Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 V 127



125 V 127

19. Urteil vom 24. März 1999 i.S. Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit
gegen W. und Verwaltungsgericht des Kantons Bern Regeste

    Art. 13 Abs. 2bis AVIG: Anrechenbarkeit von Erziehungszeiten
als Beitragszeiten. Die Anrechenbarkeit einer Erziehungsperiode als
Beitragszeit setzt nicht voraus, dass sie eine bestimmte Mindestdauer
aufweist. Die in AlV-Praxis 96/2 publizierte Weisung des Bundesamtes
für Wirtschaft und Arbeit, wonach Erziehungszeiten nur als Beitragszeit
anrechenbar sind, wenn sie innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist mehr
als 18 Monate gedauert haben, ist gesetzwidrig.

Sachverhalt

    A.- Die 1963 geborene W. betreute bis Juli 1994 ihre Kinder
C. (geboren 1982) und N. (geboren 1986). Im August 1994 wurde sie
von ihrem Ehemann geschieden; die Kinder wurden unter die elterliche
Gewalt des Vaters gestellt. Vom 3. September bis 23. Dezember 1994 stand
W. in einem Arbeitsverhältnis. Am 9. April 1996 meldete sie sich beim
Arbeitsamt zur Arbeitsvermittlung an, und am 15. April 1996 stellte
sie bei der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI
Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 9. April 1996. Mit Verfügung vom
19. Juli 1996 lehnte die Arbeitslosenkasse den Anspruch auf Taggelder der
Arbeitslosenversicherung ab, weil W. innerhalb der Rahmenfrist für die
Beitragszeit während weniger als sechs Monaten erwerbstätig gewesen sei
und die Erziehungsperiode während der Rahmenfrist weniger als 18 Monate
gedauert habe.

    B.- In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, welches die minimale Beitragszeit
von sechs Monaten innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist für die
Beitragszeit auf Grund einer Addition der Dauern von beitragspflichtiger
Beschäftigung und Erziehungsperiode als erfüllt betrachtete, die Sache
an die Arbeitslosenkasse zurück, damit sie, nach Prüfung der weiteren
Anspruchsvoraussetzungen, über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung
neu verfüge (Entscheid vom 14. November 1996).

    C.- Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (ab
1. Januar 1998: Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit [BWA]) führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche
Entscheid sei aufzuheben.

    Während W. beantragen lässt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei
abzuweisen, verzichtet die Arbeitslosenkasse auf eine Vernehmlassung.

    Auf die Vorbringen der Parteien wird in den nachstehenden Erwägungen
Bezug genommen.

Auszug aus den Erwägungen:

        Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Streitig ist der Anspruch der Beschwerdegegnerin auf
Arbeitslosenentschädigung ab 9. April 1996. Diese Frage beurteilt sich
auf Grund der bei Verwirklichung des relevanten Sachverhalts geltenden
Rechtssätze, somit nach den in diesem Zeitpunkt gültig gewesenen
Bestimmungen des AVIG (BGE 122 V 35 f. Erw. 1, 121 V 100 Erw. 1a).

Erwägung 2

    2.- Der Versicherte hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung,
wenn er u.a. die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der
Beitragszeit befreit ist (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG).

    Die Beitragszeit hat erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen
Rahmenfrist für die Beitragszeit (zwei Jahre vor dem ersten Tag, für den
sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind; Art. 9 Abs. 2 und 3 AVIG)
während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung
ausgeübt hat (Art. 13 Abs. 1 AVIG). Abs. 2 derselben Gesetzesbestimmung
zählt in lit. a-d Zeiten auf, die ebenfalls als Beitragszeiten angerechnet
werden. Gemäss Art. 13 Abs. 2bis AVIG (in der seit 1. Januar 1996 gültigen
Fassung) werden Zeiten, in denen Versicherte keine beitragspflichtige
Beschäftigung ausgeübt haben, weil sie sich der Erziehung von Kindern unter
16 Jahren widmeten, als Beitragszeiten angerechnet, sofern die Versicherten
im Anschluss an die Erziehungsperiode auf Grund einer wirtschaftlichen
Zwangslage eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen müssen.

    In Art. 11a AVIV legte der Bundesrat fest, dass die Versicherten das
Ende der Erziehungsperiode selber bestimmen und es bis zum Zeitpunkt
geltend machen können, in welchem das jüngste Kind das Alter von 16
Jahren erreicht (Abs. 1), und dass sie sich die Erziehungsperiode nur
einmal als Beitragszeit anrechnen lassen können (Abs. 2). Nach der in
ALV-Praxis 96/2 veröffentlichten Verwaltungsweisung des Bundesamtes war
die Erziehungsperiode nur anrechenbar, wenn sie in der Rahmenfrist für
die Beitragszeit mehr als 18 Monate gedauert hat. Gleichen Inhalts ist
der auf den 1. Januar 1997 in Kraft gesetzte, vorliegend nicht anwendbare
neue Art. 11a Abs. 2 AVIV.

    Von der Erfüllung der Beitragszeit ist befreit, wer innerhalb
der Rahmenfrist während insgesamt mehr als 12 Monaten aus bestimmten,
im Gesetz genannten Gründen nicht in einem Arbeitsverhältnis stand und
deshalb die Beitragszeit nicht erfüllen konnte (Art. 14 Abs. 1 AVIG).

    Ebenfalls von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind Personen,
die wegen Trennung oder Scheidung ihrer Ehe sowie aus weiteren im Gesetz
genannten Gründen gezwungen sind, eine unselbstständige Erwerbstätigkeit
aufzunehmen oder zu erweitern, falls das betreffende Ereignis höchstens
ein Jahr zurückliegt (Art. 14 Abs. 2 AVIG).

Erwägung 3

    3.- Eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit im Sinne
von Art. 14 AVIG fällt im vorliegenden Fall ausser Betracht,
da die Beschwerdegegnerin im April 1996, als sie Antrag auf
Arbeitslosenentschädigung stellte, schon länger als ein Jahr geschieden
war. Streitig und zu prüfen ist hingegen, ob sie in der vom 9. April
1994 bis 8. April 1996 dauernden Rahmenfrist für die Beitragszeit die
gesetzliche Mindestbeitragszeit von sechs Monaten erfüllt hat. Da sie
lediglich vom 3. September bis 23. Dezember 1994 eine beitragspflichtige
Tätigkeit ausgeübt hat, kann diese Frage nur bejaht werden, wenn die auf
die Rahmenfrist entfallende Erziehungsperiode (9. April bis 31. Juli
1994) mit zu berücksichtigen ist, da diesfalls bei einer Addition der
Dauer der beitragspflichtigen Beschäftigung und der Erziehungsperiode
die Mindestbeitragszeit erfüllt wäre. Dabei ist unbestritten, dass
die Beschwerdegegnerin auf Grund einer wirtschaftlichen Zwangslage im
Sinne von Art. 13 Abs. 2bis AVIG eine unselbstständige Erwerbstätigkeit
aufnehmen musste. Ferner steht unter übergangsrechtlichen Gesichtspunkten
einer Berücksichtigung der bis Juli 1994 dauernden Erziehungsperiode nichts
entgegen, obwohl diese in die Zeit vor Inkrafttreten von Art. 13 Abs. 2bis
AVIG fällt. Denn andernfalls könnte die einen wesentlichen Bestandteil der
Gesetzesrevision vom 23. Juni 1995 bildende Anrechnung von Erziehungszeiten
erst längere Zeit nach Inkrafttreten der Gesetzesbestimmung (1. Januar
1996) Wirkungen entfalten, was nicht der Absicht der gesetzgebenden
Organe entspräche (vgl. BGE 112 V 51, 225 Erw. 2b; ARV 1995 Nr. 27 S. 157
ff. Erw. 4).

Erwägung 4

    4.- Das BWA wendet sich gegen die von der Vorinstanz bejahte
Anrechenbarkeit der Erziehungsperiode als Beitragszeit, indem es geltend
macht, Erziehungszeiten gemäss Art. 13 Abs. 2bis AVIG seien nur als
Beitragszeit anrechenbar, wenn sie während der zweijährigen Rahmenfrist
mehr als 18 Monate gedauert hätten. Aus den Gesetzesmaterialien
ergebe sich, dass das Institut der Anrechnung der Erziehungsperiode
aus finanzpolitischen Überlegungen und wegen der Missbrauchsgefahr
nur unter einschränkenden Bedingungen ermöglicht werden sollte. Die
Formulierung "Erziehungsperiode" zeige ebenso wie der gesetzgeberische
Zweck, denjenigen Personen Versicherungsschutz zu gewähren, die wegen
Kindererziehung die Anspruchsvoraussetzung der Beitragszeit durch
Erwerbsarbeit nicht erfüllen können, dass unter der Erziehungszeit ein
quantitativ und qualitativ bedeutender Lebensabschnitt zu verstehen sei.
Eine kurze Abwesenheit vom Arbeitsmarkt infolge Kindererziehung führe
noch nicht zu einer indirekten Diskriminierung der Erziehenden, in der
Regel der Mütter; erst eine Erziehungsperiode von mindestens 18 Monaten
Dauer verhindere innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist den Erwerb von
Beitragszeiten mittels Erwerbsarbeit.

Erwägung 5

    5.- Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist
der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so
muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung
aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der
dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn,
der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und
unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden,
u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut
nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können
sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und
Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (BGE
124 II 199 Erw. 5a, 245 f. Erw. 3, 268 Erw. 3a, 124 III 129 Erw. 1b/aa,
124 V 189 Erw. 3a, je mit Hinweisen).

Erwägung 6

    6.- a) Art. 13 Abs. 2bis AVIG nennt - wie Art. 13 Abs. 2 AVIG bezüglich
der anderen anrechenbaren Beitragszeiten - keine Mindestdauer, welche die
Erziehungsperiode insgesamt oder zumindest innerhalb der Rahmenfrist für
die Beitragszeit aufzuweisen hat, damit sie als Beitragszeit angerechnet
werden kann. Dies fällt auf im Vergleich zur Formulierung von Art. 14
Abs. 1 und 3 AVIG, wonach die Sachverhalte, die zu einer Befreiung von
der Erfüllung der Beitragszeit führen, mehr als 12 Monate angedauert
haben müssen.

    Im Gesetzeswortlaut findet der Standpunkt des BWA somit keine
Bestätigung.

    b) aa) Die bundesrätliche Botschaft zur 2. Teilrevision
des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung und die
Insolvenzentschädigung vom 29. November 1993, in deren Rahmen erstmals
Erziehungszeiten als Beitragszeit angerechnet werden konnten, nannte als
gesetzgeberisches Motiv die Behebung von Lücken im Versicherungsschutz,
die sich daraus ergeben, dass Personen, die im Anschluss an die Erziehung
eigener Kinder keine Arbeit finden, in der Regel keine genügende
Beitragszeit in den letzten zwei Jahren vor Beginn der Arbeitslosigkeit
nachweisen können (BBl 1994 I 345). Es wurde darauf hingewiesen, dass
die Tätigkeit der Erziehung von Kindern, die traditionellerweise von
Frauen ausgeübt wird, eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat,
welche Erkenntnis auch dem neuen Eherecht und der 10. AHV-Revision
zu Grunde liegt. Gestützt auf Art. 4 Abs. 2 BV habe die Gesetzgebung
indirekte Formen der Diskriminierung zu beheben, die sich als Folgen der
traditionellen Rollenteilung ergeben können. Der Bundesrat schlug deshalb
die Anrechnung der Erziehungszeiten als Beitragszeit vor, wie sie bereits
für Militärdienstzeiten ausserhalb eines Arbeitsverhältnisses galt (BBl
1994 I 356).

    In den Räten konzentrierte sich die Debatte auf die Frage, ob die
Erziehung von Kindern unter 16 Jahren bezüglich der Anrechnung als
Beitragszeit der Erwerbsarbeit in jeder Hinsicht gleichgestellt werden
sollte oder ob aus Kostengründen zusätzliche Voraussetzungen statuiert
werden sollten. Die Anrechnung der Erziehungszeit wurde schliesslich
an die Voraussetzung geknüpft, dass eine Erwerbsaufnahme auf Grund
einer wirtschaftlichen Zwangslage erforderlich ist (Amtl.Bull. S 1994
232, N 1994 1563-1569). Eine weitere Anspruchsbegrenzung ist in der
Befristung der Erziehungsperiode auf das 16. Altersjahr des Kindes zu
erblicken. Zur Verdeutlichung der Folge dieser Einschränkung führte der
Vertreter des Bundesamtes in der vorberatenden Kommission des Ständerates
den Fall eines Elternteils an, der bei einem Alter des Kindes von 17
Jahren zur Wiederaufnahme einer Arbeit gezwungen sei: Diesfalls gelte
die übliche Rahmenfristberechnung mit der entsprechenden Kürzung auf
nur ein Jahr Beitragsdauer. Die Befristung auf das 16. Altersjahr des
Kindes wurde in den Räten diskussionslos angenommen. Eine Mindestdauer
der Erziehungsperiode wurde von keiner Seite erwähnt.

    bb) Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 13 Abs. 2bis AVIG wird
deutlich, dass in Anerkennung des Wertes der unentgeltlichen - und
meist von Frauen - geleisteten Betreuungsarbeit deren Diskriminierung
im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch Gleichstellung mit
der beitragspflichtigen Erwerbsarbeit behoben werden sollte, dies
indessen nur insoweit, als die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf
Grund einer finanziellen Zwangslage erforderlich ist. Der Gesetzgeber
wollte die Erziehungszeit gleich privilegiert behandelt wissen wie
die Dienstleistung nach Art. 13 Abs. 2 lit. b AVIG (NUSSBAUMER,
Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht
[SBVR], Rz. 182). Die gesetzgebenden Instanzen gingen wohl davon aus,
dass als Regelfälle die Personen mit einer längeren Erziehungsperiode
vor Beginn der Arbeitslosigkeit angesehen wurden. Anhaltspunkte dafür,
dass die gesetzgebenden Behörden den Anspruch auf diese Regelfälle
beschränken wollten, finden sich jedoch nirgends. Im Gegenteil: Die
vorstehend zitierte, unwidersprochen gebliebene Äusserung des Vertreters
des Bundesamtes in der vorberatenden Ständeratskommission lässt darauf
schliessen, dass Erziehungszeit nicht nur dann als Beitragszeit gelten
sollte, wenn sie innerhalb der Rahmenfrist eine Mindestdauer erreicht,
insbesondere 18 Monate gedauert hat, sodass das Erreichen einer genügenden
Beitragszeit durch Erwerbsarbeit ausgeschlossen wäre.

    Der Standpunkt des BWA findet somit auch in der Entstehungsgeschichte
von Art. 13 Abs. 2bis AVIG keine Stütze.

    c) Entscheidend für die Auslegung von Art. 13 Abs. 2bis AVIG ist
indessen die Gesetzessystematik. Die Berücksichtigung der Erziehungsperiode
als Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch ist in Art. 13 und
nicht in Art. 14 AVIG geregelt. Die Erziehungszeit gilt damit als
Beitragszeit und nicht als Grund für die Befreiung von der Erfüllung der
Beitragszeit. Darin kommt die Auffassung der gesetzgebenden Instanzen zum
Ausdruck, dass bezüglich Erfüllung der Beitragszeit der Erziehungsarbeit
im Lichte von Art. 4 Abs. 2 BV die gleiche Anerkennung gebührt wie
der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung; ein Unterschied
wurde - aus finanziellen Erwägungen - lediglich insofern gemacht, als
die Anerkennung an die Notwendigkeit einer Erwerbsaufnahme aus einer
wirtschaftlichen Notlage heraus geknüpft wurde. Mit dieser zusätzlichen
Anspruchsvoraussetzung dürfte sich die Zuweisung zu einem eigenen Abs. 2bis
von Art. 13 AVIG anstelle derjenigen zu einer weiteren Litera in Abs. 2
erklären. Die Auffassung des BWA läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass
die Erziehungsperiode nur berücksichtigt werden darf, wenn sie so lange
dauerte, dass es der anspruchstellenden Person unmöglich war, innerhalb
der Rahmenfrist für die Beitragszeit während mindestens sechs Monaten
eine beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben. Eine solche Konzeption
hätte aber eine Regelung in Art. 14 AVIG geboten (vgl. ARV 1995 Nr. 29
S. 167 f. Erw. 3b/aa und 170 Erw. 4c).

    Die Auffassung des BWA muss auf Grund der Gesetzessystematik als
unzutreffend bezeichnet werden.

Erwägung 7

    7.- Zusammenfassend ist festzustellen, dass die in der ALV-Praxis 96/2
publizierte Weisung des BWA, wonach Erziehungszeiten nur als Beitragszeit
anrechenbar sind, wenn sie innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist mehr
als 18 Monate gedauert haben, mit Art. 13 Abs. 2bis AVIG nicht vereinbar
ist (offen gelassen in ARV 1998 Nr. 45 S. 258 Erw. 2b) und deshalb beim
Entscheid über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung nicht mit
berücksichtigt werden kann (BGE 123 V 72 Erw. 4a, 122 V 253 Erw. 3d,
363 Erw. 3c, je mit Hinweisen). Vielmehr bedeutet die Anrechnung
von der Beitragszeit gleichgestellten Tatbeständen - namentlich von
Erziehungsperioden - nichts anderes, als dass die Mindestbeitragszeit
mit einem Anrechnungstatbestand ganz oder teilweise erfüllt werden kann
(NUSSBAUMER, aaO, Rz. 182).

Erwägung 8

    8.- a) Der Umstand, dass das Ende der Erziehungsperiode bei Beginn
des geltend gemachten Anspruchs bereits über 20 Monate zurücklag, schadet
der Beschwerdegegnerin nicht. Art. 14 Abs. 2 AVIG, welcher bestimmt, dass
eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit nur eintritt, wenn die in
jener Bestimmung genannten Ereignisse nicht mehr als ein Jahr zurückliegen,
womit gewährleistet werden soll, dass das betreffende Ereignis für den
Entschluss zur Aufnahme oder Erweiterung der Erwerbstätigkeit kausal ist
(vgl. BGE 119 V 55 Erw. 3b), findet im Rahmen des hier anwendbaren Art. 13
AVIG keine Entsprechung. Denn für die Anrechnung von Erziehungszeiten ist
ein solcher Kausalzusammenhang nicht vorausgesetzt. Für die Anrechnung
der Erziehungszeit als Beitragszeit ist lediglich erforderlich, dass die
anspruchstellende Person einerseits wegen der Erziehung der Kinder auf
eine Erwerbstätigkeit verzichtete (ARV 1998 Nr. 45 S. 258 f. Erw. 3a) und
anderseits auf Grund einer wirtschaftlichen Zwangslage zur Aufnahme einer
unselbstständigen Erwerbstätigkeit gezwungen ist, welche Voraussetzungen
im vorliegenden Fall unbestrittenermassen erfüllt sind.

    b) Bei der Berechnung der Beitragszeit sind Zeiten, während welcher
eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde, und als Beitragszeit
anrechenbare Perioden zusammenzuzählen (Art. 11 Abs. 2 und 3 AVIV;
vgl. ARV 1993 Nr. 10 S. 93 f. Erw. 2c). Die Vorinstanz hat damit zu Recht
erkannt, dass die Beschwerdegegnerin unter Anrechnung der innerhalb
der Rahmenfrist für die Beitragszeit ausgeübten beitragspflichtigen
Erwerbstätigkeit von 3,68 Monaten und der Erziehungszeit von 3,71 Monaten
die Mindestbeitragszeit von sechs Monaten erfüllt hat.