Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 III 204



126 III 204

36. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 28.
März 2000 i.S. A. (Beschwerde) Regeste

    Rechtsvorschlag wegen mangelnden neuen Vermögens (Art. 265a SchKG);
provisorische Pfändung (Art. 83 Abs. 1 SchKG).

    Falls die Betreibungsforderung nicht (mehr) bestritten ist,
kann der Betreibungsgläubiger - nach Ablauf der Zahlungsfrist - das
Fortsetzungsbegehren einreichen und die provisorische Pfändung verlangen,
sobald der Richter im summarischen Verfahren (Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG)
festgestellt hat, dass der Betriebene zu neuem Vermögen gekommen sei.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführerin weist auf das in einem gewissen Umfang
zu ihren Gunsten lautende Urteil des Gerichtspräsidenten von W. vom 20.
September 1999 hin und macht geltend, dieses sei in Rechtskraft erwachsen.
Sodann hält sie dafür, dass unter diesen Umständen die Fortsetzung
der Betreibung durch provisorische Pfändung zugelassen sein müsse, da
mit der von der Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 265a Abs. 4 SchKG
erhobenen Klage ein neuer, vom summarischen Verfahren unabhängiger Prozess
eingeleitet worden sei, der auf dieses keinerlei Wirkung habe.

    b) Nach Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde ist die Zulassung
der provisorischen Pfändung in einem Fall der vorliegenden Art nicht
angebracht. Die Vorinstanz beruft sich hauptsächlich auf einen
Entscheid des Einzelrichters im summarischen Verfahren (Audienz) am
Bezirksgericht Zürich vom 16. April 1997 (veröffentlicht in ZR 96/1997
S. 145 ff.). Darin werde mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass
eine entsprechende gesetzliche Grundlage fehle und eine provisorische
Pfändung vor rechtskräftiger Erledigung des Streites über das fehlende
Neuvermögen auch zu erheblichen verfahrensmässigen Komplikationen führen
könne, in dem gleichzeitig verschiedene Verfahren nebeneinander hängig sein
könnten. Im vorliegenden Fall sei zwar die Betreibungsforderung materiell
nicht strittig, so dass ein Nebeneinander von Aberkennungsprozess und
Verfahren nach Art. 265a (Abs. 4) SchKG entfalle, doch sei für die
Vollstreckung insofern eine besondere Situation gegeben, als nicht
real neue Vermögenswerte in Form von festen verwertbaren Guthaben oder
Gegenständen gefunden worden seien, sondern nur habe festgestellt werden
können, dass die Beschwerdegegnerin innert eines Jahres seit Anhebung der
Betreibung ein Einkommen erzielt habe, mit dem im Umfang von Fr. 14'965.-
neues Vermögen hätte gebildet werden können. Mithin könne nicht auf
vorhandene Vermögenswerte der Beschwerdegegnerin gegriffen werden;
das neue Vermögen könne nur durch Pfändung künftigen Einkommens für
die Beschwerdeführerin verfügbar gemacht werden. Bei den hier gegebenen
Verhältnissen komme der Sicherungsfunktion der provisorischen Pfändung
nicht das gleiche Gewicht zu wie sonst und zudem könne nicht ausgeschlossen
werden, dass die provisorische Pfändung mit einem Leerlauf verbunden wäre.

Erwägung 3

    3.- a) Der Gerichtspräsident von W. stellte am 20. September 1999
fest, dass die Beschwerdegegnerin (bis zum 16. Juni 1999, dem Zeitpunkt
der Zustellung des Zahlungsbefehls) im Umfang von Fr. 14'965.- zu neuem
Vermögen gekommen sei. In Anbetracht der Höhe der Betreibungsforderung (Fr.
36'030.20) bewilligte er den Rechtsvorschlag daher nur für den Betrag
von Fr. 21'065.20. Dieser Entscheid erging im summarischen Verfahren
nach Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG und ist endgültig (Art. 265a Abs. 1
zweiter Satz SchKG); er konnte von Bundesrechts wegen weder mit einem
ordentlichen noch mit einem ausserordentlichen Rechtsmittel angefochten
werden (BGE 126 III 110 E. 1).

    Schon in ihrem Entscheid vom 1. Februar 2000 war sodann die kantonale
Aufsichtsbehörde zum Schluss gelangt, die Beschwerdegegnerin habe
die Betreibungsforderung nicht bestritten, so dass kein entsprechendes
Rechtsöffnungsverfahren durchzuführen sei. Diese Feststellung hat sie im
angefochtenen (Revisions-)Entscheid vom 29. Februar 2000 ausdrücklich
in das Dispositiv aufgenommen. Dass sie die der Betreibung zu Grunde
liegende Forderung bestritten hätte, macht die Beschwerdegegnerin denn
auch nicht geltend.

    b) Der gegenwärtige Stand des gegen die Beschwerdegegnerin hängigen
Betreibungsverfahrens lässt sich nach dem Gesagten mit den Verhältnissen
vergleichen, die bei einer gewöhnlichen Betreibung nach Erteilung der
provisorischen Rechtsöffnung im Sinne von Art. 82 Abs. 2 SchKG vorliegen.
Während der Betriebene dort die Möglichkeit hat, den endgültigen
Zugriff auf sein Vermögen mit einer innert zwanzig Tagen einzureichenden
Aberkennungsklage allenfalls zu verhindern (Art. 83 Abs. 2 SchKG), steht
ihm in einem Fall der vorliegenden Art für den gleichen Zweck auf Grund
von Art. 265a Abs. 4 SchKG die - ebenfalls innerhalb von zwanzig Tagen
zu erhebende - Klage auf Bestreitung neuen Vermögens zu Gebote.

    Der Gläubiger, dem in (bedingter) Beseitigung des gegen Bestand und
Umfang der Betreibungsforderung erhobenen Rechtsvorschlags provisorische
Rechtsöffnung erteilt worden ist, kann nach Art. 83 Abs. 1 SchKG gegenüber
dem der Pfändung unterliegenden Betriebenen nach Ablauf der Zahlungsfrist
die provisorische Pfändung beantragen. Damit soll er seinen einstweilen
noch provisorischen Vollstreckungsanspruch sichern können (dazu BGE 122
III 36 E. 2 S. 38). Dieser Schutzanspruch des Gläubigers findet seine
Rechtfertigung in der mit dem Rechtsöffnungsentscheid ausgedrückten
Wahrscheinlichkeit des Vollstreckungsanspruchs (vgl. AMONN/GASSER,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage, § 19 Rz
88). Eine ähnliche Wahrscheinlichkeit des Anspruchs auf einen Eingriff in
das Vermögen des Betriebenen besteht ebenso in einem Fall, da diesem einzig
noch die Klage nach Art. 265a Abs. 4 SchKG offen steht, auch wenn es hier
um die Zulässigkeit der eingeleiteten Betreibung an sich, und nicht um
Bestand sowie Vollstreckbarkeit der in Betreibung gesetzten Forderung geht.

    Das Gesetz enthält trotz des auf den 1. Januar 1997 neu eingeführten
summarischen Verfahrens (Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG) und des mit der
Lage nach dem Rechtsöffnungsentscheid vergleichbaren Schwebezustandes, der
sich nach einem Entscheid des betreffenden Richters ergeben kann, keine
Art. 83 Abs. 1 SchKG entsprechende Bestimmung. Indessen obliegt es den
Betreibungsorganen, mit allen sich aufdrängenden angemessenen Vorkehren
den Anspruch des Gläubigers auf Befriedigung aus dem schuldnerischen
Vermögen zu sichern (dazu BERTRAND REEB, Les mesures provisoires dans la
procédure de poursuite, in: ZSR 116/1997 II S. 431 f.). Nicht zuletzt ist
ferner darauf hinzuweisen, dass durch die in Art. 265a SchKG geschaffene
Neuordnung des Verfahrens zur Feststellung des Vorhandenseins neuen
Vermögens die Stellung des Gläubigers verbessert werden sollte (vgl. die
Botschaft des Bundesrats vom 8. Mai 1991 über die Änderung des SchKG,
BBl 1991 III 158). Das angestrebte Ergebnis würde jedoch empfindlich
geschmälert, wenn dem Gläubiger zugemutet würde, ohne Sicherung seines
(provisorischen) Vollstreckungsanspruchs die Beurteilung der Einrede des
Betriebenen durch den Richter im ordentlichen (beschleunigten) Verfahren
nach Art. 265a Abs. 4 SchKG abzuwarten. Wegen der neu eingeführten
Zweistufigkeit bliebe der Gläubiger in der Regel länger schutzlos als
unter der früheren Ordnung.

    c) Auf Grund der dargelegten Umstände ist dem Gläubiger in einem
Fall, da die Betreibungsforderung nicht (mehr) bestritten ist, das
Recht zuzugestehen, im Anschluss an den zu seinen Gunsten ausgefallenen
Entscheid des Richters im summarischen Verfahren (Art. 265a Abs. 1 bis
3 SchKG) das Fortsetzungsbegehren einzureichen und die provisorische
Pfändung zu verlangen (so auch JÜRGEN BRÖNNIMANN, Feststellung des neuen
Vermögens, Arrest, Anfechtung, in: Das revidierte Schuldbetreibungs- und
Konkursgesetz, Bern 1995, S. 123 f.; derselbe, Neuerungen bei ausgewählten
Klagen des SchKG, in: ZSR 115/1996 I S. 230 f.; BEAT FÜRSTENBERGER,
Einrede des mangelnden und Feststellung neuen Vermögens nach revidiertem
Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Diss. Basel 1999, S. 96 f.; DOMINIK
GASSER, Neues von der Betreibung aufgrund eines Konkursverlustscheins,
in: Von Bern nach Lausanne, Festschrift für Pierre Widmer, Bern 1990,
S. 5; UELI HUBER, Kommentar zum SchKG, N. 36 zu Art. 265a; RUDOLF JUNKER,
Rechtsvorschlag: kein neues Vermögen (Art. 265a SchKG), in: Solothurner
Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1998, S. 606; unklar: NICOLAS
JEANDIN, Actes de défaut de biens et retour à meilleure fortune selon le
nouveau droit, in: SJ 1997 S. 295).

    Entgegen der Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde geht es nicht
an, die Zulassung der provisorischen Pfändung in Fällen der vorliegenden
Art von der Natur des vom Summarrichter festgestellten neuen Vermögens
abhängig zu machen und die Sicherungsmassnahme dort nicht zu gestatten,
wo - wie hier - solches auf Grund des vom Betriebenen erzielten Einkommens
festgestellt worden ist: Die vorinstanzliche Betrachtungsweise hätte
zur Folge, dass der Betreibungsbeamte den im Verfahren nach Art. 265a
Abs. 1 bis 3 SchKG ergangenen Entscheid auszulegen hätte, was nicht seine
Aufgabe sein kann. Ob und wie die provisorische Pfändung sich auf Grund
des richterlichen Entscheids zu einem Ergebnis führen lässt, ergibt sich
beim Vollzug. Ein fruchtloser Pfändungsversuch ist in Kauf zu nehmen.

    d) Die Beschwerde ist nach dem Gesagten insofern gutzuheissen,
als die Feststellung der kantonalen Aufsichtsbehörde, die Fortsetzung
der Betreibung sei bis zur rechtskräftigen Erledigung des gestützt
auf Art. 265a Abs. 4 SchKG eingeleiteten Prozesses ausgeschlossen,
aufzuheben ist.

Erwägung 4

    4.- a) Gemäss Art. 83 Abs. 1 SchKG kann der Betreibungsgläubier
die provisorische Pfändung erst nach Ablauf der - angesichts von
Art. 88 Abs. 2 SchKG von der Erhebung des Rechtsvorschlags bis zur
(provisorischen) Rechtsöffnung unterbrochenen - Zahlungsfrist (von zwanzig
Tagen ab Zustellung des Zahlungsbefehls; Art. 69 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG)
verlangen. Fortsetzungsbegehren, die mehr als zwei Tage zu früh beim
Betreibungsamt eingehen, sind von diesem - ohne weitere Behandlung - mit
einem entsprechenden Vermerk an den Einsender zurückzuleiten (Art. 9 Abs. 2
und 3 der Verordnung über die im Betreibungs- und Konkursverfahren zu
verwendenden Formulare und Register sowie die Rechnungsführung; SR 281.31).

    b) Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, in einem Fall der hier zu
beurteilenden Art vom erwähnten Fristerfordernis abzuweichen und die für
die Behandlung eines verfrühten Fortsetzungsbegehrens geltenden Grundsätze
nicht anzuwenden.