Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 V 324



125 V 324

51. Urteil vom 2. Juni 1999 i.S. "Winterthur" Schweizerische
Versicherungs-Gesellschaft gegen Z. und Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich Regeste

    Art. 77 UVG; Art. 100 Abs. 3 UVV: Leistungspflicht bei erneutem Unfall.
Welcher Unfallversicherer nach einem erneuten Unfall leistungspflichtig
ist, hängt gemäss dem klaren Verordnungswortlaut in Art. 100 Abs. 3 UVV
von der Beantwortung der Frage ab, ob eine Änderung des Invaliditätsgrades
eingetreten ist; unerheblich ist demgegenüber, ob die zusätzliche durch
den zweiten Unfall begründete Invalidität die aus dem ersten Unfall
resultierende Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit übersteigt.

    Art. 78a UVG; Art. 128 OG: Rechtsweg bei Streitigkeit unter
Versicherern über deren Zuständigkeit. Die in Art. 78a UVG vorgesehene
bundesamtliche Verfügungszuständigkeit schliesst nicht aus, dass der
Unfallversicherer seine Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten unter
Hinweis auf die seiner Ansicht nach fehlende Zuständigkeit mit Verfügung
und Einspracheentscheid verneint.

Sachverhalt

    A.- a) Z. hatte am 20. April 1975 eine Unterschenkelfraktur mit
Beteiligung des Knies erlitten, für deren Folgen die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) aufkam und insbesondere mit Verfügung
vom 29. Juni 1979 eine Invalidenrente von 10% zusprach. Ab Juni 1992
war Z. (aus anderen Gründen) vollständig und andauernd arbeitsunfähig,
weshalb ihm die Eidg. Invalidenversicherung mit Wirkung ab Juni 1993 unter
der Annahme eines Invaliditätsgrades von 100% eine ganze Invalidenrente
zusprach.

    Am 6. Oktober 1994, als er von der SUVA auf der Grundlage einer -
zufolge Verschlimmerung der Beinverletzung - seit 5. April 1994 auf
5% erhöhten unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ein entsprechendes
Taggeld erhielt, stürzte Z. im Bahnhof X die Rolltreppe hinunter,
wobei er sich eine komplizierte rechtsseitige Oberarmfraktur zuzog. Da
er damals im Rahmen eines Beschäftigungsprogrammes gearbeitet hatte
und auf Grund der damit verbundenen unselbstständigen Erwerbstätigkeit
erneut obligatorisch unfallversichert war, und zwar bei der "Winterthur"
Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Winterthur), kam
dieser Unfallversicherer für die Unfallpflege (Operation der Fraktur
usw.) auf. Die beiden Versicherer kamen überein, je ein hälftiges
Taggeld auszurichten. In der Folge unterzog sich Z. einer Operation
wegen rezidivierender Bursitis am linken Ellenbogen, welcher Eingriff
vom 20. Januar 1995 zu Lasten der SWICA-Krankenkasse ging, und am 7.
Juli 1995 einer Knieoperation, für welche - da Folge des Unfalles vom 20.
April 1975 - die SUVA aufkam.

    Im Frühjahr 1997 prüfte die SUVA den Fallabschluss. Sie erklärte
sich am 6. März 1997 zwar bereit, wegen der Verschlimmerung der Folgen
des ersten Unfalles vom 20. April 1975 ein 50%iges Taggeld bis zum
Fallabschluss am 31. März 1997 auszubezahlen; da jedoch beide Unfälle
die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigten, müsse nachher die Winterthur für
den Gesamtschaden aufkommen. Die SUVA erliess am 8. Januar 1998 eine
Verfügung, mit welcher sie den Anspruch auf jegliche weiteren Leistungen
unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Winterthur ablehnte. Hiegegen
erhob der Versicherte vorsorglich Einsprache. Die SUVA hält dieses
Einspracheverfahren formlos pendent.

    b) Die Winterthur ihrerseits sprach zwar für die Folgen des Unfalles
vom 6. Oktober 1994 eine Integritätsentschädigung von 15% zu, lehnte
jedoch sämtliche weiteren Leistungspflichten bezüglich Krankenpflege (nach
dem 31. Mai 1997), Taggeld (nach dem 31. Januar 1996) und Invalidenrente
(generell) ab (Verfügung vom 27. Juni 1997). Auf Einsprache der SUVA und
des Versicherten hin erliess die Winterthur am 21. November 1997 einen
ablehnenden Einspracheentscheid.

    B.- Gegen diesen Einspracheentscheid erhob Z. Beschwerde an das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. Nach Einholung einer
ablehnenden Vernehmlassung der Winterthur und der Beiladung der SUVA ins
Verfahren hiess das Sozialversicherungsgericht die Beschwerde in dem Sinne
gut, dass es den Einspracheentscheid vom 21. November 1997 aufhob und die
Sache an die Winterthur zurückwies, damit diese im Sinne der Erwägungen
verfahre (Entscheid vom 5. November 1998).

    C.- Die Winterthur führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Rechtsbegehren auf Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides, verbunden
mit der Feststellung, dass sie Z. keine Leistungen aus der obligatorischen
Unfallversicherung zu erbringen habe.

    Z. antwortet mit dem Rechtsbegehren, es sei, unter Aufhebung
des Einspracheentscheides vom 21. November 1997 und des kantonalen
Gerichtsentscheides vom 5. November 1998, festzustellen, dass die
Winterthur "für die Folgen des Unfalles vom 20. April 1975 respektive des
Rückfalles des Jahres 1994 sowie des Unfalles vom 6. Oktober 1994 allein
leistungspflichtig" sei.

    Die SUVA verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Auszug aus den Erwägungen:

        Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der
Einspracheentscheid vom 21. November 1997. Darin hat es die Winterthur
abgelehnt, ausser der zugesprochenen Integritätsentschädigung weitere
Leistungen gemäss UVG an den Beschwerdegegner zu erbringen. In dem
Anfechtungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Entscheid
(BGE 117 V 295 Erw. 2a) hat das kantonale Gericht den Einspracheentscheid
aufgehoben und die Leistungspflicht der Winterthur vom Ergebnis von noch
vorzunehmenden zusätzlichen Abklärungen abhängig gemacht.

    b) Damit handelt es sich vorliegend um einen Streit betreffend
die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im
Sinne von Art. 132 OG. Die Ordnungsmässigkeit des Einsprache-
und vorinstanzlichen Verfahrens, welche rechtsprechungsgemäss von
Amtes wegen geprüft wird (RKUV 1998 Nr. U 308 S. 454 Erw. 2a, 1993
Nr. U 175 S. 200 nicht veröffentlichte Erw. 2), ist daher ebenso
zu bejahen wie die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
(Art. 128 ff. OG). Diese scheidet nicht etwa deswegen aus, weil in einem
negativen Kompetenzkonflikt zwischen Unfallversicherern, wie er sich
hier in der Verfügung der SUVA vom 8. Januar 1998 und der Verfügung vom
27. Juni 1997 sowie dem Einspracheentscheid vom 21. November 1997 der
Winterthur manifestiert, das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) nach
Art. 78a UVG eine Verfügung hätte erlassen können, gegen welche zuerst
die Beschwerde an das Eidg. Departement des Innern und danach erst die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht offen
gestanden hätten (RKUV 1998 Nr. U 312 S. 470). Die bundesamtliche
Verfügungszuständigkeit nach Art. 78a UVG und der dadurch begründete
Rechtsmittelzug kommt nur dann zum Tragen, wenn entweder ein
Unfallversicherer, der gegenüber dem andern Unfallversicherer keine
Weisungsbefugnis besitzt (BGE 120 V 489), oder ein Versicherter das
BSV anruft und dieses über die streitige Zuständigkeit verfügungsweise
entscheidet. Hingegen schliesst es Art. 78a UVG nicht aus, dass der
Unfallversicherer gegenüber dem Ansprecher seine Leistungspflicht mit
Verfügung und Einspracheentscheid (Art. 105 UVG) ablehnt und dies mit
der - seiner Auffassung nach fehlenden - Zuständigkeit begründet. Was
es hiebei zu beachten gilt, ist der eben erwähnte rechtliche Umstand,
dass kein Unfallversicherer gegenüber dem andern die Zuständigkeitsfrage
in seinem Sinne hoheitlich zu entscheiden befugt ist. Prozessual wird
dem dadurch Rechnung getragen, dass insbesondere solche gestützt auf die
angenommene fehlende Zuständigkeit erlassene Ablehnungsverfügungen und
Einspracheentscheide nebst dem Versicherten nach Art. 129 UVV auch dem
konkurrierenden Unfallversicherer zu eröffnen sind, was hier unstreitig
geschehen ist.

Erwägung 2

    2.- Wie der Beschwerdegegner selber richtig bemerkt, kennen die
Verwaltungsrechtspflegebestimmungen der Art. 97 ff. in Verbindung mit
Art. 128 ff. OG das Institut der Anschlussbeschwerde nicht (BGE 124 V
155 Erw. 1). Hingegen halten sich die vom Beschwerdegegner gestellten
Anträge, dass nämlich die Winterthur ohne die vorinstanzlich angeordneten
Abklärungen als definitiv leistungspflichtig zu erklären sei, im Rahmen
des Anfechtungsgegenstandes um die zuständigkeitsrechtlich begründete
Leistungspflicht der Winterthur, welche diese bestreitet, wogegen das
kantonale Gericht der Auffassung ist, die Kompetenzabgrenzung zwischen
Winterthur und SUVA könne im vorliegenden Fall erst nach Durchführung
ergänzender Abklärungen beurteilt werden. Der Antrag des Beschwerdegegners
ist daher zwar nicht als förmliches Rechtsbegehren jedoch als Vorbringen
entgegenzunehmen, welches der Sozialversicherungsrichter im Lichte der
weiten Kognition nach Art. 132 lit. c OG würdigt.

Erwägung 3

    3.- a) Nach Art. 77 Abs. 3 lit. b UVG ordnet der Bundesrat die
Leistungspflicht und das Zusammenwirken der Versicherer bei einem
erneuten Unfall (...). Gestützt darauf hat der Bundesrat Art. 100 UVV
(Leistungspflicht bei erneutem Unfall) erlassen:
      "1 Wenn der Versicherte erneut verunfallt, während er wegen eines

    versicherten Unfalles noch behandlungsbedürftig, arbeitsunfähig und

    versichert ist, so muss der bisher leistungspflichtige Versicherer
auch die

    Leistungen für den neuen Unfall erbringen.
      2 Verunfallt der Versicherte während der Heilungsdauer eines oder

    mehrerer Unfälle, aber nach der Wiederaufnahme einer versicherten

    Tätigkeit, erneut und löst der neue Unfall Anspruch auf Taggeld aus, so

    erbringt der für den neuen Unfall leistungspflichtige Versicherer
auch die

    Leistungen für die früheren Unfälle. Die anderen beteiligten
Versicherer

    vergüten ihm diese Leistungen, ohne Teuerungszulagen, nach Massgabe der

    Verursachung; damit ist ihre Leistungspflicht abgegolten. Die
beteiligten

    Versicherer können untereinander von dieser Regelung abweichende

    Vereinbarungen treffen, namentlich wenn der neue Unfall wesentlich

    geringere Folgen hat als der frühere.
      3 Erleidet ein aus einem früheren Unfall Rentenberechtigter einen
      neuen

    Unfall und führt dieser zu einer Änderung des Invaliditätsgrades,
so muss

    der für den zweiten Unfall leistungspflichtige Versicherer sämtliche

    Leistungen ausrichten. Der für den ersten Unfall leistungspflichtige

    Versicherer vergütet dem anderen Versicherer den Betrag, der dem
Barwert

    des Rentenanteils, ohne Teuerungszulagen, aus dem ersten Unfall
entspricht.

    Damit ist seine Leistungspflicht abgegolten."

    Während das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil F. vom 4. Januar 1994
(BGE 120 V 65) zur Bedeutung und zum Verhältnis der Absätze 1 und 2 von
Art. 100 UVV grundsätzlich Stellung genommen hat, geht es vorliegend,
soweit ersichtlich zum ersten Mal, um die Tragweite von Absatz 3 und
dessen Verhältnis zu Absatz 2 dieser Verordnungsbestimmung.

    b) Wie der im Sachverhaltsteil A.- dargestellte Geschehensablauf
zeigt, sind Winterthur und SUVA zunächst im Sinne von Art. 100 Abs. 2
UVV vorgegangen: Da der Beschwerdegegner am 6. Oktober 1994, als er den
zweiten Unfall erlitt, eine neue versicherte Tätigkeit wieder aufgenommen
(und ausgeübt) hatte sowie damals von einer aus dem ersten Unfall vom
20. April 1975 resultierenden 50%igen Arbeitsunfähigkeit betroffen
war, stand einer Anwendung dieser Bestimmung nichts entgegen. Dass
beide Unfallversicherer je ein hälftiges Taggeld erbrachten (statt die
Winterthur als für den zweiten Unfall leistungspflichtige Versichererin
die Gesamtleistungen), ist in keiner Weise zu beanstanden, sieht doch
Art. 100 Abs. 2 dritter Satz ausdrücklich vor, dass die Versicherer
eine abweichende Vereinbarung treffen können. Streitig ist nun aber,
ob die Anwendung dieser Bestimmung des Abs. 2 durch Abs. 3 von Art. 100
UVV zurückgedrängt wird. Dies rührt daher, dass sich auch für den zweiten
Unfall vom 6. Oktober 1994 die Frage nach dem Fallabschluss stellt. Hier
liegen drei widerstreitende Standpunkte vor:

    aa) Beschwerdegegner und SUVA gehen davon aus, dass der zweite bei der
Winterthur versicherte Unfall vom 6. Oktober 1994 eine Beeinträchtigung
zurücklasse, welche die Erwerbsmöglichkeiten zusätzlich schmälere, woraus
eine Änderung des unfallbedingten Invaliditätsgrades, somit eine Erhöhung
der bisher von der SUVA gewährten 10%igen Invalidenrente resultiere. Damit
sei das massgebliche Tatbestandsmerkmal des Abs. 3 von Art. 100 UVV,
die Änderung des Invaliditätsgrades, gegeben. Deshalb habe der für den
zweiten Unfall leistungspflichtige Versicherer, eben die Winterthur,
sämtliche Leistungen auszurichten.

    bb) Die beschwerdeführende Winterthur ist dagegen - anders als
im Einspracheentscheid und im kantonalen Verfahren, als sie die
Anwendung des Art. 100 Abs. 3 UVV noch unter Hinweis auf die mit der
SUVA getroffene Abmachung und mit dem Fehlen eines durch den zweiten
Unfall geänderten Invaliditätsgrades in Abrede stellte - nunmehr der
Auffassung, Art. 100 Abs. 3 UVV komme von vornherein nicht zur Anwendung,
wenn der zweite Unfall einen vollinvaliden Versicherten treffe. Die
rechtskräftige Verfügung der Invalidenversicherung vom 18. Oktober 1996
mit Rentenbeginn im Juni 1993 weise aus, dass der Beschwerdegegner im
Zeitpunkt "des Unfalles vom 6. Oktober 1994 bereits seit über zwei
Jahren aus unfallfremden Gründen vollumfänglich erwerbsunfähig gewesen
sei und deshalb aus der zusätzlichen unfallbedingten Beeinträchtigung
des rechtsseitigen Armes gar keine Änderung des Invaliditätsgrades
(habe) resultieren" können, zu welchem Ergebnis auch "die Vornahme
des Einkommensvergleichs gemäss Art. 28 Abs. 3 UVV (keine verwertbare
Leistungsfähigkeit sowohl vor als auch nach dem Unfall)" führe.

    cc) Das kantonale Gericht dagegen will zunächst abklären lassen,
welche bleibenden Schädigungen aus den Unfällen von 1975 und 1994
resultieren; abklärungsbedürftig seien hier einzig die angeblichen
Restfolgen des 1975 erlittenen Schädel-Hirn-Traumas, zu welcher Frage
sich eine nochmalige Begutachtung aufdränge. Stünden die unfallbedingten
Schäden fest, sei, im Rahmen eines auf realistischen Vorgaben bezüglich
der Verweisungstätigkeiten durchzuführenden Einkommensvergleiches,
der unfallbedingte Gesamtinvaliditätsgrad zu ermitteln. Schliesslich
sei von dieser Gesamtinvalidität eine Ausscheidung danach vorzunehmen,
wie sich die Folgen der Unfälle von 1975 und 1994, je gesondert, auf
die Erwerbsfähigkeit auswirken. Stehe fest, dass sich die Folgen des
Unfalles von 1975 erheblich mehr auf die Erwerbsfähigkeit auswirkten
als die Folgen des Unfalles von 1994, habe die SUVA die Gesamtrente
festzusetzen, andernfalls die Winterthur.

    c) aa) Zunächst ist festzuhalten, dass die eben wiedergegebene
vorinstanzliche Schlussfolgerung, welche die Zuweisung zum
Versicherer im Rahmen von Art. 100 Abs. 3 UVV nach der Schwere der
invaliditätsmässigen Folgen vornehmen will, im Verordnungstext keine
Grundlage findet. Verlangt ist nach dem klaren Verordnungswortlaut eine
Änderung des Invaliditätsgrades, hingegen nicht, dass die zusätzliche
durch den zweiten Unfall begründete Invalidität die aus dem ersten Unfall
resultierende Einschränkung in der Erwerbsfähigkeit übersteigt. Die
französisch- und italienischsprachigen Texte ergeben nichts anderes.

    bb) Dem Standpunkt der beschwerdeführenden Winterthur kann ebenfalls
nicht beigepflichtet werden. Dass der Beschwerdegegner eine ganze Rente
der Invalidenversicherung auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades
von 100% bezieht, heisst keineswegs, dass er nicht noch über eine
Resterwerbsfähigkeit verfügte, welche Gegenstand der obligatorischen
Unfallversicherung sein könnte, und zwar auch hinsichtlich des Anspruches
auf eine Invalidenrente. Der Bezug einer ganzen Invalidenrente
der Invalidenversicherung ist gesetzlich begründet, selbst wenn
der Versicherte noch über eine Resterwerbsfähigkeit von bis zu einem
Drittel verfügt (Art. 28 Abs. 1 IVG). Dass dem Beschwerdegegner in den
Rentenverfügungen der Invalidenversicherung ein 100%iger Invaliditätsgrad
bescheinigt wurde, ist daher nicht entscheidend für die Beantwortung
der Frage nach dem Unfallversicherungsschutz. Davon abgesehen ist
die invalidenversicherungsrechtliche Leistungszusprechung für den
unfallversicherungsrechtlichen Status nicht präjudiziell. Es kommt nur
darauf an, ob es dem Betroffenen - u.U. entgegen der Berentung durch die
Invalidenversicherung - nach dem ersten Unfall gelungen ist, wieder eine
versicherungspflichtige Tätigkeit auszuüben. Wenn und insoweit ihm dies
in zumutbarer Weise gelingt, liegt darin der Beweis, dass er effektiv über
eine Resterwerbsfähigkeit verfügt. Der Standpunkt der beschwerdeführenden
Winterthur würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, Versicherten in der Lage
des Beschwerdegegners den unfallversicherungsrechtlichen Schutz, zumindest
in Bezug auf die Invalidenrentenberechtigung, zu versagen, was nach den
gesetzlichen Vorgaben nicht angeht. Ob und inwieweit der durch einen ersten
Unfall in seiner Erwerbsfähigkeit schon beeinträchtigte Versicherte aus
dem zweiten Unfall eine rentenerhöhende Invalidität geltend machen kann,
hängt demgegenüber davon ab, ob er im Rahmen von Art. 28 Abs. 3 UVV über
einen Lohn verfügte, den er auf Grund der vorbestehenden verminderten
Leistungsfähigkeit zu erzielen im Stande wäre und den er nun wegen den
Auswirkungen des zweiten Unfalles verliert (OMLIN, Die Invalidität in der
obligatorischen Unfallversicherung, Diss. Freiburg 1995, S. 130). Ob dies
zutrifft, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden. Dazu
hat zunächst der zuständige Versicherer Stellung zu nehmen.

    cc) Damit bleibt zu prüfen, ob bei der gegebenen Aktenlage zuverlässig
gesagt werden kann, dass der zweite Unfall zu einer Änderung des bisherigen
10%igen unfallbedingten Invaliditätsgrades führt, was, wie dargetan,
Voraussetzung für die Anwendung von Art. 100 Abs. 3 UVV ist. Diese
Frage ist gestützt auf die bei den Akten liegenden medizinischen Berichte
eindeutig zu bejahen. Der Beschwerdegegner ist durch die Restfolgen der am
6. Oktober 1994 erlittenen rechtsseitigen Oberarmfraktur, zusätzlich zu den
Folgen des Unfalles vom 20. April 1975, insbesondere den Kniebeschwerden,
beeinträchtigt. In welchem Ausmass dies zutrifft, hat nach dem Gesagten
die Winterthur zu entscheiden.