Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 V 76



125 V 76

11. Urteil vom 12. Januar 1999 i.S. SWICA Gesundheitsorganisation gegen B.
und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Art. 3 Abs. 1 und 3 lit. a, Art. 5 Abs. 1 KVG; Art. 1
Abs. 2 lit. a, Art. 7 Abs. 1 KVV: Beginn der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung. Bei Personen mit Wohnsitz in der Schweiz
(im Sinne der Art. 23 ff. ZGB) beginnt die Versicherung im Zeitpunkt
der Wohnsitznahme. Begründen Ausländer mit einer Niederlassungs- oder
einer mindestens drei Monate gültigen Aufenthaltsbewilligung keinen
schweizerischen Wohnsitz, beginnt die Versicherung am Tag des der
Einwohnerkontrolle gemeldeten Aufenthaltes.

Sachverhalt

    A.- B. reiste am 24. Juni 1996 aus Kolumbien in die Schweiz ein, um
hier T. zu heiraten (Trauung: 29. August 1996), und gebar am 28. Juni
1996 ihre Tochter G. Am 25. Juni 1996 unterzeichnete sie bei der SWICA
Gesundheitsorganisation (nachfolgend: SWICA) das Gesuch um Kassenbeitritt
für die obligatorische Krankenpflegeversicherung. Mit Schreiben vom
15. Juli 1996 bestätigte die SWICA die vorbehaltlose Aufnahme von
B. per 1. Juli 1996 und deren Tochter ab Geburt, hielt aber fest,
dass diese Aufnahmebestätigung nur gültig sei, wenn sie sich bei der
Einwohnerkontrolle angemeldet und eine definitive Aufenthaltsbewilligung
erhalten habe.

    Am 17. September 1996 erhielt B. die Aufenthaltsbewilligung B
für die Zeit vom 29. August 1996 bis 8. September 1997. Gestützt
darauf setzte die SWICA das Datum des Eintritts in die obligatorische
Krankenpflegeversicherung auf den 29. August 1996 fest und lehnte
Leistungen für die Vergangenheit (24. Juni bis 28. August 1996) ab
(Verfügung vom 17. Februar 1997). Daran hielt sie mit Einspracheentscheid
vom 3. April 1997 fest.

    B.- Die von B. hiegegen erhobene Beschwerde hiess das
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 15. Dezember
1997 gut, hob den Einspracheentscheid auf und erklärte die Aufnahme der
Versicherten in die obligatorische Krankenpflegeversicherung der SWICA
per 24. Juni 1996.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die SWICA die Aufhebung
des kantonalen Entscheides beantragen.

    Während B. auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen.

Auszug aus den Erwägungen:

        Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Streitig und zu prüfen ist, ab welchem Zeitpunkt die
Beschwerdegegnerin bei der SWICA obligatorisch krankenpflegeversichert ist.

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1
KVV muss sich jede Person mit Wohnsitz im Sinne der Artikel 23-26 des
Zivilgesetzbuches (ZGB) innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme oder
der Geburt in der Schweiz für Krankenpflege versichern. Der nach diesen
Bestimmungen massgebende zivilrechtliche Wohnsitz einer Person befindet
sich an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens
aufhält (Art. 23 Abs. 1 ZGB) und den sie sich zum Mittelpunkt ihrer
Lebensinteressen gemacht hat (BGE 120 III 8 Erw. 2a, 97 II 3 Erw. 3,
85 II 322 Erw. 3). Für die Begründung eines Wohnsitzes müssen somit zwei
Merkmale erfüllt sein: Ein objektives äusseres, der Aufenthalt, sowie ein
subjektives inneres, die Absicht dauernden Verbleibens (ZAK 1990 S. 247
Erw. 3a; BGE 85 II 321 Erw. 3; EUGEN BUCHER, Berner Kommentar, N. 19 ff. zu
Art. 23 ZGB). Nach der Rechtsprechung kommt es nicht auf den inneren
Willen, sondern darauf an, auf welche Absicht die erkennbaren Umstände
objektiv schliessen lassen (BGE 120 III 8 Erw. 2b, 119 II 65 Erw. 2b/bb,
97 II 3 Erw. 3). Nicht massgebend ist dabei insbesondere, ob die Person
eine fremdenpolizeiliche Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung
besitzt (BGE 120 III 8 Erw. 2b, 116 II 503 Erw. 4c; DANIEL STAEHELIN,
Basler Kommentar, N. 23 zu Art. 23 ZGB).

    Nach Art. 3 Abs. 3 KVG kann der Bundesrat die Versicherungspflicht
auf Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz ausdehnen, namentlich auf
solche, die in der Schweiz tätig sind oder sich längere Zeit dort
aufhalten (lit. a). So sind gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. a KVV Ausländer
und Ausländerinnen ohne Wohnsitz in der Schweiz versicherungspflichtig,
wenn sie über eine Aufenthaltsbewilligung nach Art. 5 des Bundesgesetzes
vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG;
SR 142.20) verfügen, die mindestens drei Monate gültig ist.

    b) Erfolgt die Erstanmeldung beim Krankenversicherer rechtzeitig,
beginnt der Versicherungsschutz im Zeitpunkt des Eintritts der
Versicherungspflicht (vgl. GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz. 18). Versichern sich
somit Personen mit Wohnsitz in der Schweiz innerhalb von drei Monaten
seit Wohnsitznahme oder Geburt in der Schweiz und damit rechtzeitig
gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG, hat der gewählte Versicherer rückwirkend ab
Begründung des Wohnsitzes in der Schweiz die Krankheitskosten zu decken
(vgl. EUGSTER, aaO, Rz. 19).

    Gemäss Art. 5 Abs. 1 Satz 2 KVG setzt der Bundesrat den
Versicherungsbeginn fest für die Personen nach Art. 3 Abs. 3 KVG, d.h. für
die Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz, welche er dem Obligatorium
unterstellt hat. Dementsprechend sieht Art. 7 Abs. 1 KVV unter anderem
vor, dass Ausländer und Ausländerinnen mit einer Niederlassungsbewilligung
oder einer Aufenthaltsbewilligung nach Art. 1 Abs. 2 lit. a KVV
verpflichtet sind, sich innert drei Monaten zu versichern, nachdem sie
sich bei der für die Einwohnerkontrolle zuständigen Stelle gemeldet haben;
bei rechtzeitigem Beitritt beginnt die Versicherung am Tag der bei dieser
Stelle gemeldeten Wohnsitznahme oder des gemeldeten Aufenthaltes.

Erwägung 3

    3.- a) Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, die
Beschwerdegegnerin habe seit ihrer Einreise am 24. Juni 1996 Wohnsitz
in der Schweiz und erfülle, da sie sich bei der Einwohnerkontrolle
angemeldet habe und im Besitze einer Aufenthaltsbewilligung sei, auch die
bei Ausländern zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen gemäss Art. 1
Abs. 2 lit. a KVV. Gemäss Art. 5 Abs. 1 KVG nehme die Versicherung daher am
24. Juni 1996 ihren Anfang. Demgegenüber will die SWICA erst ab dem Datum
des gemeldeten Aufenthaltes, d.h. ab 29. August 1996, Versicherungsschutz
gewähren, wofür sie sich auf Art. 7 Abs. 1 KVV in Verbindung mit Art. 1
Abs. 2 lit. a KVV beruft.

    b) Nach der eingangs dargestellten Rechtslage erstreckt sich das
Versicherungsobligatorium nicht nur auf die Personen mit Wohnsitz in
der Schweiz (Art. 3 Abs. 1 KVG), sondern auch auf Personen, welche diese
Voraussetzung nicht erfüllen, jedoch vom Bundesrat gestützt auf Art. 3
Abs. 3 KVG der Versicherungspflicht unterstellt worden sind, so namentlich
auf Ausländer und Ausländerinnen mit einer Niederlassungsbewilligung oder
einer mindestens drei Monate gültigen Aufenthaltsbewilligung (Art. 1
Abs. 2 lit. a KVV). Zwischen diesen beiden Versichertenkategorien
unterscheidet die Gesetzgebung über die Krankenversicherung nicht nur
bei der Versicherungspflicht, sondern auch beim Versicherungsbeginn,
indem sie im Falle rechtzeitigen Beitritts bei ersterer die Wohnsitznahme
(Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KVG) und bei letzterer den der zuständigen Stelle
gemeldeten Wohnsitz oder Aufenthalt (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 KVG in Verbindung
mit Art. 7 Abs. 1 KVV) als massgebend bezeichnet.

    Nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid
hat die Beschwerdegegnerin ungeachtet des Umstandes, dass ihr die
Aufenthaltsbewilligung B erst für die Zeit ab 29. August 1996 erteilt
worden ist, seit dem 24. Juni 1996 zivilrechtlichen Wohnsitz in der
Schweiz, weil sie sich seit diesem Datum mit der Absicht dauernden
Verbleibens hier aufhält. Allein auf Grund ihres schweizerischen Wohnsitzes
untersteht sie gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG der Versicherungspflicht. Indem
sie am 25. Juni 1996 das Beitrittsgesuch gestellt hat, hat sie sich innert
der gesetzlich vorgesehenen dreimonatigen Frist seit Wohnsitznahme und
damit rechtzeitig versichert (Art. 3 Abs. 1 KVG). Ihr Versicherungsschutz
beginnt daher im Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht, d.h. am
24. Juni 1996, und die SWICA hat rückwirkend ab diesem Zeitpunkt die
Krankheitskosten zu decken (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KVG). Daran vermögen
die von der SWICA für ihren gegenteiligen Standpunkt angerufenen
Verordnungsbestimmungen (Art. 1 Abs. 2 lit. a und Art. 7 Abs. 1 KVV)
nichts zu ändern, da sie nur die Kategorie der nicht bereits auf Grund
ihres Wohnsitzes obligatorisch versicherten Personen erfassen (Art. 3
Abs. 3 KVG) und deshalb vorliegend keine Anwendung finden.