Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 III 322



126 III 322

57. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Juli 2000 i.S. WIR
Bank gegen Grill u. Mitb. (Berufung) Regeste

    Art. 13 Abs. 2 lit. c und e MSchG; Dienstleistungsmarke.

    Keine Verletzung der Schutzansprüche der Inhaberin der Marke "WIR"
durch die Verwendung der Begriffe "WIR-Guthaben", "WIR-Kauf" etc. durch
Dritte, die mit WIR-Guthaben Handel treiben.

Sachverhalt

    Die WIR Bank (Klägerin), eine Genossenschaft schweizerischen
Rechts mit Sitz in Basel, ist Inhaberin der Wortbildmarke WIR. Sie
bezweckt die wirtschaftliche Förderung der ihr angeschlossenen klein-
und mittelständischen Handels-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe durch
Schaffung gegenseitiger Aufträge. Sie führt unter ihren Mitgliedern einen
Verrechnungsverkehr mittels Guthaben von sogenannten WIR-Franken. Diesem
System können sich Unternehmen als Genossenschafter oder als offizielle
oder stille Teilnehmer anschliessen. Gemäss den für alle Mitglieder
geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin ist ihnen
der Handel mit WIR-Guthaben untereinander verboten und wird mit einer
Konventionalstrafe sanktioniert. Peter Grill und Gabriele, Stefan und
Herbert Gasser (Beklagte) inserierten seit geraumer Zeit unter dem Titel
"WIR-Börse" regelmässig in der Schweizer Tages- und Wochenpresse. Sie
boten an, WIR-Guthaben zu kaufen oder zu verkaufen. Nachdem die Klägerin
die Beklagten erfolglos zur Unterlassung der Insertionstätigkeit und
des Handels mit WIR-Guthaben aufgefordert hatte, beantragte sie dem
Zivilgericht Basel-Stadt mit Klage vom 6. Oktober 1997, den Beklagten die
Verwendung des Zeichens "WIR" im Zusammenhang mit ihren Dienstleistungen
zu verbieten. Das Zivilgericht verbot den Beklagten, für ihre Leistungen
den Begriff "WIR-Börse" zu verwenden; im Übrigen wies es die Klage ab. Die
Klägerin führt dagegen Berufung mit dem Antrag, die Klage vollumfänglich
gutzuheissen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin macht geltend, vorliegend gehe es um eine reine
Dienstleistungsmarke. Beziehe sich eine Marke auf eine bestimmte
Dienstleistung, so könne sie nicht darauf angebracht werden, wie dies
bei einer Warenmarke geschehen könne. Dienstleistungsmarken träten
deshalb in der Regel im Vorfeld der Dienstleistung in Erscheinung,
z.B. in der Werbung, auf dem Geschäftspapier oder als Anschrift auf einem
Gebäude. Eine derartige Verwendung der Marke sei nur zulässig, wenn sie zur
Kennzeichnung einer Dienstleistung des Markeninhabers oder eines seiner
Lizenznehmer benutzt werde. Es treffe nicht zu, dass der Markeninhaber
kein Recht habe, Vorschriften über die Verwendung seiner unter der Marke
erbrachten Dienstleistungen zu erlassen; eine solche Auffassung basiere
auf der unzutreffenden Annahme, die erbrachten Dienstleistungen könnten
sich verselbständigen und Dritte, die mit "Dienstleistungsprodukten"
Handel trieben oder diese vermittelten, dürften bei ihrer Tätigkeit auf
die Marke Bezug nehmen. Dienstleistungen könnten aber nicht mit Waren
gleichgestellt werden; dasselbe gelte für unkörperliche Erscheinungen
wie Guthaben. Unter Abstützung auf die Lehre zum deutschen Recht sei
anzunehmen, dass der Grundsatz der Erschöpfung bei Dienstleistungsmarken
nicht gelte. Auch in Art. 7 der Richtlinie des EG-Rates vom 21. Dezember
1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Marken, wo die Erschöpfung des Rechts aus der Marke behandelt werde, sei
ausschliesslich von Waren, aber nicht von Dienstleistungen die Rede. Mit
Dienstleistungen sei damit mangels Erschöpfung weder ein Handel noch ein
Parallelhandel möglich. Die Vorinstanz verkenne zudem die Rechtslage,
wenn sie auf die gegebene Situation die Regeln über die Verwendung
einer Drittmarke bloss als Blickfang oder Lockvogel anwenden wolle.
Richtigerweise sei ein Anwendungsfall von Art. 13 Abs. 2 lit. c und e
des Bundesgesetzes vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und
Herkunftsangaben (MSchG; SR 232.11) anzunehmen.

    a) Art. 13 Abs. 1 MSchG räumt dem Inhaber einer Marke das
ausschliessliche Recht ein, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder
Dienstleistungen zu verwenden. Er kann anderen verbieten lassen, dasselbe
Zeichen zu gebrauchen, namentlich unter dem Zeichen Dienstleistungen
anzubieten oder zu erbringen oder dieses auf Geschäftspapieren, in der
Werbung oder sonstwie im geschäftlichen Verkehr zu verwenden (Art. 13
Abs. 2 lit. c und e MSchG).

    Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass die Kennzeichnung von
Waren mit einem bestimmten Zeichen körperlich erfolgen kann, dass aber die
Frage, ob unter dem streitigen Zeichen eine Dienstleistung erbracht werde,
nach anderen Kriterien beantwortet werden muss. Üblicherweise erfolgt
die Kennzeichnung einer Dienstleistung etwa durch Verwendung der Marke
in der Werbung und im Geschäftsverkehr, durch Anschrift auf Gebäuden
und Fahrzeugen etc. (vgl. KASPAR LANDOLT, Die Dienstleistungsmarke,
Diss. Zürich 1993, S. 106 und 109 f.). Nicht jegliche Verwendung einer
fremden Marke in irgend einem Zusammenhang mit einer Dienstleistung kann
im Sinne von Art. 13 Abs. 2 lit. c MSchG als Anbieten der Dienstleistung
unter dieser Marke gelten. Vorausgesetzt ist, dass die interessierten
Verkehrskreise die Marke als Hinweis auf die von einem bestimmten
Unternehmen erbrachte Leistung auffassen (KASPAR LANDOLT, aaO, S.
105). Allerdings ist das Verbot der Verwendung einer fremden Marke
in der Werbung und im Geschäftsverkehr (Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG)
weit zu verstehen: Zum verletzenden Gebrauch im geschäftlichen Verkehr
kann auch eine Verwendung gehören, die nicht im Zusammenhang mit Waren
oder Dienstleistungen erfolgt, die Verwendung im mündlichen Verkehr,
als Vorspann, in der Erinnerungswerbung, im Export etc. (LUCAS DAVID,
Basler Kommentar, N. 23 zu Art. 13 MSchG).

    b) Die Vorinstanz nahm zu Recht an, das Angebot der beklagtischen
Dienstleistungen unter dem Titel "WIR-Börse" falle unter den
Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 2 lit. c MSchG; dies ist vorliegend
nicht mehr umstritten. Das von der Vorinstanz ausgesprochene Verbot, den
Begriff "WIR-Börse" zu gebrauchen, betrifft selbstverständlich auch die
Verwendung auf Geschäftspapieren der Beklagten; dies braucht entgegen
der Ansicht der Klägerin nicht separat statuiert zu werden. Anderes
gilt aber in Bezug auf die Verwendung der Bezeichnung "WIR-Guthaben",
"WIR-Kauf" etc. in den Inseraten und in der Geschäftskorrespondenz der
Beklagten. Mit der Marke "WIR" kennzeichnen die Beklagten nicht ihre
eigene Dienstleistung - eine An- und Verkaufstätigkeit -, sondern sie
umschreiben deren Gegenstand. Angaben zur Beschreibung seiner Waren oder
Dienstleistungen darf jedermann verwenden, auch wenn dadurch Marken
Dritter tangiert werden (LUCAS DAVID, aaO, N. 35 der Vorbemerkungen
zum 3. Titel des MSchG). Vorliegend ist die Verwendung des Begriffs
"WIR" unerlässlich, um die von den Beklagten angebotene Tätigkeit zu
umschreiben. Zumal den Beklagten mangels Bindung an die AGB der Klägerin
die umschriebene Tätigkeit nicht untersagt ist, muss ihr die Möglichkeit
der Benutzung des Begriffs "WIR-Guthaben" sowie der Abkürzungen "WIR-Kauf"
(für den Kauf von WIR-Guthaben) etc. zugestanden werden. Es handelt
sich zwar dabei nicht um gemeinfreie Bezeichnungen (vgl. LUCAS DAVID,
aaO), sondern um Begriffe, die überhaupt nur aufgrund der klägerischen
Dienstleistungen entstehen konnten und daher mit der entsprechenden
Marke umschrieben werden. Der Klägerin ist daher die Duldung der
Begriffsbezeichnung nicht deshalb zuzumuten, weil sie ihre Marke in
Anlehnung oder Annäherung an einen gemeinfreien Begriff gebildet hat,
sondern weil eine Umschreibung der beklagtischen Dienstleistungen anders
kaum möglich ist. Zudem wird die Assoziation des Begriffs "WIR" nicht mit
den beklagtischen, sondern mit den klägerischen Dienstleistungen gemacht
(vgl. LUCAS DAVID, aaO, N. 35a der Vorbemerkungen zum 3. Titel des
MSchG). Beim Publikum entsteht nämlich beim Lesen der streitigen Texte
weder der Eindruck, die Beklagten hätten selbst ein Verrechnungssystem
nach der Art des Klägerischen errichtet, noch, die Beklagten wollten
ihre eigene Tätigkeit mit "WIR" kennzeichnen. Der Adressatenkreis wird
also die Bezeichnung "WIR" nicht als Kennzeichnung der beklagtischen,
sondern der ihm bekannten klägerischen Dienstleistungen auffassen;
dies gilt umso mehr, wo direkt auf diese hingewiesen wird ("WIR-Konto",
"WIR-Buchungsaufträge", "WIR-Teilnehmer" etc.). Entgegen den Befürchtungen
der Klägerin besteht angesichts der weiten Verbreitung von WIR-Guthaben
und dem Verrechnungshandel mit diesen unter den WIR-Teilnehmern aufgrund
der blossen Erwähnung von WIR-Guthaben etc. im Zusammenhang mit der
Geschäftstätigkeit der Beklagten auch keine Gefahr, beim Publikum
könnte der Eindruck entstehen, die Beklagten betrieben eine von der
Klägerin autorisierte Verkaufsstelle. Dem stünde auch entgegen, dass die
Klägerin - was dem am WIR-Handel interessierten Publikum bekannt ist -
diesen zu unterdrücken sucht. Mithin stellt die Verwendung der Begriffe
"WIR-Guthaben", "WIR-Kauf" etc. keine Verletzung des markenrechtlichen
Schutzanspruchs der Klägerin dar.