Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 III 521



126 III 521

91. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. September 2000
i.S. Freistaat Bayern gegen Alpina Versicherungs-AG (Berufung) Regeste

    Lohnfortzahlungspflicht; Regress des Arbeitgebers (Art.  51 Abs. 2 OR).

    Ersatzanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Schädiger des
Arbeitnehmers für geleistete Lohnfortzahlung (E. 2a und 2b).

    Umfang des Regressanspruchs (E. 2c).

Sachverhalt

    Eine bei der Alpina Versicherungs-AG (Beklagte) versicherte
Autolenkerin verursachte einen Unfall, bei dem ein beim Freistaat Bayern
(Kläger) angestellter Arbeitnehmer verletzt wurde. Während dessen
Arbeitsunfähigkeit zahlte der Kläger weiterhin Lohn und richtete die
Nebenleistungen aus. Die Beklagte anerkennt grundsätzlich ihre Haftpflicht
und hat dem Kläger die Lohnzahlungen mit DM 18'380.15 ersetzt. Dieser
verlangt zusätzlich DM 11'800.- für sämtliche Leistungen, die er infolge
der Lohnfortzahlungspflicht für den Arbeitnehmer erbracht hat. Das
Bezirksgericht Zürich wies die Klage ab, während das Obergericht des
Kantons Zürich sie teilweise guthiess. Gegen diesen Entscheid führen beide
Parteien Berufung. Das Bundesgericht heisst die Berufung der Beklagten
gut und weist die Klage ab, da der von der Beklagten ausbezahlte Betrag
den Regressanspruch des Klägers übersteigt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Das besondere Problem des zu beurteilenden Falles liegt
im Umstand, dass der in seinem absoluten Recht verletzte Arbeitnehmer
keinen Vermögensschaden erleidet, da er seinen Erfüllungsanspruch aus
Arbeitsvertrag behält. Dieser Anspruch auf Lohnzahlung wird auch dann
nicht zu einem solchen auf Schadenersatz, wenn der Arbeitnehmer an
der Erbringung seiner Leistung gehindert ist. Nachdem der am Vermögen
geschädigte Arbeitgeber weder in einem absoluten Recht verletzt ist
noch sich auf eine spezielle Norm berufen kann, die den Schutz seines
Vermögens vor Beeinträchtigungen der eingetretenen Art bezweckt, gebricht
es grundsätzlich am Erfordernis der Widerrechtlichkeit der Schädigung des
Arbeitgebers (BGE 123 III 306 E. 4a S. 312; 122 III 176 E. 7b S. 192;
118 Ib 473 E. 2b S. 476). Sein Schaden erweist sich somit als Reflex-
oder Drittschaden, der nach allgemeinen Prinzipien des Schadensrechts
nicht zu ersetzen ist (BGE 104 II 95 E. 2a S. 98; 102 II 85 E. 6c S. 90;
vgl. auch 109 II 4 E. 3 S. 7; BREHM, Berner Kommentar, 2. Aufl., Bern 1998,
N. 20 ff. zu Art. 41 OR mit Hinweisen).

    b) Während die Regressansprüche der Privat- und Sozialversicherer für
Vorleistungen zufolge Drittschädigung ihrer Versicherten in speziellen
gesetzlichen Subrogationsregeln gründen (Art. 72 VVG [SR 221.229.1];
Art. 41 UVG [SR 832.20]; Art. 48ter ff. AHVG [SR 831.10]; Art. 52
IVG [SR 831.20]; Art. 79 KVG [SR 832.10] und Art. 67 MVG [SR 833.1]),
fehlen solche mit Bezug auf Lohnfortzahlungen bei Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers. Indessen ist allgemein anerkannt, dass der Arbeitgeber
den haftpflichtigen Dritten belangen kann. Ihn anders zu behandeln als
etwa den Versicherer, der nach Art. 324b OR an seiner Stelle den Lohn
bezahlt, wäre weder einleuchtend noch billig und liefe entgegen dem Zweck
sowohl der Lohnfortzahlungspflicht wie auch der haftpflichtrechtlichen
Verantwortlichkeitsanschauung auf einen Schutz des Schädigers des
Arbeitnehmers hinaus (BREHM, aaO, N. 31 zu Art. 41 OR mit Hinweisen). Da
sich im Gesetz keine Regelung bezüglich des Regressanspruchs des
Arbeitgebers findet, liegt insoweit eine Gesetzeslücke vor. Diese ist in
analoger Anwendung von Art. 51 Abs. 2 OR zu schliessen. Eine unmittelbare
Anwendung dieser Bestimmung fällt ausser Betracht, da der Arbeitgeber nicht
zum Kreis der gemäss Art. 51 OR Haftpflichtigen zählt, sondern mit der
Lohnzahlung unabhängig vom schädigenden Ereignis seine gesetzliche oder
vertragliche Leistungspflicht erfüllt (vgl. BREHM, aaO, N. 31 zu Art. 41
OR; ROBERTO, Schadensrecht, Basel 1997, S. 41 je mit Hinweisen). Da der
Arbeitgeber seinen Vertrag erfüllt und nicht aus Schlechterfüllung für
den entstandenen Schaden haftet, kann die in Art. 51 Abs. 2 OR vorgesehene
Abstufung nach der Haftung aus unerlaubter Handlung, Vertrag oder Gesetz
nicht auf die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers übertragen werden. Der
Regress steht dem Arbeitgeber auch gegenüber einem kausal Haftenden zu,
da sich die Lohnfortzahlungspflicht nicht zu dessen Gunsten auswirken
soll (PIERRE WIDMER, "Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt,
verpflichtet dessen Arbeitgeber zum Ersatz", in: SJZ 73/1977 S. 283,
287). Der Arbeitgeber ist diesbezüglich den subrogierenden Sozial- und
Schadensversicherern gleichzustellen, auch wenn diese ihre Rechtsstellung
bereits im Unfallzeitpunkt erlangt haben (SCHAER, "Hard cases make bad
law" oder OR 51/2 und die regressierende Personalvorsorgeeinrichtung,
in: recht 9/1991 S. 20 f.).

    c) Die Frage, in welchem Umfang der Haftpflichtige die vom Arbeitgeber
erbrachten Leistungen zu ersetzen hat, ist aus dem mit dem Regressanspruch
verfolgten Zweck zu beantworten. Soll der Anspruch nach dem oben Gesagten
eingeräumt werden, damit der Schädiger nicht privilegiert wird (E.
2b), soll der Schädiger aus dem Umstand, dass der Schadenersatzanspruch
in der Form eines Regressanspruches des Arbeitgebers geltend gemacht
wird, auch nicht benachteiligt werden. Abzustellen ist mithin auf den
hypothetischen Schaden, den der Arbeitnehmer ohne die Zahlungen des
Arbeitgebers erlitten hätte.