Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 I 104



125 I 104

12. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Dezember
1998 i.S. Ayse und Ali Gencer gegen Regierungsrat des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 6 Ziff. 1 EMRK; richterliche Prüfung der Anordnung von strikter
Einzelhaft im Vollzug von Ausschaffungshaft; abstrakte Normenkontrolle.

    Die Regelung im zürcherischen Verordnungsrecht, wonach im Vollzug der
Ausschaffungshaft als schärfste Disziplinarmassnahme «strikte Einzelhaft
bis zu 20 Tagen Dauer» verfügt werden kann, ohne dass ein Rechtsmittel
an eine richterliche Behörde vorgesehen ist, verstösst nicht gegen Art. 6
Ziff. 1 EMRK (E. 1-3).

Sachverhalt

    Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat am 17. Dezember 1997 die
Verordnung über das Flughafengefängnis (VoFHG) erlassen. Sie ist im
Amtsblatt des Kantons Zürich vom 9. Januar 1998 veröffentlicht worden. Das
Flughafengefängnis besteht aus der Abteilung Untersuchungshaft und
Strafvollzug sowie der Abteilung Ausschaffungshaft (§ 1 VoFHG). Abgesehen
von einigen allgemeinen, vorwiegend organisatorischen Bestimmungen wird
für die Abteilung Untersuchungshaft und Strafvollzug weitgehend auf die
entsprechende Regelung in der Verordnung über die Bezirksgefängnisse
verwiesen (§ 20 VoFHG). Für die Abteilung Ausschaffungshaft enthält
die Verordnung eine ausführliche eigenständige Ordnung (§§ 21-72
VoFHG). Das Disziplinarwesen ist in den §§ 65 ff. VoFHG geregelt. Die
schärfste Disziplinarstrafe bildet die «strikte Einzelhaft bis zu 20
Tagen Dauer» (§ 66 Abs. 1 lit. e VoFHG). Sie kann von der Direktion
des Flughafengefängnisses angeordnet werden (§ 68 VoFHG). Die strikte
Einzelhaft wird in dafür besonders bestimmten Zellen mit reduzierter
Einrichtung vollzogen. Die Inhaftierten dürfen nicht rauchen, erhalten
keine Gaben, dürfen nicht einkaufen, arbeiten, besucht werden oder Briefe
schreiben und empfangen. Vorbehalten bleibt, nebst speziell angeordneten
Erleichterungen, der Verkehr mit Behörden und der Vertreterin oder dem
Vertreter sowie auf Wunsch der Kontakt mit einer Seelsorgerin oder einem
Seelsorger. Die Inhaftierten in strikter Einzelhaft können sich täglich
eine Stunde allein im Freien aufhalten (§ 71 VoFHG). Gegen Anordnungen und
Entscheide der Gefängnisdirektion steht der Rekurs an die Justizdirektion
offen. Das Verfahren richtet sich nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz
(§ 72 Abs. 2 VoFHG).

    Mit Eingabe vom 9. Februar 1998 führen Ayse und Ali Gencer
staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, § 66
Abs. 1 lit. e, § 68, § 71 und § 72 Abs. 2 VoFHG aufzuheben, eventuell
den Regierungsrat des Kantons Zürich anzuweisen, die Verordnung in einer
Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügenden Weise zu ergänzen. Zur Begründung machen
sie im Wesentlichen geltend, die Androhung von strikter Einzelhaft
als Disziplinarmassnahme sei als strafrechtliche Anklage im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu qualifizieren, weshalb Anspruch darauf bestehe,
dass darüber durch ein Gericht entschieden werde. § 72 Abs. 2 VoFHG sehe
aber nur den Rekurs an die Justizdirektion vor. Allenfalls könnte sich
die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus § 43 Abs. 2
des zürcherischen Gesetzes vom 24. Mai 1959 über den Rechtsschutz
in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG) ergeben,
wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Angelegenheiten gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK offen steht. Doch setze eine wirksame richterliche
Kontrolle voraus, dass die Sache innert angemessener Frist von einem
Gericht überprüft werde. Bei einer Disziplinarstrafe habe die Überprüfung
innert weniger Tage zu geschehen, jedenfalls aber noch bevor die Strafe
zu einem wesentlichen Teil oder ganz verbüsst sei. Die Verordnung über
das Flughafengefängnis erfülle diese Anforderung nicht, unter anderem
weil vor der allfälligen Beschwerdemöglichkeit an das Verwaltungsgericht
noch der Rekurs an die Justizdirektion ergriffen werden müsse und zudem
regelmässig die aufschiebende Wirkung entzogen werde.

    Die Direktion der Justiz (für den Regierungsrat) des Kantons Zürich
beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 2. April 1998 die Abweisung der
staatsrechtlichen Beschwerde. Sie führt aus, die Anordnung strikter
Einzelhaft falle nicht unter Art. 6 Ziff. 1 EMRK und verlange daher nicht
nach gerichtlicher Überprüfung. Aber auch wenn es sich diesbezüglich
ab einer bestimmten Dauer der strikten Einzelhaft anders verhalten
sollte, wäre die Beschwerde unbegründet, weil gegen Rekursentscheide
der Justizdirektion gemäss § 43 Abs. 2 VRG die Beschwerde an das
Verwaltungsgericht gegeben sei, wenn es sich um Angelegenheiten gemäss Art.
6 Ziff. 1 EMRK handle. Es treffe nicht zu, dass es sich dabei nicht um eine
wirksame richterliche Überprüfung handle, weil die aufschiebende Wirkung
generell entzogen werde. Vielmehr sei die Justizdirektion gegebenenfalls
gewillt, dafür Sorge zu tragen, dass die richterliche Kontrolle nicht
durch einen vorzeitigen Vollzug vereitelt würde.

    Der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des
Bundesgerichts hat gestützt auf Art. 93 Abs. 2 OG eine Beschwerdeergänzung
zugelassen. Diese ist von den Beschwerdeführern am 18. Mai 1998
eingereicht worden. Die Direktion der Justiz hat dazu am 15. Juni 1998
Stellung genommen.

    Vor Fällung des Urteils hat die II. öffentlichrechtliche Abteilung
des Bundesgerichts die Meinung der I. öffentlichrechtlichen Abteilung -
namentlich im Hinblick auf die Erwägungen in BGE 118 Ia 64 E. 3s/bb S. 90
- eingeholt.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass
ist legitimiert, wer durch die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar oder
virtuell (d.h. mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später
einmal) in seiner rechtlich geschützten Stellung betroffen wird (BGE 122 I
222 E. 1a; 119 Ia 197 E. 1c; 118 Ia 427 E. 2a). Die Beschwerdeführer sind
ausländische Staatsangehörige und wohnen im Kanton Zürich. Es könnte gegen
sie mit der erforderlichen minimalen Wahrscheinlichkeit ausländerrechtliche
Haft angeordnet werden, wobei allenfalls der angefochtene Erlass Anwendung
fände. Sie sind deshalb befugt, diesen mit staatsrechtlicher Beschwerde
anzufechten (vgl. BGE 122 I 222 E. 1a). Die Beschwerde gegen den am 9.
Januar 1998 veröffentlichten Erlass ist fristgerecht eingereicht worden
(Art. 89 Abs. 1 OG).

    b) Die staatsrechtliche Beschwerde ist - von hier nicht
zutreffenden Ausnahmen abgesehen - rein kassatorischer Natur. Soweit
die Beschwerdeführer mehr verlangen als die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids, insbesondere soweit sie im Eventualbegehren dem Bundesgericht
beantragen, Weisungen über die Ausgestaltung der verfahrensrechtlichen
Ordnung zu erlassen, ist darauf nicht einzutreten (BGE 122 I 351 E. 1f S.
355; 121 I 225 E. 1b). Im Übrigen wird die vorliegende Beschwerde
ausschliesslich damit begründet, dass die verfahrensrechtliche Ordnung
bei Anordnung strikter Einzelhaft mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht vereinbar
sei. Es müsse sichergestellt sein, dass innert Stunden oder Tagesfrist
eine richterliche Überprüfung einer solchen Anordnung erfolge. Da das
Bundesgericht verfassungswidrige Bestimmungen nur aufheben, nicht aber
ersetzen oder abändern kann, fragt sich im Lichte dieser Begründung,
wie bei einer allfälligen Gutheissung vorzugehen wäre. Insbesondere wäre
genau zu prüfen, ob tatsächlich alle Bestimmungen der Verordnung über
das Flughafengefängnis, deren Aufhebung die Beschwerdeführer in ihrem
Hauptbegehren beantragen, zu kassieren wären. Insofern fragt es sich denn
auch, in welchem Umfang auf die Beschwerde einzutreten ist. Dies kann
jedoch offen bleiben, da die Beschwerde ohnehin abgewiesen werden muss.

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person Anspruch darauf,
dass ein Gericht über die Stichhaltigkeit einer gegen sie erhobenen
strafrechtlichen Anklage befindet. Was eine strafrechtliche Anklage ist,
wird von den Organen der Europäichen Menschenrechtskonvention autonom
ausgelegt. Nach den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
erstmals im Fall Engel et al. (Urteil vom 8. Juni 1976, Série A, Vol. 22,
Ziff. 80-85) entwickelten Kriterien ist als Ausgangspunkt in Betracht zu
ziehen, ob die Massnahme nach innerstaatlichem Recht dem Strafrecht oder
dem Disziplinarrecht zuzuordnen ist. Weiter sind - unter Berücksichtigung
entsprechender Gesetzgebungen in anderen Vertragsstaaten - die Natur der
Widerhandlung und deren Folgen zu untersuchen; wird mit der angewendeten
Norm ein präventiver oder repressiver Zweck verfolgt und mithin ein
für jedermann bestimmtes Verhalten erzwungen, liegt grundsätzlich
eine strafrechtliche Angelegenheit vor. Schliesslich ist in einem
letzten Schritt die angedrohte Sanktion nach ihrer Natur und Schwere zu
berücksichtigen (FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention.
EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl/ Strassburg/Arlington 1996, S. 176 ff., Rz.
36-47; RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Bern
1995, S. 110-118; Urteil des Bundesgerichts vom 4. Februar 1994 i.S. V.,
in ZBl 95/1994, S. 422 ff., E. 3a, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung
der Strassburger Organe).

    b) Das Bundesgericht hat einerseits bei der abstrakten Überprüfung der
Zürcher Verordnung über die Bezirksgefängnisse im Zusammenhang mit der
Regelung der Disziplinarstrafen (Arrest bis zu 20 Tagen) im Sinne eines
obiter dictums ausgeführt, schwere Disziplinarvergehen könnten unter Art. 6
Ziff. 1 EMRK fallen; eine Ergänzung der Verordnung im Sinne der Einführung
einer richterlichen Instanz empfehle sich daher dringend, andernfalls
entsprechenden Beschwerden im Einzelfall nicht geringe Erfolgsaussichten
beschieden sein könnten (BGE 118 Ia 64 E. 3s/bb S. 90). Andererseits
hat das Bundesgericht im zitierten Urteil i.S. V. (ZBl 95/1994, S. 422
ff.) nach umfassender Überprüfung entschieden, dass eine Disziplinarstrafe
von zehn Tagen Arrest gegenüber einem Gefangenen nicht als strafrechtliche
Angelegenheit im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu qualifizieren ist.

    c) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betrachtete im Urteil
Campbell and Fell vom 28. Juni 1984 (Série A, Vol. 80) die infolge Meuterei
und Angriffen auf Gefängnisbeamte ausgesprochene Sanktion, mit der eine
allfällige bedingte Entlassung um 570 Tage hinausgeschoben wurde, als
Strafe im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (aaO, Ziff. 70-73). Demgegenüber
verneinte die Europäische Kommission für Menschenrechte den Strafcharakter
im Falle langandauernder Verstösse gegen das Gefängnisreglement,
welche in regelmässigen Abständen mit einem weiteren Aufschub einer
späteren bedingten Entlassung von 14 bzw. 28 Tagen sowie mit Arrest von
drei Tagen kombiniert geahndet wurden (Entscheid McFeeley et al. vom
15. Mai 1980, DR 20, 44 [93 ff., Ziff. 95-101]). Keine Strafe stellte
der Aufschub einer bedingten Entlassung um 80 Tage dar (Entscheid Kiss
vom 16. Dezember 1976, DR 7, 55 [71 ff., Ziff. 2]). Eine Arreststrafe
von fünf Tagen wegen verspäteter Rückkehr aus dem Urlaub wurde von der
Kommission ebenso wenig unter Art. 6 Ziff. 1 EMRK subsumiert wie vom
Bundesgericht (Urteil des Bundesgerichts vom 19. Juli 1976, in EuGRZ 1976,
S. 306 E. 3b; Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte
i.S. X. c. Schweiz vom 9. Mai 1977, DR 11, 216). Gleich entschied die
Kommission im Fall disziplinarischer Bestrafung eines Häftlings mit zwölf
Tagen verschärfter Haft und Verlust von 18 Tagen vorzeitiger Haftentlassung
wegen Bedrohung anderer mit dem Tode (Entscheid Pelle vom 10. Oktober 1986,
DR 50, 263) sowie bezüglich 14-tägiger Isolierhaft wegen Vorbereitung
eines Ausbruchsversuchs (Entscheid vom 9. Januar 1991, zitiert bei
FROWEIN/PEUKERT, aaO, S. 176, Fn. 105). Schliesslich erachteten sowohl
das Bundesgericht wie die Kommission eine Arreststrafe gegenüber einer
Gefangenen von zwei Tagen nicht als Strafe (BGE 117 Ia 187; Entscheid der
Kommission vom 17. Januar 1995, veröffentlicht in VPB 59/1995 Nr. 124). Die
Kommission hielt in diesem Entscheid darüber hinaus fest, dass selbst eine
20-tägige Arreststrafe nicht als zusätzlicher Freiheitsentzug, sondern
(lediglich) als Erschwerung der Haftbedingungen zu qualifizieren sei.

Erwägung 3

    3.- a) Die Flughafengefängnisverordnung regelt in allgemeiner Weise
den Betrieb und die Organisation des Flughafengefängnisses. Sie enthält
ausführliche Bestimmungen über den Vollzug der ausländerrechtlichen
Haft, namentlich auch über die Rechte und Pflichten der Insassen. Im
Kapitel Disziplinarwesen sind als Disziplinarvergehen Verstösse gegen
Vorschriften dieser Verordnung, der Hausordnung und der darauf gestützten
Weisungen verzeichnet, sodann vorsätzliche Sachbeschädigung und Anstiftung
oder Gehilfenschaft zu Disziplinarverstössen (§ 65 Abs. 1 lit. a-c
VoFHG). Als schwere Disziplinarvergehen (§ 65 Abs. 2 VoFHG) gelten die
vorsätzliche Sachbeschädigung grösseren Umfangs (lit. a), Tätlichkeiten
(lit. b), Ausbruch und Entweichung sowie Versuch dazu (lit. c), auf Antrag
verfolgbare gemeinrechtliche Delikte, wenn auf Strafantrag verzichtet wird,
(lit. d) und die wiederholte Begehung von Disziplinarverstössen (lit. e).
Die strikte Einzelhaft bis zu 20 Tagen Dauer (§ 66 Abs. 1 lit. e VoFHG)
als schärfste Disziplinarstrafe ist nur bei schweren Disziplinarvergehen
im Sinne von § 65 Abs. 2 VoFHG zulässig (§ 66 Abs. 3 VoFHG).

    b) Das kantonale Recht ordnet mit dieser Regelung die strikte
Einzelhaft im Sinne des ersten Kriteriums zur Abgrenzung von Strafrecht
und Disziplinarrecht klar dem Disziplinarrecht zu. Wohl sind einzelne
Disziplinartatbestände zugleich als gemeinrechtliche Delikte erfassbar.
Doch wird strikte Einzelhaft im Rahmen des Disziplinarrechts verfügt, und
sie soll gerade nur dann zur Anwendung gelangen, wenn bei gemeinrechtlichen
Delikten auf Strafantrag verzichtet wird. Auch nach dem Kriterium der
Natur der Zuwiderhandlung ist auf Disziplinarrecht zu schliessen. Die
fraglichen Bestimmungen haben zum Ziel, den Anstaltsbetrieb zu sichern
und die Hausordnung aufrechtzuerhalten. Die mit Disziplinarmassnahmen zu
sanktionierenden Verstösse betreffen die interne Ordnung der Anstalt,
und die Vorschriften wenden sich nicht an die Allgemeinheit, sondern
an eine bestimmte Personengruppe, nämlich die Insassen. Lediglich das
dritte Kriterium für die Abgrenzung von Disziplinarrecht und Strafrecht
im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, nämlich die Schwere der Sanktion,
könnte allenfalls Anlass dazu geben, die strikte Einzelhaft eher dem
Strafrecht zuzuweisen.

    c) Die strikte Einzelhaft kann maximal 20 Tage dauern (§ 66

    Abs. 1 lit. e VoFHG). Sie wird in dafür besonders bestimmten Zellen mit
reduzierter Einrichtung vollzogen. Die Inhaftierten dürfen nicht rauchen,
erhalten keine Gaben, dürfen nicht einkaufen, arbeiten, besucht werden
oder Briefe schreiben und empfangen. Vorbehalten bleibt, nebst speziell
angeordneten Erleichterungen, der Verkehr mit Behörden und der Vertreterin
oder dem Vertreter sowie auf Wunsch der Kontakt mit einer Seelsorgerin
oder einem Seelsorger. Die Inhaftierten in strikter Einzelhaft können
sich täglich eine Stunde allein im Freien aufhalten (§ 71 VoFHG). Die
strikte Einzelhaft bedeutet mithin eine erhebliche Verschärfung des
Haftregimes, zumal bei ausländerrechtlicher Haft im ordentlichen Vollzug
nur Einschränkungen zulässig sind, die zur Gewährleistung des Haftzwecks
und zur Sicherstellung des Anstaltsbetriebs erforderlich sind, was zu einer
relativ freien Ausgestaltung der Haftbedingungen führt (BGE 122 I 222; 122
II 49 E. 5, 299). Allerdings ändert diese Ausgestaltung der Haftbedingungen
im Innern nichts daran, dass ausländerrechtliche Haft Freiheitsentzug ist.
Die strikte Einzelhaft, wie sie als Disziplinarmassnahme im Rahmen der
Flughafengefängnisverordnung angeordnet werden kann, verschärft deren
Bedingungen, stellt aber nicht ihrerseits Freiheitsentzug im eigentlichen
Sinne dieses Begriffes dar.

    Die bisherige Rechtsprechung der Organe der Europäischen
Menschenrechtskonvention hat, wie ausführlich dargelegt (vgl. E. 2c),
lediglich dann bei Disziplinarstrafen gegen Gefangene wegen der
Schwere der Sanktion Art. 6 Ziff. 1 EMRK als anwendbar erklärt, wenn
eine Verlängerung des Freiheitsentzugs von erheblicher Dauer in Frage
stand. Nach der Rechtsprechung erfasst diese Bestimmung hingegen nicht
Disziplinarmassnahmen, die lediglich die Verschärfung der Haftbedingungen
zum Gegenstand haben. Dies gilt selbst für Einzelhaft von 20 Tagen, wie
dies der Ordnung und maximalen Dauer der strikten Einzelhaft nach der
hier angefochtenen Flughafengefängnisverordnung entspricht (zitierter
Entscheid der

    Kommission vom 17. Januar 1995, veröffentlicht in VPB 59/1995 Nr. 124).
Dass die ausländerrechtliche Haft vergleichsweise frei auszugestalten ist,
rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn der gemäss Art. 6 Ziff. 1
EMRK massgebliche qualitative Gesichtspunkt liegt im Übergang von der
Freiheit zur Haft und nicht in der Ausgestaltung der Haftbedingungen.

    d) Dass die Verhängung strikter Einzelhaft als Disziplinarmassnahme
nicht aufgrund der Schwere der Sanktion als Strafsache qualifiziert
werden kann, bestätigt sich schliesslich auch bei einem Vergleich mit
der Strassburger Praxis zum militärischen Arrest. Dieser stellt gegenüber
einem Armeeangehörigen Freiheitsentzug dar, und dennoch wird bei kürzeren
Arreststrafen nicht angenommen, es liege eine strafrechtliche Anklage
im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vor. In den Fällen Eggs c. Schweiz
(Entscheid vom 4. März 1978, DR 15, 35 [47 ff.]) und X. c. Schweiz
(Entscheid vom 8. Juli 1980, DR 20, 240 [246]) wurde scharfer Arrest von
fünf Tagen bzw. drei Tagen nicht als strafrechtliche Sanktion beurteilt. Im
neueren Fall Borrelli c. Schweiz stand erneut scharfer Arrest von
fünf Tagen in Frage (Entscheid der Kommission vom 2. September 1993,
Résumé in VPB 57/1993 Nr. 62). Die Kommission führte dazu aus, dass
auch ein zehntägiger Arrest nicht als Strafe im Sinne der Konvention
zu beurteilen wäre. Hat militärischer Arrest von dieser Dauer nicht
Strafcharakter, so kann die Arreststrafe gegenüber einem Gefangenen,
welche lediglich eine Verschärfung der Haftbedingungen bewirkt, nicht
aber Freiheitsentzug darstellt, selbst bei 20-tägiger Dauer nicht unter
Art. 6 Ziff. 1 EMRK fallen. Die Beschwerdeführer berufen sich zwar
ihrerseits zum Vergleich auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte i.S. Belilos vom 29. April 1988 (Série A, Vol. 132)
sowie i.S. Öztürk vom 21. Februar 1984 (Série A, Vol. 73), wo eine Busse
von Fr. 120.-- bzw. eine Ordnungsbusse von DM 60.- in Frage standen. Sie
übersehen indessen, dass der Gerichtshof in diesen Fällen nicht aufgrund
der Schwere der Sanktion auf den Strafcharakter schloss, sondern weil sich
dieser entweder schon aus der landesrechtlichen Qualifikation (so wohl bei
der Verwaltungsstrafe im Fall Belilos) oder aber jedenfalls aufgrund des
zweiten Kriteriums der wahren Natur der Widerhandlung (Fall Öztürk) ergab.

    e) Nach dem Dargelegten stellt die Verhängung von strikter Einzelhaft
als Disziplinarmassnahme in Anwendung der Flughafengefängnisverordnung
keine Strafsache im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK dar. Die Konvention
verlangt grundsätzlich nicht, dass darüber durch ein Gericht entschieden
werde. Ob ausserordentliche Umstände im Einzelfall zu einer abweichenden
Beurteilung Anlass geben könnten, ist im Rahmen der abstrakten
Normenkontrolle nicht zu entscheiden.