Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 III 462



126 III 462

79. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. September 2000
i.S. Siska Heuberger Holding AG und BW Holding AG gegen Klimavent AG
(Berufung) Regeste

    Zur Identität des Grundstücks bei der vorläufigen und bei der
definitiven Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts.

    Das innert der Dreimonatsfrist des Art. 839 Abs. 2 ZGB für den ganzen
Forderungsbetrag vorläufig auf dem Gesamtgrundstück selbst eingetragene
Bauhandwerkerpfandrecht kann nicht nach Ablauf der Frist auf den beiden
Miteigentumsanteilen des Gesamtgrundstücks je für einen bestimmten Anteil
der Forderung definitiv eingetragen werden (E. 1-3).

Sachverhalt

    A.- Nachdem am 1. April 1996 beim Umbau des Restaurants Schnipo
in Frauenfeld die Lüftungsanlage fertig gestellt worden war, erwirkte
die Klimavent AG als Unternehmerin die vorläufige Eintragung eines
Bauhandwerkerpfandrechts für den Betrag von Fr. 31'344.10 nebst Zins auf
der im Miteigentum der Siska Heuberger Holding AG und der BW Holding AG
stehenden Stockwerkeinheit StWE-Blatt Nr. 387, Stammgrundstück E.Blatt
1824, Grundbuch Frauenfeld. Die Eintragung erfolgte am 28. Juni 1996.

    B.- In der gegen die beiden Miteigentümerinnen erhobenen
Klage verlangte die Klimavent AG, es sei zu Lasten der hälftigen
Miteigentumsanteile an der Stockwerkeinheit je ein Bauhandwerkerpfandrecht
von Fr. 13'060.04 nebst Zins definitiv einzutragen. Mit Urteil vom 16. Mai
1998 gab das Bezirksgericht Frauenfeld diesem Begehren statt. Die gegen
dieses Urteil eingereichte kantonale Berufung der Beklagten wies das
Obergericht des Kantons Thurgau am 3. Juni 1998 ab.

    C.- Die Beklagten haben eidgenössische Berufung erhoben mit dem
Begehren, die Ziffern 1 und 2 des obergerichtlichen Urteils aufzuheben
und das Grundbuchamt Frauenfeld anzuweisen, die zu Lasten ihrer
Miteigentumsanteile vorläufig eingetragenen Bauhandwerkerpfandrechte zu
löschen. Klägerin und Obergericht beantragen Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Streitig ist im vorliegenden Fall, ob das innert der
Dreimonatsfrist des Art. 839 Abs. 2 ZGB vorläufig auf der Sache (dem
Gesamtgrundstück; hier eine Stockwerkeinheit) selbst eingetragene
Bauhandwerkerpfandrecht nach Ablauf der Frist aufgeteilt und auf
seinen beiden Miteigentumsanteilen, je zu einer bestimmten Quote
definitiv eingetragen werden kann. Klägerin und Obergericht erachten
dies als zulässig. Während das Zürcher Obergericht (ZR 87/1988 S. 41)
diese Frage in seinem Entscheid vom 25. Februar 1986 - wenn auch ohne
nähere Begründung - verneinte, äusserte sich das Bundesgericht, das
sich mit diesem Fall danach beschäftigte, nicht dazu: Es schloss sich
vielmehr der obergerichtlichen Eventualbegründung an, wonach sich die
ursprüngliche Belastung der Gesamtliegenschaft als unzulässig erwies,
weil Miteigentumsanteile bereits vor der Gesamtliegenschaft belastet
worden waren (Art. 648 Abs. 3 ZGB; BGE 113 II 157).

Erwägung 2

    2.- a) Miteigentumsanteile an Grundstücken sind Grundstücke im Sinne
des Gesetzes (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB). Gemäss Art. 646 Abs. 3 ZGB
hat jeder Miteigentümer für seinen Anteil die Rechte und Pflichten eines
Eigentümers, und es kann dieser Anteil von ihm veräussert und verpfändet
und von seinen Gläubigern gepfändet werden. Miteigentumsanteile an
Grundstücken können als Grundstücke in das Grundbuch aufgenommen
werden (Art. 943 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB). Beim Papiergrundbuch wird für
den Miteigentumsanteil dann ein besonderes Blatt angelegt, wenn es im
Interesse der Klarheit und der Übersichtlichkeit der Einträge liegt
(Art. 10a Abs. 1 der Verordnung vom 22. Februar 1910 betreffend das
Grundbuch [GBV; SR 211.432.1]); für Stockwerkeigentum ist ein besonderes
Grundbuchblatt zwingend anzulegen (Art. 10a Abs. 2 GBV). Wird das
Grundbuch mit elektronischer Datenverarbeitung geführt, so müssen die
Anteile an selbstständigem Grundeigentum als Grundstücke im Grundbuch
aufgenommen werden (Art. 111c GBV). Ist für den Miteigentumsanteil
beim Papiergrundbuch kein besonderes Blatt angelegt worden, sind die
Miteigentümer mit einer Ziffer oder Litera zu bezeichnen (Art. 31 Abs. 1
lit. e GBV). Die Eintragung der Verpfändung von Miteigentumsanteilen soll
in diesem Fall die Bezeichnung des verpfändeten Anteils in der Kolumne
"Bemerkungen", z.B. "am Anteil Litera .... des NN" oder "am Anteil Ziffer
... des NN", enthalten (Art. 47 Abs. 1 GBV).

    b) Miteigentumsanteile können mit Bauhandwerkerpfandrechten belastet
werden (BGE 111 II 31 E. 3). Grundsätzlich hat der Bauunternehmer die Wahl,
ob er die Gesamtliegenschaft oder die einzelnen Miteigentumsanteile -
anteilsmässig - belasten will (SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht,
2. Aufl. Zürich 1982, S. 89, Rz. 354, vgl. BGE 111 II 31 E. 3). Beim
Stockwerkeigentum als Sonderfall des Miteigentums können wertvermehrende
Leistungen zum Zweck der individuellen Ausgestaltung der Stockwerkeinheit
nur durch ein Baupfand auf dem jeweiligen Miteigentumsanteil gesichert
werden (BGE 111 II 31 E. 4b; 112 II 214 E. 4; 125 III 113 E. 3a), während
der Bauunternehmer für die Bauarbeiten an gemeinschaftlichen Bauteilen
die Wahl behält, entweder die Gesamtliegenschaft zu belasten oder die
Forderung auf die Stockwerkeinheiten aufzuteilen (SCHUMACHER, aaO, S. 97,
Rz. 383). Eingeschränkt ist das Wahlrecht freilich dadurch, dass die Sache
selber nicht mehr mit Grundpfandrechten belastet werden kann, wenn an den
Miteigentumsanteilen bereits Pfandrechte bestehen (Art. 648 Abs. 3 ZGB),
was auch für das Bauhandwerkerpfandrecht als mittelbares gesetzliches
Pfandrecht gilt (BGE 113 II 157).

    c) aa) Nach Art. 839 Abs. 2 ZGB hat die Eintragung des Pfandrechts der
Handwerker und Unternehmer bis spätestens drei Monate nach der Vollendung
ihrer Arbeit zu geschehen. Die Eintragung muss tatsächlich erfolgt sein;
es genügt nicht, sie innert Frist zu verlangen (BGE 119 II 429 E. 3a
mit Hinweisen auf die Lehre und frühere Rechtsprechung). Es handelt sich
um eine Verwirkungsfrist, für deren Wahrung die vorläufige Eintragung in
Gestalt einer Vormerkung (Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB; Art. 22 Abs. 4 GBV)
ausreicht (BGE 89 II 304 E. 3 S. 306; 119 II 429 E. 3a). Die vorläufige
Eintragung bewirkt, dass das durch die spätere definitive Eintragung
geschaffene Pfandrecht in seinen Wirkungen auf den Tag der vorläufigen
Eintragung zurückbezogen wird (Art. 961 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 972 ZGB;
HOMBERGER, Zürcher Kommentar, N. 40 zu Art. 961 ZGB); es geht den in der
Zwischenzeit eingetragenen Pfandrechten im Range vor (SCHUMACHER, aaO,
S. 214 f., Rz. 740; ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de
lege ferenda, ZSR 101/1982 II S. 160). Im Grundbuch wird die Vormerkung
der vorläufigen Eintragung von Amtes wegen gelöscht (Art. 76 Abs. 1 GBV),
während die endgültige Eintragung mit dem Datum der gelöschten Vormerkung
versehen wird (Art. 76 Abs. 2 GBV).

    bb) Bereits aus dem Zusammenhang zwischen vorläufiger und definitiver
Eintragung des Pfandrechts folgt, dass das belastete Grundstück sowohl
bei der vorläufigen als auch bei der definitiven Eintragung identisch
sein muss. Dies ergibt sich aber auch aus einer anderen Überlegung:

    Da das Pfandrecht an der Sache und jenes am Anteil rechtlich nicht
den gleichen Gegenstand haben, kann es zwischen ihnen kein Rangverhältnis
im Sinne von Art. 813 ff. ZGB geben. Die Pfandrechte stehen vielmehr je
unter sich in einem eigenen Rangverhältnis (BGE 95 I 568 E. 1 S. 571;
BRUNNER/WICHTERMANN, Basler Kommentar, N. 31 zu Art. 646 ZGB). Das
Pfandrecht ist mit dem Grundstück, an welchem es errichtet ist, fest
verbunden. Eine Verlegung kann allenfalls bei einer Baulandumlegung
erforderlich werden (BGE 95 II 22; SCHUMACHER, aaO, S. 83 f., Rz. 328 ff.).
Hingegen ist es nicht möglich, die innert Frist erfolgte Vormerkung einer
vorläufigen Eintragung auf ein anderes Grundstück zu übertragen, und zwar
auch dann nicht, wenn die Vormerkung der vorläufigen Eintragung auf dem
Gesamtgrundstück erfolgt ist, für die definitive Eintragung aber eine
Verlegung auf die Miteigentumsanteile verlangt wird. Solches zuzulassen
trüge dem Umstand nicht Rechnung, dass Miteigentumsanteile eigene, vom
Gesamtgrundstück verschiedene Grundstücke sind.

    cc) Eine Eintragung des Pfandrechts auf den beiden Miteigentumsanteilen
der Beklagten ist bisher nicht erfolgt. Die Frist von drei Monaten
seit Vollendung der Arbeiten ist längst abgelaufen. Die Vormerkung
der vorläufigen Eintragung auf der Stockwerkeinheit hat die Frist zwar
für diese gewahrt; mit dem Klagebegehren wurde aber nicht die definitive
Eintragung auf der Stockwerkeinheit, sondern auf den Miteigentumsanteilen
an der Stockwerkeinheit verlangt, die eigene Grundstücke bilden. Da es sich
zwischen der Stockwerkeinheit und den Miteigentumsanteilen um verschiedene
Grundstücke handelt, ist die Frist nicht eingehalten (in diesem Sinne auch:
Urteil des Zürcher Obergerichts, ZR 87/1988 S. 41; GASSER/MÄUSLI/WEBER,
in Münch/Karlen/Geiser [Hrsg.], Beraten und Prozessieren in Bausachen,
Basel 1998, S. 544 Rz. 13.22).

Erwägung 3

    3.- a) Im angefochtenen Urteil und in den Gegenbemerkungen
des Obergerichts wird unter Hinweis auf ein früheres Urteil
(Rechenschaftsbericht 1980 Nr. 10) damit argumentiert, bei einem
Gesamtpfandrecht könne nachträglich eine Aufteilung vorgenommen werden,
selbst wenn es zu Unrecht provisorisch eingetragen worden sei. Damit wird
indessen eine andere Situation beschrieben, als sie hier vorliegt. Bei
einem Gesamtpfand (Art. 798 ZGB) werden alle betroffenen Grundstücke
mit der gesamten Pfandsumme belastet (Art. 42 Abs. 1 GBV); auf den
vorliegenden Fall bezogen wäre demnach die vorläufige Eintragung auf den
beiden Miteigentumsanteilen unter Wahrung der Frist vorgenommen worden;
wird es als zulässig erachtet, vom Gesamtpfand auf Teilpfandrechte
überzugehen und eine Aufteilung vorzunehmen (so etwa: SCHUMACHER, aaO, S.
101 f., Rz. 396), so ergibt sich - abgesehen von jenem der Zulässigkeit
eines Gesamtpfandes (vgl. BGE 102 Ia 81) - kein Problem bezüglich der
Fristwahrung, weil jedes der in Frage stehenden Grundstücke rechtzeitig
belastet worden ist.

    b) Das Obergericht und die Klägerin erachten es als formalistisch,
wenn ein rechtzeitig auf dem Gesamtgrundstück eingetragenes Pfandrecht
nach Ablauf der Eintragungsfrist nicht auf die Miteigentumsanteile
übertragen und auf diesen definitiv eingetragen werden kann. Von der
sachenrechtlichen Gestaltung der Rechtsverhältnisse kann allerdings nicht
schon deshalb abgewichen werden, weil das Verwertungssubstrat das nämliche
ist. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise wäre allenfalls dann möglich,
wenn das Gesetz selber einen wirtschaftlichen Anknüpfungspunkt wählt,
was hier nicht zutrifft, oder wenn eine Gesetzesumgehung bzw. ein Verstoss
gegen Art. 2 ZGB vorläge (RIEMER, Wirtschaftliche Betrachtungsweise bei
der Auslegung im Privatrecht?, in Festgabe Juristentag 1994, Zürich 1994,
S. 134 ff.). Davon kann indes keine Rede sein, war es doch die Klägerin
selber, die ohne Veranlassung der Beklagten zunächst das Gesamtgrundstück
belasten liess, um das Pfandrecht später auf den Miteigentumsanteilen
übertragen zu wollen.

    Das Obergericht übersieht auch die Probleme, welche eine solche
Übertragung mit sich brächte. In der Zwischenzeit können nämlich weitere
Pfandrechte eingetragen worden sein. Es ist bereits ausgeführt worden,
dass die Sache selber nicht mehr mit Grundpfandrechten belastet werden
kann, wenn an den Miteigentumsanteilen bereits Pfandrechte bestehen
(Art. 648 Abs. 3 ZGB). Da das Pfandrecht an der Sache und jenes am
Anteil rechtlich nicht den gleichen Gegenstand haben, kann es zwar
kein Rangverhältnis zwischen ihnen geben (E. 2c/bb); weil sie aber über
dasselbe Verwertungssubstrat verfügen, muss trotzdem nach dem Prinzip
der Alterspriorität das ältere Pfandrecht dem jüngeren vorgehen. Um
unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Pfandverwertung zu vermeiden, haben
Pfandrechtsbelastungen an der Sache so zu erfolgen, dass die Pfandrechte
an den Anteilen nachgehen (BGE 95 I 568). Könnte nun ein provisorisch
auf der Sache eingetragenes Pfandrecht später auf die Miteigentumsanteile
übertragen werden, so ginge ein in der Zwischenzeit noch zulässigerweise
auf der Sache eingetragenes Pfandrecht dem auf die Miteigentumsanteile
übertragenen früheren Pfandrecht nach, was mit Art. 648 Abs. 3 ZGB nicht
zu vereinbaren wäre. Ähnlich problematisch wäre es, wenn zwischenzeitlich
weitere Eintragungen auf die Miteigentumsanteile erfolgt sein sollten. Ein
Pfandrecht, das bei der Eintragung noch den ersten Rang belegt, stünde
nach einer Übertragung des zuvor auf dem Gesamtgrundstück eingetragenen
Pfandrechts plötzlich im zweiten Rang, was die jedem Grundstück eigene
Rangordnung in der Pfandbelastung missachten würde (vgl. E. 2c/bb).