Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 I 431



125 I 431

40. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16.
November 1999 i.S. X. u. Mitb. gegen Kanton Zürich (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV und Art. 31 BV; Art. 2 ÜbBest. BV; Art. 18 ArG;
Gleichbehandlung der Gewerbegenossen; Ladenöffnungszeiten in den Zürcher
"Zentren des öffentlichen Verkehrs".

    Eine kantonale Ruhetagsordnung verstösst nicht schon deswegen gegen
das Arbeitsgesetz (Sonntagsarbeitsverbot) und damit Art. 2 ÜbBest. BV,
weil sie eine Öffnung von Geschäften an Sonn- und Feiertagen zulässt. Die
beiden Gesetzgebungen verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen und gelten
für die dem Arbeitsgesetz unterstellten Betriebe kumulativ (E. 3).

    Die Möglichkeit, Betriebe in "Zentren des öffentlichen Verkehrs"
ausserhalb der üblichen Geschäftszeiten offen zu halten, beruht auf
sachlich vertretbaren, systemimmanenten Gründen, weshalb die damit
verbundene Wettbewerbsverzerrung vor Art. 31 BV standhält (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich genehmigten am 15. März
1998 mit 197'456 gegen 51'072 Stimmen eine Änderung des Gesetzes vom
14. März 1971 über die öffentlichen Ruhetage und über die Verkaufszeit
im Detailhandel (im Weitern: Ruhetagsgesetz; RuhetagsG). Danach dürfen
"in Zentren des öffentlichen Verkehrs [...] Verkaufsgeschäfte, die sich in
Bahnhofliegenschaften und damit verbundenen Einkaufspassagen befinden",
seit dem 1. Juni 1998 nunmehr "an Werktagen und öffentlichen Ruhetagen
von 6 Uhr bis 20 Uhr" offen gehalten werden; kommunale Beschränkungen
dieses Grundsatzes sind unzulässig (§ 8a RuhetagsG).

    Verschiedene im Kanton Zürich Stimmberechtigte (Beschwerdeführer
1 - 5), drei im Verkauf tätige Personen (Beschwerdeführer 6 -8) sowie
vier Geschäftsbetriebe (Beschwerdeführerinnen 9 - 12) haben hiergegen
staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie machen geltend, diese Regelung
verletze mit Blick auf das bundesrechtliche Sonntagsarbeitsverbot Art. 2
ÜbBest. BV sowie wegen der damit verbundenen Ungleichbehandlung der
Gewerbegenossen Art. 31 und Art. 4 BV.

    Am 7. Juli 1999 verpflichtete das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich den Regierungsrat, den Rekurs verschiedener Gewerkschaften
gegen ein Schreiben des kantonalen Amtes für Wirtschaft und Arbeit an
die Hand zu nehmen, worin dieses die unter § 8a RuhetagsG fallenden
Geschäfte informiert hatte, dass sie ohne besondere arbeitsgesetzliche
Bewilligung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Sonntagen beschäftigen
dürften. Indem der Regierungsrat "den verfügungsmässigen Charakter" der
Gleichstellung der Verkaufsgeschäfte im Sinne von § 8a RuhetagsG mit den
Reisebedürfnisbetrieben nach Art. 65 der Verordnung II vom 14. Januar
1966 zum Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel
(ArGV 2; SR 822.112) verkannt habe, sei er zu Unrecht auf den Rekurs
nicht eingetreten. Im neuen Entscheid werde davon auszugehen sein, dass
die Bahnnebenbetriebe im Sinne von Art. 39 Abs. 2 des (eidgenössischen)
Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (SR 742.101) den Vorschriften
des Kantons und der Gemeinden über die Öffnungs- und Schliessungszeiten
zum Vornherein nicht unterstünden (Art. 65 Abs. 4 ArGV 2). Sodann
werde einzeln zu prüfen sein, ob neben den Reisebedürfnisbetrieben im
Sinne von Art. 65 ArGV 2 noch andere Gruppen von Betrieben gemäss der
Arbeitsverordnung II ohne besondere Bewilligung von den Vorschriften über
die Sonntagsarbeit nach dem Arbeitsgesetz (Bundesgesetz vom 13. März
1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel, ArG; SR 822.11)
ausgenommen werden könnten. Schliesslich werde zu berücksichtigen sein,
dass die Arbeitsverordnung II zurzeit revidiert und voraussichtlich
auf den 1. Januar 2000 zusammen mit den geänderten Bestimmungen des
Arbeitsgesetzes vom 20. März 1998 in Kraft gesetzt werde.

    Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde gegen §
8a des Zürcher Ruhetagsgesetzes ab

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die Beschwerdeführer machen geltend, die angefochtene
Bestimmung verletze Art. 2 ÜbBest. BV. Der kantonale Gesetzgeber dürfe
keine Regelungen treffen, die dem Schutz des Personals, der ausschliesslich
durch das eidgenössische Arbeitsgesetz garantiert werde, zuwiderlaufe.
Sonntagsarbeit sei für die dem Arbeitsgesetz unterstellten Beschäftigten
grundsätzlich verboten (Art. 18 Abs. 1 ArG). Vorliegend bestehe im Rahmen
des Arbeitsgesetzes weder ein "dringendes Bedürfnis" für vorübergehende
Sonntagsarbeit, noch lägen "unentbehrliche" Gründe vor, welche eine
dauernde Sonntagsarbeit zu rechtfertigen vermöchten. Die beanstandete
Regelung beziehe sich erklärtermassen auf die grösseren Verkaufsgeschäfte
im Hauptbahnhof Zürich, welche vom Bundesgericht nicht als Nebenbetriebe
anerkannt worden seien (vgl. BGE 123 II 317 ff.). Dabei handle es sich
nicht um Familienunternehmen, sondern um Geschäfte, die zahlreiches
Personal beschäftigten und unter das Arbeitsgesetz fielen. Der angefochtene
Erlass laufe damit Bundesrecht zuwider und verstosse gegen die zwingenden
Bestimmungen des Arbeitsgesetzes, indem er an öffentlichen Ruhetagen
ständige Sonntagsarbeit zulasse.

    b) Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2
ÜbBest. BV) schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung
abschliessend regelt, kantonales Recht aus. In jenen, die das Bundesrecht
nicht umfassend ordnet, dürfen die Kantone nur Vorschriften erlassen,
die nicht gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen
Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln (BGE 125 II 56 E. 2b S. 58;
123 I 313 E. 2b S. 316 f. mit Hinweis).

    aa) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer steht § 8a RuhetagsG,
wie das Bundesgericht bereits hinsichtlich einer ähnlichen Regelung
im Kanton Tessin festgestellt hat (Urteil vom 21. März 1997 i.S. X. SA
c. RR TI, E. 2, veröffentlicht in: Pra 87/1998 Nr. 1 S. 1 ff.), einer
bundesrechtskonformen Auslegung ohne weiteres offen. Die kantonalen
Regelungen über die Ladenöffnungszeiten dienen ausschliesslich dem
Schutz der Nacht- und Sonntagsruhe bzw. der dem Arbeitsgesetz nicht
unterstellten Beschäftigten (Urteil vom 21. März 1997, E. 2b/bb). Die
beiden Gesetzgebungen verfolgen unterschiedliche Ziele und gelten für die
dem Arbeitsgesetz unterworfenen Betriebe kumulativ. Wie sich aus Art. 68
Abs. 1 ArGV 2 ergibt, darf der Arbeitgeber von Kiosken und Betrieben,
die den Bedürfnissen der Reisenden dienen, Arbeitnehmer ohne behördliche
Bewilligung zu Sonntagsarbeit nur heranziehen, soweit das Offenhalten
an Sonntagen gemäss den (kantonalen bzw. kommunalen) Vorschriften über
den Ladenschluss bzw. gestützt auf das Eisenbahngesetz gestattet ist
und zusätzlich die bundesrechtlichen Voraussetzungen des Arbeitsgesetzes
erfüllt sind (Urteil vom 21. März 1997, E. 2b/bb; vgl. Rehbinder/Müller,
Arbeitsgesetz, 5. Aufl., Zürich 1998, Art. 10 Abs. 2 für die Grenzen
der Tagesarbeit; Art. 18 für die Sonntagsarbeit; Walther Hug, Kommentar
zum Arbeitsgesetz, Bern 1971, Rz. 16, cc zu Art. 19; Kreisschreiben
des Bundesamts für Industrie, Gewerbe und Arbeit vom Juni 1995 zum
Arbeitsgesetz, 3. Abschnitt letzter Satz).

    bb) Hieran ändert das Schreiben des kantonalen Amts für Wirtschaft
und Arbeit vom 14. Mai 1998 nichts, wonach sämtliche Betriebe,
die unter § 8a RuhetagsG fallen, ohne besondere arbeitsgesetzliche
Bewilligung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen dürfen:
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat in seinem Urteil vom
7. Juli 1999 inzwischen klargestellt, dass die arbeitsgesetzlichen
Voraussetzungen für die Öffnung an Sonn- und Feiertagen jeweils einzeln
zu prüfen sind und nicht generell und undifferenziert bejaht werden
können. Es hat insofern für eine bundesrechtskonforme Auslegung von §
8a RuhetagsG gesorgt. Dass der Kanton Zürich sich der Anwendbarkeit des
Arbeitsgesetzes auf die von ihm für Öffnungen an Sonn- und Feiertagen
vorgesehenen Geschäfte bewusst ist, ergibt sich aus § 10 RuhetagsG,
wenn dort die Berücksichtigung der Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen des
Arbeitsgesetzes gerade ausdrücklich vorbehalten bleibt. Das Gleiche gilt
hinsichtlich der vom Regierungsrat am 10. März 1999 vorgeschlagenen, mit
einer weiteren Liberalisierung verbundenen Totalrevision des Ruhetags-
und Ladenöffnungsgesetzes (Amtsblatt Nr. 12 vom 26. März 1999); § 6
dieses Entwurfs unterstreicht wiederum den Vorrang der "Vorschriften des
Arbeitsgesetzes" sowie der weiteren gesetzlichen Bestimmungen über die Ruhe
und Ordnung an öffentlichen Ruhetagen. Zur Auslegung des Arbeitsgesetzes
hat sich das Bundesgericht im Rahmen der vorliegenden Beschwerde nicht
weiter zu äussern. Zur Prüfung von dessen richtiger Anwendung im Einzelfall
stehen die entsprechenden Rechtswege offen.

Erwägung 4

    4.- a) Die Beschwerdeführer rügen weiter eine Verletzung der Handels-
und Gewerbefreiheit, insbesondere des Gleichbehandlungsgebots unter
Konkurrenten, sowie des allgemeinen Rechtsgleichheitsgebots. Nach der
Rechtsprechung zum Arbeitsgesetz sei Sonntagsarbeit rechtsgleich zu
bewilligen und dürfe zu keinen Wettbewerbsverzerrungen führen (BGE 116
Ib 270 E. 4c S. 277, 284 E. 4c S. 289). Nach dem angefochtenen Beschluss
könnten Geschäfte in Zentren des öffentlichen Verkehrs auch sonntags und
abends bis 20.00 Uhr offen halten. Anders als bei den übrigen Geschäften
stehe den Gemeinden keine Kompetenz mehr zu, diese Geschäftszeiten
einzuschränken. Die Beschwerdeführer 9 bis 12 betrieben Geschäfte in der
engeren Umgebung des Hauptbahnhofs/Shop-Ville und des Bahnhofs Stadelhofen.
Sie sprächen mit demselben Angebot dasselbe Publikum an wie die von §
8a RuhetagsG profitierenden Läden, zu denen sie deshalb in einem direkten
Konkurrenzverhältnis stünden. Die Geschäfte in Zentren des öffentlichen
Verkehrs erführen mit den grosszügigeren Öffnungszeiten ohne spezifischen
Grund einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil. Eine sachliche Rechtfertigung
für die vorgenommene Abgrenzung fehle. Ein allfälliges Konsumbedürfnis
vermöge die Privilegierung einer beschränkten Anzahl von Geschäften
nicht zu rechtfertigen. Konsumbedürfnisse seien private Interessen,
die der Staat nicht einseitig zu regulieren habe. Mit der angefochtenen
Regelung werde eine ganz spezielle Kategorie von Geschäften (solche,
die auf dem Gebiet von Bahnhöfen betrieben würden, aber nicht kioskartig
organisiert seien und nicht den Bedürfnissen der Reisenden dienten, sowie
die Geschäfte im Bereich des "Shop-Ville") in "krasser Weise" gegenüber
den anderen Verkaufsgeschäften der Stadt und des Kantons Zürich begünstigt.

    b) aa) Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen
sind Massnahmen verboten, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten
verzerren bzw. nicht wettbewerbsneutral sind (BGE 123 II 16 E. 10 S. 35,
385 E. 11 S. 401; 121 I 129 E. 3b S. 132 mit weiteren Hinweisen),
namentlich wenn sie bezwecken, in den Wettbewerb einzugreifen, um
einzelne Konkurrenten oder Konkurrentengruppen gegenüber anderen zu
bevorzugen oder zu benachteiligen (BGE 121 I 129 E. 3d S. 135). Als
direkte Konkurrenten gelten Angehörige der gleichen Branche, die sich
mit dem gleichen Angebot an dasselbe Publikum richten, um das gleiche
Bedürfnis zu befriedigen. Die Gleichbehandlung der Gewerbegenossen geht
weiter als das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot: Sie gewährt einen Schutz
vor staatlichen Ungleichbehandlungen, die zwar auf ernsthaften, sachlichen
Gründen beruhen mögen, gleichzeitig aber, ohne in der Hauptstossrichtung
wirtschaftspolitisch motiviert zu sein, einzelne Konkurrenten namentlich
durch unterschiedliche Belastungen oder staatlich geregelten Marktzugang
bzw. -ausschluss begünstigen oder benachteiligen (BGE 121 I 129 E. 3d S.
135). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen ist selbst
dann zu beachten, wenn zulässigerweise wirtschaftspolitische Massnahmen
getroffen werden (BGE 121 I 129 E. 3c S. 132). Er gilt aber nicht
absolut und schliesst gewisse Differenzierungen etwa aus Gründen des
Umweltschutzes oder der Kulturpolitik nicht aus. Vermögen in diesem
Rahmen haltbare öffentliche Interessen und Anliegen eine Abweichung
vom Gebot der Gleichbehandlung in Grenzen zu rechtfertigen, muss eine
entsprechend begründete Ungleichbehandlung doch verhältnismässig sein;
zudem darf sie das Gleichbehandlungsgebot nicht geradezu seiner Substanz
entleeren (BGE 121 I 279 E. 6c/bb S. 288). Zu vermeiden sind spürbare
Wettbewerbsverzerrungen, was eine Abwägung der widerstreitenden Interessen
voraussetzt (BGE 125 II 129 E. 10b S. 150 mit Hinweisen).

    bb) Bei den beschwerdeführenden Betrieben handelt es sich zumindest
virtuell - teilweise aber auch konkret (vgl. BGE 123 II 317 ff.) -
um Geschäfte, die von ihrem Angebot und Kundenkreis her in einem
Konkurrenzverhältnis zu solchen im Sinne von § 8a RuhetagsG stehen können
oder stehen. Zwar befinden sie sich nicht im privilegierten Perimeter
selber, jedoch in unmittelbarer Nähe zu diesem. Sie können sich deshalb
nicht nur auf Art. 4 BV, sondern auch auf den weitergehenden Schutz
von Art. 31 BV berufen, um geltend zu machen, die von den Stimmbürgern
angenommene Lösung führe zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung
unter direkten Konkurrenten.

    c) Der Kantonsrat wendet ein, § 8a RuhetagsG beabsichtige keine
Bevorzugung gewisser Verkaufsgeschäfte; mit der Revision seien keinerlei
wirtschaftspolitische Überlegungen verbunden. Er verkennt dabei indessen,
dass nach der Rechtsprechung wettbewerbsverzerrende Marktzugangsregelungen
generell in den Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgebots der
Gewerbegenossen fallen, selbst wenn damit - wie hier - nur indirekt
eine Beeinflussung des Konkurrenzverhältnisses verbunden ist (BGE 121
I 129 E. 4b S. 137 [Taxifunk]: "Die angefochtene Regelung greift
somit in den Wettbewerb ein und hat insofern, auch wenn dies nicht
ihre Hauptstossrichtung ist, wirtschaftspolitische Auswirkungen"). Des
Weiteren verweist der Kantonsrat auf die geänderten Konsumbedürfnisse. Die
wachsende Nachfrage nach Einkaufsgelegenheiten auch an öffentlichen
Ruhe- und Feiertagen bilde ein gewichtiges öffentliches Interesse, was
die verschiedenen politischen Vorstösse nach dem Bundesgerichtsurteil
vom 17. Juni 1997 belegten. Die Änderung des Ruhetagsgesetzes
bedeute eine Liberalisierung der kantonalen Ruhetagsordnung. Diese
Lockerung auf Gebiete zu beschränken, in denen auch an Ruhetagen
wegen der sehr guten Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln
grosser Publikumsverkehr herrsche, sei legitim. Mit der Beschränkung
der liberalisierten Ladenöffnungszeiten auf Zentren des öffentlichen
Verkehrs sei ferner zu erwarten, dass der private Verkehr an öffentlichen
Ruhe- und Feiertagen nicht wesentlich zunehme. Schliesslich sei die mit
der angefochtenen Gesetzesrevision geschaffene Ungleichbehandlung der
Gewerbegenossen auch mit den bestehenden Unterschieden der Ladenlokale im
Allgemeinen gegenüber den in Zentren des öffentlichen Verkehrs betriebenen
Geschäften zu rechtfertigen. Letztere verfügten definitionsgemäss über
einen optimalen Zugang mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Es dürfe daher
angenommen werden, dass sie zu einem bedeutenden Teil von Reisenden mit
spezifischen Konsumbedürfnissen aufgesucht würden.

    d) Diese Argumente überzeugen nur teilweise:

    aa) Soweit der Kantonsrat auf die spezifischen Bedürfnisse der
Reisenden Bezug nimmt, übersieht er, dass diese bezüglich der Bahnhöfe
abschliessend im Eisenbahngesetz geregelt sind. Das Bundesgericht hat in
diesem Zusammenhang den Kiosk- und Verkaufsstellenbegriff umschrieben
und die im Hauptbahnhof und im Bahnhof Stadelhofen damit verbundenen
Folgen beurteilt; der Kanton kann insofern nicht einen eigenen Begriff
der "Bedürfnisse von Reisenden" schaffen, ohne mit Blick auf die anderen
mit den betreffenden Betrieben in Konkurrenz stehenden Unternehmen eine
inhaltlich nicht gerechtfertigte Rechtsungleichheit zu schaffen.

    bb) Der Hinweis, die Bevorzugung der Betriebe in Verkehrsknotenpunkten
sei umweltpolitisch motiviert, erscheint fragwürdig, muss der Kantonsrat
doch selber einräumen, es sei zu erwarten, dass der private Verkehr an
öffentlichen Ruhe- und Feiertagen durch die Konsumenten zumindest "nicht
wesentlich" zunehme. Wohl sind die fraglichen Zentren mit öffentlichen
Verkehrsmitteln erschlossen; das heisst aber - wie die Erfahrung zeigt
- nicht, dass sie nicht trotzdem auch mit privaten Verkehrsmitteln
aufgesucht werden. Worauf der Kantonsrat seine Einschätzung stützt,
der Privatverkehr werde nicht "wesentlich" zunehmen, ist nicht
ersichtlich. Insbesondere in nicht städtischen Verhältnissen, wo es
keine oder nur wenige öffentliche Verkehrsmittel gibt, dürfte wohl eher
das Gegenteil der Fall sein. In den Städten sind die Verkehrsfrequenzen
an Sonn- und Ruhetagen umgekehrt ihrerseits in der Regel wesentlich
geringer und der Verkehr deshalb flüssiger, so dass der an Werktagen
wegen der schwierigen Verkehrsverhältnisse bestehende Anreiz, die
öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, ebenfalls weitgehend entfallen
dürfte. Verkehrs- bzw. umweltpolitische Gründe sprechen daher eher
gegen eine zentrale Befriedigung der Konsumentenbedürfnisse. Jedenfalls
in den Städten ist angesichts des dichten öffentlichen Verkehrsnetzes
nicht einzusehen, weshalb die Konsumenten wohl zum Aufsuchen der unter
Umständen weit entfernten "Zentren des öffentlichen Verkehrs" öffentliche
Verkehrsmittel benützen sollten, nicht aber zum Besuch dezentralisiert
bzw. näher gelegener Geschäfte.

    cc) Soweit der Kantonsrat auf das wachsende Bedürfnis nach Einkäufen
auch an Sonn- und Feiertagen verweist, mag hierin ein gewisses öffentliches
Interesse und allenfalls auch ein sachlicher Grund für eine grosszügigere
Ausgestaltung der Ruhetagsordnung im Sinne von Art. 4 BV liegen; dies
hat aber dennoch an sich wettbewerbsneutral zu geschehen. Das Gleiche
gilt hinsichtlich der geltend gemachten organisatorischen Unterschiede
(vgl. hierzu BGE 120 Ia 236 E. 2c S. 240) zwischen den traditionellen
Geschäften und jenen in Bahnhöfen und damit verbundenen Einkaufspassagen,
zumal diesem Aspekt bereits im Rahmen der eisenbahnrechtlichen Regelung
Rechnung getragen wird. Das Bundesgericht hat gerade mit Blick auf
die Wettbewerbsneutralität festgestellt, dass die Gleichbehandlung
der Bahnnebenbetriebe mit gleicher Angebotspalette eine alternierende
Offenhaltung notwendig machen könne (BGE 123 II 317 E. 3c in fine S. 322).

    e) Trotz dieser Bedenken hält § 8a RuhetagsG aber vor Art. 31 BV stand:

    aa) Ungleichbehandlungen unter direkten Konkurrenten sind nur
unzulässig, soweit sie sich als systemwidrig erweisen (vgl. etwa
MARC D. VEIT, Die Gleichbehandlung der Gewerbegenossen, in: AJP 1998
S. 569 ff., insbesondere S. 573; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, Öffentliches
Wirtschaftsrecht, Basel 1998, S. 123 ff.). Das grundsätzliche Verbot der
Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen hat bereits bisher praktisch überall
gewisse Ausnahmen erfahren. Regelmässig knüpfen diese zwar mit Blick auf
die Verderblichkeit oder die mehr oder weniger grosse Unentbehrlichkeit
der Ware auch an Sonn- und Feiertagen an die Natur des verkauften Guts
an (vgl. etwa § 8 RuhetagsG: Milchgeschäfte, Sennereien, Bäckereien,
Konditoreien, Fotografenateliers, Blumenverkaufsgeschäfte usw.). Teilweise
wird aber auch auf geographische Besonderheiten Rücksicht genommen, so
etwa wenn das kantonale Recht angebotsunabhängig für gewisse touristische
Gebiete Ausnahmeregelungen vorsieht (vgl. Art. 41 ff. ArGV 2). Auch
in diesen Fällen profitieren Konkurrenten, die sich im entsprechenden
Gebiet befinden, von allenfalls besseren Geschäftsbedingungen. Diese
systemimmanenten Ungleichbehandlungen sind verfassungsrechtlich
insoweit hinzunehmen, als sie auf überwiegenden sachlichen Gründen und
entsprechenden schutzwürdigen Bedürfnissen beruhen; gewisse beschränkte
Wettbewerbsverzerrungen sind dabei in Kauf zu nehmen.

    bb) Bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der geographischen
Umschreibung von Sonderregelungen hinsichtlich der Öffnungszeiten ist
eine gewisse Zurückhaltung geboten, kennen die kantonalen Instanzen die
lokalen Verhältnisse und Bedürfnisse doch in der Regel besser als das
Bundesgericht (BGE 118 Ia 175 E. 3a S. 181 mit Hinweis). Die kantonalen
Ruhetagsgesetze dienen heute - wie bereits dargelegt - in erster Linie
noch dem Schutz der Nacht- und Sonntagsruhe. Wenn der Kanton Zürich
davon ausgeht, diese Bedürfnisse seien in Zentren des öffentlichen
Verkehrs nicht mehr in gleicher Weise schützenswert wie früher oder wie
in ausgeprägten Wohngebieten, ist dies sachlich vertretbar, zumal die
Ausnahmeregelung von § 8a RuhetagsG lediglich an Orten gilt, an denen schon
die eisenbahnrechtlichen Ausnahmebestimmungen Abweichungen ermöglichen und
von der Natur der Sache her (Reisen) eine gewisse Hektik herrscht. Wie
das Bundesgericht wiederholt festgestellt hat, sollen als unzulänglich
und überholt empfundene kantonale oder kommunale Ladenöffnungszeiten nicht
durch eine überdehnte Auslegung eisenbahnrechtlicher Regelungen ausgehöhlt
werden (vgl. BGE 123 II 317 ff.; in diesem Sinne auch TOBIAS JAAG, in:
AJP 1998 S. 220 f.); es kann dem Kanton umgekehrt deshalb nicht verwehrt
sein, seine entsprechende Gesetzgebung insofern zu liberalisieren. Im
Vergleich zu anderen an Sonn- und Feiertagen ebenfalls belebten Gebieten
unterscheiden sich die in § 8a RuhetagsG ausgeschiedenen dadurch,
dass beispielsweise die Geschäfts-tätigkeit im Hauptbahnhof und im
Bahnhof Stadelhofen weitgehend unterirdisch und in Verbindungsgängen
zum Bahnhof erfolgt, womit von ihr eine weniger starke Beeinträchtigung
der Sonntagsruhe ausgeht als etwa bei einer generellen, weitgehenden
Sonntagsöffnung im Gebiet um die Bahnhöfe.

    cc) Ob eine Lösung aufgrund anderer Kriterien - z.B. einer allgemeinen
Freigabe der Öffnungszeiten, sofern vom Geschäftsbetrieb auf Wohnquartiere
keine störenden Auswirkungen ausgehen - praktikabel wäre und im Ergebnis zu
einer geringeren Wettbewerbsverzerrung führen würde, erscheint zweifelhaft;
auf jeden Fall wäre sie mit grossem administrativem Aufwand verbunden. Weil
die polizeilichen Auswirkungen einer vollständigen Liberalisierung auf
die lokal unterschiedlichen Ruhebedürfnisse schwierig abzuschätzen sind,
erscheint es auch problematisch, eine solche im Sinne einer "conditio sine
qua non" generell zur Voraussetzung der Befriedigung der Konsumbedürfnisse
an Sonn- und Feiertagen zu machen. Die angefochtene Regelung führt somit
zwar zu einer gewissen Wettbewerbsverzerrung, doch erweist sie sich mit
Blick auf den verfolgten Zweck (beschränkte Lockerung des Öffnungsverbots
an öffentlichen Ruhetagen an Orten, an denen das mit dem Gesetz verfolgte
Schutzbedürfnis reduziert erscheint) im Rahmen der Interessenabwägung
zwischen den Bedürfnissen der Konsumenten und dem polizeilichen
Anliegen der Wahrung einer gewissen Sonntagsruhe verfassungsrechtlich
noch als haltbar. Auch mit dem Bestehen von Bahnnebenbetrieben ist eine
Beeinträchtigung des Wettbewerbs verbunden, die im Interesse der Reisenden
hingenommen wird.