Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 I 267



125 I 267

25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4.
Mai 1999 i.S. X. gegen Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement und
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Bewilligung zur Ausübung des Zahnarztberufs; Art. 4 BV und Art. 31
BV; Art. 2 und 4 Binnenmarktgesetz.

    Es verstösst nicht gegen Art. 31 BV, für die Ausübung des
Zahnarztberufs von Inhabern eines ausländischen Ausweises ein
eidgenössisches Diplom zu verlangen (E. 2).

    Der Inhaber eines ausländischen Zahnarztdiploms, der sich in einem
Kanton niederlassen will, kann sich nicht auf Art. 2 und Art. 4 BGBM
berufen (E. 3).

    Generelle Ansichtsäusserungen eines Departementsvorstehers begründen
keinen Vertrauensschutz (E. 4).

    Die Kostenfreiheit gemäss Art. 4 Abs. 2 BGBM kommt nicht zum Tragen,
wenn das Binnenmarktgesetz gar nicht anwendbar ist (E. 5).

Sachverhalt

    Dr. med. dent. R. ist deutscher Staatsangehöriger und Inhaber der
deutschen Approbation als Zahnarzt. Er verfügt über eine schweizerische
Niederlassungsbewilligung. Seit dem 1. Juli 1992 arbeitet er als Assistent
bei Dr. med. dent. M. in Chur. Mit Gesuch vom 3. Oktober 1997 beantragte R.
beim Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement des Kantons Graubünden die
Erteilung der Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung als Zahnarzt.
Das Departement wies das Gesuch am 15. Juni 1998 ab, da R. nicht im
Besitz des eidgenössischen Zahnarztdiploms sei. Einen dagegen erhobenen
Rekurs wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Urteil
vom 13. Oktober 1998 ab. Es erwog, gemäss Art. 29 Abs. 2 des kantonalen
Gesundheitsgesetzes vom 2. Dezember 1984 werde die Bewilligung zur
selbständigen Berufsausübung als Medizinalperson nur Inhabern des
eidgenössischen Diploms erteilt. Diese Bestimmung sei weder verfassungs-
noch bundesrechtswidrig. Eine Ausnahme sei nach Art. 29 Abs. 3 des
Gesundheitsgesetzes nur zulässig, wenn nicht genügend Berufsangehörige
mit eidgenössischem Diplom vorhanden seien. Auf dem Platz Chur sei jedoch
der zahnärztliche Versorgungsgrad genügend.

    R. erhebt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Er rügt eine Verletzung von Art. 4 und
31 BV sowie des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt
(Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02).

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Handels- und
Gewerbefreiheit (Art. 31 BV). Die deutsche Approbation als Zahnarzt
sei dem eidgenössischen Diplom gleichwertig. Es sei daher durch kein
öffentliches Interesse gerechtfertigt, von ihm zusätzlich noch das
eidgenössische Diplom zu verlangen, zumal dieses grund- sätzlich vom
Schweizer Bürgerrecht abhängig sei.

    b) Unter dem Schutz des Art. 31 BV steht jede gewerbsmässig ausgeübte,
privatwirtschaftliche Tätigkeit, die der Erzielung eines Gewinnes oder
Erwerbseinkommens dient (BGE 124 I 310 E. 3a S. 313; 123 I 212 E. 3a S.
217; je mit Hinweisen), somit auch die Ausübung des Zahnarztberufs (BGE 117
Ia 90 E. 3b S. 93; Pra 87/1998 Nr. 3 S. 19, E. 1). Art. 31 BV behält jedoch
in Abs. 2 kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben,
namentlich im öffentlichen Interesse begründete polizeiliche Massnahmen,
vor. Solche Einschränkungen können dem Schutz der öffentlichen Ordnung,
der Gesundheit, Sittlichkeit und Sicherheit oder von Treu und Glauben
im Geschäftsverkehr dienen (BGE 124 I 310 E. 3a S. 313; 118 Ia 175 E. 1
S. 176 f.; 114 Ia 34 E. 2a S. 36). Unzulässig sind wirtschaftspolitische
oder standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern,
um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu
begünstigen. Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit bedürfen im
Übrigen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein überwiegendes
öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und den Grundsatz der
Verhältnismässigkeit sowie der Rechtsgleichheit wahren (BGE 124 I 310
E. 3a S. 313; 123 I 12 E. 2a S. 15, 212 E. 3a S. 217; je mit Hinweisen).

    c) Vorliegend besteht - wie der Beschwerdeführer mit Recht nicht
bestreitet - in Art. 29 des Gesundheitsgesetzes eine formellgesetzliche
Grundlage dafür, dass grundsätzlich nur Medizinalpersonen, die im Besitz
des eidgenössischen Diploms sind, eine Bewilligung zur selbständigen
Berufsausübung erhalten. Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 4. Juli
1997 entschieden, dass die praktisch gleichlautende analoge Regelung
des zürcherischen Rechts mit Art. 31 BV vereinbar sei. Es hat erwogen,
das eidgenössische Diplom garantiere eine fundierte Ausbildung;
das könne zwar bei ausländischen Diplomen ebenfalls zutreffen, doch
seien ausländische Ausweise für die schweizerischen Gesundheitsbehörden
schwieriger zu beurteilen; das Erfordernis des eidgenössischen Diploms sei
auch nicht unverhältnismässig (Pra 87/1998 Nr. 3 S. 19, E. 2b/c). Anders
verhält es sich bei medizinischen Hilfsberufen wie Physiotherapeuten,
wo das Bundesgericht das Erfordernis eines schweizerischen Diploms als
unverhältnismässig beurteilt hat, wenn ein gleichwertiges ausländisches
Diplom vorliegt (Urteile vom 9. Juni 1995 i.S. Sch., publiziert in SJ
1995 713, E. 3; vom 16. Oktober 1992 i.S. F., publiziert in RDAT 1993
I n. 27 S. 79, E. 4). Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht auf die
eidgenössisch geregelten Medizinalberufe übertragen werden (RDAT 1993 I
n. 27 S. 79, E. 4c). Erweist sich die gesetzliche Regelung generell als
verfassungsmässig, dann hat der Inhaber eines ausländischen Diploms auch
keinen Anspruch auf Zulassung, wenn er im Einzelfall die Gleichwertigkeit
seines Diploms nachweist. Denn die Überprüfung dieser Gleichwertigkeit ist
für die schweizerischen Behörden nicht einfach, und gerade deshalb ist die
Beschränkung auf Inhaber des schweizerischen Fähigkeitsausweises zulässig.
Dass eine generelle Regelung unter Umständen auch auf Einzelfälle Anwendung
findet, in denen der innere Sinn des Gesetzes nicht erfüllt wäre, ist
nicht selten und stellt noch keine Unverhältnismässigkeit dar.

    d) Gemäss Art. 33 Abs. 2 BV und Art. 1 des Freizügigkeitsgesetzes
vom 19. Dezember 1877 (SR 811.11) sind Medizinalpersonen mit
eidgenössischem Diplom zur freien Ausübung ihres Berufs im Gebiete der
ganzen Eidgenossenschaft befugt. Die Kantone können zusätzlich Inhaber
ausländischer Ausweise zulassen, doch sind sie dazu von Bundesrechts
wegen nicht verpflichtet (BGE 117 Ia 90 E. 3b S. 94; Pra 87/1998
Nr. 3 S. 19 E. 2b). Daraus, dass einzelne Kantone Inhaber deutscher
Zahnarztapprobationen zulassen, kann deshalb der Beschwerdeführer nichts
ableiten.

    e) Es trifft zu, dass nach Art. 16 der Allgemeinen
Medizinalprüfungsverordnung vom 19. November 1980 (AMV; SR 811.112.1)
Ausländer nur unter bestimmten Voraussetzungen zur eidgenössischen
Medizinalprüfung zugelassen werden, namentlich dann, wenn mit ihrem
Heimatstaat Gegenrecht vereinbart wurde. Wenn ein kantonales Gesetz die
Zulassung zur selbständigen Berufsausübung vom Besitz des eidgenössischen
Diploms abhängig macht, kann es daher im Ergebnis einem Ausländer
praktisch verunmöglicht werden, einen Medizinalberuf selbständig auszuüben,
selbst wenn er bereit und fachlich in der Lage wäre, das eidgenössische
Diplom zu erwerben. Soweit dieses Ergebnis als verfassungswidrig zu
bezeichnen sein sollte, wäre dies jedoch nicht die Folge der kantonalen
Gesetzgebung, welche das schweizerische Diplom verlangt. Es ergibt sich
vielmehr aus der eidgenössischen Medizinalprüfungsverordnung, welche die
Zulassung zur eidgenössischen Prüfung grundsätzlich vom Erfordernis der
schweizerischen Staatsangehörigkeit abhängig macht, was allenfalls als
nicht sachgerecht betrachtet werden könnte (vgl. BGE 123 I 212 E. 3c;
119 Ia 35 E. 4). Ob dieses Erfordernis wirklich verfassungswidrig
ist, braucht vorliegend jedoch nicht beurteilt zu werden, da nicht die
Zulassung zur eidgenössischen Medizinalprüfung in Frage steht. Im Übrigen
ist zu bemerken, dass das Gegenrechtserfordernis für die Zulassung zu
bestimmten Berufen im internationalen Verhältnis nicht unüblich ist. Ob
allenfalls zukünftig in Kraft tretende internationale Abkommen eine
Gegenrechtsvereinbarung mit Deutschland im Sinne von Art. 16 Abs. 1 AMV
schaffen werden, steht vorliegend nicht zur Diskussion.

Erwägung 3

    3.- Es fragt sich, ob das seit 1. Juli 1996 in Kraft stehende
Binnenmarktgesetz an dieser bisherigen Rechtslage etwas geändert hat.

    a) Nach Art. 2 Abs. 1 BGBM hat jede Person das Recht, Waren,
Dienstleistungen und Arbeitsleistungen auf dem gesamten Gebiet der Schweiz
anzubieten, soweit die Ausübung der betreffenden Erwerbstätigkeit im
Kanton oder der Gemeinde ihrer Niederlassung bzw. ihres Sitzes zulässig
ist. Der Gesetzgeber wollte damit das im EG-Recht geltende sogenannte
Cassis-de-Dijon-Prinzip verankern, wonach ein Produkt, welches den
in einem Land geltenden Anforderungen entspricht, auch in anderen
Ländern vertrieben werden darf (Vgl. Botschaft zum Binnenmarktgesetz,
BBl 1995 I 1213, 1257 1263 f.). Einschränkungen dieses Grundsatzes
sind zwar möglich, müssen jedoch die Voraussetzungen von Art. 3 BGBM
erfüllen. Art. 2 und 3 BGBM enthalten insoweit eine Präzisierung und
Konkretisierung der seit je in Art. 31 BV enthaltenen interkantonalen
Komponente der Handels- und Gewerbefreiheit (vgl. BGE 122 I 109 E. 4c/d
S. 117 f., mit Hinweisen; THOMAS COTTIER/BENOÎT MERKT, La fonction
fédérative de la liberté du commerce et de l'industrie et la loi sur
le marché intérieur suisse: l'influence du droit européen et du droit
international économique, Festschrift Aubert, Basel 1996, S. 449-471, 459;
VINCENT MARTENET/CHRISTOPHE RAPIN, Le marché intérieur suisse, Bern 1999,
S. 9; RENÉ RHINOW, Kommentar BV, Rz. 52 ff. zu Art. 31; KILIAN WUNDER,
Die Binnenmarktfunktion der schweizerischen Handels- und Gewerbefreiheit
im Vergleich zu den Grundfreiheiten in der Europäischen Gemeinschaft, Diss.
Basel 1998, S. 124 ff.).

    b) Voraussetzung, damit der in Art. 2 BGBM gewährleistete freie Zugang
zum Markt überhaupt zum Tragen kommt, ist jedoch, dass die angebotene
Ware oder Dienstleistung im Kanton, in welchem die anbietende Person
ihren Sitz oder ihre Niederlassung hat, zulässig ist. Das ergibt sich
aus dem 2. Halbsatz von Art. 2 Abs. 1 BGBM und wird in Abs. 3 Satz 1
noch verdeutlicht. Das Binnenmarktgesetz regelt die Rechtsstellung von
auswärtigen Anbietern im interkantonalen bzw. interkommunalen Verhältnis,
nicht aber diejenige der Ortsansässigen (BBl 1995 I 1285). Art. 2 BGBM
findet somit keine Anwendung auf kantonalrechtliche Normen, welche die
Tätigkeit der innerhalb des Kantons niedergelassenen Personen regeln.

    c) Der Beschwerdeführer hat Wohnsitz im Kanton Graubünden und ersucht
um die Bewilligung zur Berufsausübung in diesem Kanton. Es handelt sich
dabei nicht um ein interkantonales Verhältnis, das in den Geltungsbereich
von Art. 2 BGBM fällt. Die Zulässigkeit seiner Berufsausübung richtet
sich gemäss Art. 2 Abs. 3 BGBM - innert der Schranken der Verfassung -
einzig nach bündnerischem Recht. Insoweit hat das Binnenmarktgesetz -
unter Vorbehalt von seinem Art. 4 - gegenüber der bisherigen Rechtslage
keine Änderung zur Folge.

    d) Nach Art. 4 Abs. 1 BGBM gelten kantonale oder kantonal anerkannte
Fähigkeitsausweise zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem gesamten
Gebiet der Schweiz, sofern sie nicht einer Einschränkung nach Art. 3
BGBM unterliegen. Anders als Art. 2 BGBM beschränkt sich dies nicht auf
das Anbieten von Waren, Dienst- und Arbeitsleistungen, sondern gilt auch
für die Niederlassung. Art. 4 BGBM erweitert damit den Anwendungsbereich
des Herkunftsprinzips auf die Niederlassung, soweit diese von einem
Fähigkeitsausweis abhängig ist.

    e) Der Beschwerdeführer bringt vor, verschiedene schweizerische Kantone
anerkennten das deutsche Diplom als mit dem schweizerischen gleichwertig.
Es fragt sich, ob Art. 4 BGBM auch gilt für ausländische Ausweise, die
von einzelnen Kantonen anerkannt werden.

    Der Vorentwurf zum Binnenmarktgesetz hatte die Formulierung «in
der Schweiz erworbene» Fähigkeitsausweise enthalten (BBl 1995 I 1213,
1256). Da dies zur irrtümlichen Annahme verleiten konnte, es seien
auch private Fähigkeitsausweise gemeint, ersetzte der Entwurf diese
Formulierung durch den Ausdruck «kantonale oder kantonal anerkannte»,
um klarzustellen, dass das Gesetz nur öffentlichrechtliche Vorschriften
bezüglich der Anerkennung von Fähigkeitsausweisen erfasst, nicht aber
irgendwelche private Diplome (Amtl. Bull. 1995 S 875 [Berichterstatterin
Simmen]); eine materielle Änderung gegenüber dem Vorentwurf war damit
nicht beabsichtigt (BBl 1995 I 1256). Weiterhin sollten nur die in der
Schweiz erworbenen Fähigkeitsausweise anerkannt werden (BBl 1995 I 1266
f.; vgl. auch KARL WEBER, Das neue Binnenmarktgesetz, Schweizerische
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1996 S. 164-176, 168). Daraus ergibt sich,
dass Art. 4 BGBM nach der Absicht des Gesetzgebers auf schweizerische
Fähigkeitsausweise beschränkt ist. Die Kantone sind nicht verpflichtet,
ein bloss von einzelnen Kantonen anerkanntes ausländisches Diplom gestützt
auf Art. 4 BGBM anzuerkennen. Der Beschwerdeführer kann sich daher nicht
auf diese Bestimmung berufen.

Erwägung 4

    4.- a) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Treu und Glauben
(Art. 4 BV). Das kantonale Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement
hatte am 12. Februar 1997 mit einem Schreiben an den Bündner
Ärzteverein, den Bündnerischen Apotheker-Verein und die Graubündnerische
Zahnärzte-Gesellschaft eine «Praxisänderung» angekündigt: Es hatte
erwogen, gestützt auf BGE 119 Ia 35 sowie Art. 2 und 3 BGBM könne einem
niedergelassenen Ausländer die Zulassung zur selbständigen Berufsausübung
als Medizinalperson nicht verwehrt werden, wenn sein ausländisches Diplom
dem eidgenössischen gleichwertig sei. Daher werde künftig den ausländischen
Medizinalpersonen, die im Besitze der Niederlassungsbewilligung und
eines dem eidgenössischen gleichwertigen ausländischen Diploms seien,
die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung erteilt werden,
sofern keine Verweigerungs- oder Entzugsgründe im Sinne von Art. 31 des
Gesundheitsgesetzes vorlägen. Der Beschwerdeführer bringt vor, gestützt auf
diese «Praxisänderung», die als Feststellungsentscheid zu qualifizieren
sei, habe er sein Gesuch gestellt und im Vertrauen darauf verschiedene
persönliche Dispositionen getroffen. Es verstosse gegen Treu und Glauben,
wenn die Behörden nun davon wieder abwichen.

    b) Die rechtsanwendenden Behörden sind auf Grund des Legalitätsprinzips
an das Gesetz gebunden. Vom Gesetz kann nur abgewichen werden, wenn dieses
höherrangigem Recht widerspricht. Die Nichtanwendung eines Gesetzes mit der
unzutreffenden Begründung, dieses sei verfassungs- oder bundesrechtswidrig,
ist jedoch willkürlich (BGE 119 Ia 433 E. 4 S. 439 ff.; 111 Ia 176 E. 3c S.
178 f.). Das Departement hatte in seinem Schreiben von 12. Februar 1997
die Regelung von Art. 29 des Gesundheitsgesetzes als verfassungswidrig
beurteilt, insbesondere mit Hinweis auf BGE 119 Ia 35. Dieser Entscheid
betraf jedoch die Frage, ob die Zulassung zu einer Anwaltsprüfung vom
schweizerischen Bürgerrecht abhängig gemacht werden könne. Das ist eine
andere Frage als die hier zur Diskussion stehende, ob für die Zulassung zur
Berufsausübung ein schweizerischer Fähigkeitsausweis verlangt werden könne.
Auch in BGE 119 Ia 35 wurde nicht in Frage gestellt, dass die Zulassung
als Anwalt vom Bestehen einer schweizerischen Anwaltsprüfung abhängig
gemacht werden kann. Die Erwägungen im Schreiben des Departements
vom 12. Februar 1997 waren insoweit unzutreffend. Sodann hat das
Bundesgericht nach diesem Schreiben im zitierten Urteil vom 4. Juli
1997 klargestellt, dass derartige Regelungen, wie sie auch in Art. 29
des bündnerischen Gesundheitsgesetzes enthalten sind, der Verfassung
nicht widersprechen. Nach dem vorne Ausgeführten widerspricht diese
Bestimmung auch nicht dem Binnenmarktgesetz. Unter diesen Umständen war
das Departement gehalten, von seiner unzutreffenden Auffassung abzuweichen
und das Gesetz anzuwenden.

    c) Eine Abweichung vom Gesetz kommt unter diesen Umständen nur nach
den Regeln des Vertrauensschutzes in Frage, wenn der Beschwerdeführer sich
nach Treu und Glauben auf behördliche Zusicherungen verlassen konnte und
gestützt darauf entsprechende Dispositionen getroffen hat. Voraussetzung
dafür ist jedoch, dass sich das Verhalten der Behörde auf eine konkrete,
den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit bezieht (BGE 122 II
113 E. 3b/cc S. 123, mit Hinweisen). Das Schreiben des Departements vom
12. Februar 1997 würde diese Voraussetzung selbst dann nicht erfüllen,
wenn es - wie der Beschwerdeführer vorbringt und was übrigens als fraglich
erscheint - als Allgemeinverfügung zu qualifizieren wäre. Es handelte sich
dabei um eine generelle Ansichtsäusserung des Departementsvorstehers,
die weder an den Beschwerdeführer adressiert war noch dessen konkrete
Situation betraf. Die Verbindlichkeit behördlicher Äusserungen auch
auf derartige allgemeine Verlautbarungen auszudehnen, hätte zur Folge,
dass in einem weiten Umfang das objektive Recht zur Disposition der
rechtsanwendenden Behörden gestellt würde, indem diese durch gesetzlich
nicht abgedeckte Meinungsäusserungen einem breiten Publikum die Berufung
auf eine gesetzwidrige Praxis ermöglichen könnten. Damit würden die
Rechtssicherheit und das demokratische Prinzip des Gesetzesvorrangs in
einem untragbaren Ausmass tangiert.

Erwägung 5

    5.- Der Beschwerdeführer rügt schliesslich eine Verletzung von Art. 4
Abs. 2 BGBM, indem sowohl das Departement als auch das Verwaltungsgericht
ihm entgegen dieser Bestimmung Verfahrenskosten auferlegt hätten.

    Nach Art. 4 Abs. 2 BGBM hat die betroffene Person bei Beschränkungen
nach Art. 3 BGBM Anspruch darauf, dass in einem einfachen, raschen
und kostenlosen Verfahren geprüft wird, ob ihr aufgrund ihres
Fähigkeitsausweises der freie Zugang zum Markt zu gewähren ist oder nicht.
Diese Vorschrift gilt für das Bewilligungsverfahren schlechthin (BGE 125
II 56 E. 5b S. 63 f.). Sie gilt nicht nur, wenn es im kantonalen Verfahren
um die beruflichen Fähigkeiten des Gesuchstellers im engeren Sinne geht,
sondern auch dann, wenn der Fähigkeitsausweis zwar anerkannt, der freie
Zugang zum Markt aber aus anderen Gründen beschränkt wird (BGE 123 I 313 E.
5 S. 323). Wie sich aus dem Bisherigen ergibt, geht es vorliegend jedoch
gar nicht um die Frage, ob der nach Binnenmarktgesetz gewährleistete
Zugang zum Markt beschränkt wird. Vielmehr ist das Binnenmarktgesetz auf
den vorliegenden Sachverhalt gar nicht anwendbar. Die in Art. 4 Abs. 2
vorgesehene Kostenlosigkeit auch auf derartige Fälle auszudehnen, hätte
zur Folge, dass jede Rechtsstreitigkeit, die in irgendeiner Weise ein
kantonalrechtliches Hindernis für die Ausübung einer privatwirtschaftlichen
Tätigkeit zum Thema hat, in einem kostenlosen Verfahren entschieden werden
müsste. Damit würde der im Verwaltungs- und Verwaltungsjustizverfahren
übliche Grundsatz, dass der Verursacher einer Verwaltungshandlung bzw. der
im Verwaltungsjustizverfahren Unterlegene die Kosten zu tragen hat, für
einen wesentlichen Teil des gesamten Verwaltungsrechts aufgehoben. Ein
derart weitreichender Eingriff in die Finanz- und Verfahrensautonomie
der Kantone kann dem Binnenmarktgesetz nicht entnommen werden.