenschaft ist strafbar (Abs. 2). Art. 293 StGB ist durch
Bundesgesetz vom 10. Oktober 1997, in Kraft seit 1. April 1998, durch
einen neuen Absatz 3 ergänzt worden. Danach kann der Richter von jeglicher
Strafe absehen, wenn das an die Öffentlichkeit gebrachte Geheimnis von
geringer Bedeutung ist.

    a) Die erste Instanz hält fest, das Strategiepapier des Botschafters
sei angesichts des darin enthaltenen Vermerks "Vertraulich" ein Geheimnis
im formellen Sinne. Allerdings könne man sich fragen, ob in Anbetracht
des neu geschaffenen Artikel 293 Abs. 3 StGB (betreffend Geheimnisse von
geringer Bedeutung) neu auf den materiellen Geheimnisbegriff abzustellen
sei. Die Frage könne jedoch offen bleiben, da das Strategiepapier
angesichts seines unbekannten und brisanten Inhalts auch als Geheimnis
im materiellen Sinn zu betrachten sei. Daher könne auch dahingestellt
bleiben, ob eine Verurteilung gemäss Art. 293 StGB auf der Grundlage
des weiten formellen Geheimnisbegriffs vor Art. 10 EMRK standhalte. Der
Beschwerdeführer habe somit durch die vorsätzliche Veröffentlichung
von Auszügen aus dem Strategiepapier in der "SonntagsZeitung" den
Tatbestand von Art. 293 StGB erfüllt. Der vom Beschwerdeführer angerufene
aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen
sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer habe im Grunde u.a. mit der
auszugsweisen Veröffentlichung des vertraulichen Strategiepapiers einen
Spitzendiplomaten, dessen Wortwahl ihm missfallen habe, als Teilnehmer
der Gespräche mit den jüdischen Kreisen gewissermassen "abschiessen"
wollen. Die Empörung des Beschwerdeführers über die "Tonalität" des rein
internen Strategiepapiers wirke allerdings, wenn sie denn aufrichtig
gewesen sei, etwas blauäugig. Zwar möge ein Teil der Öffentlichkeit
begierig sein, solche Internas zu erfahren; dies bedeute aber nicht, dass
mit der Veröffentlichung im Sinne des angerufenen aussergesetzlichen
Rechtfertigungsgrundes berechtigte Interessen wahrgenommen worden
seien. Durch die auszugsweise Veröffentlichung habe der Beschwerdeführer
das vor allem in aussenpolitischen Belangen und im diplomatischen
Verkehr unerlässliche Klima der Diskretion empfindlich gestört und
auf diese Weise die Verhandlungsposition der Schweiz geschwächt oder
zumindest stark gefährdet. Somit ergebe sich, dass die tatbestandsmässige
Veröffentlichung von Auszügen aus dem Strategiepapier erstens kein
notwendiges und angemessenes Mittel gewesen sei und dass die dadurch
verletzten Interessen zweitens nicht offenkundig weniger schwer wögen
als die Interessen, welche der Beschwerdeführer habe wahren wollen. Da
das vom Beschwerdeführer offenbarte Geheimnis nicht bloss von geringer
Bedeutung gewesen sei, falle auch ein Absehen von Strafe gemäss Art. 293
Abs. 3 StGB ausser Betracht.

    Die Vorinstanz hat im Rahmen der Beurteilung der vom Beschwerdeführer
erhobenen Rüge, dass die erste Instanz Art. 10 Ziff. 2 EMRK falsch
angewandt habe, ebenfalls die auf dem Spiel stehenden Interessen
gegeneinander abgewogen. Die Schweiz habe sich zur fraglichen Zeit
insbesondere im Verhältnis zu den USA, wo der Botschafter tätig
gewesen sei, wegen der nachrichtenlosen Vermögen in einer schwierigen
aussenpolitischen Lage befunden. Daher sei in den offiziellen
Verlautbarungen viel Fingerspitzengefühl erforderlich gewesen. Gerade aus
diesem Grunde hätten nuancierte Äusserungen des Schweizer Botschafters
in den USA über die Einschätzung der Lage, die nur einem engen, im
Strategiepapier genau umschriebenen Kreis zur Kenntnis gelangen sollten,
geheim bleiben müssen. Der Zweck dieser Äusserungen habe erkennbar
darin gelegen, bei den für die Problemlösung zuständigen Personen zur
Meinungsbildung beizutragen. Im Strategiepapier seien verschiedene
Lösungsvarianten aufgezeigt worden, u.a. die Variante eines "Deals",
d.h. der Vereinbarung einer "globalen Zahlung" an die Juden "per Saldo
aller Ansprüche". Das Strategiepapier habe somit auch im Zusammenhang
mit möglichen künftigen Verhandlungen gestanden, bei denen erhebliche
Interessen auf dem Spiel gewesen seien. Die inkriminierte Veröffentlichung
habe für die Schweizer Position beträchtliche negative Auswirkungen
gehabt. Im damaligen Zeitpunkt sei die Situation bereits sehr angespannt
gewesen. Mit der Wiedergabe der pointierten Äusserungen des Botschafters
sei gleichsam Öl ins Feuer gegossen worden.

    b) Der Beschwerdeführer macht geltend, bei der gebotenen verfassungs-
und EMRK-konformen Auslegung von Art. 293 StGB insbesondere unter
Berücksichtigung der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit (Art. 10 EMRK)
sei auch dem Straftatbestand der Veröffentlichung amtlicher geheimer
Verhandlungen der materielle Geheimnisbegriff zugrunde zu legen. Dabei
seien das Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung einerseits
und das Geheimhaltungsinteresse der Behörde andererseits gegeneinander
abzuwägen. In Anbetracht der sowohl vom Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte wie auch seit je her vom Bundesgericht anerkannten
Bedeutung der Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft sei
Art. 293 StGB auf Publikationen von Medienschaffenden nur anwendbar,
wo es um Geheimnisse gehe, die materiell so bedeutend seien, dass deren
strafrechtliche Verfolgung in einer demokratischen Gesellschaft im Sinne
von Art. 10 Ziff. 2 EMRK mit Rücksicht auf die nationalen Interessen, die
Sicherheit, Ordnung etc. notwendig sei. Es verstosse gegen Art. 10 EMRK,
die Veröffentlichung jedes formell geheim erklärten Dokuments unter Strafe
zu stellen. Der Richter habe eine Interessenabwägung vorzunehmen, in deren
Rahmen er prüfen müsse, ob eine der strengen Voraussetzungen nach Art. 10
Ziff. 2 EMRK erfüllt sei, die eine Einschränkung der Meinungsäusserungs-
und Pressefreiheit ausnahmsweise zulasse. Art. 10 EMRK schütze die ihre
öffentliche Kritik- und Kontrollfunktion wahrnehmenden Medienschaffenden
vor Eingriffen in die Meinungs- und Pressefreiheit, und zwar selbst dann,
wenn sie gestützt auf geheim erklärte Dokumente berichten. Eingriffe in
diese Freiheit seien nur in wenigen, einzeln definierten Ausnahmefällen
möglich, wo es um Geheimnisse von ausserordentlicher Bedeutung
und Wichtigkeit gehe. Die gebotene Abwägung nach den Erfordernissen
von Art. 10 EMRK ergebe, dass im vorliegenden Fall das Interesse der
Öffentlichkeit an der Wiedergabe von Auszügen aus dem Strategiepapier
gewichtiger gewesen sei als ein allfälliges Geheimhaltungsinteresse
der zuständigen Stellen. Der Beschwerdeführer weist zur Begründung
im Einzelnen u.a. auf die Stellungnahme Nr. 1/97 des Presserates des
Schweizer Verbandes der Journalistinnen und Journalisten vom 4. März
1997 hin. Darin werde zwar kritisiert, dass die "SonntagsZeitung" "durch
die verkürzte Darstellung und die ungenügende zeitliche Einordnung des
Strategiepapiers die Ansichten Jagmettis auf unverantwortliche Weise
dramatisiert und skandalisiert" habe, wodurch Ziff. 3 der "Erklärung
der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" verletzt
worden sei. Der Presserat stelle jedoch ausdrücklich fest, dass interne
diplomatische Lageberichte zwar mit Recht vertraulich, aber nicht in
jedem Fall äusserst schutzwürdig seien. Die Kritik- und Kontrollfunktion
der Massenmedien schliesse laut dem Presserat auch die Aussenpolitik mit
ein, was zur Folge haben könne, dass Medienschaffende einen diplomatischen
Bericht veröffentlichen, weil sie seinen Inhalt im öffentlichen Interesse
für relevant halten. Im vorliegenden Fall sei gemäss den Feststellungen
des Presserates "wegen der Bedeutung der öffentlichen Debatte über die
Holocaust-Gelder, wegen der wichtigen Stellung des Schweizer Botschafters
in Washington und wegen des Inhalts die öffentliche Relevanz und das
öffentliche Interesse zu bejahen und die Publikation des Strategiepapiers
zu rechtfertigen". Der Presserat halte in seiner Stellungnahme u.a. fest,
es sei relevant, was gerade der Schweizer Botschafter in den USA denke
und wie er seine Gedanken ausdrücke. Durch die Veröffentlichung von
Auszügen aus dem Strategiepapier sei deutlich geworden, dass in den
Köpfen der Zuständigen trotz Task-Force noch immer keine Klarheit
geherrscht habe, welche Verantwortung die Schweiz trage und welche
Schritte sie einleiten müsse. Im Sinne der politischen Hygiene habe
die Publikation des vertraulichen Papiers durch die "SonntagsZeitung"
der Schweizer Regierung über die öffentliche Debatte einen weiteren
Anstoss geben können, Mängel zu beheben, Führungskraft zu zeigen und
überzeugende Lösungen zu präsentieren. Der Presserat halte in seiner
Stellungnahme zudem fest, die vom Botschafter gewählte Sprache verrate
eine Mentalität, die auch in einem internen Papier problematisch sei,
da Mentalitäten die Gefahr in sich trügen, dass sie auch in Verhandlungen
und bei informellen Kontakten zum Ausdruck kämen; der Botschafter hätte
im Zusammenhang mit den Holocaust-Geldern im letzten halben Jahr seiner
Amtszeit wichtige Gespräche führen müssen. Der Beschwerdeführer macht
im Weiteren geltend, er habe in seinem Artikel gerade jene Passagen aus
dem Strategiepapier wiedergegeben, welche in ihrer "Tonalität" verfehlt
seien, was Rückschlüsse auf die wahre "Mentalität" des Botschafters nahe
lege. Diese Thematisierung der Wortwahl des Strategiepapiers liege im
öffentlichen Interesse; hinsichtlich dieser Passagen des Zeitungsartikels
liege kein Ausnahmefall gemäss Art. 10 Ziff. 2 EMRK vor, der einen Eingriff
in die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit rechtfertigen könnte. Der
Artikel in der "SonntagsZeitung" habe ausser Angaben über die verwendete
Sprache nur einen Hinweis auf einen sehr allgemeinen Vorschlag des
Botschafters im Strategiepapier enthalten, wonach u.a. die Möglichkeit
eines "Deals" bestehe, nämlich einer Vereinbarung, durch welche den
jüdischen Kreisen "per Saldo aller Ansprüche" eine "globale Zahlung"
geleistet werden könnte. Die Veröffentlichung dieser vom Botschafter
im Strategiepapier u.a. als möglich erachteten Variante eines "Deals",
die damals ohnehin schon in Politiker-Kreisen diskutiert worden sei,
habe weder den Meinungsbildungsprozess erheblich beeinträchtigen noch
nationale Interessen derart gefährden können, dass eine Einschränkung der
Meinungsäusserungsfreiheit nach Art. 10 Ziff. 2 EMRK zulässig gewesen
wäre. Dem veröffentlichten Grundgedanken eines "Deals" gehe mithin der
ausserordentliche, materielle Geheimnisgehalt ab, der eine Einschränkung
der Meinungsäusserungsfreiheit nach Art. 10 EMRK rechtfertigen würde. Der
Beschwerdeführer macht sodann geltend, dass die von den kantonalen
Instanzen vorgenommene Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen
den sich aus Art. 10 EMRK ergebenden Anforderungen nicht genüge und dass
die kantonalen Instanzen diese Interessen falsch gewichtet hätten. Die
Auslegung und Anwendung von Art. 293 StGB durch die kantonalen Instanzen
verstosse demnach gegen Art. 10 EMRK und somit gegen Bundesrecht.

Erwägung 2

    2.- a) Dem Tatbestand von Art. 293 StGB liegt nach R-echtsprechung und
herrschender Lehre der formelle Geheimnisbegriff zugrunde. Massgebend ist
allein, ob die Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen durch Gesetz oder
durch Beschluss der Behörde "als geheim erklärt worden sind". Dabei ist es
unerheblich, ob sie etwa als "streng geheim" oder bloss als "vertraulich"
klassifiziert worden sind; es muss nur klar sein, dass damit die
Öffentlichkeit hat ausgeschlossen werden wollen (BGE 114 IV 34 E. 2b; 108
IV 185 E. 1a; 107 IV 185 E. 3c; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, Art. 293 N. 2; STRATENWERTH, Schweizerisches
Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl. 2000, § 51 N. 48; REHBERG,
Strafrecht IV, 2. Aufl. 1996, S. 312 f.). Dieser formelle Geheimnisbegriff
unterscheidet sich vom materiellen Geheimnisbegriff, welcher den meisten
Tatbeständen des StGB betreffend Geheimnisverletzungen zugrunde liegt,
so u.a. Art. 267 StGB (diplomatischer Landesverrat) und Art. 320 StGB
(Verletzung des Amtsgeheimnisses). In diesem materiellen Sinne geheim
ist eine Tatsache, wenn sie nur einem begrenzten Personenkreis bekannt
oder zugänglich ist, der Geheimnisträger sie geheim halten will und ein
berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat (BGE 103 IV 284).

    Manche Autoren plädieren für eine ersatzlose Streichung von Art. 293
StGB. Zumindest aber sei der Tatbestand auf die Veröffentlichung von
materiellen Geheimnissen von erheblicher Bedeutung zu beschränken
(DENIS BARRELET, Les indiscrétions commises par la voie de la presse,
SJZ 79/1983 S. 17 ff.; ANDREAS MEILI, Der Geheimnisschutzartikel Art. 293
StGB im Lichte der neueren Gerichtspraxis, Medialex 2000 S. 135 ff.).

    b) Im Rahmen der Revision des Medienstraf- und V-erfahrensrechts
schlug der Bundesrat die ersatzlose Streichung von Art. 293 StGB vor. In
der Botschaft (BBl 1996 IV 525 ff.) wurde dies im Wesentlichen damit
begründet, dass es unbillig sei, den Journalisten, der vertrauliche
Informationen veröffentliche, zu bestrafen, während der Beamte oder
der Behördenvertreter, der dem Journalisten die Publikation überhaupt
erst ermögliche, regelmässig straflos ausgehe, da seine Identität
nicht ermittelt werden könne (S. 526, 564). Art. 293 StGB, welcher
formelle Geheimnisse schütze, also Tatsachen, die durch das Gesetz
oder einen einfachen Beschluss geheim erklärt worden seien, enge die
Medien in ihrer Tätigkeit ungebührlich ein. Die "Zweitverwertung" eines
gebrochenen Geheimnisses beispielsweise durch Medienschaffende sei
hinsichtlich der kriminellen Energie und des Unrechtsgehalts weniger
schwer wiegend als der primäre Verrat eines Geheimnisses durch den
Geheimnisträger. Abgesehen davon sei für den Journalisten längst nicht
immer klar erkennbar, dass die ihm zugespielte Information die Frucht
einer Geheimnisverletzung sei. Eine andere Beurteilung des Verhaltens
des "Zweitverwerters" möge bei eigentlichen Staatsgeheimnissen und
militärischen Geheimnissen angezeigt sein. Hier sehe aber das geltende
Recht, unabhängig von Art. 293 StGB, ohnehin einen doppelten Schutz
vor, und zwar gegen eine Verletzung sowohl durch den Geheimnisträger
als auch durch den Weiterverbreiter, nämlich in den Strafbeständen
des diplomatischen Landesverrats (Art. 267 StGB) und der Verletzung
militärischer Geheimnisse (Art. 329 StGB). Die vorgeschlagene Aufhebung
von Art. 293 StGB bewirke mithin in den wesentlichen Bereichen keinen
Einbruch in den strafrechtlichen Geheimnisschutz. Der in der Vernehmlassung
erhobene Einwand, Art. 293 StGB schütze auch Individualinteressen, treffe
höchstens indirekt zu. Der Privat- und Intimbereich von Personen werde
in erster Linie durch Art. 179-179septies StGB und ausserdem durch die
Bestimmungen über den Persönlichkeitsschutz im ZGB geschützt (S. 564 f.).

    In den eidgenössischen Räten machten die Befürworter einer
ersatzlosen Streichung von Art. 293 StGB im Wesentlichen ebenfalls
geltend, die Bestimmung werde in der Praxis nur selten angewandt und
sei unwirksam. Insbesondere sei sie ungerecht, da sie lediglich den
Journalisten als "Zweitverwerter" erfasse, während der primäre Täter,
d.h. der Beamte oder Behördenvertreter, nicht zuletzt infolge der
Zeugnisverweigerung durch den Journalisten, unbekannt bleibe und daher
nicht z.B. wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses zur Verantwortung
gezogen werden könne. Auch bei einer ersatzlosen Streichung von
Art. 293 StGB bleibe die Veröffentlichung von wirklich wichtigen
Geheimnissen durch einen Journalisten strafbar, etwa nach Art. 267 StGB
(diplomatischer Landesverrat) oder Art. 329 StGB (Verletzung militärischer
Geheimnisse). Die Gegner einer Aufhebung von Art. 293 StGB machten,
nicht zuletzt unter dem Eindruck des vorliegend zu beurteilenden Falles,
geltend, die Bestimmung sei mehr denn je notwendig. Die Veröffentlichung
von geheimen oder vertraulichen Tatsachen könne schwer wiegende Folgen
haben. Im Fall einer Aufhebung der Bestimmung würde die Zahl der
Indiskretionen noch weiter zunehmen. Ausserdem treffe es keineswegs zu,
dass der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen notwendigerweise
eine strafbare Amtsgeheimnisverletzung durch einen Beamten oder einen
Behördenvertreter vorausgehen müsse.

    Die eidgenössischen Räte beschlossen knapp (mit 74 zu 64 bzw.  16 zu 15
Stimmen) die Beibehaltung von Art. 293 StGB. Im Sinne eines Kompromisses
wurde auf Antrag der Minderheit der nationalrätlichen Kommission der
Bestimmung ein neuer Abs. 3 beigefügt, wonach der Richter von Strafe
absehen kann, wenn das an die Öffentlichkeit gebrachte Geheimnis von
geringer Bedeutung ist (s. zum Ganzen AB 1997 N 383 ff., 406 ff.; AB 1997
S 572 ff., 585 ff.).

    c) aa) Der Wortlaut von Art. 293 StGB, dessen Sinn und Zweck sowie
dessen Stellung im Gesetz und die darin angedrohte Strafe (Haft oder Busse)
sprechen dafür, dass dem Tatbestand der formelle Geheimnisbegriff zugrunde
liegt. Strafbar nach Art. 293 StGB macht sich, wer aus Akten etc.,
die durch Gesetz oder durch Beschluss der Behörde "als geheim erklärt
worden sind", etwas an die Öffentlichkeit bringt. Allein massgebend
ist somit nach dem Wortlaut des Gesetzes die Geheimhaltungserklärung
durch Gesetz oder behördlichen Beschluss. Diese Geheimhaltungserklärung
bezieht sich auf "Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen" insgesamt,
mithin nicht nur auf bestimmte darin enthaltene Äusserungen und sich daraus
ergebende Tatsachen. Art. 293 StGB ist im 15. Titel des Strafgesetzbuches
betreffend die strafbaren Handlungen gegen die öffentliche Gewalt
(Art. 285 bis 295) geregelt. Dieser Titel enthält eine ganze Reihe von
Ungehorsamstatbeständen, so etwa Bruch amtlicher Beschlagnahme (Art. 289),
Siegelbruch (Art. 290), Verweisungsbruch (Art. 291), Ungehorsam gegen
amtliche Verfügungen (Art. 292), Übertretung eines Berufsverbots (Art.
294), Übertretung des Wirtshaus- und Alkoholverbots (Art. 295). Auch
Art. 293 StGB stellt einen Ungehorsam unter Strafe, nämlich die Missachtung
der Geheimhaltungserklärung, welche allerdings nicht nur in der Form eines
behördlichen Beschlusses, sondern auch durch Gesetz erfolgen kann (s.
STRATENWERTH, aaO, § 51 N. 1, 46, 48). Art. 293 StGB will den Prozess der
Meinungsbildung und Entscheidfindung innerhalb eines staatlichen Organs
vor Störungen schützen (vgl. TRECHSEL, aaO, Art. 293 N. 1; REHBERG, aaO,
S. 312). Weil das in der Missachtung der Geheimhaltungserklärung liegende
Tatunrecht in der Regel nicht allzu schwer wiegt, droht Art. 293 StGB
lediglich Haft oder Busse an. Es handelt sich also um eine Übertretung
(Art. 101 StGB).

    bb) Allerdings fällt auf, dass im neuen Artikel 293 Abs. 3 StGB von
einem "Geheimnis von geringer Bedeutung" die Rede ist. Die Tragweite
dieser neuen Bestimmung ist etwas unklar. Es wird die Ansicht vertreten,
diese Gesetzesänderung habe zur Relativierung des zuvor vom Bundesgericht
und von der herrschenden Lehre verwendeten formellen Geheimnisbegriffs
bezüglich veröffentlichter Indiskretionen geführt (so HANSJÖRG STADLER,
Indiskretionen im Bund, ZBJV 136/2000 S. 112 ff., 116). Die neue Bestimmung
werde in der Praxis kaum von Bedeutung sein (DENIS BARRELET, Le nouveau
droit pénal des médias ne tient pas toutes ses promesses, Medialex 1997
S. 185 f.). Die Bestimmung wurde von der Minderheit der Kommission des
Nationalrats vorgeschlagen, welcher den Gesetzesentwurf als Erstrat
behandelt hat. Die Sprecherin der Kommissionsminderheit, Nationalrätin
Suzette Sandoz, begründete den Antrag wie folgt (AB 1997 N 406):
      "Dans ces conditions, il se justifie de garder cette possibilité de

    punir comme telle la violation d'un secret. Mais ajoutons peut-être que

    l'on a pu reprocher - et c'était juste - à cet article 293 de
protéger la

    notion formelle de secret et non pas en réalité le principe de
fond. C'est

    la raison pour laquelle la proposition de la minorité inclut un nouvel

    alinéa 3 qui permet au juge, conformément à d'autres dispositions
du code

    pénal, d'exempter de toute peine si le secret est en réalité de peu

    d'importance. ... Cet alinéa 3 est en effet nécessaire pour éviter que

    quelques petits chefs ne s'amusent à mettre 'secret' sur n'importe quoi

    pour embêter si j'ose dire celui qui voudrait rendre public le
contenu de

    l'article."

    Nationalrat Peter Baumberger erklärte ergänzend (AB 1997 N 407):
      "Es gibt ... natürlich tatsächlich ein Problem in der Verwaltung

    unseres Staates. Es ist eine Tatsache, dass allzuoft behördliche

    Geheimniskrämerei betrieben wird. ... Ich bin der Meinung, dass man

    tatsächlich ein anderes System finden muss, und die Minderheit hat
dem mit

    Absatz 3 (neu) Rechnung getragen. Es gibt tatsächlich Geheimnisse,
die von

    geringer Bedeutung sind."

    Wo im Strafgesetzbuch der Begriff "Geheimnis" verwendet wird, ist in
der Regel ein Geheimnis im materiellen Sinne gemeint. Daher liesse sich aus
Art. 293 Abs. 3 der Schluss ziehen, dass der Tatbestand von Art. 293 StGB
nur erfüllt sein kann, wenn aus geheim erklärten Akten etc. eine Tatsache
an die Öffentlichkeit gebracht wird, die ein Geheimnis im materiellen Sinne
ist. Nur die Veröffentlichung von materiellen Geheimnissen wäre demnach
tatbestandsmässig, wobei in Fällen, in denen das an die Öffentlichkeit
gebrachte materielle Geheimnis "von geringer Bedeutung" ist, von Strafe
abgesehen werden kann.

    Es kann indessen nicht angenommen werden, dass die in Rechtsprechung,
herrschender Lehre und auch vom Gesetzgeber selbst vertretene Auffassung,
Art. 293 StGB liege ein formeller Geheimnisbegriff zugrunde, durch den
neuen Absatz 3 von Art. 293 StGB, der in den eidgenössischen Räten
nur am Rande diskutiert wurde, aufgegeben werden sollte. Art. 293
Abs. 3 StGB betrifft nicht Geheimnisse im materiellen Sinn, sondern die
unnötige, übertriebene, schikanöse Geheimniskrämerei, mithin unnötige
Geheimhaltungserklärungen.

    Demnach ist daran festzuhalten, dass Art. 293 StGB auf den formellen
Geheimnisbegriff abstellt. Der neue Absatz 3 hat daran nichts geändert.

    d) Der Richter muss somit bei der Frage, ob gemäss Art.
293 Abs. 3 StGB von Strafe abgesehen werden kann, vorfrageweise die
Geheimhaltungserklärung überprüfen.

    Bei dieser Prüfung wird sich der Strafrichter allerdings Zurückhaltung
auferlegen und insbesondere nicht in das Ermessen eingreifen, das der
Behörde beim Entscheid über die Geheimhaltungserklärung zusteht. Massgebend
ist allein, ob die Geheimhaltungserklärung noch als vertretbar erscheint.
Dies bestimmt sich nach dem Gegenstand und Inhalt der Akten, Verhandlungen
und Untersuchungen. Unerheblich ist insoweit also insbesondere, dass
der Inhalt der Akten nach der Meinung von Medienschaffenden für die
Öffentlichkeit von Interesse ist und daher nicht hätte als geheim erklärt
werden dürfen.

    e) Es ist vertretbar, Lageberichte und Strategiepapiere eines
Botschafters als geheim zu erklären. Die Geheimhaltungserklärung ist
offensichtlich vertretbar, wenn das interne Strategiepapier, wie im
vorliegenden Fall, ein heikles Thema in einem schwierigen Umfeld betrifft.

    f) Der Beschwerdeführer hat somit durch das inkriminierte Verhalten
den Tatbestand von Art. 293 Abs. 1 StGB erfüllt.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer hätte den Tatbestand von Art. 293 StGB im
Übrigen auch dann erfüllt, wenn man der Bestimmung - sei es mit Rücksicht
auf den neu geschaffenen Abs. 3, sei es aus andern Gründen - abweichend
von der bisherigen Rechtsprechung den materiellen Geheimnisbegriff zugrunde
legen wollte.

    Die vom Beschwerdeführer wiedergegebenen Passagen aus dem
Strategiepapier des Botschafters waren nur einem begrenzten Personenkreis
bekannt und zugänglich. Der Botschafter hatte den Willen, sie geheim
zu halten, und er hatte ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Der
Beschwerdeführer bestreitet denn auch nicht, dass die fraglichen
Äusserungen Geheimnisse im materiellen Sinne sind. Er behauptet mit
Recht auch nicht, dass es sich gemäss Art. 293 Abs. 3 StGB um Geheimnisse
"von geringer Bedeutung" handle und daher ein Absehen von Strafe hätte
in Betracht gezogen werden müssen.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer ist zusammengefasst im Wesentlichen der
Auffassung, angesichts des öffentlichen Interesses an den fraglichen
Äusserungen des Botschafters sowie der Kritik- und Überwachungsfunktion
der Medienschaffenden in einer demokratischen Gesellschaft komme
unter der gebotenen Berücksichtigung der Meinungsäusserungs- und der
Pressefreiheit sowie in Anbetracht der sich aus Art. 10 Ziff. 2 EMRK
ergebenden strengen Anforderungen an Einschränkungen dieser Freiheit
die Verurteilung eines Journalisten in Anwendung von Art. 293 StGB nur
dann ausnahmsweise in Betracht, wenn das an die Öffentlichkeit gebrachte
Geheimnis von ausserordentlicher Bedeutung und Wichtigkeit sei und daher
dessen Offenbarung gleichsam die Schweiz in ihren Grundfesten erschüttern
könnte. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt.

    a) Der Beschwerdeführer möchte offenbar deshalb von einem materiellen
Geheimnisbegriff bei Art. 293 StGB ausgehen, um auf dieser Grundlage die
Anwendung der Strafbestimmung auf Medienschaffende mit Rücksicht auf deren
Kritik- und Kontrollfunktion ("Wächteramt der Presse") auf Geheimnisse
von erheblicher Bedeutung zu beschränken, deren Veröffentlichung den
Staat erschüttern kann.

    Der Anwendungsbereich von Art. 293 StGB könnte indessen auch auf der
Grundlage des formellen Geheimnisbegriffs eingeschränkt werden, etwa
in dem Sinne, dass Medienschaffende nur dann wegen Veröffentlichung
amtlicher geheimer Verhandlungen zu bestrafen sind, wenn sich die
Geheimhaltungserklärung angesichts von Inhalt und Bedeutung der Akten
mit Rücksicht auf die staatlichen Interessen etc. geradezu aufdrängte.

    b) Gemäss Art. 113 Abs. 3 aBV sind Bundesgesetze,
allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse und Staatsverträge für das
Bundesgericht massgebend. Art. 191 nBV ("massgebendes Recht"), in Kraft
seit 1. Januar 2000, bestimmt: "Bundesgesetze und Völkerrecht sind für das
Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend".
Art. 191 nBV, der in den eidgenössischen Räten unbestritten war,
entspricht der bisherigen Regelung. Die diesbezügliche Rechtsprechung des
Bundesgerichts zu Art. 113 Abs. 3 aBV gilt auch unter der Herrschaft der
neuen Bundesverfassung (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
vom 21. Februar 2000 i.S. A. c. U.). Das Bundesgericht muss mithin die
in den Bundesgesetzen enthaltenen Bestimmungen anwenden, selbst wenn
sie der Verfassung widersprechen sollten. Es muss sie aber verfassungs-
und EMRK-konform auslegen, soweit ein Auslegungsspielraum besteht.

    c) Die vom Beschwerdeführer geforderte Beschränkung des Tatbestands,
soweit Medienschaffende betreffend, auf materielle Geheimnisse
von erheblicher Bedeutung, deren Veröffentlichung den Staat in
seinen Grundfesten erschüttern kann, geht über eine (verfassungs-
und EMRK-konforme) Auslegung von Art. 293 StGB weit hinaus. Der
Beschwerdeführer verlangt im Ergebnis eine diesbezügliche Sondernorm für
Medienschaffende etwa des Inhalts, dass die Veröffentlichung amtlicher
geheimer Verhandlungen durch Medienschaffende nur dann strafbar ist, wenn
das an die Öffentlichkeit gebrachte Geheimnis von erheblicher Bedeutung
ist. Dies ist indessen nicht mehr (einschränkende) Auslegung des geltenden
Rechts, sondern eine Änderung des Gesetzes, mithin Rechtsetzung, die dem
Bundesgesetzgeber vorbehalten ist.

    Es ist Sache des Gesetzgebers, zu prüfen, ob mit Rücksicht auf
die Anliegen und Aufgaben der Medienschaffenden insoweit Sonderregeln
zu schaffen seien. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Revision des
Medienstraf- und Verfahrensrechts Schritte in diese Richtung getan. In
der Auseinandersetzung um die Beibehaltung oder ersatzlose Streichung
des gerade die Medienschaffenden betreffenden Art. 293 StGB hat der
Gesetzgeber im Sinne eines Kompromisses der Bestimmung einen neuen Absatz
3 beigefügt, wonach der Richter von Strafe absehen kann, wenn das an die
Öffentlichkeit gebrachte Geheimnis "von geringer Bedeutung" ist. Beim
Tatbestand des diplomatischen Landesverrats im Sinne von Art. 267 StGB
wurde die Tatbestandsvariante der Veröffentlichung eines Geheimnisses,
dessen Bewahrung zum Wohle der Eidgenossenschaft geboten ist, neu
privilegiert, indem Art. 267 Ziff. 2 StGB lediglich Zuchthaus bis zu fünf
Jahren oder Gefängnis (statt Zuchthaus [bis zu 20 Jahren] oder Gefängnis
von einem bis zu fünf Jahren gemäss Ziff. 1) androht (s. dazu Botschaft des
Bundesrates, BBl 1996 IV 525 ff., 563; Verhandlungen der eidgenössischen
Räte, AB 1997 N 405 f.; AB 1997 S 585). Derartige Regelungen liessen
sich nicht auf dem Wege der verfassungs- bzw. EMRK-konformen Auslegung
erzielen, da sie über eine Auslegung hinausgehen. Es ist somit auch S-ache
des Gesetzgebers, allenfalls erneut zu prüfen, ob Art. 293 StGB, der vor
allem die Medienschaffenden betrifft, aufzuheben oder ob der Tatbestand -
über die durch den neuen Absatz 3 geschaffene Kompromisslösung betreffend
fakultatives Absehen von Strafe bei Veröffentlichung von Geheimnissen "von
geringer Bedeutung" hinaus - auf die Veröffentlichung von Geheimnissen
"von erheblicher Bedeutung" oder ähnlich zu beschränken sei.

    Im Übrigen ist auch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass
die eidgenössischen Räte nicht zuletzt unter dem Eindruck des vorliegend zu
beurteilenden Falles die Beibehaltung von Art. 293 StGB beschlossen haben,
dessen ersatzlose Aufhebung der Bundesrat vor allem mit der Begründung
beantragt hatte, die Bestimmung sei ungerecht und unwirksam (siehe vorn
E. 2b).

    d) Der Beschwerdeführer scheint zudem der Auffassung zu sein, die
Verurteilung eines Medienschaffenden wegen Veröffentlichung amtlicher
geheimer Verhandlungen falle mit Rücksicht auf Art. 10 EMRK schon dann
ausser Betracht, wenn das öffentliche Interesse an der Information
das Interesse der Behörde an der Geheimhaltung überwiege. Auch diese
Auffassung geht über eine Auslegung von Art. 293 StGB weit hinaus. Ob eine
Tatsache im materiellen Sinne geheim ist, ob sie allenfalls einerseits ein
"Geheimnis von geringer Bedeutung" (Art. 293 Abs. 3 StGB) oder andererseits
ein Geheimnis ist, dessen Bewahrung "zum Wohle der Eidgenossenschaft
geboten" ist (Art. 267 StGB), bestimmt sich nach Inhalt und Gegenstand
der Tatsache und jedenfalls nicht auch nach dem Umfang des öffentlichen
Interesses an der Information. Dieses öffentliche Informationsinteresse
und damit die Pressefreiheit sind mit anderen Worten insoweit keine
relevanten Auslegungskriterien. Das Spannungsverhältnis, das in einem
konkreten Fall zwischen dem Geheimhaltungsinteresse und dem öffentlichen
Informationsinteresse bestehen kann, betrifft nicht den Tatbestand, sondern
allenfalls die Rechtswidrigkeit des tatbestandsmässigen Verhaltens. Der
insoweit allein in Betracht fallende aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund
der Wahrung berechtigter Interessen ist aber nicht schon dann gegeben,
wenn das öffentliche Informationsinteresse das Geheimhaltungsinteresse
überwiegt. Der aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund der Wahrung
berechtigter Interessen setzt vielmehr voraus, dass die Tat ein zur
Erreichung des berechtigten Ziels notwendiges und angemessenes Mittel ist,
sie insoweit den einzig möglichen Weg darstellt und offenkundig weniger
schwer wiegt als die Interessen, welche der Täter zu wahren sucht (BGE
120 IV 208 E. 3a S. 213, mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer behauptet
in der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde mit Recht nicht mehr,
dass diese Voraussetzungen erfüllt seien.

    Die Pressefreiheit als solche ist, trotz ihrer erheblichen Bedeutung
in einer demokratischen Gesellschaft, kein Rechtfertigungsgrund für
tatbestandsmässiges Verhalten von Medienschaffenden.

Erwägung 5

    5.- Im Übrigen ergibt sich aus Art. 10 Ziff. 2 EMRK entgegen
der Meinung des Beschwerdeführers nicht, dass die Verurteilung eines
Medienschaffenden wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen
nur dann zulässig sei, wenn ein materielles Geheimnis von erheblicher
Bedeutung zur Diskussion steht, oder nur unter der Voraussetzung, dass das
Geheimhaltungsinteresse gewichtiger als das Informationsinteresse ist. Die
Ausübung der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit kann gemäss Art. 10
Ziff. 2 EMRK nicht nur dann u.a. bestimmten Strafdrohungen unterworfen
werden, wenn dies in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist
"für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die
öffentliche Sicherheit", sondern auch etwa dann, wenn dies notwendig ist
"zur Aufrechterhaltung der Ordnung" sowie "zum Schutz des guten Rufes und
der Rechte anderer" oder "zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher
Informationen". Die Verurteilung des Beschwerdeführers gemäss Art. 293
StGB verstösst bei der gegebenen Sachlage nicht gegen Art. 10 Ziff. 2 EMRK.

Erwägung 6

    6.- Allerdings kann man sich fragen, ob die Verurteilung eines
Medienschaffenden wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen
gemäss Art. 293 StGB nicht im Widerspruch zum Quellenschutz stehe, der
sich aus der Pressefreiheit ergibt (vgl. dazu BGE 123 IV 236 E. 8a/aa
S. 247 unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte vom 27. März 1996 i.S. Goodwin c. Grossbritannien,
Recueil des arrêts et décisions 1996 S. 483, auszugsweise publiziert
u.a. in Medialex 1996 S. 99 ff.) und welcher nun auch in Art. 27bis StGB
verankert ist, dessen Absatz 1 Folgendes bestimmt:
      "Verweigern Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von

    Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden

    Mediums befassen, oder ihre Hilfspersonen das Zeugnis über die
Identität

    des Autors oder über Inhalt und Quellen ihrer Informationen, so dürfen

    weder Strafen noch prozessuale Zwangsmassnahmen gegen sie verhängt

    werden."

    a) Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Quellenschutz und
Art. 293 StGB stellt sich grundsätzlich unabhängig davon, ob Art. 293 StGB
der formelle oder der materielle Geheimnisbegriff zugrunde gelegt wird.

    b) Der Medienschaffende kann unter Umständen von Tatsachen aus
geheim erklärten Akten oder von geheimen Tatsachen Kenntnis erhalten,
ohne dass eine Indiskretion oder eine strafbare Amtsgeheimnisverletzung
von Seiten eines Beamten oder Behördenvertreters vorliegt. Sodann werden
Informationen aus geheim erklärten Akten Medienschaffenden nicht selten
anonym zugespielt, sodass auch der Journalist die Quelle der Indiskretion
nicht kennt. Im einen wie im anderen Fall kommt der Quellenschutz
insoweit gar nicht zum Tragen, da es keine (bekannte) Quelle zu schützen
gibt. Insoweit besteht zwischen dem Quellenschutz und der Veröffentlichung
von amtlichen geheimen Verhandlungen von vornherein kein Zusammenhang
und ist daher nicht ersichtlich, inwiefern wegen des Quellenschutzes eine
Bestrafung gemäss Art. 293 StGB unzulässig sei. Dann aber ist auch nicht
einzusehen, weshalb in den Fällen, in denen der Medienschaffende durch
Indiskretion oder gar durch strafbare Amtsgeheimnisverletzung von Seiten
eines ihm bekannten Beamten die geheim erklärte oder geheime Tatsache
erfahren hat, die Veröffentlichung dieser Tatsache nicht gemäss Art. 293
StGB strafbar sei. Zudem gilt der Quellenschutz u.a. auch beim Verrat von
Geheimnissen, deren Bewahrung zum Wohle der Eidgenossenschaft geboten
ist, sowie bei Verletzung von militärischen Geheimnissen; denn weder
Art. 267 StGB (diplomatischer Landesverrat) noch Art. 329 StGB (Verletzung
militärischer Geheimnisse) fällt unter die in Art. 27bis Abs. 2 StGB
genannten Ausnahmen vom Quellenschutz. Es kann jedoch nicht im Ernst
angenommen werden, dass der Medienschaffende, der ein Geheimnis, dessen
Bewahrung zum Wohle der Eidgenossenschaft geboten ist, der Öffentlichkeit
bekannt macht, deshalb nicht wegen diplomatischen Landesverrats gemäss
Art. 267 Ziff. 2 StGB bestraft werden dürfe, weil er die Identität des
Beamten oder Behördenvertreters, der ihm dieses Geheimnis bekannt gemacht
hat, gestützt auf Art. 27bis StGB verschweigen darf. Im Übrigen kann ein
Medienschaffender eine ihm durch Indiskretion oder gar durch strafbare
Amtsgeheimnisverletzung übermittelte Information journalistisch auch
nutzen und verwerten, ohne dabei notwendigerweise den Tatbestand von 293
StGB zu erfüllen.

    c) Aus dem sich aus der Pressefreiheit ergebenden und nun auch
in Art. 27bis StGB verankerten Quellenschutz folgt somit nicht, dass
die Bestrafung eines Medienschaffenden gemäss Art. 293 StGB wegen
Veröffentlichung der "quellengeschützten" Information unzulässig sei.

Erwägung 7

    7.- Der Beschwerdeführer beruft sich zur Begründung seines Standpunktes
u.a. auf zwei Entscheide des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte,
auf einen Bundesgerichtsentscheid und auf ein Urteil des Obergerichts
des Kantons Bern.

    Der Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom
27. März 1996 i.S. Goodwin c. Grossbritannien (auszugsweise wiedergegeben
u.a. in Medialex 1996 S. 99 ff., mit Anmerkung von FRANZ RIKLIN) betrifft
im Wesentlichen den Quellenschutz, den der Gerichtshof als Eckpfeiler der
Pressefreiheit betrachtet. Es ging um die Frage, ob und gegebenenfalls
unter welchen Voraussetzungen ein Journalist zur Nennung seines Informanten
gezwungen und im Weigerungsfall gebüsst werden darf. Der Zwang zur Nennung
des Informanten wurde u.a. deshalb als nicht notwendig im Sinne von Art. 10
Ziff. 2 EMRK betrachtet, weil die Weiterverbreitung der Information durch
den Journalisten bereits durch eine einstweilige Verfügung untersagt
worden war, welche unangefochten blieb. Aus dem zitierten Entscheid ergibt
sich nicht, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers im vorliegenden
Verfahren gegen Art. 10 EMRK verstosse.

    Der Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom
21. Januar 1999 i.S. Fressoz und Roire c. Frankreich (auszugsweise
wiedergegeben u.a. in Medialex 1999 S. 33 ff., mit Anmerkung von
DENIS BARRELET; vgl. auch Pra 88/1999 Nr. 42 S. 247 ff.) betrifft die
Verurteilung von zwei Journalisten, die in einer Zeitung Steuerunterlagen
des Chefs eines grossen Unternehmens reproduziert hatten, welche
ihnen in Photokopie unter Verletzung des Berufsgeheimnisses aus dem
Steuerdossier zugespielt worden waren. Der Gerichtshof erachtete die
Verurteilung als nicht notwendig im Sinne von Art. 10 Ziff. 2 EMRK,
da die Steuerunterlagen lediglich zum Beweis der Richtigkeit der im
Zeitungsartikel verbreiteten Informationen über die Höhe des Einkommens
des Unternehmenschefs reproduziert wurden, welche Informationen, da leicht
zugänglich, unstreitig erlaubt waren. Auch aus diesem Entscheid ergibt
sich nicht, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers im vorliegenden
Verfahren gegen Art. 10 EMRK verstosse.

    Auch aus BGE 123 IV 236 kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen
Gunsten ableiten. Der Entscheid betrifft den Quellenschutz, nicht die einem
Medienschaffenden zur Last gelegte Straftat der Veröffentlichung amtlicher
geheimer Verhandlungen im Sinne von Art. 293 StGB. Die Überwachung des
Fernmeldeverkehrs kann angeordnet werden, wenn (u.a.) "ein Verbrechen
oder ein Vergehen, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt,
verfolgt wird" (Art. 66 Abs. 1 lit. a BStP). Den zuständigen Behörden steht
damit ein gewisser Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu. Bei dessen
Ausübung sind in Anbetracht des Quellenschutzes hohe Anforderungen an
die Schwere der zu verfolgenden Straftat zu stellen, wenn die Überwachung
des Fernmeldeverkehrs von Journalisten als Dritten (s. Art. 66 Abs. 1bis
BStP) zur Diskussion steht. Diese hohen Anforderungen an die Schwere der
Straftat waren bei der in Frage stehenden Verletzung des Amtsgeheimnisses
im konkreten Fall u.a. deshalb nicht erfüllt, weil durch die Offenbarung
des Inhalts der Dokumente weder nationale Interessen gefährdet noch
die Glaubwürdigkeit des Bundesrates in Frage gestellt wurden und daher
nicht ein die Bedeutung des Quellenschutzes eindeutig überwiegendes
öffentliches Interesse an der Aufklärung und Verfolgung der in Frage
stehenden Amtsgeheimnisverletzung bestand. Ein allfälliges Interesse
der Öffentlichkeit an der Information über die Meinungsunterschiede
im Bundesrat stand bei dieser Interessenabwägung überhaupt nicht zur
Diskussion und wurde in BGE 123 IV 236 denn auch nicht mit berücksichtigt.

    Das Obergericht des Kantons Bern hat in einem Urteil vom 27.  April
1999 (auszugsweise wiedergegeben in Medialex 1999 S. 175 ff.) einen
Journalisten u.a. unter Berufung auf die vorstehend erwähnten Entscheide
vom Vorwurf der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen im
Sinne von Art. 293 StGB freigesprochen. Diese Entscheide sind indessen
nicht einschlägig (s. auch die Anmerkung von FRANZ RIKLIN zum Urteil des
Obergerichts des Kantons Bern, Medialex 1999 S. 179). Aus dem Quellenschutz
folgt entgegen einer Bemerkung im zitierten Obergerichtsurteil nicht,
dass die Veröffentlichung der "quellengeschützten" Information straflos
bleiben müsse.

Erwägung 8

    8.- Zusammenfassend ergibt sich somit Folgendes:

    In Bestätigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist daran
festzuhalten, dass dem Tatbestand der Veröffentlichung amtlicher
geheimer Verhandlungen (Art. 293 StGB) der formelle Geheimnisbegriff
zugrunde liegt. Der neu beigefügte Absatz 3 hat daran nichts geändert. Der
Strafrichter muss aber nun im Hinblick auf eine allfällige Strafbefreiung
vorfrageweise prüfen, ob die Geheimhaltungserklärung in Anbetracht
von Gegenstand und Inhalt der Akten als vertretbar erscheint. Dies ist
vorliegend der Fall.

    Die vom Beschwerdeführer an die Öffentlichkeit gebrachten Passagen
aus dem vertraulichen Papier waren im Übrigen auch Geheimnisse im
materiellen Sinne. Mit Recht behauptet der Beschwerdeführer nicht, dass
sie im Sinne von Art. 293 Abs. 3 StGB von geringer Bedeutung gewesen
seien. Die vom Beschwerdeführer geforderte Beschränkung des Tatbestands
auf Geheimnisse von erheblicher Bedeutung, deren Veröffentlichung den
Staat in seinen Grundfesten erschüttern kann, geht über eine (verfassungs-
bzw. EMRK-konforme) Auslegung von Art. 293 StGB, welcher gemäss Art. 191
nBV für das Bundesgericht massgebend ist, weit hinaus. Dasselbe gilt
für die Auffassung, die Verurteilung eines Medienschaffenden wegen
Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen gemäss Art. 293 StGB
sei nur dann zulässig, wenn das staatliche Geheimhaltungsinteresse
gewichtiger als das öffentliche Informationsinteresse sei. Diese Frage
betrifft nicht den Tatbestand, sondern allenfalls den aussergesetzlichen
Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen, dessen
Voraussetzungen vorliegend indessen ohnehin nicht erfüllt sind.

Erwägung 9

    9.- Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Abwägung der im vorliegenden
Fall auf dem Spiel stehenden Interessen. Daher ist auf die Kritik des
Beschwerdeführers an der von den kantonalen Instanzen vorgenommenen
Interessenabwägung nicht einzutreten.

    Der Vollständigkeit halber sei immerhin festgehalten, dass
das Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit des fraglichen
Strategiepapiers aus den von den kantonalen Instanzen genannten Gründen
gewichtiger war als das Interesse des Publikums an der Kenntnisnahme
der in der Zeitung veröffentlichten Passagen. Zur Vermeidung von
Wiederholungen kann auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid
und im erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden. Die Wahrung der
Vertraulichkeit des Strategiepapiers lag nicht nur im Interesse des
Botschafters und des Bundesrates, sondern im Landesinteresse. Durch
die Veröffentlichung einzelner Passagen konnten sowohl der Prozess der
Meinungsbildung und Entscheidfindung auf der schweizerischen Seite gestört
als auch vor allem die ohnehin schwierigen Verhandlungen mit der Gegenseite
zusätzlich erschwert und belastet werden, was nicht im Landesinteresse
lag. Demgegenüber war das durch die reisserische Überschrift angestachelte
kurzfristige Sensationsinteresse der Öffentlichkeit an der Kenntnisnahme
der in der Zeitung publizierten, aus dem Zusammenhang gerissenen Passagen
aus rechtlicher Sicht von vergleichsweise geringer Bedeutung, zumal
sich aus der vom Beschwerdeführer beanstandeten "Tonalität" des in einem
bestimmten Kontext verfassten, internen Papiers, welches im Zeitungsartikel
übrigens kurzerhand als inhaltlich banal disqualifiziert wurde, ohnehin
keine eindeutigen und unstreitigen Schlüsse auf die "Mentalität" und gar
auf die Eignung des Botschafters für die ihm gestellte Aufgabe ziehen
liessen.