Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 III 8



126 III 8

3. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. November 1999
i.S. Z. gegen Y. und Obergericht des Kantons Aargau (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Unterhalt im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen nach Art.  145 ZGB;
Aufteilung des Überschusses nach Abzug des Zwangsbedarfs beider Ehegatten
von ihrem Gesamteinkommen.

    Bleibt nach Abzug des Zwangsbedarfs der Haushalte beider Ehegatten von
deren Gesamteinkommen ein Überschuss, so ist dieser lediglich dann jedem
Ehegatten zur Hälfte gutzuschreiben, wenn sich zwei Einpersonenenhaushalte
gegenüberstehen. Eine Aufteilung nach Hälften rechtfertigt sich nicht,
wenn ein Ehegatte für minderjährige Kinder aufzukommen hat (Präzisierung
der Rechtsprechung; E. 3c).

Sachverhalt

    A.- Im Scheidungsverfahren der Eheleute Z. (nachstehend:
Klägerin oder Beschwerdeführerin) und Y. (nachstehend: Beklagter oder
Beschwerdegegner) erliess das Gerichtspräsidium Bremgarten vorsorgliche
Massnahmen für die Dauer des Verfahrens; es stellte die drei ehelichen
Kinder X. (geb. 29. September 1993), W. (geb. 4. Februar 1995) und
V. (geb. 1. April 1997) unter die Obhut der Klägerin und verpflichtete
den Beklagten, zu Beginn jeden Monats zum Unterhalt der Kinder mit je
Fr. 900.- und zu jenem der Klägerin mit Fr. 2'700.- beizutragen.

    B.- Gegen die Regelung der Unterhaltsbeiträge für Klägerin und Kinder
führten beide Parteien Beschwerde, die das Obergericht (5. Zivilkammer)
des Kantons Aargau jedoch abwies.

    C.- Die Klägerin hat die Festsetzung der Unterhaltsbeiträge für sie
und die Kinder mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV angefochten.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- c) Die kantonalen Instanzen haben nicht vorab den Beitrag an den
Unterhalt der Kinder gemäss den Kriterien des Art. 285 ZGB festgesetzt
und erst in einem zweiten Schritt jenen für die Ehefrau bestimmt. Vielmehr
wurde ein Gesamtunterhalt ermittelt und in der Folge auf Frau und Kinder
aufgeteilt. Dabei haben sie die erweiterten Existenzminima der beiden
Haushalte errechnet, alsdann die Minima vom berücksichtigten Einkommen des
Beschwerdegegners abgezogen und anschliessend den verbleibenden Betrag
beiden Haushalten je zur Hälfte gutgeschrieben. Die Beschwerdeführerin
beanstandet in diesem Zusammenhang zu Recht als willkürlich, dass die
Aufteilung des Freibetrages streng nach Hälften vorgenommen und damit
dem Umstand nicht Rechnung getragen worden sei, dass sich nicht zwei
Einpersonenhaushalte gegenüberstehen.

    Die kantonalen Instanzen haben nicht begründet, weshalb auch im
vorliegenden Fall der Nettoüberschuss hälftig aufzuteilen ist. Dies dürfte
wohl daher rühren, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung jeweils
kantonale Entscheide als willkürlich betrachtet hat, welche ohne nähere
Begründung eine andere als die hälftige Aufteilung des Überschusses in
Betracht gezogen haben (vgl. BGE 111 II 103; 114 II 26 E. 7; 115 II 424
E. 3 und 119 II 314 E. 4b/dd). Bei diesen Entscheiden fällt indessen
auf, dass die Ehen entweder kinderlos waren (BGE 114 II 26; 115 II 424
und 119 II 314) oder aber die Eltern für den Unterhalt der Kinder nicht
mehr aufzukommen hatten (BGE 111 II 103), womit sich im Ergebnis bei der
Aufteilung des Freibetrages zwei Einpersonenhaushalte gegenüberstanden;
dass sich die hälftige Aufteilung unter solchen Umständen ohne weiteres
aufdrängt und somit keiner näheren Begründung bedarf, versteht sich von
selbst. In der Lehre wird indessen dafürgehalten, dass die hälftige
Aufteilung des Überschusses zu unhaltbaren Ergebnissen führe, wenn
eine Partei - wie im konkreten Fall - mit dem Unterhaltsbeitrag auch
die Kosten für die Kinder begleichen müsse (GEISER, Neuere Tendenzen
in der Rechtsprechung zu den familienrechtlichen Unterhaltspflichten,
AJP 1993 S. 907; LÜCHINGER/GEISER, Basler Kommentar, N. 17 zu Art. 145
ZGB). Begründet wird eine verschiedene Aufteilung des Freibetrages
damit, dass auch die Kinder an der höheren Lebenshaltung der Parteien
teilhaben sollen. Dem angefochtenen Entscheid ist nicht zu entnehmen,
weshalb dem Umstand nicht Rechnung getragen wurde, dass sich nicht
zwei gleichartige Haushalte, sondern auf der einen Seite jener der
Beschwerdeführerin und der drei minderjährigen Kinder, auf der anderen
hingegen der Einpersonenhaushalt des Beschwerdegegners gegenüberstehen.
Damit aber hat das Obergericht ohne erkennbaren Grund einem wesentlichen
Kriterium, das bei der Aufteilung des Freibetrages hätte berücksichtigt
werden müssen, keine Beachtung geschenkt und folglich sein Ermessen
überschritten (BGE 109 Ia 107 E. 2c mit Hinweisen).