Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 V 218



125 V 218

33. Auszug aus dem Urteil vom 15. Juni 1999 i.S. L. gegen Ausgleichskasse
des Kantons Solothurn und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
Regeste

    Art. 9 Abs. 1, 2 und 3 AHVG; Art. 17, Art. 23 Abs. 1 und 4 AHVV;
Art. 18 Abs. 2 Satz 3 DBG: Abgrenzung Geschäfts-/Privatvermögen. Die
Abgrenzung Geschäfts-/Privatvermögen bei gemischt genutzten
Liegenschaften richtet sich unter der Herrschaft des Bundesgesetzes über
die direkte Bundessteuer neu nach der Präponderanzmethode; die bisherige
Rechtsprechung, wonach eine Wertzerlegung vorzunehmen war (BGE 111 V 84
Erw. 2b), erweist sich insofern als hinfällig.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- a) Unter der Herrschaft des bis 31. Dezember 1994 gültig
gewesenen Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung
einer direkten Bundessteuer [BdBSt] (bis 1982 Wehrsteuer) folgte das Eidg.
Versicherungsgericht zuerst der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 82
I 178 Erw. 2), wonach ein Gebäude, das zugleich privaten und geschäftlichen
Zwecken dient, entsprechend seiner überwiegenden Zweckbestimmung
unaufgeteilt entweder als Privat- oder als Geschäftsvermögen zu
qualifizieren ist. Nachdem das Bundesgericht seine Rechtsprechung
geändert hatte (BGE 92 I 49), wich das Eidg. Versicherungsgericht vom
Grundsatz der einheitlichen Erfassung gemischt genutzter Liegenschaften
wieder ab (EVGE 1967 S. 83). Fortan war gemäss der Rechtsprechung des
Eidg. Versicherungsgerichts bei gemischt genutzten Liegenschaften nach
dem Verhältnis, in welchem die private und geschäftliche Zweckbestimmung
zueinander stehen, in der Regel eine Wertzerlegung vorzunehmen. Lediglich
die Erträgnisse aus dem geschäftlichen Teil waren in die Beitragsberechnung
miteinzubeziehen. Die ungeteilte Zuweisung einer Liegenschaft zum
Geschäfts- oder Privatvermögen kam nur dann in Betracht, wenn die private
Zweckbestimmung im Verhältnis zur geschäftlichen oder umgekehrt diese im
Verhältnis zu jener völlig belanglos war (BGE 111 V 84 Erw. 2b).

    b) Nach Art. 18 Abs. 2 Satz 3 des seit 1. Januar 1995 geltenden
Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990
(DBG) gelten als Geschäftsvermögen alle Vermögenswerte, die ganz oder
vorwiegend der selbstständigen Erwerbstätigkeit dienen. Nach dieser
Bestimmung sind Vermögenswerte entweder ganz dem Geschäftsvermögen oder
ganz dem Privatvermögen zuzuweisen. Für gemischt genutzte Liegenschaften
ist nunmehr die Präponderanzmethode vorgeschrieben und nicht mehr die
Wertzerlegungsmethode massgebend (ASA 61 S. 507; AGNER/JUNG/STEINMANN,
Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, S. 67 f. N. 5
f. zu Art. 18 DBG). Es stellt sich zunächst die Frage, ob die
Präponderanzmethode auch im AHV-Recht anwendbar sei.

    c) Wie das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) zu Recht
darauf hinweist, ist im AHV-Recht der Begriff des Einkommens aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit mit demjenigen der direkten Bundessteuer
in Übereinstimmung gebracht worden (vgl. auch KÄSER, Unterstellung und
Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl., S. 198 N. 8.3). Art. 17
AHVV verweist denn auch ausdrücklich auf Art. 18 Abs. 2 DBG. Ob mit
dieser Begriffsbestimmung gleich die Präponderanzmethode ins AHV-Recht
mitübernommen worden ist, wie das BSV weiter geltend macht, kann offen
bleiben. Jedenfalls ist es mit Blick auf Art. 23 Abs. 1 AHVV, wonach die
kantonalen Steuerbehörden das für die Berechnung der Beiträge massgebende
Erwerbseinkommen auf Grund der rechtskräftigen Veranlagung für die direkte
Bundessteuer ermitteln, ausgeschlossen, dass im AHV-Recht eine vom direkten
Bundessteuerrecht abweichende Regelung Anwendung finden könnte. Auch
bemerkt das BSV im Übrigen zutreffend, dass sich die Ausgleichskassen
vor beinahe unüberwindlichen praktischen Schwierigkeiten befänden,
wenn sie das Einkommen weiterhin nach der Wertzerlegungsmethode zu
ermitteln hätten, nachdem die Steuerbehörden dieses Verfahren aufgegeben
haben. In allen Fällen, wo fundiertes Einkommen fliesse, müssten sie
prüfen, ob und wieweit dieses aus Geschäftsvermögen stamme. Damit würde
die Einkommensermittlung - entgegen der vom Gesetzgeber vorgenommenen
Aufgabenzuweisung (vgl. Art. 9 Abs. 3 AHVG) - zu einem beträchtlichen
Teil den Ausgleichskassen überantwortet, womit diese überfordert wären.

    Nach dem Gesagten erweist sich die bisherige Rechtsprechung zur
Wertzerlegung bei gemischt genutzten Liegenschaften (vgl. Erw. 5a)
aufgrund des vom Gesetzgeber im Bundessteuerrecht vollzogenen Wechsels zur
Präponderanzmethode insofern als hinfällig, als ein Sachverhalt unter der
Herrschaft des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer zu beurteilen
ist. Mangels Übergangsbestimmung zum Zeitpunkt des Methodenwechsels ist
die Präponderanzmethode in der ersten Steuerperiode nach Inkrafttreten
des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer anwendbar. Massgeblich
für diese neue Zuordnung sind dabei, weil die Jahre 1993/94 die
Berechnungsgrundlage für die unter dem neuen Recht stehende Steuerperiode
1995/96 bilden, die Verhältnisse am 1. Januar 1993 (AGNER/JUNG/STEINMANN,
aaO, S. 68 N. 6 zu Art. 18 DBG; vgl. auch ASA 61 S. 508).