Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 V 266



125 V 266

42. Urteil vom 29. Juni 1999 i.S. Krankenkasse Hermes gegen P. und
Versicherungsgericht des Kantons Wallis Regeste

    Art. 102 Ziff. 5 BV; Art. 7 Abs. 1 und 2 sowie Art. 96 KVG; Art. 9
Abs. 3 KVV. Da das Gesetz die nähere Regelung der Vollstreckung von
Kassenforderungen nicht an den Bundesrat delegiert hat und Art. 9 Abs. 3
KVV, welcher das in Art. 7 Abs. 1 und 2 KVG statuierte Recht auf Wechsel
des Versicherers einschränkt, den einer Vollzugsnorm gesetzten Rahmen
überschreitet, ist diese Verordnungsbestimmung gesetzwidrig.

Sachverhalt

    A.- P. hatte bei der Krankenkasse Hermes die obligatorische
Krankenpflegeversicherung sowie verschiedene Zusatzversicherungen
abgeschlossen. Mit Schreiben vom 30. September 1997 liess er seine
Mitgliedschaft auf den 31. Dezember 1997 kündigen. Die Kasse bestätigte
den Erhalt der Kündigung und wies den Versicherten darauf hin, dass
die obligatorische Krankenpflegeversicherung auf den 31. Dezember 1997
gekündigt werden könne; Voraussetzung bilde jedoch die Beibringung der
Versicherungsbestätigung seiner neuen Krankenkasse und die vollständige
Bezahlung fälliger Prämien sowie eventueller Kostenbeteiligungen bis zu
diesem Datum. Andernfalls bleibe die Mitgliedschaft aufrechterhalten. Am
14. November 1997 leitete die Kasse gegen den Versicherten die
Betreibung für die ausstehenden Prämien der Monate Juli bis September
1997 im Betrag von Fr. 467.40 ein. Der Versicherte erhob keinen
Rechtsvorschlag. Die Krankenkasse Y informierte die Krankenkasse Hermes
am 18. Dezember 1997 über die Aufnahme von P. für die Grundversicherung
und die Zusatzversicherungen auf den 1. Januar 1998. Am 5. Februar 1998
teilte die Krankenkasse Hermes dem Versicherten mit, dass der Übertritt
zu einer anderen Kasse für die obligatorische Krankenpflegeversicherung
infolge der Prämienrückstände derzeit nicht möglich sei. P. bestritt einen
Prämienrückstand und bestand auf dem Kassenaustritt per 31. Dezember 1997
(Schreiben vom 4. März 1998). Am 4. März 1998 leitete die Kasse gegen
den Versicherten die Betreibung für die Prämien der Monate Oktober bis
Dezember 1997 über Fr. 467.40 ein, wobei dieser keinen Rechtsvorschlag
erhob und den ausstehenden Betrag am 20. März 1998 überwies.

    Am 27. März 1998 verfügte die Kasse, die Kündigung werde auf das
Ende desjenigen Monats eingetragen, in dem sämtliche Ausstände bezahlt
seien. Am 30. März 1998 beglich P. den Prämienrückstand der Monate
Juli bis September 1997. Mit Einsprache vom 24. April 1998 beantragte
er die Anerkennung der Kündigung auf den 31. Dezember 1997 und sicherte
die Zahlung allfälliger Ausstände zu. Am 27. Mai 1998 erbrachte er eine
letzte Geldleistung. Im Einspracheentscheid vom 5. Juni 1998 hielt die
Kasse - unter Hinweis darauf, dass die Prämien für das vierte Quartal
1997 erst am 20. März 1998 (auf dem Betreibungsweg), der Selbstbehalt
von Fr. 23.40 erst am 29. Mai 1998 und die Prämien für das Jahr 1998
überhaupt noch nicht beglichen worden seien - an der Aufrechterhaltung
des Versicherungsverhältnisses bis zum Ende des Monats, in dem sämtliche
ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligungen bezahlt seien, fest.

    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonale
Versicherungsgericht des Wallis gut, soweit es darauf eintrat, indem es P.
unter Aufhebung des Einspracheentscheides vom 5. Juni 1998 den Wechsel des
Krankenversicherers per 31. Dezember 1997 gestattete und feststellte, für
die obligatorische Grundversicherung des Jahres 1998 seien der Krankenkasse
Hermes keine Prämien geschuldet (Entscheid vom 7. Oktober 1998).

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Kasse, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei festzustellen, dass der
Versicherungswechsel erst auf das Ende desjenigen Monats vorzunehmen sei,
in dem sämtliche Prämien und Selbstbehalte bis zum betreffenden Monat
vollständig bezahlt seien.

    P. schliesst auf Abweisung, das Bundesamt für Sozialversicherung
(BSV) auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

        Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Streitig und zu prüfen sind der Bestand des die obligatorische
Krankenpflege betreffenden Versicherungsverhältnisses über den 31. Dezember
1997 hinaus sowie die Verpflichtung des Beschwerdegegners zur Bezahlung
von Prämien für das erste Halbjahr 1998 zuzüglich Mahnspesen, nachdem
die Vorinstanz die Prüfung zulässigerweise auf die Prämienzahlungspflicht
ausgedehnt hat (BGE 122 V 244 Erw. 2a, 117 V 295 Erw. 2a, 112 V 99 Erw. 1a,
110 V 51 Erw. 3c mit Hinweisen; vgl. auch BGE 122 V 36 Erw. 2a).

Erwägung 2

    2.- a) Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz muss sich für
Krankenpflege versichern (Art. 3 Abs. 1 KVG). Sie kann unter den
Versicherern frei wählen (Art. 4 Abs. 1 KVG). Unter Einhaltung einer
dreimonatigen Kündigungsfrist kann die versicherte Person den Versicherer
auf das Ende eines Kalendersemesters wechseln (Art. 7 Abs. 1 KVG), wobei
das Versicherungsverhältnis beim bisherigen Versicherer erst endet, wenn
ihm der neue Versicherer mitgeteilt hat, dass die betreffende Person bei
ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist (Art. 7
Abs. 5 Satz 1 KVG). Sobald der bisherige Versicherer die Mitteilung
erhalten hat, informiert er die betroffene Person, ab welchem Zeitpunkt
sie nicht mehr bei ihm versichert ist (Art. 7 Abs. 5 Satz 3 KVG).

    Die Vollstreckung der finanziellen Verpflichtungen der Versicherten
gegenüber dem Versicherer (Prämien gemäss Art. 61 ff. KVG und
Kostenbeteiligung nach Art. 64 KVG) sowie die Folgen der Nichterfüllung
sind weder formellgesetzlich geregelt noch beauftragt das Gesetz den
Bundesrat, hierzu und zum Wechsel des Versicherers nähere Bestimmungen zu
erlassen. Nach Art. 96 KVG ist der Bundesrat aber mit dem Gesetzesvollzug
beauftragt; er erlässt die Ausführungsbestimmungen.

    b) Im Zusammenhang mit dem Zahlungsverzug der Versicherten
bestimmt Art. 9 Abs. 3 KVV, dass der bisherige Versicherer säumige
Versicherte, die den Versicherer wechseln wollen, erst dann aus dem
Versicherungsverhältnis entlassen darf, wenn die ausstehenden Prämien
oder Kostenbeteiligungen vollständig bezahlt sind. Im Übrigen hat der
Versicherer das Vollstreckungsverfahren einzuleiten, falls Versicherte
fällige Prämien oder Kostenbeteiligungen trotz Mahnung nicht bezahlen
(Art. 9 Abs. 1 KVV). Nach Ausstellung eines Verlustscheines und
Meldung an die Sozialhilfebehörde kann der Versicherer die Übernahme
der Kosten für die Leistungen aufschieben, bis die ausstehenden
Prämien oder Kostenbeteiligungen vollständig bezahlt sind; nach deren
Begleichung hat der Versicherer die Kosten für die Leistungen während
der Zeit des Aufschubes zu übernehmen (Art. 9 Abs. 2 KVV). Kann das
Vollstreckungsverfahren gegen Versicherte, auf welche die schweizerische
Gesetzgebung über die Sozialhilfe nicht anwendbar ist, nicht durchgeführt
werden oder hat es keine Zahlung der Prämien oder Kostenbeteiligung
zur Folge, kann der Versicherer nach schriftlicher Mahnung und Hinweis
auf die Folgen des Zahlungsverzuges das Versicherungsverhältnis beenden
(Art. 9 Abs. 4 KVV).

Erwägung 3

    3.- a) Nach Ansicht der Vorinstanz ist Art. 9 Abs. 3 KVV mit dem
gesetzlich verankerten Grundsatz der freien Wahl des Versicherers nicht
vereinbar. Weder die gesetzlichen Bestimmungen zum Wechsel des Versicherers
noch diejenigen zur Prämienzahlungs- und Kostenbeteiligungspflicht
der Versicherten würden dem Bundesrat die Befugnis geben, den
Versicherungswechsel an zusätzliche Bedingungen zu knüpfen. Eine
solche könne auch aus dem allgemeinen Vollzugsauftrag nicht abgeleitet
werden. Die vom Bundesrat getroffene Lösung sei nicht sachgerecht, da sie
Versicherte, die sich in guten Treuen über ihre Leistungspflicht gegenüber
dem Versicherer stritten, zur Zahlung des in Frage stehenden Betrages oder
zum Verzicht auf den Kassenwechsel zwingen würde. Zur Durchsetzung ihrer
Ansprüche stehe den Versicherern die ordentliche Zwangsvollstreckung
offen. Die Doppelversicherung sei vom Gesetzgeber nicht gewollt, und
Schwierigkeiten bezüglich der Prämienzahlungspflicht sowie Streitigkeiten
zwischen den Versicherern über die Leistungspflicht seien voraussehbar.

    b) Die Beschwerdeführerin hält die fragliche Verordnungsbestimmung
für gesetzmässig. Sie beruft sich dabei auf den in Art. 13 Abs. 2 lit. a
KVG statuierten Grundsatz der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung der
Versicherten, der bedeute, dass die Versicherten als Gegenleistung für
den Versicherungsschutz ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber
dem Versicherer nachzukommen hätten. In RKUV 1997 Nr. KV 12 S. 301
habe das Eidg. Versicherungsgericht Art. 9 Abs. 3 KVV nicht als
gesetzwidrig erachtet, weshalb die Bestimmung bis zu einem gegenteiligen
Gerichtsentscheid anwendbar sei. Das BSV weist zusätzlich darauf hin,
dass eine entsprechende Regelung bereits in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung
III zum KUVG - ohne ausdrückliche Delegationsnorm im KUVG - enthalten war.

Erwägung 4

    4.- In der Literatur äussern sich EUGSTER ausführlich und DUC
beiläufig zur Gesetzmässigkeit von Art. 9 Abs. 3 KVV, während MAURER
die Gesetzmässigkeit von Art. 9 Abs. 4 KVV anzweifelt, jedoch zu Abs. 3
desselben Artikels keine Ausführungen macht (EUGSTER, Krankenversicherung,
in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz. 39 und Fn. 77,
78 sowie Fn. 827; DUC, Non-paiement des primes de l'assurance-maladie
obligatoire et suspension du droit aux prestations selon la LAMal;
compensation dans le cadre de la LAMal, in: LAMal-KVG, Recueil de travaux
en l'honneur de la Société suisse de droit des assurances, Lausanne 1997,
S. 464 ff.; MAURER, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel 1996, S. 41).

    EUGSTER erblickt im Bereich der Sanktionen beim Prämienzahlungsverzug
eine echte Lücke und erachtet den Eingriff in Art. 7 Abs. 1 und 2 KVG zu
deren effizienten Behebung als notwendig, da sich sonst eine säumige Person
durch einen Versichererwechsel der Leistungssperre oder einer möglichen
Verrechnung von Leistungsansprüchen mit ausstehenden Prämien entziehen
könnte. Der Eingriff müsse indessen im Einzelfall verhältnismässig sein
und sei insbesondere nur zulässig, wenn er sich zur Sicherstellung eines
lückenlosen Versicherungsschutzes als notwendig erweise. Säumnis im Sinne
von Art. 9 Abs. 3 KVV sei bei Verzug anzunehmen, was eine rechtzeitige
Mahnung vor Ablauf des Kündigungstermins verlange; Kostenbeteiligungen,
die kurz vor oder gar erst nach dem Kündigungstermin fällig werden, könnten
demnach nicht zum Anlass für eine Verweigerung des Versichererwechsels
genommen werden. Ferner habe der Versicherer die versicherte Person vor
Ablauf des Kündigungstermins auf die Unzulässigkeit des Versichererwechsels
bei weiterer Säumnis hinzuweisen (EUGSTER, aaO, Rz. 39 und Fn. 77, 78
sowie Fn. 827).

    DUC wirft die Frage der Gesetzmässigkeit von Art. 9 KVV im Hinblick
auf das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage auf und bejaht
das Vorliegen einer echten Lücke, die auf dem Verordnungsweg habe gefüllt
werden dürfen. Die Gesetzmässigkeit der Leistungssperre bei Prämienverzug
gemäss Art. 9 Abs. 2 KVV zweifelt er indessen in dem Sinne an, dass die
Lücke analog den Bestimmungen des VVG - ohne rückwirkende Leistungspflicht
bei nachträglicher Prämienzahlung - hätte gefüllt werden müssen. Die
Regelungen von Art. 9 Abs. 3 und 4 KVV bezeichnet er als "pour le moins
curieuses", geht aber nicht näher auf sie ein (DUC, aaO, S. 464 ff.).

Erwägung 5

    5.- a) Mit dem Verbot des Versichererwechsels im Säumnisfall gemäss
Art. 9 Abs. 3 KVV wird ein indirekter Druck auf die einen Wechsel des
Versicherers anstrebende versicherte Person hervorgerufen, vor dem Wechsel
ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber ihrem derzeitigen Versicherer
nachzukommen. Gleichzeitig wird die Freiheit des Versichererwechsels gemäss
Art. 7 Abs. 1 und 2 KVG erschwert. Die Praxis zeigt, dass zur Klärung von
Kassenforderungen gelegentlich längere Zeit benötigt wird, während der die
Wirksamkeit der Kündigung fraglich ist und gegebenenfalls immer weitere
Prämien fällig werden, die - bei Gültigkeit der Verordnungsbestimmung -
die Wirksamkeit der Kündigung weiter verzögern. Durch diesen Mechanismus
kann das Kündigungsrecht nicht nur für kurze Zeit hinausgeschoben werden.

    Das Verbot des Versichererwechsels im Säumnisfall stellt eine
verwaltungsrechtliche Sanktion dar, mit der die Erfüllung der Pflicht
zur Prämienzahlung und Kostenbeteiligung gemäss Art. 62 ff. KVG
erzwungen werden soll (vgl. HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen
Verwaltungsrechts, 3. Aufl., Zürich 1998, S. 235 Rz. 913).

    b) Zu den wichtigsten Zielen des Bundesgesetzes über die
Krankenversicherung vom 18. März 1994 gehören die Einführung des
Krankenpflegeversicherungsobligatoriums und die Eindämmung der
Kostensteigerung im Gesundheitswesen, der unter anderem durch den
Wettbewerb unter den Versicherern begegnet werden soll. Im System der
Mehrfachträgerschaft des Versicherungsobligatoriums gewährleisten
verschiedene Bestimmungen die rechtliche und faktische Freiheit
des Versichererwechsels. Faktische Freiheit besteht etwa durch die
Unabhängigkeit der Prämienhöhe vom Eintrittsalter (Art. 61 KVG). Art. 7
KVG regelt die rechtliche Freiheit des Versichererwechsels einerseits
durch Statuierung von Kündigungsfristen und -terminen (Abs. 1 und 2),
anderseits durch die Bestimmung, dass das Versicherungsverhältnis
nur bei Bestätigung eines neuen Versicherungsverhältnisses endet
(Abs. 5). Während Kündigungsfristen und -termine den administrativen
Ablauf vereinfachen, bezweckt Art. 7 Abs. 5 KVG die Vermeidung von -
mit dem Versicherungsobligatorium unverträglichen - Versicherungslücken
(Botschaft über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991,
BBl 1992 I 93 ff., insbesondere 144; Amtl.Bull. 1992 S 1287, 1993 N 1729,
1993 S 1048).

    c) Vorerst ist zu prüfen, ob Art. 7 KVG dahingehend zu
verstehen ist, dass weiter gehende als in dieser Bestimmung enthaltene
Kündigungseinschränkungen unzulässig sind, weil die gesetzgebenden Behörden
diesbezüglich qualifiziert geschwiegen haben, womit jede Lückenfüllung
gesetzwidrig wäre.

    Das Verbot des Versichererwechsels bei Säumnis - bis zur Erfüllung
der finanziellen Verpflichtungen - gemäss Art. 9 Abs. 3 KVV widerspricht
offensichtlich dem Gesetzeszweck der Vermeidung von Versicherungslücken
(Art. 7 Abs. 5 KVG) nicht (sondern birgt vielmehr das Risiko der
Doppelversicherung in sich). Es steht hingegen in einem Spannungsverhältnis
zu der bei Berücksichtigung von Fristen und Terminen gewährleisteten
Kündigungsfreiheit gemäss Art. 7 Abs. 1 und 2 KVG.

    Nachdem die Frage der Gesetzmässigkeit von Art. 9 Abs. 3 KVV in RKUV
1997 Nr. KV 12 S. 298 nicht aufgeworfen worden war, hatte sich das Eidg.
Versicherungsgericht hinsichtlich Einschränkungen der Kündigungsfreiheit
bisher nur zur Gesetzmässigkeit von Art. 94 Abs. 2 KVV zu äussern, wonach
bei einer Versicherung mit wählbarer Franchise der Wechsel zu einem anderen
Versicherer frühestens ein Jahr nach dem Beitritt zu dieser besonderen
Versicherungsform, unter Einhaltung der in Art. 7 Abs. 1 und 2 KVG
festgesetzten Kündigungsfristen auf das Ende eines Kalenderjahres möglich
ist. Das Gericht erachtete die Verordnungsbestimmung als gesetzmässig;
der Bundesrat habe die ihm in Art. 62 Abs. 2 KVG delegierte Befugnis zur
Zulassung weiterer Versicherungsformen nicht überschritten, zumal eine
längere Versicherungsdauer wegen der Eigenart dieser Versicherungsform
erforderlich sei (RKUV 1998 Nr. KV 39 S. 378 Erw. 3c). Art. 7 KVG schliesst
damit weiter gehende Kündigungsbeschränkungen nicht von vornherein aus.

Erwägung 6

    6.- a) Zu entscheiden ist aber vorliegend, ob der Bundesrat zum Zwecke
der Vollstreckung der Prämienzahlungs- und Kostenbeteiligungspflicht der
Versicherten deren Kündigungsfreiheit einschränken durfte. Wie bereits
erwähnt (Erw. 2a), enthalten die Art. 61 bis 64 KVG wie auch Art. 7 KVG
keine Delegationsbestimmung, die den Bundesrat in diesem Bereich zum
Erlass gesetzesergänzender (GYGI, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 95
ff.) bzw. gesetzesvertretender (HÄFELIN/MÜLLER, aaO, S. 27 Rz. 107 f.)
Rechtsverordnungen ermächtigen würde. Darin unterscheidet sich der
vorliegende von dem in RKUV 1998 Nr. KV 39 S. 375 ff. beurteilten Fall
(Erw. 5c).

    b) Die Kompetenz des Bundesrates zum Erlass von
Vollziehungsverordnungen ist in der allgemeinen, von Art. 102 Ziff. 5
BV eingeräumten Vollzugskompetenz enthalten (HÄFELIN/MÜLLER, aaO, S. 27
Rz. 110). Art. 96 KVG wiederholt diese Vollzugskompetenz, indem er den
Bundesrat mit dem Erlass der Ausführungsbestimmungen beauftragt. Fraglich
ist, ob der Bundesrat mit der Regelung in Art. 9 Abs. 3 KVV im Rahmen
der Gesetzesausführung geblieben ist.

    Ausführungsverordnungen sollen Gesetzesbestimmungen verdeutlichen,
soweit nötig das Verfahren regeln und (echte) Lücken ausfüllen. Sie dürfen
nicht im Vergleich zum Gesetz zusätzliche Beschränkungen auferlegen, selbst
wenn diese mit dem Gesetzeszweck im Einklang stehen; Ansprüche, die aus dem
Gesetz hervorgehen, kann eine Vollzugsverordnung nicht beseitigen (GYGI,
aaO, S. 93 f. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; HÄFELIN/MÜLLER, aaO,
S. 27 Rz. 109).

    c) Die Erfüllung der Prämienzahlungs- und der
Kostenbeteiligungspflicht durch die Versicherten ist für die
Finanzierung der Krankenpflegeversicherung (Art. 60 ff. KVG) und damit
den Gesetzesvollzug unentbehrlich. Hinsichtlich der Sanktionen, mit
denen die Erfüllung dieser verwaltungsrechtlichen Pflichten erzwungen
wird (HÄFELIN/MÜLLER, aaO, S. 235 ff.), bestimmt Art. 88 Abs. 2 KVG,
dass die gemäss Art. 88 Abs. 1 KVG vollstreckbaren Verfügungen und
Einspracheentscheide, die auf Geldzahlung (oder Sicherheitsleistung)
gerichtet sind, vollstreckbaren Urteilen im Sinne von Art. 80 SchKG
gleichstehen. Nach dem Willen der gesetzgebenden Instanzen haben die
Versicherer ihre Geldforderungen auf dem Weg der Zwangsvollstreckung
gemäss SchKG durchzusetzen. Weitere Formen des Verwaltungszwangs sind
formellgesetzlich nicht vorgesehen.

    Im Hinblick auf die Möglichkeit der Vollstreckung gemäss SchKG
weist die gesetzliche Ordnung keine echte Lücke auf, die mit einer
Vollziehungsverordnung gefüllt werden müsste. Das Fehlen weiterer
gesetzlicher Vollzugsmassnahmen wäre als unechte Lücke zu bezeichnen, zu
deren Schliessung der Bundesrat (mit der Begründung der Lückenfüllung)
nicht berufen ist. Im Übrigen wäre auch bei Annahme einer echten Lücke
fraglich, ob diese im Sinne eines Aufschubes des Kündigungsrechts
gefüllt werden dürfte, nachdem die übrigen Sozialversicherungsgesetze
mit Mehrfachträgerschaft (UVG, BVG) eine vergleichbare Bestimmung nicht
kennen (vgl. BGE 119 V 298; vgl. auch die in Erw. 4 erwähnte Auffassung
von DUC, aaO, S. 464 ff., wonach die Regelung des VVG übernommen werden
sollte, da die obligatorischen Versicherungen als Kollektivversicherungen
mit Beitragspflicht der Arbeitgeberschaft ausgestaltet sind und die
Berücksichtigung dieser sozialversicherungsrechtlichen Regelungen im
Bereich der Individualversicherung gemäss KVG nicht angezeigt ist).

    d) Kasse und BSV erblicken die erforderliche gesetzliche Grundlage im
Grundsatz der Gegenseitigkeit, der gemäss Art. 13 Abs. 2 lit. a KVG auch
im neuen Recht gilt. Tatsächlich erachtete das Eidg. Versicherungsgericht
die in Kassenstatuten vorgesehene Leistungseinstellung für die Dauer des
Prämienverzugs als mit dem Gegenseitigkeitsprinzip vereinbar (BGE 111
V 318; RKUV 1990 Nr. K 847 S. 252). Diese Frage ist hier für das neue
Recht nicht zu entscheiden. Die vorliegend zu beurteilende Sanktion
unterscheidet sich jedenfalls wesentlich von der Leistungssperre bei
Prämienverzug, die einen Rückbehalt der Leistung bis zum Erbringen
der Gegenleistung bedeutet. Bei der Unwirksamkeit einer Kündigung wegen
Prämienverzug fehlt es an diesem sachlichen Zusammenhang, und es ist nicht
einzusehen, inwiefern die Fortdauer des Versicherungsverhältnisses säumiger
Versicherter die Gleichbehandlung der Versicherten gewährleistet. Das
Gegenseitigkeitsprinzip reicht nicht als gesetzliche Grundlage jeglicher
verwaltungsrechtlicher Sanktion aus.

    e) Inwieweit Sanktionen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen,
ist in der Doktrin umstritten. So wird die Auffassung vertreten,
es sei keine gesetzliche Grundlage erforderlich, wenn die Sanktion
nur eine Verpflichtung darstelle, die an die Stelle derjenigen trete,
welche die Pflichtigen nicht erfüllt hätten, um zum selben Resultat zu
gelangen (z.B. verfügter Abbruch einer Baute und Abbruch auf dem Weg
der Ersatzvornahme); anders verhalte es sich aber, wenn die Sanktion
eine neue Verpflichtung begründe, welche nicht darauf hinziele, den
rechtmässigen Zustand wiederherzustellen (MOOR, Droit administratif,
Bd. II, S. 65 ff.; HÄFELIN/MÜLLER, aaO, S. 237 Rz. 918). Während nach der
Rechtsprechung die Statuierung von Strafnormen in Vollziehungsverordnungen
nicht gänzlich ausgeschlossen ist (RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 8 B IIc, S. 22, und
GYGI, aaO, S. 94, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung), bedürfen
administrative Rechtsnachteile wie Bewilligungs- und Leistungsentzüge
einer formellgesetzlichen Grundlage (RHINOW/KRÄHENMANN, aaO, Nr. 49 B
VII, S. 156 f. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; KNAPP, Grundlagen
des Verwaltungsrechts, Bd. II, S. 439).

    f) Das Verbot des Versichererwechsels gemäss Art. 9 Abs. 3 KVV
dürfte am ehesten als administrativer Rechtsnachteil zu qualifizieren
sein, indem die säumigen Versicherten bis zur Erfüllung ihrer Pflichten
das Kündigungsrecht verlieren. Hiefür wäre eine formellgesetzliche
Grundlage erforderlich. Die Frage der Einordnung kann aber vorliegend
offen bleiben. Entscheidend ist nämlich, dass die verordnungsmässige
Sanktionsbestimmung das in Art. 7 Abs. 1 und 2 KVG statuierte Recht,
unter Einhaltung der entsprechenden Fristen und Termine den Versicherer
zu wechseln, einschränkt, obwohl das Gesetz die nähere Regelung der
Vollstreckung der Kassenforderungen nicht an den Bundesrat delegiert hat.

    Da das KUVG die Regelung des Kündigungsrechts der statutarischen
Bestimmung der Kassen überliess, hat der Hinweis des Bundesamtes auf den
vergleichbaren Art. 7 Abs. 2 Vo III zum KUVG - dessen Gesetzmässigkeit
vom Eidg. Versicherungsgericht nie zu beurteilen war - unter dem neuen
Recht keine durchdringende Bedeutung.

    Zufolge Fehlens einer Delegationsnorm überschreitet somit der streitige
Art. 9 Abs. 3 KVV den einer Vollziehungsbestimmung gesetzten Rahmen,
wie das kantonale Gericht zu Recht entschieden hat.

Erwägung 7

    7.- Der Beschwerdegegner hat der Kasse die Kündigung unter Einhaltung
der in Art. 7 Abs. 1 KVG statuierten Fristen und Termine mitgeteilt,
und die neue Kasse hat die Beschwerdeführerin über die Aufnahme des
Beschwerdegegners auf den 1. Januar 1998 informiert. Der Umstand, dass er
die Prämien für das zweite Halbjahr per Ende 1997 noch nicht bezahlt hatte,
hindert nach dem Gesagten die Wirksamkeit der Kündigung auf den 1. Januar
1998 nicht. Demzufolge schuldet er der Kasse ab diesem Zeitpunkt auch
keine Prämien mehr.

Erwägung 8

    8.- (Kosten und Parteientschädigung)