Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 126 III 182



126 III 182

31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Dezember 1999 i.S.
R. gegen D. (Berufung) Regeste

    Versatzpfand; gewerbsmässiger Kauf auf Rückkauf (Art. 907 Abs. 1 und
Art. 914 ZGB). Nichtigkeit (Art. 19 und 20 OR) und Konversion.

    Der gewerbsmässige Kauf auf Rückkauf im Hinblick auf die Absicherung
eines Kredites ist als solcher unzulässig und führt zur Nichtigkeit des
betreffenden Vertrages. Mit der Gleichstellung von gewerbsmässigem Kauf
auf Rückkauf mit dem Versatzpfand wollte der Gesetzgeber verhindern, dass
durch Kreditgeschäfte die strengen Vorschriften über das Versatzpfand
umgangen werden. Eine Konversion des nichtigen Rechtsgeschäfts in eine
Faustpfandbestellung ist nicht möglich (E. 3b).

Sachverhalt

    Nachdem H. im Frühjahr 1995 sich auf ein Zeitungsinserat, worin
kurzfristige Kredite gegen Sachwerte angeboten worden waren, gemeldet
hatte, bestätigte er und D. am 3. Januar 1996, von R. einen Kredit
von Fr. 69'000.- für eine Taschenuhrensammlung erhalten zu haben. Am
gleichen Tag wurde auch ein Kaufvertrag abgeschlossen, worin sich H. und
D. verpflichteten, bis zum 30. Juni 1996 die Uhren von R. zum Preise von
Fr. 70'000.- zu kaufen. Weiter wurde vereinbart, dass R. die Ware zum
bestmöglichen Preis verkaufe, wenn sie nicht fristgerecht abgeholt und
bezahlt werde, wobei die Käufer für einen allfälligen Mindererlös haften
würden. Am 4. November 1996 erwarb E. die Uhrensammlung zum Preis von
Fr. 20'000.-.

    Am 6. Mai 1997 reichte R. beim Kantonsgericht von
Appenzell-Ausserrhoden gegen D. Klage über Fr. 50'000.- ein. Dieses wies
am 29. April 1998 die Klage ab. Der Kläger appellierte erfolglos an das
Obergericht von Appenzell Ausserrhoden. Das Bundesgericht weist die vom
Kläger eingereichte Berufung ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt
das obergerichtliche Urteil.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) bb) Der Kläger wirft dem Obergericht aber auch vor, es habe
sich mit einer völlig unzutreffenden Begründung über die Lehrmeinung
von OFTINGER/BÄR hinweggesetzt, wonach der nichtige gewerbsmässige Kauf
auf Rückkauf in eine Faustpfandbestellung umzudeuten sei. Dabei habe die
Vorinstanz die Konsequenzen ihrer Schlussfolgerung, dass keine Konversion
stattfinden dürfe, nicht bedacht. Denn zur Kreditgewährung an die Beklagte
habe er sich überhaupt nur im Hinblick auf deren persönliche Haftbarkeit
bereit gefunden, weshalb es absolut stossend wäre, wenn nun er das Risiko
dafür tragen müsste, dass ihm statt brauchbarer Uhren grossenteils "Ramsch"
übergeben worden sei.

    In ihrer Kommentierung zu Art. 914 ZGB führen OFTINGER/BÄR aus, der
gewerbsmässige Kauf auf Rückkauf sei als solcher unzulässig, auch wenn
er durch einen nicht gemäss Art. 907 Abs. 1 ZGB zum Pfandleihgewerbe
ermächtigten Darleiher betrieben werde. Diese Unzulässigkeit bedeute
Nichtigkeit, doch trete im Sinne einer Konversion an die Stelle
des nichtigen Geschäftes eine Faustpfandbestellung, sofern deren
Voraussetzungen erfüllt seien (N. 6 und 7 zu Art. 914 ZGB). Das
Obergericht hält diese Begründung für rein formal, weil die Anwendung
von Versatzpfandrecht von der Erteilung der Bewilligung abhängig gemacht
werde. Indessen werde dadurch dem vom historischen Gesetzgeber gewollten
und heute sogar noch vermehrt einem Bedürfnis entsprechenden Schutzzweck
nicht in allen Teilen entsprochen. Es sei nämlich nicht gerechtfertigt,
den Kreditgeber, welcher sich zur Umgehung der Bestimmungen über
das Versatzpfand des Kaufs auf Rückkauf bediene und der damit der
Bewilligungspflicht entgehe, von jenen Vorschriften auszunehmen, die zum
Schutze seines Vertragspartners bestimmt seien. Vielmehr solle Art. 910
Abs. 2 ZGB, der im Falle der Pfandverwertung einen persönlichen Anspruch
des Kreditgebers gegen den Verpfänder ausschliesse, auch in diesen
Fällen durchgreifen. Weil es sich bei der Forderung des Klägers um einen
derartigen persönlichen Anspruch handle, sei sie demzufolge unbegründet.

    b) Das schweizerische Recht enthält im Unterschied zu gewissen
ausländischen Rechtsordnungen (vgl. etwa § 140 BGB) zwar keine
ausdrückliche Regelung der Konversion, doch ist dieses Institut
in Lehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt (KRAMER/SCHMIDLIN,
Berner Kommentar, N. 161 ff. zu Art. 11 OR und N. 267 ff. zu Art. 18
OR; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 82 zu Art. 11 OR;
GUHL/MERZ/KOLLER, Das schweizerische Obligationenrecht, 8. Auflage 1995,
S. 120; BGE 93 II 223 E. 3 und 439 E. 5 S. 452; BGE 95 II 216 E. 6d;
BGE 103 II 176). Mit der Konversion soll im Einzelfall ein ungültiges
Rechtsgeschäft in ein gültiges umgedeutet und dadurch aufrecht erhalten
werden. Sinn und Zweck der Umdeutung besteht also darin, den mit einem
Rechtsgeschäft erstrebten Erfolg auch dann zu verwirklichen, wenn das
von den Parteien gewählte Mittel unzulässig ist, jedoch ein anderer
rechtlicher Weg zur Verfügung steht, um zum annähernd gleichen Ergebnis
zu gelangen (SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner
Teil, S. 194). Allerdings darf dies nur unter der Voraussetzung geschehen,
dass zwischen dem ungültigen Rechtsakt und dem an dessen Stelle tretenden
Geschäft Kongruenz besteht, indem das nichtige Geschäft den Erfordernissen
des Ersatzgeschäftes genügt. Im Hinblick auf diese Entsprechung darf
das Ersatzgeschäft in seinem Tatbestand und in seinen Wirkungen nicht
über das ungültige Geschäft hinausgehen. Mit andern Worten: gegenüber
dem ungültigen Geschäft kann das Ersatzgeschäft zwar ein aliud, nie aber
ein Plus ausmachen (vgl. MEYER-MALY, Münchener Kommentar, § 140 BGB, Rn.
14). Aus diesem Grund darf das Ersatzgeschäft auch nicht zu Lasten der
einen oder anderen Partei Verpflichtungen enthalten, welche über das
im ungültigen Geschäft Vereinbarte hinausgehen (SCHÖNENBERGER/JÄGGI,
aaO, N. 88 zu Art. 11 OR; KRAMER/SCHMIDLIN, aaO, N. 164 zu Art. 11
OR; BGE 80 II 82 E. 3 S. 86; 89 II 437 E. 2 S. 440 f.). Weiter findet
die Konversion ihre Grenze an der Zweckfunktion der die Nichtigkeit
begründenden Norm. Die Umdeutung ist demnach ausgeschlossen, wenn sie
auf eine Umgehung dieser Norm hinauslaufen oder zumindest deren Sinn und
Zweck widersprechen würde (KRAMER/SCHMIDLIN, aaO, N. 168 zu Art. 11 OR;
KRAMER, Berner Kommentar, N. 387 zu Art. 19/20 OR; SCHÖNENBERGER/JÄGGI,
N. 91 zu Art. 11 OR; BGE 61 II 274 E. 3 S. 279 f.; 96 II 273 E. 9a S. 298
f.; vgl. auch STAUDINGER-DILCHER, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch,
N. 6 zu § 140 BGB).

    Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt
sich das Folgende. Mit der in Art. 914 ZGB vorgenommenen Gleichstellung
von gewerbsmässigem Kauf auf Rückkauf mit dem Versatzpfand wollte der
Gesetzgeber verhindern, dass durch die erstgenannten Kreditgeschäfte
die strengen Vorschriften über das Versatzpfand umgangen werden. Die
Spekulation sollte sich nicht auf Nebenwegen, ohne Bewilligung und
Aufsicht, in das Pfandleihgewerbe eindrängen (TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das
schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Auflage 1995, S. 897; EUGEN HUBER,
Erläuterungen zum Vorentwurf, 1902, S. 323). Art. 914 ZGB findet deshalb
auch Anwendung auf gewerbsmässige Darleiher, deren Tätigkeit nicht
nach Art. 907 f. ZGB bewilligt worden ist (OFTINGER/BÄR, aaO, N. 6 zu
Art. 914 ZGB; BAUER, Basler Kommentar zum ZGB, Bd. II, N. 3 zu Art. 914
ZGB). Dieser Auffassung widerspricht einzig LEEMANN (Berner Kommentar, N. 2
zu Art. 914 ZGB); nach ihm untersteht der nicht von einer konzessionierten
Anstalt betriebene gewerbsmässige Kauf auf Rückkauf nicht dem Recht des
Versatzpfandes. Dieser Lehrmeinung kann jedoch eindeutig nicht gefolgt
werden. Denn die Ansicht von OFTINGER/BÄR, dass der gewerbsmässige Kauf
auf Rückkauf unzulässig sei und zur Nichtigkeit des betreffenden Geschäfts
führe, steht im Einklang mit der erwähnten gesetzgeberischen Intention. Zu
prüfen bleibt indessen, ob die von den Kommentatoren postulierte Konversion
in eine Faustpfandbestellung gerechtfertigt erscheint. Dabei ist davon
auszugehen, dass das Versatzpfand eine reine Sachhaftung begründet,
wogegen beim Faustpfand zur Sachhaftung noch die persönliche Haftung
des Kreditnehmers (für einen allfälligen Pfandausfall) hinzutritt. Das
Fahrnispfand geht also in seinen Wirkungen deutlich über das Versatzpfand
hinaus. Wegen der dem Faustpfand innewohnenden persönlichen Haftung
würde demnach die Umdeutung eines nichtigen Kaufs auf Rückkauf in eine
Faustpfandbestellung einerseits eine stark erschwerte Verpflichtung des
Borgers herbeiführen und anderseits die Rechtsstellung des Geldgebers
erheblich verbessern. Folglich besteht insoweit keine Kongruenz zwischen
dem nichtigen Geschäft und demjenigen, das ersatzweise an seine Stelle
treten sollte. Damit mangelt es aber an einer Grundvoraussetzung für
die Konversion. In diesem Zusammenhang kann auf BGE 80 II 82 E. 3 S. 87
hingewiesen werden, wo es darum ging, ob ein formungültiger Scheck
in ein Innominatpapier umgewandelt werden könne. Dies wurde verneint
aus der Überlegung, dass der Scheckaussteller nur nach Protest hafte,
wogegen der Aussteller eines Innominatpapiers auch ohne Protest für seine
Verpflichtung einzustehen habe.

    Zum vorliegenden Fall besteht insoweit eine Parallelität, als bei der
Umdeutung des nichtigen Kaufs auf Rückkauf in eine Faustpfandbestellung
dem Kreditnehmer eine erheblich strengere Verpflichtung auferlegt
würde. Anderseits würde der Kreditgeber eine spürbare Verbesserung seiner
Rechtsposition erfahren. Mit dem Normzweck von Art. 914 ZGB wäre dies
indessen nicht zu vereinbaren. Die vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene
Gleichstellung mit dem Versatzpfand würde illusorisch gemacht und die
gesetzgeberische Intention, dass der Darlehensnehmer sich nicht zusätzlich
persönlich verschulden solle, unterlaufen, wenn gewissermassen durch die
Hintertüre der Konversion doch eine persönliche Haftung des Kreditnehmers
eingeführt würde. Dass eine Umdeutung aber nicht dazu dienen darf,
die Zweckfunktion der die Nichtigkeit begründenden Norm zu umgehen,
ist bereits dargelegt worden. Auf eine solche Umgehung liefe es indessen
hinaus, wenn derjenige Geldgeber, welcher den gewerbsmässigen Kauf auf
Rückkauf betreibt, besser gestellt würde als jener Kreditgeber, welcher
mit einer Bewilligung das Pfandleihgewerbe durchführt. Auch aus dieser
Sicht sind die Voraussetzungen für eine Konversion nicht gegeben.

    Im Lichte der vorstehenden Ausführungen kann dem Obergericht keine
Verletzung von Bundesrecht vorgeworfen werden, wenn es die Umdeutung des
hier interessierenden Kaufs auf Rückkauf in eine Faustpfandbestellung
abgelehnt hat.