Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 II 228



126 II 228

24. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
19. Mai 2000 i.S. X. gegen Departement des Innern des Kantons Solothurn und
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 3 Abs. 4 OHG; Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten der
Opferhilfe.

    Das Opfer einer im Ausland erlittenen Straftat hat keinen Anspruch auf
Übernahme weiterer Kosten gemäss Art. 3 Abs. 4 OHG, wenn es im Tatzeitpunkt
keine Beziehung zur Schweiz hatte (E. 2 und 3).

Sachverhalt

    X. ist anerkannter Flüchtling aus Bosnien-Herzegowina mit
Niederlassungsbewilligung in der Schweiz. Er wird zusammen mit seiner
Ehefrau und drei Kindern von der Einwohnergemeinde O. finanziell
unterstützt.

    Am 22. Februar 1999 liess X. durch das Therapiezentrum für Folteropfer
des Schweizerischen Roten Kreuzes beim Amt für Gemeinden und soziale
Sicherheit des Kantons Solothurn ein Gesuch um finanzielle Unterstützung
nach dem Opferhilfegesetz einreichen. Zur Begründung wurde ausgeführt,
der Gesuchsteller sei im Jahre 1992 während mehr als sechs Monaten in
einem Lager gehalten worden, in dem er während der ganzen Zeit schwere
Demütigungen über sich habe ergehen lassen und Todesängste habe ausstehen
müssen. Bereits zuvor seien beinahe alle in seinem Dorf lebenden Menschen
umgebracht worden, darunter seine Schwester, Cousins, Kollegen und
Nachbarn. Er benötige regelmässige Psychotherapie in seiner Muttersprache,
weil er an komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen leide. Um
finanzielle Unterstützung ersuchte er namentlich für die Psychotherapie,
soweit deren Kosten von der Krankenkasse nicht übernommen würden, sowie
für Übersetzungskosten, Krankenkassen-Selbstbehalte und Reisekosten.

    Das Departement des Innern des Kantons Solothurn wies das Begehren
am 14. April 1999 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die gegen den
Gesuchsteller gerichteten deliktischen Handlungen seien im Ausland zu
einem Zeitpunkt verübt worden, als er zur Schweiz keinerlei Beziehungen
gehabt habe.

    Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wies mit Urteil vom
19. Oktober 1999 die Beschwerde gegen den Entscheid des Departements
des Innern ab. Das Gericht sprach X. die Opfereigenschaft im Sinne des
Opferhilfegesetzes ab. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen
aus, dass es kaum Sinn der Opferhilfe sein könne, allen Opfern dieser
Welt mit Aufenthalt in der Schweiz die nötige Hilfe zu bieten, zumal der
Vollzug des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer
von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG, SR 312.5) angesichts der täglich
neuen traumatisierten Opfer aus Kriegsgebieten der organisatorischen und
finanziellen Belastung in Kürze nicht mehr Stand halten würde. Zudem gehe
das Opferhilfegesetz von einer absoluten Subsidiarität der staatlichen
Leistungen aus.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. November 1999 beantragt
X., der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben. Die Vorinstanz
sei anzuweisen, den Anspruch des Opfers auf Beratung bzw. auf Übernahme
weiterer Kosten gemäss Art. 3 Abs. 4 OHG zu gewähren.

    Das Bundesamt für Justiz, Hauptabteilung Staats- und Verwaltungsrecht,
vertritt in der Vernehmlassung die Auffassung, der angefochtene
Entscheid verletze Bundesrecht. Es führt ohne nähere Begründung aus,
der Beschwerdeführer sei als Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes zu
betrachten, jedenfalls soweit seine Beeinträchtigungen Folge der im
Ausland erlittenen Straftaten seien. Unter der Voraussetzung, dass dem
Beschwerdeführer Opfereigenschaft zukomme, sei das Gesuch um Übernahme
der ungedeckten Kosten nach Art. 3 Abs. 4 OHG begründet, da der Hilfe
der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegenstehe.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Mit dem Opferhilfegesetz soll den Opfern von Straftaten wirksame
Hilfe geleistet und ihre Rechtsstellung verbessert werden (Art. 1 Abs.
1 OHG). Die Hilfe umfasst nach Art. 1 Abs. 2 OHG Beratung (lit. a),
Schutz des Opfers und Wahrung seiner Rechte im Strafverfahren (lit. b)
sowie Entschädigung und Genugtuung (lit. c). Opfer im Sinne von Art. 2
Abs. 1 OHG ist jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen,
sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden
ist, unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden ist und ob er sich
schuldhaft verhalten hat.

    Das Departement des Innern des Kantons Solothurn hat in seiner
Verfügung vom 14. April 1999 entschieden, dass Personen nicht als
Opfer im Sinne von Art. 2 OHG anerkannt werden und daher keine Beratung
gemäss Art. 3 OHG beanspruchen können, wenn sie im Ausland Opfer einer
Straftat werden und in diesem Zeitpunkt keinerlei Beziehungen zur Schweiz
haben. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, das Verwaltungsgericht habe
im angefochtenen Urteil seine Opfereigenschaft bejaht, und er beanstandet
allein die Auslegung von Art. 3 Abs. 4 OHG durch die Vorinstanz. Er
verkennt, dass das Verwaltungsgericht mit der ersten Instanz den
Anwendungsbereich des Opferhilfegesetzes eingeschränkt und ihn daher wegen
seiner fehlenden Beziehungen zur Schweiz im Zeitpunkt der Straftat nicht
als Opfer im Sinne von Art. 2 OHG anerkannt hat.

    a) Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst, d.h. nach Wortlaut,
Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen und Zielsetzungen
auszulegen; dabei hat sich die Gesetzesauslegung vom Gedanken leiten
zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt,
sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz;
gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge,
ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis (BGE
124 III 229 E. 3c S. 235 f.). Dabei ist die Auslegung des Gesetzes
zwar nicht entscheidend historisch zu orientieren, im Grundsatz aber
dennoch auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die damit erkennbar
getroffenen Wertentscheidungen zu stützen, da sich die Zweckbezogenheit
des rechtsstaatlichen Normverständnisses nicht aus sich selbst begründen
lässt, sondern im Sinne der Absichten des Gesetzgebers zu verstehen ist,
die es mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungselemente zu ermitteln gilt
(BGE 125 II 521 E. 3c/aa S. 525; 121 III 219 E. 1d/aa S. 225).

    b) Nach dem Wortlaut des mit "Geltungsbereich" überschriebenen Art. 2
Abs. 1 OHG wird die vom Opferhilfegesetz vorgesehene wirksame Hilfe und
Verbesserung der Rechtsstellung jeder Person, die durch eine Straftat
unmittelbar in ihrer Integrität beeinträchtigt wurde, gewährt. Der Wortlaut
von Art. 2 OHG macht den Geltungsbereich des Gesetzes nicht davon abhängig,
ob das Opfer oder die Straftat einen Bezug zur Schweiz haben. Der Wortlaut
der Bestimmung ist insofern zu weit, als sich der Geltungsbereich des
Gesetzes nicht allein aus der materiellen Definition der Opfereigenschaft
ergibt. So ist insbesondere der schweizerische Gesetzgeber nicht generell
in der Lage, die Rechtsstellung jeder von einer Straftat betroffenen Person
zu verbessern, wenn es um deren Rechte im Strafverfahren geht (Art. 1
Abs. 2 lit. b OHG). Die Bestimmungen über den Schutz und die Rechte des
Opfers im Strafverfahren nach dem 3. Abschnitt des Gesetzes (Art. 5-10 OHG)
können sich allein auf Straftaten beziehen, die in der Schweiz beurteilt
werden, obwohl der Geltungsbereich des Gesetzes nicht ausdrücklich auf in
der Schweiz durchgeführte Strafverfahren beschränkt wird (vgl. etwa BGE
126 IV 38 E. 3 S. 40). Für die Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung
(Art. 1 Abs. 2 lit. c OHG) sodann unterscheidet Art. 11 OHG (vgl. dazu BGE
124 II 507) danach, ob die Straftat, die zur unmittelbaren Beeinträchtigung
der Integrität einer Person geführt hat, auf schweizerischem Hoheitsgebiet
verübt wurde (Abs. 1 und 2) oder ob die Person im Ausland Opfer einer
Straftat geworden ist (Abs. 3). In diesem Fall werden die Ansprüche auf
Personen beschränkt, welche das Schweizer Bürgerrecht besitzen und Wohnsitz
in der Schweiz haben. Dies steht mit Art. 3 des Europäischen Übereinkommens
über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten, dessen Ratifizierung der
Bundesrat gleichzeitig mit dem Erlass des Opferhilfegesetzes vorschlug
(BBl 1990 II S. 1001 f.) im Einklang. Nach dem genannten Europäischen
Übereinkommen vom 24. November 1983, das für die Schweiz seit 1. Januar
1993 in Kraft steht (SR 0.312.5), wird die Entschädigung von dem Staat
gewährt, in dessen Hoheitsgebiet die Straftat begangen worden ist,
und sie ist den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten vorbehalten,
welche die Konvention ratifizieren, sowie den in diesen Staaten
niedergelassenen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten des Europarats
(Art. 3 des Übereinkommens).

    Auch in Bezug auf die Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung ist
somit die Definition in Art. 2 OHG zu weit; die Opfereigenschaft wird
hier gemäss Art. 11 OHG allein Personen zuerkannt, welche entweder von
einer im Inland verübten Straftat in ihrer Integrität betroffen sind
oder die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzen und in der Schweiz
Wohnsitz haben. Es ist zu prüfen, ob die unter dem Titel der Beratung
von den Kantonen zu gewährleistende wirksame Hilfe nach Sinn und Zweck
der Opferhilfe und den dem Gesetz zugrunde liegenden Wertungen nicht
ebenfalls Einschränkungen unterliegt, welche im Wortlaut von Art. 2 OHG
nicht zum Ausdruck kommen.

    c) Das Opferhilfegesetz verpflichtet die Kantone unter dem Titel
"Beratung" in Art. 3 OHG, für fachlich selbständige öffentliche
oder private Beratungsstellen zu sorgen. Diese Beratungsstellen haben
insbesondere zur Aufgabe, den Opfern medizinische, psychologische, soziale,
materielle und juristische Hilfe zu leisten oder zu vermitteln (Art. 3
Abs. 2 lit. a OHG) sowie über die Hilfe an Opfer zu informieren (Art. 3
Abs. 2 lit. b OHG). Die Beratungsstellen leisten ihre Hilfe sofort und,
wenn nötig, während längerer Zeit. Sie müssen so organisiert sein, dass sie
jederzeit Soforthilfe leisten können (Art. 3 Abs. 3 OHG). Die Leistungen
der Beratungsstellen und die Soforthilfe Dritter sind unentgeltlich. Die
Beratungsstellen übernehmen weitere Kosten, wie Arzt-, Anwalts- oder
Verfahrenskosten, soweit dies aufgrund der persönlichen Verhältnisse des
Opfers angezeigt ist (Art. 3 Abs. 4 OHG). Die Opfer können sich an eine
Beratungsstelle ihrer Wahl wenden (Art. 3 Abs. 5 OHG).

    aa) Die Art der umfassenden Hilfe, welche die von den Kantonen
bereitzustellenden Beratungsstellen zu leisten haben, geht zum Teil
über die blosse Beratung der Opfer deutlich hinaus. Sie besteht, wie
sich schon aus der Zweckbestimmung des Art. 1 OHG ergibt, in einem
vielseitigen und umfassenden Hilfsangebot zugunsten der Opfer und soll
diese in der Überwindung von materiellen, physischen, psychischen,
gesellschaftlichen und rechtlichen Schwierigkeiten unterstützen
(Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer
von Straftaten [Opferhilfegesetz, OHG] und einem Bundesgesetz über das
Europäische Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten
vom 25. April 1990 in BBl 1990 II 961, 977 f.; GOMM/STEIN/ZEHNTNER,
Kommentar zum Opferhilfegesetz 1995, N. 16-24 zu Art. 3). Sie umfasst zwei
Phasen und besteht in der Soforthilfe einerseits und in längerfristigen
Massnahmen andererseits. Die Soforthilfe soll rasch wirksam werden und dem
Opfer diejenige Hilfe verschaffen, die zur Bewältigung der unmittelbaren
Folgen der Straftat notwendig ist; die längerfristigen Massnahmen dienen
hingegen der Verarbeitung der Erlebnisse durch das Opfer, wozu insbesondere
auch die Beratung und Hilfe in prozessualen Fragen sowie in Fragen der
Versicherung und der materiellen Entschädigung gehört. Im Übrigen soll
in dieser zweiten Phase eine umfassende Sanierung der Lage des Opfers
sowie Lebenshilfe und Laufbahnberatung angeboten werden (Botschaft des
Bundesrats, aaO, BBl 1990 II 978 f.). Nach den Erläuterungen in der
Botschaft wird somit die längerfristige Hilfe für Opfer als zweite Phase
der Soforthilfe betrachtet, welche von der ersten Phase qualitativ nicht
derart unterschieden wird, dass sie Opfern von Straftaten zu gewähren wäre,
welche keinen Anspruch auf Soforthilfe der ersten Phase hatten.

    bb) Der Anspruch auf Beratung und insbesondere auf Kostenübernahme
durch die Beratungsstelle gemäss Art. 3 Abs. 4 OHG ist nach dem Wortlaut
der Bestimmung weder vom Wohnsitz oder der Nationalität des Opfers noch vom
Begehungs- und Erfolgsort der Straftat abhängig. Das Bundesgericht hat nach
Sinn und Zweck der Anspruchsberechtigung darauf abgestellt, ob die Hilfe in
der Schweiz benötigt wird; es hat daher den im Ausland lebenden Angehörigen
einer Person, welche in Deutschland bei einem Autounfall ums Leben gekommen
war, gestützt auf Art. 3 Abs. 4 OHG Kostengutsprache für juristische Hilfe
in Versicherungsfragen zugesprochen (BGE 122 II 315 E. 2 S. 318). Die im
Ausland getötete Person hatte im Zeitpunkt des Unfalls Wohnsitz in der
Schweiz und wurde als Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG anerkannt (BGE
122 II 315 E. 5 S. 324). Es stellt sich hier die Frage, ob für den Anspruch
auf Beratung und insbesondere auf Übernahme weiterer Kosten gemäss Art. 3
Abs. 4 OHG nach Sinn und Zweck des Opferhilfegesetzes die Notwendigkeit der
Hilfe in der Schweiz im Zeitpunkt des Gesuchs genügt oder ob es weiterer
Voraussetzungen bedarf. Dabei ist davon auszugehen, dass die weiteren
Kosten gemäss Art. 3 Abs. 4 OHG zur Wiederherstellung der Integrität des
Opfers wie Arzt-, Anwalts- oder Verfahrenskosten sachlich zum Schaden
gehören, den das Opfer durch die Straftat erleidet und zu dessen Ersatz
nach Art. 41 OR grundsätzlich der Täter verpflichtet ist, wovon auch der
Bundesrat in der Botschaft ausgeht (BBl 1990 II 979). Diese Kosten können
auch mit der Entschädigung im Sinne von Art. 12 OHG abgegolten werden
(vgl. BGE 125 II 230 E. 2d S. 234), wenn die einschränkenden gesetzlichen
Voraussetzungen dafür vorliegen, wobei gemäss Art. 15 OHG aufgrund einer
summarischen Prüfung des Entschädigungsgesuchs ein Vorschuss gewährt
werden kann (vgl. BGE 121 II 116 E. 2a S. 120).

    d) Die Opferhilfe insgesamt erscheint in ihrer Entstehung wie in ihrem
Anliegen und ihrer Ausgestaltung zunächst als Korrelat zu dem auf den
Täter bezogenen Strafrecht (vgl. EVA WEISHAUPT, Die verfahrensrechtlichen
Bestimmungen des Opferhilfegesetzes, Zürich 1998, S. 3 ff.). Dies
ergibt sich zunächst aus dem Anliegen der Volksinitiative, auf welche
Art. 124 BV bzw. Art. 64ter aBV zurückgeht und auf den sich das OHG
stützt. Die Initiative beruhte auf dem Gedanken, dass sich das Gemeinwesen
traditionell vorwiegend für die Straftäter interessierte, während es an
der Zeit sei, dass sich die Öffentlichkeit auch des Schicksals der Opfer
annehme (Botschaft zur Volksinitiative "zur Entschädigung der Opfer von
Gewaltverbrechen" vom 6. Juli 1983, BBl 1983 III 869, 872 f.). Zudem
ergibt es sich aus der Botschaft des Bundesrats zu dieser Initiative und
zum Gegenvorschlag, der in der Verfassungsbestimmung von Volk und Ständen
am 2. Dezember 1984 angenommen wurde, dass als nötig angesehen wurde,
das Ungleichheitgewicht - welches durch das staatliche Interesse vor allem
für die Täter entstanden ist - abzubauen und dass sich der Staat auch mit
der Person und den Anliegen des Opfers befasst (BBl 1983 III 889). Dabei
gründet die Hilfe für die Opfer von Gewaltverbrechen nach dem schliesslich
als Art. 64ter aBV angenommenen Gegenvorschlag in der Sorge um soziale
Gerechtigkeit und Billigkeit und wird als Akt der Solidarität dargestellt,
den die Gemeinschaft zugunsten ihrer schuldlos von Unrecht betroffenen
Mitglieder leistet (BBl 1983 III 887). Der Kreis der Begünstigten soll
nach der Botschaft grosszügig ausgelegt werden; damit eine Person Hilfe
beanspruchen könne, müsse sie nicht notwendigerweise Opfer einer Straftat
im strengen Sinne geworden sein; insbesondere sei die Hilfe nicht davon
abhängig zu machen, dass der Täter zurechnungsfähig sei oder auch nur
ermittelt werden könne (BBl 1983 III 894).

    e) Der Solidaritätsgedanke, auf dem das Opferhilfegesetz beruht,
kann nicht mit der allgemeinen Sozialhilfe gleichgesetzt werden, sondern
er ist auf Opfer von Straftaten beschränkt, wobei vom Verständnis der
Straftatbestände nach dem Strafgesetzbuch auszugehen ist (vgl. BGE 122 II
211 E. 3b S. 215). Der Straftat als Ursache der Hilfsbedürftigkeit kommt
nach Sinn und Zweck der Opferhilfe auch für die Begrenzung des Kreises
der Hilfeberechtigten wesentliche Bedeutung zu. Die Opferhilfe knüpft
insofern grundsätzlich an eine Straftat an (vgl. Art. 5 ff. OHG), zu deren
Beurteilung die schweizerischen Strafbehörden zuständig sind, auch wenn in
der Folge das Opfer und dessen Beeinträchtigung im Zentrum stehen. Auf
der Hoheit über das Gebiet, in welchem die Straftat begangen worden
ist, beruht auch das Europäische Übereinkommen über die Entschädigung
für Opfer von Gewalttaten (Ingress sowie Art. 3 des Übereinkommens),
auf welches der Bundesrat in der Botschaft ebenfalls Bezug nimmt (BBl
1983 III 885 f.). In den Materialien zum Opferhilfegesetz finden sich
denn auch keine Anhaltspunkte dafür, dass nicht primär an Opfer von
in der Schweiz begangenen Straftaten gedacht wurde. Die angestrebte
Grosszügigkeit des Hilfsangebots wurde auf Straftaten bezogen, welche
nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale des schweizerischen Strafgesetzbuches
erfüllen (vorne E. 2d). Auf die im Vorentwurf unter anderem in Aussicht
genommene örtliche Zuständigkeit der Beratungsstelle am Tatort (BBl 1990
II 980) wurde in Art. 3 Abs. 5 OHG nicht etwa deshalb verzichtet, weil die
Opferhilfe im Sinne der Beratung gemäss Art. 3 OHG auch für im Ausland
begangene Straftaten geöffnet werden sollte. Vielmehr ging es darum,
die Bedürfnisse sowohl nach der Person des Opfers wie nach der Art der
zu leistenden Hilfe unterscheiden zu können und dem Opfer eine Hilfe
ausserhalb seines Wohnorts namentlich bei Sexualdelikten anzubieten,
wenn diese von Angehörigen oder Bekannten begangen wurden (BBl 1990 II
980). Die Hilfe für Opfer von im Ausland begangenen Straftaten, wie sie
in Art. 11 Abs. 3 OHG unter einschränkenden Voraussetzungen vorgesehen
ist, erscheint als Erweiterung einer grundsätzlich an die Strafhoheit
schweizerischer Behörden anknüpfenden Opferhilfeleistung. Es bestehen
aufgrund der Materialien keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass allein und
ausschliesslich die Hilfsbedürftigkeit eines Opfers einer im Ausland
begangenen Straftat den Anspruch auf die umfassende Hilfe begründen
könnte, zu welcher die Kantone in Art. 3 OHG unter dem Titel der Beratung
verpflichtet sind.

    f) Eine von diesen Ausführungen abweichende Meinung vertritt das
Bundesamt für Justiz in VPB 58/1994 Nr. 65 S. 514 ff. E. 4 und 5. Nach
dessen Auffassung soll sich aus der Zielsetzung der Opferhilfe ergeben,
dass alle in der Schweiz lebenden Opfer von Straftaten Anspruch auf
längerfristige Beratung im Sinne von Art. 3 OHG haben, auch wenn die Tat im
Ausland begangen worden ist und das Opfer erst nachträglich in die Schweiz
eingereist ist (z.B. gefolterte Asylbewerber). Dieser Auffassung des
Bundesamts kann aufgrund der in E. 2e vorgenommenen Auslegung von Art. 3
OHG nicht gefolgt werden. Als Mindestvoraussetzung für die Inanspruchnahme
von Opferhilfeleistungen gemäss Art. 3 OHG erscheint es erforderlich,
dass ein Opfer im Zeitpunkt der im Ausland begangenen Straftat, auf welche
der Anspruch auf Beratung gestützt wird, eine hinreichende Beziehung zur
Schweiz unterhielt.

    Auch in der Literatur wird die Ansicht vertreten, die Straftat
müsse Wirkungen in der Schweiz entfalten und das schweizerische oder
ausländische Opfer eine Verbindung mit der Schweiz haben (vgl. BLAISE
KNAPP, Kommentar zur BV 1874, N. 20 zu Art. 64ter). Die Opfereigenschaft
gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG ist nach dieser Ansicht ebenfalls nicht allein
von den in diesem Artikel wörtlich umschriebenen S-achvoraussetzungen
abhängig (vgl. dazu BGE 122 II 211 E. 3 S. 214; 122 IV 71 E. 3 S. 76;
120 Ia 101 E. 1b). Vielmehr bedarf es auch für den Anspruch auf Beratung
gemäss Art. 3 OHG einer Beziehung zur Schweiz, welche über die blosse
Hilfsbedürftigkeit des Gesuchstellers im Zeitpunkt der Einreichung des
Gesuchs hinaus geht, wenn die Straftat nicht in der Schweiz begangen
wurde. Aufgrund der umfassenden Hilfeleistungen, die nach Art. 3 OHG dem
Opfer sofort im Anschluss an die Straftat angeboten werden sollen und
soweit nötig anschliessend länger gewährt werden, ist in diesem Fall
in der Regel erforderlich, dass die durch eine im Ausland erlittene
Straftat unmittelbar in ihrer Integrität beeinträchtigte Person im
Zeitpunkt der Tat ihren Wohnsitz in der Schweiz hatte, um die Leistungen
der kantonalen Beratungsstellen beanspruchen zu können. Dies traf denn
auch für das tödlich verunfallte Opfer in BGE 122 II 315 zu. Ob daneben
unter Umständen für gewisse Arten von Hilfeleistungen andere persönliche
Beziehungen des Opfers zur Schweiz wie z.B. die Staatsangehörigkeit in
Betracht fallen, kann vorliegend offen bleiben. Jedenfalls bedarf es bei
einer im Ausland erlittenen Straftat für den Anspruch auf Opferhilfe im
Sinne von Art. 3 OHG einer persönlichen Beziehung des Opfers zur Schweiz,
die im Zeitpunkt der Straftat bestehen muss. Dieses Erfordernis gilt erst
recht für die Übernahme weiterer Kosten nach Art. 3 Abs. 4 OHG, welche
sachlich zum Schaden gehören, der nach der schweizerischen Rechtsordnung
vom Täter gemäss Art. 41 OR zu ersetzen ist und unter den einschränkenden
Voraussetzungen gemäss Art. 11 ff. OHG Gegenstand der Entschädigung bilden
kann (s. vorne E. 2c/bb).

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer hatte im Zeitpunkt, als er Opfer
der Straftaten im Ausland wurde, aus denen er die erhebliche
Beeinträchtigung seiner Integrität ableitet, keinerlei persönliche
Beziehungen zur Schweiz. Dass er im Anschluss an die im Ausland erlittenen
Integritätsschäden Beziehungen zur Schweiz aufnahm, vermag die für die
Inanspruchnahme kantonaler Opferhilfe erforderliche persönliche Beziehung
zur Schweiz im Zeitpunkt der Straftat nicht zu ersetzen. Die Vorinstanz
hat daher zutreffend erkannt, dass der Beschwerdeführer gestützt auf
das Opferhilfegesetz keine Hilfe beanspruchen kann und die kantonalen
Beratungsstellen insbesondere nicht zur Leistung von Schadenersatz im Sinne
von Art. 3 Abs. 4 OHG verpflichtet sind. Ob der Beschwerdeführer gestützt
auf andere gesetzliche Grundlagen, insbesondere die Asylgesetzgebung, Hilfe
zur Überwindung seiner traumatischen Kriegserlebnisse und Folterfolgen
beanspruchen kann, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.