Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 II 21



126 II 21

3. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13.
Januar 2000 i.S. SRG gegen Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und
Fernsehen sowie X. und Mitunterzeichner (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 11 Ziff. 2 des Europäischen Übereinkommens über das
grenzüberschreitende Fernsehen; Art. 15 Abs. 1 lit. d der Radio- und
Fernsehverordnung; Zuständigkeit zur Prüfung der Rundfunkrechtskonformität
einer Werbung für alkoholfreies Bier ("Schlossgold"-Werbung).

    Die Frage, ob ein Produkt trotz Werbeverbots bzw. in Umgehung
eines solchen unzulässigerweise beworben und der Zuschauer dadurch
getäuscht worden ist, obliegt in der Regel - und im konkreten Fall -
der konzessionsrechtlichen Aufsichtsbehörde und nicht der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (E. 2d).

Sachverhalt

    Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) strahlte
während der Fussballweltmeisterschaft 1998 auf ihren fünf Sendern
insgesamt 486 Mal einen Werbespot des Unternehmens "Feldschlösschen"
aus: Dieser zeigte zwei Fussballmannschaften bei der Rückkehr in die
Kabine. Ein Spieler der Verlierermannschaft tauscht sein Trikot mit einem
der Sieger, um mit diesen feiern und der Kritik des eigenen Trainers
entgehen zu können. Die Mannschaft gruppiert sich um einen Behälter mit
Flaschen und Eis. Der Inhalt der Flaschen wird in Biergläser gefüllt,
worauf in Nahaufnahmen die Gesichter von einzelnen Spielern zu sehen
sind, bevor ein mit Bier gefülltes Glas eingeblendet wird, welches das
Logo und den Firmennamen "Feldschlösschen" trägt. Zum Schluss werden
das Logo mit dem Firmennamen "Feldschlösschen", die Produktemarke des
alkoholfreien Biers "Schlossgold" und der Werbespruch "Das Leben macht
durstig" eingeblendet. Die letzte Sequenz besteht aus einem Bierglas und
einer Flasche mit dem Markennamen "Schlossgold"; in der rechten unteren
Ecke des Bildschirms taucht dabei der Vermerk "alkoholfrei" auf.

    Am 22.  Januar 1999 hiess die Unabhängige Beschwerdeinstanz für
Radio und Fernsehen (im Weitern auch Beschwerdeinstanz oder UBI) eine
von X. und Mitunterzeichnern hiergegen eingereichte Popularbeschwerde
gut, soweit sie darauf eintrat; gleichzeitig stellte sie fest,
"dass die Feldschlösschen-Werbung während den Übertragungen der
Fussball-Weltmeisterschaft die Programmbestimmungen verletzt" habe. Der
beanstandete Werbespot sei mit dem Verbot irreführender Werbung nicht
vereinbar (Art. 11 Ziff. 2 des Europäischen Übereinkommens über das
grenzüberschreitende Fernsehen vom 5. Mai 1989 [EUGF; SR 0.784.405]
bzw. Art. 15 Abs. 1 lit. d der Radio- und Fernsehverordnung vom
6. Oktober 1997 [RTVV; SR 784.401]). Weil die Werbung für das Unternehmen
"Feldschlösschen" gegenüber jener für die im Vergleich relativ unbekannten
Marke "Schlossgold" überwogen hätte, habe beim Publikum der Eindruck
entstehen müssen, "die Fussballer würden nach einem anstrengenden Match
ein eisgekühltes Bier des Unternehmens 'Feldschlösschen' und damit ein
alkoholhaltiges Bier trinken". Die Beschwerdeinstanz nahm die Eingabe
von X. und Mitunterzeichnern nicht an die Hand, soweit darin eine
Verletzung des Werbeverbots für alkoholische Getränke gerügt worden
war (Art. 18 Abs. 5 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio
und Fernsehen [RTVG; SR 784.40] bzw. Art. 15 Abs. 1 lit. b RTVV); zur
Prüfung dieses Einwands sei das Bundesamt für Kommunikation als allgemeine
Aufsichtsbehörde zuständig.

    Die SRG hat gegen den Entscheid der UBI am 30. April 1999 beim
Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag,
diesen aufzuheben. Die Beschwerdeinstanz sei zu dessen Erlass unzuständig
gewesen; zudem sei der beanstandete Spot nicht irreführend.

    Die Unabhängige Beschwerdeinstanz beantragt, die Rechtsbegehren
der SRG abzuweisen. X. und die Mitunterzeichner der Popularbeschwerde
haben sich nicht vernehmen lassen. Das Eidgenössische Departement für
Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation stellt als weiterer Beteiligter
(Art. 110 Abs. 1 OG) keinen ausdrücklichen Antrag, hält aber - wie bereits
das Bundesamt für Kommunikation im Verfahren vor der Beschwerdeinstanz
- ausschliesslich die konzessionsrechtlichen Aufsichtsbehörden für die
Beurteilung der umstrittenen Frage zuständig.

    Am 15. November 1999 erklärte das Bundesamt für Kommunikation die SRG
wegen der Ausstrahlung des "Feldschlösschen"-Spots der schweren Verletzung
der Vorschriften über die Werbung schuldig und verurteilte sie zu einer
Busse von Fr. 5'000.-. Zudem zog es den aus der umstrittenen Werbung
erwirtschafteten Gewinn von Fr. 548'023.- ein.

    Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und
hebt den angefochtenen Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- d) aa) Mit der "Feldschlösschen"-Reklame stand ein im Rahmen
von Werbeblöcken ausgestrahlter Spot zur Diskussion. Die Unabhängige
Beschwerdeinstanz verneinte ihre Zuständigkeit, soweit umstritten war,
ob dieser das Werbeverbot für alkoholische Getränke verletzte, da es
sich dabei "primär um eine Frage der Einhaltung eines klar vorgegebenen
Werberahmens handelt, wofür das BAKOM zuständig" sei. Sie erachtete
sich aber für befugt, parallel dazu zu prüfen, ob der beanstandete Spot
eine verpönte "irreführende Werbung" im Sinne von Art. 11 Ziff. 2 EUGF
bzw. Art. 15 Abs. 1 lit. d RTVV darstellte. Zu Unrecht:

    bb) Zwar ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass bei der
Kompetenzabgrenzung nicht allein entscheidend sein kann, ob es sich um eine
Wirtschaftswerbung handelt oder nicht, sondern in erster Linie die sich
stellenden rechtlichen Fragen ausschlaggebend sein müssen. Stehen dabei
inhaltliche, die Meinungs- und Willensbildung des Publikums tangierende
Aspekte im Vordergrund, ist primär die Beschwerdeinstanz zuständig,
bei Gesichtspunkten finanzieller oder betrieblicher Art dagegen das
Bundesamt. Ob ein Spot als solcher "täuschend" wirkt, beschlägt zwar -
wie die Frage, ob eine Sendung im redaktionellen Teil des Programms dem
Zuschauer erlaubte, sich ein eigenes Bild zu machen - die Transparenz und
die Meinungs- und Willensbildung, weshalb auch insofern eine Zuständigkeit
der UBI nicht zum Vornherein auszuschliessen ist. Eine solche muss
jedoch entfallen, wenn die Täuschung des Zuschauers - wie hier - gerade
und ausschliesslich darin liegen soll, dass ein bestimmtes Produkt trotz
Werbeverbots bzw. in Umgehung eines solchen beworben wird.

    cc) Die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen
Finanzierungsvorschriften obliegt der konzessionsrechtlichen
Aufsichtsbehörde, die im vorliegenden Fall von Amtes wegen tätig
wurde. Die Beschwerdeinstanz kam ihrerseits zum Schluss, dass mit dem
umstrittenen Spot nicht in erster Linie auf das vordergründig beworbene
Produkt (alkoholfreies Bier der Marke "Schlossgold") Bezug genommen
wurde, sondern primär eine Werbewirkung für "Feldschlösschen"-Bier
im Allgemeinen und insbesondere das alkoholhaltige erzielt werden
sollte. Wenn sie davon ausging, das Publikum sei deswegen insofern
getäuscht worden, als gestützt auf den konkreten Spot der Eindruck habe
entstehen müssen, "die Fussballer würden nach einem anstrengenden Match
ein eisgekühltes Bier des Unternehmens 'Feldschlösschen' und damit ein
alkoholhaltiges Bier trinken", beurteilte sie letztlich nichts anderes,
als die - auch nach ihrem Entscheid - gerade dem Bundesamt vorbehaltene
Frage, ob das Werbeverbot für alkoholhaltige Getränke verletzt worden
ist. Wie im Entscheid "Camel Trophy", wo eine Umgehung des Werbeverbots
für Tabakwaren mittels Imagetransfers zu beurteilen war, stand damit
vorliegend ausschliesslich die Zulässigkeit einer Wirtschaftswerbung und
damit ein finanzrechtlicher Aspekt zur Diskussion, dessen Beurteilung den
Konzessionsbehörden vorbehalten ist (BGE 118 Ib 356 E. 3). Beschlägt
die Täuschung des Zuschauers ein konkretes Werbeverbot, das aus
gesundheitspolitischen Gründen der Werbung als Finanzierungsmittel
Grenzen setzt, bestehen weder staats- noch medienpolitische Gründe, die
entsprechende Kontrolle den konzessionsrechtlichen Aufsichtsbehörden zu
entziehen. Die betriebsrechtlichen Aspekte überwiegen in diesem Fall,
und der mit der Umgehung des Werbeverbots verbundenen Täuschung kommt
keine eigenständige Bedeutung zu. Die allgemeine Aufsicht über das
Geschäftsgebaren des Konzessionärs ist nicht Sache der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz (vgl. BGE 118 Ib 356 E. 3a S. 360 mit Hinweisen).

    dd) Der Tatbestand der "täuschenden Werbung" darf nicht so weit
ausgedehnt werden, dass den übrigen Werbeverboten keine eigenständige
Bedeutung mehr zukommt; jeder Werbung wohnt ein gewisses manipulatives
Element inne (vgl. BGE 123 II 402 E. 3b S. 410). Nach den Erläuterungen zu
Art. 11 Ziff. 2 EUGF, wonach täuschende bzw. den Interessen der Konsumenten
schadende Werbung untersagt ist, bezieht sich diese Regelung vorab
auf Fälle, in denen das Vertrauen oder die Unkenntnis des Konsumenten
ausgenutzt wird (Rapport explicatif relatif à la Convention européenne
sur la télévision transfrontière, Strasbourg 1990, Rz. 161, S. 37). Die
Umgehung des Werbeverbots für alkoholische Getränke fällt nicht hierunter,
sondern missachtet vorab direkt das entsprechende, Gegenstand der
Finanzierungsvorschriften bildende Werbeverbot. Entgegen dem weiteren
Einwand der Beschwerdeführerin sind Art. 11 Ziff. 2 EUGF bzw. Art. 15
Abs. 1 lit. d RTVV aber keine wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen ohne
eigenständige Bedeutung. Das Verbot der irreführenden Werbung in Art. 15
Abs. 1 lit. d RTVV ist rundfunkrechtlicher Natur und kann deshalb bei
einer Verletzung auch unabhängig von wettbewerbsrechtlichen Verfahren
konzessionsrechtliche Sanktionen seitens der Aufsichtsbehörden nach
sich ziehen.