Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 I 394



125 I 394

36. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5.
Oktober 1999 i.S. M. gegen Bezirksstatthalteramt Liestal und Sissach
sowie Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 88 OG und Art. 5 EMRK; Legitimation zur Haftbeschwerde,
Entschädigungsverfahren.

    Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (E. 3).

    Nach Beendigung der Untersuchungshaft fehlt es für deren Anfechtung
mit staatsrechtlicher Beschwerde an einem aktuellen praktischen Interesse
(Bestätigung der Rechtsprechung, E. 4).

    Die Rügen der Verletzung von Art. 5 EMRK sowie der verfassungs-
und gesetzmässigen Verteidigungsrechte können im Entschädigungsverfahren
geltend gemacht werden (Präzisierung der Rechtsprechung); Ausgestaltung
des Entschädigungsverfahrens (E. 5).

Sachverhalt

    Am 5. November 1998 ist der bei der Staatsanwaltschaft des Kantons
Basel-Stadt tätige M. auf Haftbefehl des Bezirksstatthalteramtes Liestal
wegen des Verdachts verschiedener Delikte in Haft genommen. Im Einzelnen
wurde hierfür Flucht-, Fortsetzungs- und Kollusionsgefahr angenommen. Das
Verfahren ist am 6. November 1998 dem Bezirksstatthalteramt Sissach
übertragen worden. Am Nachmittag des 10. November 1998 ist M. aus der
Haft entlassen worden.

    Am 7. Dezember 1998 liess M. beim Bundesgericht staatsrechtliche
Beschwerde erheben. Unter Berufung auf Art. 4 BV, die persönliche
Freiheit, § 9 KV/BL (SR 131.222.2), Art. 5 und 6 EMRK (SR 0.101)
sowie Art. 9 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) stellte er die Anträge, es
sei der Haftbefehl aufzuheben und es seien verschiedene Gesetzes-,
Verfassungs- und EMRK-Verletzungen festzustellen. In materieller
Hinsicht macht er insbesondere geltend, ohne hinreichenden Verdacht
inhaftiert, über die Gründe seiner Inhaftierung nicht informiert und
erst am Nachmittag des 9. November 1998 und damit rund 96 Stunden nach
seiner Verhaftung einvernommen worden zu sein; ferner beanstandet er,
dass sein Rechtsvertreter trotz Kenntnis des Mandatsverhältnisses erst
am Nachmittag des 10. November 1998 die haftrelevanten Akten erhielt,
dass dieser den Beschwerdeführer nicht habe besuchen können und dass ein
Schreiben des Rechtsvertreters vom 6. November 1998 dem Beschwerdeführer
zum Zeitpunkt der Haftentlassung am 10. November 1998 noch immer nicht
ausgehändigt worden war.

    Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach Art. 86 OG grundsätzlich
nur bei Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges zulässig.

    Nach § 18 des kantonalen Gesetzes über die Gerichtsorganisation
(GOG/BL, Gesetzessammlung 170) unterstehen die Statthalter in
Bezug auf ihre Untersuchungstätigkeit in Strafsachen unmittelbar
der Überweisungsbehörde. Hinsichtlich der Untersuchungshaft kann der
verhaftete Angeschuldigte nach § 32 der kantonalen Strafprozessordnung
(StPO/BL, Gesetzessammlung 251) jeder Zeit mit einem schriftlichen Gesuch
um seine Freilassung ersuchen; wird das Ersuchen vom Statthalter oder
von der Staatsanwaltschaft abgewiesen, sind die Akten auf Verlangen des
Verhafteten mit einem Bericht an die Überweisungsbehörde weiterzuleiten,
die über das Gesuch entscheidet. Daraus kann der Schluss gezogen werden,
dass die Überweisungsbehörde gestützt auf § 32 StPO/BL nur angerufen werden
kann, solange sich der Betroffene noch in Haft befindet, nicht hingegen,
wenn der Beschwerdeführer wie im vorliegenden Fall bereits aus der Haft
entlassen worden ist. Bei dieser Sachlage bestehen ernsthafte Zweifel
darüber, ob der Beschwerdeführer sich nach Beendigung der Haft an die
Überweisungsbehörde hätte wenden können. Angesichts dieser Zweifel brauchte
der Beschwerdeführer bei der Überweisungsbehörde keine Haftbeschwerde
zu erheben und gilt der kantonale Instanzenzug im Sinne von Art. 86 OG
nach der Rechtsprechung als erfüllt (vgl. BGE 120 Ia 194 E. 1d S. 198;
116 Ia 442 E. 1a S. 444; 110 Ia 211 E. 1 S. 213, mit Hinweisen).

    Darüber hinaus fragt sich, ob der Instanzenzug nach Art. 86 OG
auch in Bezug auf die weiteren Vorbringen - wie die Einvernahme nach 96
Stunden, die Information über die Haftgründe, die Aushändigung bzw. die
Einsicht in die haftrelevanten Akten, die Verweigerung eines Besuches
des Rechtsvertreters während der Haft und die späte Weiterleitung eines
Briefes an den Beschwerdeführer - ausgeschöpft worden ist. Hierfür
ist wiederum von § 18 GOG/BL auszugehen, wonach die Statthalter der
Überweisungsbehörde unterstehen. Weder dem Gerichtsorganisationsgesetz
noch der Strafprozessordnung kann entnommen werden, dass gegen Verhalten
und Untersuchungshandlungen der Statthalter eine förmliche Beschwerde
an die Überweisungsbehörde gegeben ist. Daraus ist zu schliessen,
dass ausschliesslich Aufsichtsbeschwerden an die übergeordnete
Überweisungsbehörde ergriffen werden können. Da Aufsichtsbeschwerden
nach allgemeinem Verständnis keinen Anspruch auf justizmässige Behandlung
einräumen (BGE 121 I 42 E. 2a S. 45; 121 I 87 E. 1a S. 90 mit Hinweisen),
brauchte ein solcher Rechtsbehelf vor Erhebung der staatsrechtlichen
Beschwerde nicht ergriffen zu werden. Demnach kann der kantonale
Instanzenzug auch in dieser Hinsicht als erfüllt betrachtet werden.

Erwägung 4

    4.- Weiter ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 88
OG zur Beschwerde legitimiert ist und er - trotz des Umstandes, dass die
Haft als solche abgeschlossen sowie die weitern Einschränkungen nicht
mehr wirksam sind - ein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung
seiner Beschwerde hat.

    a) Nach der Rechtsprechung zu Art. 88 OG verlangt das Bundesgericht,
dass ein Beschwerdeführer ein aktuelles praktisches Interesse an der
Behandlung seiner Beschwerde und an der Aufhebung des angefochtenen
Entscheides hat. Dieses Erfordernis soll sicherstellen, dass das Gericht
konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet, und dient
damit der Prozessökonomie (BGE 110 Ia 140 E. 2a S. 141 mit Hinweisen
auf Rechtsprechung und Doktrin). Hinsichtlich der Untersuchungshaft
hat das Bundesgericht ausgeführt, Art. 88 OG bedeute nach konstanter
Rechtsprechung, dass mit der Entlassung aus der Haft ein aktuelles
Interesse an der Behandlung einer Haftbeschwerde entfalle. Ein solches
aktuelles Interesse könne insbesondere auch nicht unter dem Gesichtswinkel
eines späteren Entschädigungsbegehrens bejaht werden. Denn in Anbetracht
der persönlichen Freiheit und von Art. 5 Ziff. 5 EMRK gehe es nicht
an, Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche davon abhängig zu machen,
dass bereits vorher die Unrechtmässigkeit der Haft festgestellt worden
ist. Sowohl die kantonalen Verfahrensordnungen wie auch Art. 5 Ziff. 5
EMRK räumten den Betroffenen einen Anspruch auf Schadenersatz und
allenfalls Genugtuung ein, soweit die Haft unrechtmässig angeordnet oder
aufrechterhalten worden ist (BGE 110 Ia 140 E. 2a S. 141 ff.; 118 Ia 488
E. 1 S. 490 mit Hinweisen).

    b) Unter dem Gesichtswinkel von Art. 88 OG wird ausnahmsweise auf
das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses verzichtet. Das
Bundesgericht prüft Beschwerden trotz Wegfalls des aktuellen praktischen
Interesses materiell, wenn sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter
gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können und an deren
Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes
öffentliches Interesse besteht und sofern diese im Einzelfall kaum
je rechtzeitig verfassungsgerichtlich geprüft werden könnten (BGE 110
Ia 140 E. 2b S. 143; 117 Ia 193 E. 1b S. 194 mit Hinweisen). An diesen
Voraussetzungen fehlt es bei der Mehrzahl der Beschwerden, mit denen die
Verfassungs- und Konventionswidrigkeit der Anordnung oder Erstreckung
einer inzwischen dahingefallenen Untersuchungshaft gerügt wird. Die damit
aufgeworfenen Fragen können sich in der Regel nicht mehr unter gleichen
oder ähnlichen Umständen stellen, und es ist vielmehr im Einzelfall das
Vorliegen von Haftgründen zu prüfen (BGE 110 Ia 140 E. 2b S. 144). Das
Bundesgericht ist demnach auch nur ganz ausnahmsweise auf Beschwerden
eingetreten (vgl. etwa BGE 107 Ia 138 und 108 Ia 261 betr. kurzfristige
Festnahme und erkennungsdienstliche Behandlung, BGE 107 Ia 253 und 102 Ia
179 betr. Unabhängigkeit des zürcherischen Bezirksanwalts, BGE 115 Ia 56
betr. Möglichkeit der Haftbeschwerde zu Beginn der Haft, BGE 117 Ia 199
und 118 Ia 95 betr. Personalunion von Haftanordnung und Anklageerhebung,
BGE 111 Ia 341 betr. Verteidigerverkehr und BGE 114 Ia 88; 117 Ia 193
sowie EuGRZ 1989 S. 441 betr. Dauer des Haftprüfungsverfahrens).

    c) Im vorliegenden Fall wird in erster Linie die Anordnung der
Untersuchungshaft beanstandet. Es stellen sich dabei keine Fragen von
grundsätzlicher Bedeutung, die sofort höchstrichterlich beantwortet werden
müssten. Es steht vielmehr der Einzelfall im Vordergrund mit den Fragen,
ob die Anordnung der Haft im Einzelnen gerechtfertigt war und vor der
Verfassung und der Menschenrechtskonvention standhielt. Entsprechende
Fragen können sich bei jeder Haftanordnung stellen und lassen sich im
Normalfall durch Haftbeschwerden bei den kantonalen Instanzen gerichtlich
beurteilen. Nicht anders verhält es sich mit den Rügen betreffend die
Information über die Haftgründe, den Zeitpunkt der ersten Einvernahme erst
96 Stunden nach der Inhaftierung, den mangelnden Zugang zu den Haftakten,
das Besuchsrecht und die Weiterleitung eines Briefes. Auch hier sind keine
grundsätzlichen Fragen ersichtlich, die einer sofortigen gerichtlichen
Beurteilung bedürften.

    Näher zu untersuchen ist einzig, ob der Beschwerdeführer seine
Vorbringen auf anderem Wege justizmässig überprüfen lassen und für seine
EMRK-Rügen eine nationale Instanz im Sinne von Art. 5 EMRK anrufen kann
und ob daher auch in dieser Hinsicht von einer materiellen Prüfung im
vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren abgesehen werden kann.

Erwägung 5

    5.- a) Nach Art. 5 Ziff. 5 EMRK hat jede Person, die unter Verletzung
der Bestimmungen dieses Artikels von Festnahme oder Freiheitsentzug
betroffen ist, Anspruch auf Schadenersatz. Direkt gestützt auf diese
Bestimmung können sowohl Schadenersatz- als auch Genugtuungsansprüche
geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass materielle oder formelle
Vorschriften, wie sie sich aus Ziff. 1-4 von Art. 5 EMRK ergeben,
verletzt worden sind; ein Verschulden braucht hierfür nicht nachgewiesen
zu werden. Art. 5 Ziff. 5 stellt eine eigenständige Haftungsnorm dar und
kommt unabhängig vom kantonalen Recht zur Anwendung. Materiell besteht
danach Anspruch auf eigentlichen Schadenersatz ebenso wie auf Genugtuung;
der Schaden kann ein rein immaterieller, ideeller sein (BGE 124 I 274
E. 2d S. 280; 119 Ia 221 E. 6a S. 230 mit zahlreichen Hinweisen auf
Rechtsprechung und Doktrin). Wie es sich mit der Anwendung von Art. 5
Ziff. 5 EMRK auf den vorliegenden Sachverhalt verhält, ist nunmehr im
Einzelnen zu prüfen.

    b) Der Beschwerdeführer macht geltend, ohne hinreichenden Haftgrund
im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK und ohne genügende Information im
Sinne von Art. 5 Ziff. 2 EMRK inhaftiert sowie in Verletzung von Art. 5
Ziff. 3 EMRK nicht unverzüglich von einem Richter angehört worden zu sein.
Diese Rügen fallen klar in den Bereich von Art. 5 Ziff. 5 EMRK und können
Ausgangspunkt für ein Entschädigungsverfahren sein.

    Dasselbe gilt für die Rüge, der Rechtsvertreter habe nicht rechtzeitig
Einblick in die haftrelevanten Akten nehmen, den Beschwerdeführer nicht
besuchen sowie seinen Brief nicht an den Beschwerdeführer richten können.
Der Beschwerdeführer rügt diesbezüglich im Wesentlichen eine Verletzung
von Art. 6 Ziff. 3 EMRK. Die Garantien von Art. 6 Ziff. 3 EMRK gelten
ihrem Wortlaut entsprechend zwar nur für den formell Angeschuldigten im
Hauptverfahren. Unter Beachtung der spezifischen Garantien einerseits und
der konkreten Umstände andererseits hat die Rechtsprechung Garantien nach
Art. 6 Ziff. 3 EMRK auch schon auf die Phase des Ermittlungsverfahrens
angewendet (BGE 111 Ia 341 E. 3d S. 347 mit zahlreichen Hinweisen auf
Rechtsprechung und Doktrin; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Auflage
1996, Rz. 174 zu Art. 6 mit Hinweisen). In dieser Weise haben die
Strassburger Organe und das Bundesgericht den Anspruch auf freien und
unbeaufsichtigten Kontakt zwischen dem Untersuchungsgefangenen und seinem
Rechtsvertreter im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c EMRK sinngemäss
auch auf das Ermittlungsverfahren bezogen (BGE 111 Ia 341 E. 3d S. 347
ff.; Bericht der Europäischen Menschenrechtskommission i.S. Can vom
12. Juli 1984, Ziff. 47 und 50, in: Publications de la Cour européenne
des droits de l'homme, Serie A, Band 97 = VPB 48/1984 Nr. 87 = EuGRZ 1986
S. 276; Urteil i.S. Imbrioscia vom 24. November 1993, Serie A, Band 275,
Ziff. 36 ff. = VPB 58/1994 Nr. 108; Urteil i.S. S. vom 28. November 1991,
Serie A, Band 220, Ziff. 48 = VPB 55/1991 Nr. 51 = EuGRZ 1992 S. 298;
Urteil Murray vom 8. Februar 1996, Recueil 1996 S. 30, Ziff. 62 ff.). Die
Rechtsprechung hat weiter entschieden, für eine wirkungsvolle Anfechtung
der Untersuchungshaft in einem fairen Verfahren sei die Einsichtnahme
in die relevanten Haftakten grundsätzlich erforderlich (BGE 115 Ia 293
E. 4 S. 299 mit Hinweisen; Urteil i.S. Lamy vom 30. März 1989, Serie A,
Band 151, Ziff. 29 = RUDH 1989 S. 124). Desgleichen erfordert ein faires
und kontradiktorisches Verfahren der Haftprüfung, dass der Betroffene
zur Vernehmlassung oder Stellungnahme einer Behörde Stellung nehmen kann
(Urteil i.S. Sanchez-Reisse, Serie A, Band 107, Ziff. 48 ff. = EuGRZ 1988
S. 523; Urteil Toth vom 12. Dezember 1991, Serie A, Band 224, Ziff. 84
= RUDH 1991 S. 578; BGE 114 Ia 84). Daraus ergibt sich, dass die vom
Beschwerdeführer erhobene Rüge der Verletzung von Verteidigungsrechten
trotz der Berufung auf Art. 6 EMRK dem Bereich von Art. 5 EMRK zuzuordnen
ist und daher im Entschädigungsverfahren nach Art. 5 Ziff. 5 EMRK
grundsätzlich geltend gemacht werden kann.

    Darüber hinaus ist zu prüfen, ob im Entschädigungsverfahren eine
Verletzung des kantonalen Rechts geltend gemacht werden kann. Mit dem
Hinweis auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise des Freiheitsentzuges
(Art. 5 Ziff. 1 Satz 2 EMRK) stellt Art. 5 EMRK für die Rechtmässigkeit
der Haft auf das innerstaatliche Recht ab. Eine Missachtung des nationalen
Rechts kann demnach eine Verletzung von Art. 5 EMRK darstellen (vgl. Urteil
des Gerichtshofes i.S. Wassink, Serie A, Band 185-A, Ziff. 27 = RUDH
1993 S. 168; Urteil van der Leer, Serie A, Band 170-A, Ziff. 22 = RUDH
1990 S. 60; Urteil Douiyeb vom 4. August 1999, Recueil 1999, Ziff. 44;
FROWEIN/PEUKERT, aaO, Rz. 24 ff. zu Art. 5). Eine solche kann daher im
Verfahren nach Art. 5 Ziff. 5 EMRK vorgebracht werden (FROWEIN/PEUKERT,
aaO, Rz. 158 zu Art. 5). Dies zeigt, dass der Beschwerdeführer im
Entschädigungsverfahren auch die Verletzung des kantonalen Rechts
vorbringen und sich insbesondere auf die Kantonsverfassung, die
Strafprozessordnung und das Konkordat über die Rechtshilfe und die
interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen vom 5. November 1992 (SR
351.71) berufen kann.

    Demnach kann der Beschwerdeführer sämtliche vorgebrachten Rügen im
Entschädigungsverfahren vorbringen.

    c) Wie dargetan, besteht nach Art. 5 Ziff. 5 EMRK Anspruch auf
eigentlichen Schadenersatz ebenso wie auf Genugtuung; der Schaden kann
ein rein immaterieller, ideeller sein (BGE 124 I 274 E. 2d S. 280; 119
Ia 221 E. 6a S. 230, mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und
Doktrin; FROWEIN/PEUKERT, aaO, Rz. 161 zu Art. 5). Demnach ist es möglich,
dass der Beschwerdeführer wegen der behaupteten Konventionsverletzung
im Entschädigungsverfahren Schadenersatz oder Genugtuung im Sinne des
nationalen Rechts einklagen kann.

    Darüber hinaus ist nach der Möglichkeit zu fragen, im
Entschädigungsprozess eine blosse Feststellung von Konventionsverletzungen
zu verlangen, falls es an den Voraussetzungen für Schadenersatz und
Genugtuung mangels eines eigentlichen Schadens oder einer besondern
Schwere der Persönlichkeitsverletzung fehlt. Dies ist zu bejahen. Stellt
der Gerichtshof eine Verletzung der Konvention oder der Protokolle fest,
so spricht er der verletzten Partei nach Art. 41 EMRK gegebenenfalls eine
gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist. Im Einzelnen sieht der
Gerichtshof oftmals von einer Entschädigung ab, belässt es bei der blossen
Feststellung der Konventionsverletzung und erblickt darin eine ausreichende
Genugtuung (vgl. etwa die die Schweiz betreffenden Urteile Minelli vom 25.
März 1983, Serie A, Band 62 = EuGRZ 1983 S. 475; Zimmermann und Steiner vom
1. Juli 1983, Serie A, Band 66 = EuGRZ 1983 S. 482; Nideröst-Huber vom 18.
Februar 1997, Recueil 1997 S. 101 = VPB 61/1997 Nr. 108; Camenzind vom 16.
Dezember 1997, Recueil 1997 S. 2880 = VPB 61/1997 Nr. 114; Kopp vom 25.
März 1998, Recueil 1998 S. 524; Jutta Huber vom 23. Oktober 1990, Serie A,
Band 188 = EuGRZ 1990 S. 502; Schönenberger und Durmaz vom 20. Juni 1988,
Serie A, Band 137). Vergleichbar geht das Bundesgericht in Einzelfällen
vor und belässt es bei der Feststellung einer Konventionswidrigkeit in
den Erwägungen als Form der Genugtuung (vgl. BGE 124 I 327 E. 4d S. 334).

    In gleicher Weise kann im Entschädigungsprozess als Form der Genugtuung
die reine Feststellung der Konventionsverletzung erfolgen (vgl. Mark E.
Villiger, Handbuch der EMRK, 2. Auflage 1999, Rz. 374bis). Der Betroffene
hat auf Grund der EMRK einen Anspruch auf entsprechende Prüfung. Art. 5
Ziff. 5 EMRK räumt eine Rechtsweggarantie ein (vgl. Arthur Haefliger/Frank
Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Auflage 1999, S.
130). Diese erfordert, dass entsprechende Rügen und Verletzungen von
einer nationalen Instanz geprüft werden. Andernfalls würde Art. 5 Ziff. 5
EMRK verletzt (Urteil Tsirlis und Kouloumpas vom 29. Mai 1997, Recueil
1997 S. 909, Ziff. 64-66). Der Entschädigungsrichter ist daher direkt
gestützt auf die EMRK verpflichtet, ein reines Feststellungsbegehren -
soweit nicht eigentlicher Schadenersatz oder Genugtuung eingeklagt werden
können - entgegenzunehmen und die behauptete Verletzung der Konvention zu
prüfen (vgl. zur Zulässigkeit von Feststellungsbegehren im Verfahren nach
Art. 42 OG Thomas Hugi Yar, Direktprozesse, in: Thomas Geiser/Peter Münch,
Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Auflage 1998, Rz. 7.40). Der Betroffene
kommt damit in den Genuss der Beurteilung durch einen nationalen Richter.

    Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sämtliche seiner Anliegen
im Entschädigungsprozess vorbringen und seine Konventionsrügen überprüfen
lassen kann.

    d) Weiter ist der Frage nachzugehen, in welchem Verfahren der
Haftungsprozess erfolgt. Eine entsprechende Klage kann einerseits gestützt
auf Art. 42 OG direkt beim Bundesgericht eingereicht werden (vgl. BGE 124
I 274 E. 3d S. 280; Urteil des Bundesgerichts vom 13. April 1999 i.S. B.;
vgl. zum Verfahren HUGI YAR, aaO, Rz. 7.8 und 7.22). Andererseits stehen
die Verfahren nach kantonalem Recht zur Verfügung. Nach § 38 StPO/BL
kann die Überweisungsbehörde im Falle der Einstellung und das Gericht im
Falle des Freispruchs eine angemessene Entschädigung für ungerechtfertigte
Haft, für anderweitige Nachteile sowie für Anwaltskosten zusprechen. Das
Gericht entscheidet nach § 139 StPO/BL auch über ein Entschädigungsbegehren
wegen ungerechtfertigter Strafverfolgung. Vorbehalten bleiben allfällige
Entschädigungsansprüche aus dem Verantwortlichkeitsgesetz (§ 139 Abs. 2
StPO/BL). Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane richtet sich dabei
insbesondere nach § 13 KV/BL sowie dem - der neuen KV offenbar noch nicht
angepassten - Gesetz für Verantwortlichkeit der Behörden und Beamten vom
25. November 1851 (Gesetzessammlung 105). Es ist Sache der kantonalen
Behörden, für eine entsprechende Verfahrenskoordination zu sorgen.

    Das Verantwortlichkeitsverfahren untersteht nach der Rechtsprechung
Art. 6 Ziff. 1 EMRK und muss den Anforderungen an ein faires
Verfahren und der Öffentlichkeit genügen (BGE 119 Ia 221 E. 2 S. 223,
Nichtzulassungsentscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte
i.S. J.v.T. vom 16. Oktober 1996 = VPB 61/1997 Nr. 104; Urteil des
Gerichtshofes i.S. Georgiadis vom 29. Mai 1997, Recueil 1997 S. 949, Ziff.
30-36; vgl. demgegenüber die unterschiedlichen Konstellationen in den
Urteilen Masson vom 28. September 1995, Serie A, Band 327-A, Ziff. 48-52;
Leutscher vom 26. März 1996, Recueil 1996 S. 427, Ziff. 24).

    Unter Verweis auf die persönliche Freiheit und Art. 5 Ziff. 5
EMRK hat das Bundesgericht schon im Jahre 1984 festgehalten, dass das
Entschädigungsverfahren nicht von der vorherigen Anfechtung der Haft oder
Feststellung von deren Rechtswidrigkeit abhängig gemacht werden dürfe (BGE
110 Ia 140 E. 2a S. 142 f.). Der Entschädigungsprozess ist sogar zulässig,
wenn die Haft vorläufig als rechtmässig anerkannt worden ist (vgl. nicht
veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts i.S. Sch. vom 11. Januar 1989).

    e) Die Strassburger Organe haben sich in jüngster Vergangenheit
verschiedentlich mit Beschwerdeangelegenheiten befasst, in denen sich
die Frage nach dem Rechtsschutz bei dahingefallenen Freiheitsentzügen
oder anderen Zwangsmassnahmen stellte. Im Fall B. hat das Bundesgericht
die Verweigerung der Haftprüfung durch die kantonalen Behörden nach der
Entlassung bestätigt (Urteil vom 2. September 1994); die Europäische
Kommission für Menschenrechte hat die entsprechende Beschwerde zugelassen
(Entscheid vom 18. September 1997, Beschwerde 26899/95), obwohl die
Haftungsklage nach Art. 42 OG wegen angeblich konventions-, verfassungs-
und gesetzwidriger Haft beim Bundesgericht hängig war; das Bundesgericht
hat die Klage schliesslich teilweise gutgeheissen (Urteil vom 13. April
1999 i.S. B.). Die Beschwerdesache R.M.D. betraf eine Untersuchungshaft
in verschiedenen Kantonen, weshalb der Betroffene nie rechtzeitig seine
Haftbeschwerde einbringen konnte; der Gerichtshof hat dementsprechend eine
Verletzung von Art. 5 Ziff. 4 EMRK festgestellt (Urteil i.S. R.M.D. vom 26.
September 1997, Recueil 1997 S. 2003 = VPB 1997 Nr. 102). Schliesslich
hat der Gerichtshof in der Sache Camenzind im Zusammenhang mit einer
Hausdurchsuchung zwar eine Verletzung von Art. 8 EMRK verneint, hingegen
eine Verletzung von Art. 13 EMRK festgestellt (Urteil Camenzind vom 16.
Dezember 1997, Recueil 1997 S. 2880). Diesen Fällen ist gemeinsam, dass die
Strassburger Organe die Einrede der Schweiz, der nationale Instanzenzug
sei wegen der Möglichkeit des Entschädigungsverfahrens nicht erschöpft,
nicht anerkannten.

    Diesen Entscheidungen kommt für die Behandlung der vorliegenden
Angelegenheit keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Fall Camenzind
liegt zum Vornherein auf einer andern Ebene, weil dort keine Haft zur
Diskussion stand und demnach die Rechtsweggarantie von Art. 5 Ziff. 5
EMRK nicht anwendbar war. In der Angelegenheit B. ist mit dem Urteil
des Bundesgerichts über das Entschädigungsbegehren nachträglich belegt
worden, dass im Entschädigungsprozess sehr wohl sämtliche vorgebrachten
Rügen durch ein innerstaatliches Gericht detailliert geprüft werden
konnten. Schliesslich betraf die Angelegenheit R.M.D. eine spezielle
Konstellation, weil die Untersuchungshaft durch verschiedene Kantone
hintereinander angeordnet und der Betroffene von einem Kanton zum andern
weitergeschoben wurde.

    Auf Grund der vorstehenden Erwägungen ist für den vorliegenden Fall
klar gestellt, dass sämtliche Rügen und Vorbringen des Beschwerdeführers
im Entschädigungsverfahren geltend gemacht werden können und vom
Entschädigungsrichter nach Art. 5 Ziff. 5 EMRK - vorbehältlich der
Formalien des entsprechenden Klageverfahrens - behandelt werden müssen.

    f) Die Verweisung des Beschwerdeführers auf das Entschädigungsverfahren
ist sowohl unter allgemeinen Überlegungen als auch unter den gegebenen
Umständen sachgerecht. Auf der einen Seite zeigen die obenstehenden
Erwägungen, dass der Beschwerdeführer im Entschädigungsverfahren seine
Rechte voll wahren kann und im Sinne von Art. 5 Ziff. 5 EMRK zu einer
Beurteilung seiner Rügen durch eine nationale Instanz gelangt. Auf der
andern Seite ist es nicht die Aufgabe des Bundesgerichts, im Verfahren
der staatsrechtlichen Beschwerde als erstes Gericht und erste Instanz die
wesentlichen Sachverhaltsumstände überhaupt erst zu klären und über die
verschiedenen Beanstandungen zu befinden. Mit einem materiellen Entscheid
des Bundesgerichts verlöre der Beschwerdeführer jeglichen nationalen
Instanzenzug, der ihm überlicherweise zur Verfügung stünde. Ferner erweist
sich das Vorgehen als prozessökonomisch: Im Falle einer materiellen
Gutheissung der vorliegenden Beschwerde erhielte der Beschwerdeführer
lediglich die Feststellung, dass das Vorgehen der Ermittlungsorgane im
Widerspruch zum Recht von Konvention, Bundesverfassung und kantonalem
Recht steht. Will er aber auch Schadenersatz und Genugtuung verlangen,
müsste er zusätzlich mit einer neuen Klage das Entschädigungsverfahren
bei den kantonalen Behörden einleiten. Das zeigt, dass er mit seiner
staatsrechtlichen Beschwerde auch im Falle eines Erfolges nicht zum Ziel
kommt und er daher kein rechtlich aktuelles Interesse an der Behandlung
seiner Beschwerde hat. Schliesslich erlaubt es eine Klage bei den
kantonalen Behörden, dass das Verfahren konzentriert und koordiniert
durchgeführt wird. Der Beschwerdeführer kommt damit in den Genuss einer
umfassenden Prüfung seiner Vorbringen und geht dadurch, dass seine
abgeschlossene Haft nicht unmittelbar überprüft wird, keiner Rechte
verlustig. Das Nichteintreten auf die Beschwerde erweist sich daher
als sachgerecht.

    Dieses Resultat im vorliegenden Fall schliesst es nicht grundsätzlich
aus, bei andern und speziellen Konstellationen vom Erfordernis eines
aktuellen Interesses im Einzelfall abzusehen und die materiellen Rügen
zu behandeln.

    g) Gestützt auf diese Erwägungen ist auf die vorliegende
staatsrechtliche Beschwerde mangels eines hinreichenden praktischen
Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer kann alle
seine Rügen im kantonalen Entschädigungsverfahren vorbringen und überprüfen
lassen oder gestützt auf Art. 42 OG beim Bundesgericht Klage erheben. Die
Gerichte haben direkt gestützt auf Art. 5 Ziff. 5 EMRK auf entsprechende
Schadenersatz-, Genugtuungs- oder Feststellungsbegehren einzutreten und
dabei ein den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügendes Verfahren
zur Verfügung zu stellen.