Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 I 289



125 I 289

27. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28.
April 1998 i.S. Esther Bucher Helfenstein und Mitbeteiligte gegen Kanton
Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 85 lit. a OG, Art. 25 f. UNO-Pakt II. Ausschluss von in
kantonalen Diensten stehenden Landräten von Abstimmungen über bestimmte
personalrechtliche Normen.

    Vergleich der in BGE 123 I 97 beurteilten Schaffhauser
Ausstandsregelung mit der hier zur Diskussion stehenden des Kantons
Basel-Landschaft. Letztere erfasst insbesondere potenziell einen grösseren
Adressatenkreis (E. 3, 4, 5).

    Der generelle Ausschluss von in Diensten des Kantons stehenden
Parlamentariern von Abstimmungen über bestimmte personalrechtliche Erlasse
ist (jedenfalls in der hier zu beurteilenden Form) mit dem Stimmrecht
unvereinbar (E. 6).

    Es verletzt das Stimmrecht, die zum Ausstand verpflichtende
«unmittelbare Betroffenheit» für die in kantonalen Diensten stehenden
Parlamentarier anders - strenger - auszulegen als für die übrigen Landräte
(E. 7).

Sachverhalt

    Am 7. Juni 1998 nahmen die Stimmberechtigten des Kantons
Basel-Landschaft folgende Vorlage mit 49'439 zu 16'644 Stimmen an:
      «I. Das Gesetz vom 21. November 1994 über die Organisation und die

    Geschäftsführung des Landrates (Landratsgesetz) wird wie folgt
geändert:
      § 7 Ausstandspflicht 1Die Ratsmitglieder treten bei Geschäften,
      die sie unmittelbar betreffen,

    in den Ausstand (§ 58 Absatz 1 KV).
      2Ratsmitglieder sind insbesondere unmittelbar betroffen, wenn:
      a. sie aus einem Ratsgeschäft einen direkten und persönlichen Nutzen

    ziehen oder Nachteil erleiden können;
      b. sie für Wahlen kandidieren, die vom Landrat oder seinen Organen

    vorzunehmen sind; die Ausstandspflicht gilt nicht für Wahlen in
Organe des

    Landrats;
      c. sie Begnadigungsgesuche beurteilen müssen, die sie selbst
      betreffen; d. sie für ihre berufliche Tätigkeit nach kantonalem
      Recht entlöhnt

    werden und über personalrechtliche Bestimmungen zu befinden haben,
welche

    die Besoldung, die Pension sowie die Dauer der Arbeitszeit und
der Ferien

    betreffen. Die Ausstandspflicht gilt nur soweit, als die
arbeitsrechtlichen

    Bestimmungen auf sie selbst Anwendung finden.
      3Die Ratsmitglieder treten auch in den Ausstand, wenn ihre

    Lebenspartnerin oder ihr Lebenspartner im Sinne von Art. 2 unmittelbar

    betroffen ist.
      4Die Ausstandspflicht gilt für Vorbereitung, Beratung und Beschluss-

    fassung (§ 58 Abs. 2 KV).
      5In Streitfällen entscheidet der Landrat beziehungsweise das
      betreffende

    Organ.
      6Der Landrat kann gültig beraten und beschliessen, auch wenn wegen

    Ausstands nicht die Mehrheit der Ratsmitglieder anwesend ist.
      II. Diese Änderung tritt nach der Annahme durch das Volk am

    darauffolgenden 1. Juli in Kraft.»

    Das Ergebnis wurde im Amtsblatt vom 11. Juni 1998 von der Landeskanzlei
veröffentlicht. Nach seiner Erwahrung wurde die Gesetzesänderung am
2. Juli 1998 publiziert.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 12. August 1998 wegen Verletzung
des Stimmrechts, von Art. 25 f. des Internationalen Paktes vom 16. Dezember
1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2) sowie
von Art. 4 BV beantragen Esther Bucher Helfenstein und weitere Beteiligte,
§ 7 Abs. 2 lit. d und Abs. 3 des Landratsgesetzes (LRG) aufzuheben.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es auf sie
eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Im den Kanton Schaffhausen betreffenden BGE 123 I 97 hatte sich
das Bundesgericht erstmals grundsätzlich mit einer gesetzlichen Regelung
zu befassen, welche für die im Dienste des Kantons stehenden Mitglieder
des kantonalen Parlamentes generell den Ausstand für Abstimmungen
über personalrechtliche Erlasse und Beschlüsse vorschrieb. Es erwog
im Wesentlichen, aus dem verfassungsrechtlich geschützten Stimmrecht
ergebe sich, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt werde, das nicht
den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht
zum Ausdruck bringe. Daraus leitete es ab, dass bei Proporzwahlen dem
Grundsatz der Erfolgswertgleichheit, welcher sicherstellen soll, dass
sich der Wählerwille in der Zusammensetzung des Parlamentes unverfälscht
widerspiegle, eine besondere Bedeutung zukommt. Ausstandsvorschriften für
Parlamentarier stünden dem zumindest prinzipiell entgegen und bedürften
daher nach der Rechtsprechung einer Grundlage in einem formellen Gesetz,
müssten im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (E. 4).

    Da die gesetzliche Grundlage im zu beurteilenden Fall gegeben
war, prüfte das Bundesgericht in der Folge, ob die angefochtene
Ausstandsregelung im öffentlichen Interesse lag und verhältnismässig
erschien. Es führte aus, der kantonale Verfassungsgeber habe eine
Grundsatzentscheidung getroffen, indem er den kantonalen Beamten in
Kenntnis der damit verbundenen Interessenkonflikte das passive Wahlrecht
für die Einsitznahme ins kantonale Parlament zugestehe. Eine bei bestimmten
Sachfragen zur Anwendung kommende Ausstandspflicht für Parlamentarier,
welche im Dienste des Kantons stünden, komme daher nur aus besonders
wichtigen Gründen in Frage. Es werde im Allgemeinen nicht angenommen,
dass im Dienste des Kantons stehende Parlamentarier bei Abstimmungen über
personalrechtliche Erlasse ein solches besonderes persönliches Interesse
hätten, jedenfalls sähen weder der Bund für Nationalräte noch, soweit
ersichtlich, die Kantone, die Beamten als Parlamentsmitglieder zuliessen,
mit der Schaffhauser Regelung vergleichbare Ausstandsbestimmungen
vor. Es liege im Wesen der Demokratie, dass Parlamentsabgeordnete
Interessenvertreter seien. Beamte in Abstimmungen über personalrechtliche
Erlasse befänden sich aber grundsätzlich in der gleichen Lage wie Landwirte
bei einer Abstimmung über die Landwirtschaftsgesetzgebung oder Unternehmer
bei Fragen der Wirtschaftsförderung oder der Entlastung von Unternehmen
bei der Steuergesetzgebung. Solche Interessenkonflikte genereller Natur
seien nicht mit Ausstandsvorschriften, sondern mit Bestimmungen über die
Unvereinbarkeit zu regeln. Jedenfalls müssten solche aber rechtsgleich
ausgestaltet sein. Es gehe daher nicht an, Beamten die Vertretung der
Interessen ihrer Berufsgruppe zu untersagen, den Vertretern anderer Gruppen
- z.B. den Landwirten oder den Unternehmern - die Verfolgung eigener
Interessen bei der Gesetzgebung hingegen zu erlauben. Für die Wahrung
der Objektivität und Integrität staatlicher Organe sei die umstrittene
Ausstandspflicht nicht erforderlich, da alle Parlamentarier und damit
auch die Beamten verpflichtet seien, in Ausübung des freien Mandates
die Interessen der gesamten Bevölkerung und des Standes Schaffhausen zu
vertreten (E. 5).

    b) Die Beschwerdeführer berufen sich im Wesentlichen auf diesen
Entscheid und machen geltend, zwischen der als verfassungswidrig erkannten
Schaffhauser Regelung und der vorliegend zu beurteilenden des Kantons
Basel-Landschaft bestünden keine rechtserheblichen Unterschiede, sie
seien daher beide verfassungswidrig.

    Der Beschwerdegegner kritisiert BGE 123 I 97 in seiner Vernehmlassung
nicht explizit, auch wenn sich seine Ausführungen - z.B. über die
«grundlegend andere Situation» in der sich beamtete Landräte bei der
Abstimmung über Besoldungsangelegenheit gegenüber nicht beamteten Landräten
bei der Abstimmung über die Regelung ihrer ureigensten Interessengebiete
befänden - nur zum Teil mit ihm in Einklang bringen lassen. Er macht im
Wesentlichen bloss geltend, die vorliegend zu beurteilende Regelung sei
differenzierter und einschränkender als diejenige des Kantons Schaffhausen;
insbesondere setze die Ausstandspflicht voraus, dass die Festsetzung der
eigenen Besoldung in Frage stehe.

Erwägung 4

    4.- a) Der Kanton Basel-Landschaft schliesst die Wahl von gewissen
Behörden- und Gerichtsmitgliedern sowie von «höheren Beamten der
Staatsverwaltung» ins Kantonsparlament aus (§ 51 Abs. 2 der Verfassung
des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984; KV/BL). Dieses wird nach
dem Verhältniswahlverfahren gewählt (§ 27 Abs. 1 KV/BL). Abgesehen von den
Personen, die von dieser Unvereinbarkeitsregelung betroffen werden, sind
alle Stimmberechtigten in den Landrat wählbar. § 52 KV/BL, wonach Verwandte
und Verschwägerte bis zu einem bestimmten Grade nicht gleichzeitig einer
Behörde angehören dürfen, findet ausdrücklich keine Anwendung auf den
Landrat. Allein aus der Amtszeitbeschränkung auf vier aufeinanderfolgende
Amtsperioden (§ 54 KV/ BL) ergibt sich eine - im vorliegenden Zusammenhang
nicht weiter interessierende - Einschränkung der Wählbarkeit.

    b) Nach dem Demokratieprinzip sollen sowohl das aktive als auch das
passive Stimmrecht möglichst uneingeschränkt allen Stimmberechtigten
zustehen (§§ 2, 21, 22 KV/BL). Der Gewaltenteilungsgrundsatz verlangt
dagegen bei strikter Handhabung, Staatsbediensteten als Mitgliedern
der Verwaltung und damit der Exekutive die Einsitznahme in den Landrat
als der Legislative zu verwehren. Diesen latenten Konflikt zwischen
dem Demokratieprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz hat der
Kanton Basel-Landschaft dahingehend entschieden, dass nach kantonalem
Recht besoldete Beamte und Angestellte, mit Ausnahme jener in höherer
Stellung, ins Kantonsparlament wählbar sind. Damit hat er in einer
verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidung einen Ausgleich zwischen
den beiden widerstrebenden fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzipien
getroffen und sie für das kantonale Staatsrecht konkretisiert.

Erwägung 5

    5.- Der Kanton Basel-Landschaft macht als Beschwerdegegner geltend,
seine Regelung des Ausstands von kantonalen Bediensteten im Parlament
sei im Vergleich zur Schaffhauser Regelung «deutlich differenzierter
und weniger einschränkend» ausgestaltet, weil die Ausstandspflicht in
Besoldungsangelegenheiten nur soweit gelte, als die personalrechtliche
Bestimmung auf die nach den kantonalen Ansätzen entlöhnten Ratsmitglieder
selbst Anwendung finde. Die Landräte seien damit nicht generell, als
Gruppe, von der Ausstandspflicht betroffen, sondern direkt und persönlich
als Einzelpersonen.

    a) Die vorliegend zu beurteilende Regelung erfasst alle Landräte, die
selber im angestammten Beruf oder deren Lebenspartner nach kantonalem Recht
besoldet werden, gleichgültig darum, ob sie diesen voll- oder teilzeitlich
ausüben. Sie geht in persönlicher Hinsicht sehr weit, werden doch im Kanton
Basel-Landschaft nicht nur Mitarbeiter des Kantons nach kantonalem Recht
besoldet. Das trifft ebenso auf Mitarbeiter von Gemeinden zu, die aufgrund
einer gesetzlichen Bestimmung nach kantonalem Recht entlöhnt werden müssen
(Primarlehrer, Kindergärtner) oder freiwillig danach entlöhnt werden,
auf Mitarbeiter von privaten Kinder- und Erziehungsheimen, an deren Löhne
der Kanton Beiträge leistet, sowie auf solche von Institutionen, die sich
freiwillig der kantonalen Besoldungsordnung unterziehen (v.a. soziale
Institutionen). Wie weit die Regelung geht, zeigt im Übrigen auch §
7 Abs. 6 LRG, wonach, entgegen dem sonst geltenden Quorum von § 50 LRG,
der Landrat beschlussfähig bleibt, «auch wenn wegen Ausstands nicht die
Mehrheit der Ratsmitglieder anwesend ist». Die Ausstandsverpflichtung
erfasst somit potenziell wesentlich mehr Parlamentsmitglieder als jene
des Kantons Schaffhausen, welche in BGE 123 I 97 zu beurteilen war.

    b) Einen entscheidenden Unterschied zur Schaffhauser Regelung
sieht der Beschwerdegegner weiter im Umstand, dass die Ausstandspflicht
die Ratsmitglieder nur dann treffe, wenn die Bestimmungen betreffend
Besoldung, Pension, Arbeitszeit und Ferien auf sie selbst Anwendung
finden. Die in diesem Zusammenhang wichtigsten personalrechtlichen
Erlasse des Kantons - das Personalgesetz und das Personaldekret - gelten
indessen allgemein für alle nach kantonalem Recht besoldeten Mitarbeiter,
sodass diese Einschränkung praktisch kaum von Bedeutung ist. Sie käme
nur bei einigen spezialgesetzlichen Regelungen - z.B. der Regelung von §
88 des Schulgesetzes vom 26. April 1979 i.V.m. § 32 und 33 des Dekretes
zum Schulgesetz vom 3. Dezember 1979 über die Pflichtstundenzahl und
die Altersentlastung der Lehrer - zum Tragen, bei deren Behandlung
die Mitarbeiter der davon nicht betroffenen Verwaltungszweige nicht in
den Ausstand treten müssten. Auch hier bleibt indessen der Kreis der
Adressaten gross, da sich das Schulgesetz keineswegs bloss an wenige,
individualisierbare Lehrer richtet, sondern an alle. Vor allem aber ändert
die Einschränkung nichts daran, dass die einer bestimmten sozialen Gruppe
angehörenden Parlamentsmitglieder von der Abstimmung über sie besonders
betreffende, generell-abstrakte Normen ausgeschlossen werden sollen,
was dazu führt, dass ihre in der Regel der gleichen sozialen Gruppe
angehörenden oder diese unterstützenden Wähler ihre parlamentarische
Vertretung einbüssen.

Erwägung 6

    6.- Wie in BGE 123 I 97 ausgeführt, ergibt sich aus dem
verfassungsmässig garantierten Stimmrecht, dass grundsätzlich allen
Kantonsparlamentariern die gleichen Rechte zustehen müssen. Eine
Schlechterstellung einzelner Parlamentarier oder Parlamentariergruppen
durch den generellen Ausschluss von Abstimmungen über wesentliche
Ratsgeschäfte, zu denen die personalrechtlichen Erlasse gehören, schwächt
die Stimmkraft ihrer Wähler im Vergleich zu denjenigen Stimmberechtigten,
die «vollwertige» Parlamentarier gewählt haben. Das für demokratische
Wahlen und Abstimmungen grundlegende Prinzip, dass jede Stimme im Ergebnis
das gleiche Gewicht haben muss, die sogenannte Erfolgswertgleichheit
der Stimmen, erfährt dadurch eine Einschränkung. Eine solche ist mit dem
aktiven Wahlrecht nur vereinbar, wenn sie - die übrigen Voraussetzungen
vorbehalten (oben E. 3a) - durch überwiegende öffentliche Interessen
gerechtfertigt wird. Ob auch das passive Wahlrecht beeinträchtigt ist,
wie die Beschwerdeführer geltend machen, kann hier, wie schon im zitierten
Bundesgerichtsentscheid (E. 6), offen bleiben.

    a) Kurt Eichenberger hält in einem (unveröffentlichten) Gutachten
vom 9. Februar 1989 zuhanden des Landrates des Kantons Basel-Landschaft
zur Auslegung einer Ausstandsbestimmung der damaligen Geschäftsordnung
des Landrates dafür, Ausstandsverpflichtungen für Parlamentarier wegen
Vorteilserwartungen oder Nachteilsbefürchtungen bei Abstimmungen über
generell-abstrakte Erlasse grundsätzlich nicht Platz greifen zu lassen.

    Das basellandschaftliche Verfassungsrecht gehe, wie andere
schweizerische Verfassungsordnungen auch, von der realistischen
Repräsentationstheorie aus, wonach das Parlament das Gesamtvolk in seiner
Pluralität widerspiegle. Es sei mit dieser Repräsentationsidee nicht
vereinbar, ganze Gruppen von Abgeordneten ihrer Inte- ressenlage wegen
von der Entscheidfindung auszuschliessen, da sie gerade anwesend sein
sollten, um ihre spezifischen Interessen darlegen und die Entscheidung
schliesslich mittragen zu können.

    Es solle im Prinzip keine gesellschaftliche Gruppierung, die eine
Wählbarkeitsgrösse und damit politische Relevanz erlange, vom Parlament
ausgeschlossen werden. Personen z.B., die vom Staat besoldet sind, in das
Parlament aufzunehmen, sei ein verfassungsrechtlicher Grundentscheid
aus der Überlegung, dass in ihnen eine Interessenträgerschaft
als parlamentsfähig anerkannt werde. Das schiebe zwar Aspekte des
dogmatisierten Gewaltenteilungsprinzipes beiseite, anerkenne aber einen im
Demokratieprinzip begründeten Anspruch auf Teilhabe und Teilnahme. Solche
Ansprüche seien dann am aktuellsten und als Teilnahmerechte
dann am unentziehbarsten, wenn spezifische Gruppeninteressen in
Parlamentsgeschäften angesprochen würden. Die verfassungsrechtlich
ermöglichte und gesuchte Teilnahme einer Gruppierung präzis im gleichen
Moment aber durch Ausstandsverpflichtungen, die die ganze Gruppierung
treffen, stillzulegen, könne mit der Verfassung nicht im Einklang stehen.

    Das Verfassungsrecht setze voraus, dass die Staatsorgane ihren
Aufgaben nachkommen könnten, weshalb bei der Ausstandsregelung auf ihre
Eigenheiten Bedacht zu nehmen sei. Interessenkollisionen müssten für
Justiz und Regierung strenger geregelt werden als für das Parlament;
das zeige sich schon daraus, dass hier der Verwandtenausschluss von §
52 KV/BL nicht gelte. Die Ausstandspflicht müsse auch wegen der relativ
grossen Zahl der Parlamentarier nicht hochgeschraubt werden, da im grossen
Kollegium einseitige Interessenwahrnehmungen ausgeglichen würden. Eine
Ausstandspflicht für Abstimmungen über generell-abstrakte Erlasse wäre
zudem wegen der Schwierigkeit der Interessenfeststellung und -aussonderung
kaum praktikabel.

    b) Aus dem vom Beschwerdegegner nicht substanziiert kritisierten BGE
123 I 97 und den gewichtigen Argumenten Eichenbergers ergeben sich starke
Bedenken gegen jede Regelung, die verlangt, dass Parlamentsabgeordnete
beim Erlass von Normen genereller Natur, d.h. solchen, die sich nicht
an bestimmte, individualisierbare Personen richten, in den Ausstand zu
treten haben. Es ist fraglich, ob sich bei einer sachgerechten Abwägung
der widerstreitenden Interessen ein genügendes öffentliches Interesse an
der damit verbundenen Einschränkung des gleichen Stimmrechts im Sinne
der Erfolgswertgleichheit der Stimmen bejahen lässt. Das Bestreben des
basel-landschaftlichen Gesetzgebers, mit der umstrittenen Ausstandsregelung
die Glaubwürdigkeit des Parlaments zu sichern, erhält im Lichte der diesem
zukommenden Repräsentationsaufgabe und des Demokratieprinzips einen anderen
Stellenwert: da im Landrat möglichst alle gesellschaftlichen Gruppierungen
vertreten sein sollen, darf die Wahrnehmung von Eigeninteressen nicht
leichthin als Beeinträchtigung seiner Objektivität und Integrität
aufgefasst werden. Darin unterscheidet sich das Parlament wesentlich
von den anderen Staatsorganen, insbesondere jenen der Justiz und auch
der Exekutive.

    c) Ob Ausstandspflichten für Parlamentsmitglieder für Geschäfte
mit generellem Adressatenkreis von vornherein das Stimmrecht verletzen
oder ob Ausnahmen - etwa für Regelungen, die einen sehr kleinen,
faktisch individualisierbaren Adressatenkreis betreffen - denkbar sind,
braucht hier nicht abschliessend beurteilt zu werden: die angefochtene
basel-landschaftliche Regelung ist nach dem Gesagten jedenfalls mit dem
bundesrechtlich und in den Art. 21 und 22 KV/BL garantierten gleichen
Stimmrecht nicht vereinbar. Es geht nicht an, für eine bestimmte Gruppe
von Parlamentariern - die selber oder deren Lebenspartner beruflich nach
kantonalem Recht besoldet werden - strengere Ausstandsvorschriften zu
schaffen als für die übrigen Landratsmitglieder. Eine solche Sonderregelung
lässt sich auch nicht etwa mit dem Hinweis auf das Gewaltenteilungsprinzip
rechtfertigen. Die Verfassung des Kantons Basel-Landschaft hat den latenten
Konflikt zwischen dem Demokratieprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz
dahingehend entschieden, dass allein die Stellung als höherer Beamter mit
der Ausübung eines Parlamentsmandates unvereinbar ist (E. 4 oben). Dieser
verfassungsrechtliche Ausgleich würde durch einen generellen Ausschluss
der in öffentlichen Diensten stehenden Parlamentarier von wesentlichen,
sie und ihre Wähler besonders betreffenden Abstimmungen, auf Gesetzesstufe
unterlaufen. Der kantonale Verfassungsgeber erachtete es aber gerade
als nicht gerechtfertigt, aus Gründen der Gewaltenteilung so weit zu
gehen, und dies lässt sich auch mit dem Gewaltenteilungsdogma allein
nicht begründen (vgl. dazu HANSJÖRG SEILER, Gewaltenteilung, Bern 1994,
S. 383; PETER REINERT, Ausstand im Parlament, Zürcher Diss. 1991, S. 81/2;
WERNER BEELER, Personelle Gewaltentrennung und Unvereinbarkeit in Bund
und Kantonen, Zürcher Diss. 1983, S. 130/1).

Erwägung 7

    7.- a) Nach § 58 Abs. 1 KV/BL, welcher in § 7 Abs. 1 LRG wiederholt
wird, müssen sich Behördemitglieder und Beamte, welche von einer Vorlage
«unmittelbar betroffen» sind, in den Ausstand begeben. Die umstrittene
Regelung bildet einen Teil der in § 7 Abs. 2 und 3 LRG enthaltenen
Ausführungsbestimmungen dazu. § 7 Abs. 2 lit. d LRG schafft für die nach
kantonalem Recht besoldeten Ratsmitglieder für einen Teil der Geschäfte -
personalrechtliche Bestimmungen, welche ihre eigene Besoldung, die Pension
sowie die Dauer der Arbeitszeit und der Ferien betreffen - Sonderrecht,
indem hier, anders als in allen anderen Fällen (lit. a, b und c),
eine «unmittelbare Betroffenheit» auch bei Abstimmungen über generell-
abstrakte Erlasse angenommen wird. Es ist kein Grund ersichtlich, der es
rechtfertigen könnte, den Begriff der unmittelbaren Betroffenheit im Sinne
von § 58 Abs. 1 KV/BL und § 7 Abs. 1 LRG für die beruflich nach kantonalem
Recht besoldeten Landräte bei der Behandlung personalrechtlicher Fragen
anders auszulegen als für alle anderen Parlamentsabgeordneten in allen
anderen Bereichen.

    b) Der Einwand des Beschwerdegegners, die Sonderbehandlung dieser
Landräte rechtfertige sich deshalb, weil sie in aller Regel ihr gesamtes
Gehalt vom Kanton beziehen würden und daher von einer Neuregelung des
Besoldungsrechts viel stärker betroffen seien als etwa ein Landwirt
von der Revision des Landwirtschaftsrechts, geht schon deswegen fehl,
weil die Ausstandspflicht von § 7 Abs. 2 lit. d LRG Landräte unabhängig
von ihrem Beschäftigungsgrad in einer nach kantonalem Recht besoldeten
Anstellung trifft. Im Übrigen besteht kein Anlass, die auf dem Spiele
stehenden Interessen von kantonalen Bediensteten einerseits und Landwirten
oder Unternehmern andererseits anders als im erwähnten BGE 123 I 97
zu gewichten.

    c) Ist aber kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte,
die «unmittelbare Betroffenheit» im Sinne von § 58 Abs. 1 KV/BL und § 7
Abs. 1 LRG für eine Gruppe von Landräten anders - strenger - auszulegen als
für die Übrigen, so benachteiligt § 7 Abs. 2 lit. d LRG die Stimmbürger,
die von dieser Regelung erfasste Landräte wählten, in verfassungswidriger
Weise gegenüber den Stimmbürgern, die Parlamentarier wählten, für die
keine entsprechende generelle Ausstandspflicht besteht. Die umstrittene
Regelung verletzt aus diesem Grunde das bundes- und kantonalrechtlich
verfassungsmässig garantierte gleiche Stimmrecht der Beschwerdeführer.

    d) Verletzt § 7 Abs. 2 lit. d LRG schon in diesem Sinne das Stimmrecht,
braucht nicht weiter geprüft zu werden, ob er auch gegen Art. 25 UNO-Pakt
II verstosse. Das steht keineswegs fest, sind doch die politischen Rechte
darin bewusst «als kleinster gemeinsamer Nenner konzipiert, um möglichst
vielen, auch weniger demokratischen Staaten die Teilnahme zu ermöglichen»
(MANFRED NOWAK, Kommentar zum UNO-Pakt II, Kehl am Rhein/Strassburg/
Arlington 1989, N. 5 f., 11 ff. zu Art. 25). Der Schutz des UNO-Paktes
dürfte somit weniger weit gehen als derjenige des eidgenössischen und
kantonalen Rechts.