Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 IV 4



125 IV 4

2. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Dezember 1998 i.S. S.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 58 Abs. 4 StGB i.V.m. Abs. 1 lit. a StGB a.F.; Ersatz-Einziehung
bei versuchter Hehlerei?

    Wer irrtümlich davon ausgeht, dass die von ihm veräusserten
Gegenstände aus einer strafbaren Vortat stammen, handelt objektiv
rechtmässig. Einnahmen aus einem objektiv legalen Verkaufsgeschäft
unterliegen nicht der Ersatz-Einziehung (E. 2).

Sachverhalt

    A.- S. wird vorgeworfen, zwischen Mai 1987 und Oktober 1993 als
langjähriger leitender Angestellter der U. AG von einem Mitarbeiter der
Firma, R., aufgefrischte gebrauchte Computerteile übernommen und sie an
über 40 Geschäfte weiterverkauft zu haben, obschon er aufgrund der Umstände
und seiner guten Kenntnisse der Computerbranche wusste oder annehmen
musste, dass R. die gelieferten Waren unrechtmässig erlangt hatte. Von den
Gesamteinnahmen in der Höhe von Fr. 986'412.40 gab S. 65% an R. weiter und
behielt die restlichen 35% für sich. Gestützt auf das Geständnis von R.,
die an S. gelieferten Waren von seinem Arbeitgeber veruntreut zu haben,
wurde R. am 5. Oktober 1993 in Holland wegen Veruntreuung zu einer durch
unbezahlte wohltätige Arbeit zu verbüssenden unbedingten Gefängnisstrafe
von 6 Monaten sowie zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 6 Monaten
verurteilt.

    B.- Das Bezirksgericht Horgen sprach S. am 11. Oktober 1995 der
gewerbsmässigen Hehlerei und der mehrfachen Urkundenfälschung schuldig
und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 2 3/4 Jahren. Zudem
verpflichtete das Gericht S. zur Zahlung einer Ersatzforderung an den Staat
in der Höhe von Fr. 275'458.--, unter dem Vorbehalt der Rückübertragung
eingezogener Vermögenswerte auf den Täter, sofern dieser der Geschädigten
eingezogene Vermögenswerte zuerkenne.

    Auf Berufung des Verurteilten hin sprach ihn das Obergericht des
Kantons Zürich, II. Strafkammer, am 6. März 1997 der vollendeten,
teilweise untauglich versuchten gewerbsmässigen Hehlerei sowie der
mehrfachen Urkundenfälschung schuldig und verurteilte ihn zu einer
bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten. Im Übrigen bestätigte es
den angefochtenen Entscheid. Den Schuldspruch der untauglich versuchten
gewerbsmässigen Hehlerei begründete das Obergericht im Wesentlichen damit,
dass in Bezug auf einen Teil der Warenlieferungen eine strafbare Vortat
von R. nicht schlüssig nachgewiesen sei.

    Die von S. dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde hiess
das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 28. Juni 1998 in Bezug auf
die Verteilung der Verfahrenskosten teilweise gut; im Übrigen wies es
die Beschwerde ab.

    C.- S. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
Ziffer 5 des angefochtenen Urteilsdispositivs (Einziehung) aufzuheben
und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf eine Stellungnahme zur
Beschwerde verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hat innert Frist keine
Gegenbemerkungen eingereicht.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer beschränkt sich auf den Antrag, die
Angelegenheit unter Aufhebung von Ziffer 5 des obergerichtlichen
Urteilsdispositivs - in welcher er zur Zahlung einer Ersatzforderung von
Fr. 275'458.-- verpflichtet wurde - an die Vorinstanz zurückzuweisen. Über
diesen Antrag darf das Bundesgericht nicht hinausgehen (Art. 277bis Abs. 1
Satz 1 BStP; vgl. auch BGE 123 IV 125). Im Übrigen ist seine Verurteilung
wegen vollendeter, teilweise untauglich versuchter gewerbsmässiger Hehlerei
im Lichte der von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen
bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer bringt vor, selbst wenn untaugliche Versuche
der Hehlerei strafbar wären, könne deren Kausalität für Vorteile im
Sinne von Art. 58 StGB a.F. nicht gegeben sein. Es fehle an einer
strafbaren Vortat als Anlasstat der Ausgleichs-Einziehung. Zudem habe
die Absatzhehlerei keinen deliktischen Gewinn des Hehlers zur Folge. Das
Erfordernis der Unrechtmässigkeit der von ihm erlangten Vermögensvorteile
sei nicht erfüllt, weil er zivilrechtlich Anspruch auf den Verkaufserlös
gehabt habe; damit sei eine Ersatzforderung des Staates ausgeschlossen.

    a) Die Vorinstanz ordnete eine Ersatz-Einziehung im Sinne von
Art. 58 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 lit. a StGB a.F. an.

    aa) Gemäss Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB a.F. verfügt der Richter ohne
Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von
(...) Vermögenswerten, die durch eine strafbare Handlung hervorgebracht
oder erlangt worden sind (...), soweit die Einziehung zur Beseitigung eines
unrechtmässigen Vorteils oder Zustandes als geboten erscheint; sind (...)
Vermögenswerte bei demjenigen, der durch sie einen unrechtmässigen Vorteil
erlangt hat und bei dem sie einzuziehen wären, nicht mehr vorhanden,
so wird nach Art. 58 Abs. 4 StGB a.F. auf eine Ersatzforderung des
Staates in der Höhe des unrechtmässigen Vorteils erkannt. Sinn und Zweck
dieser Bestimmungen ist es, zu verhindern, dass der Täter im Genuss
eines durch eine strafbare Handlung erlangten Vermögensvorteils bleibt;
strafbares Verhalten soll sich nicht lohnen (BGE 119 IV 17 E. 2a S. 20
mit Hinweisen). Sind mehrere Täter an einer Transaktion beteiligt, so
erfolgt die Einziehung anteilsmässig (BGE 119 IV 17 E. 2b S. 21 f.).

    bb) Einziehung ist nur im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung
vorgesehen, welche mindestens tatbestandsmässig und rechtswidrig sein muss.
Anlasstat einer Ersatz-Einziehung können sowohl die den rechtswidrigen
Vorteil unmittelbar begründenden Delikte als auch Sekundärtaten wie
Hehlerei und Geldwäscherei sein (zur vergleichbaren Regelung in Art. 59
StGB n.F. NIKLAUS SCHMID, StGB 59 § 2 N. 23 in: Schmid (Hrsg.), Kommentar
Einziehung, organisiertes Verbrechen und Geldwäscherei, Bd. I, Zürich
1998). Ob es sich um ein Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsdelikt handelt
oder der Tatbestand als Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt konzipiert
ist, spielt im Prinzip keine Rolle (STEFAN TRECHSEL, Kurzkommentar
Strafgesetzbuch, 1. Aufl. Zürich 1989, Art. 58 N. 18).

    Was die Frage anbetrifft, bis zu welchem Stadium der
Tatbestandsverwirklichung das Täterverhalten gelangt sein muss, damit die
Ersatz-Einziehung von Vermögenswerten überhaupt greifen kann, sollen nach
Schmid zwar unvollendeter oder vollendeter Versuch sowie Teilnahme genügen,
doch seien zum Beispiel Fälle des untauglichen Versuchs auszuklammern,
um den Anwendungsbereich der Massnahme nicht zu überdehnen (SCHMID,
op.cit., § 2 N. 24 und Anm. 118, mit Hinweisen).

    Die Ersatz-Einziehung kommt überall dort in Betracht, wo jemand
durch die einzuziehenden Gegenstände oder Vermögenswerte mindestens
zugleich einen unrechtmässigen Vorteil erlangt hat (GÜNTER STRATENWERTH,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Bern 1989, § 14
N. 70). Dabei ist unbeachtlich, ob der Vermögensvorteil rechtlich oder
bloss tatsächlich, direkt oder indirekt durch die strafbare Handlung
erlangt worden ist (STRATENWERTH, op.cit., § 14 N. 54; vgl. auch BGE 115
IV 175). Auf die Unrechtmässigkeit der Vorteile darf aber nicht schon
aufgrund der Tatbegehung selbst geschlossen werden, sondern der Vorteil
muss «in sich» unrechtmässig sein (JÜRG LUZIUS MÜLLER, Die Einziehung im
schweizerischen Strafrecht (Art. 58 und 58bis), Diss. Basel 1993, S. 83 mit
Hinweis auf STRATENWERTH). Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall,
wenn die fragliche Handlung objektiv nicht verboten ist (STRATENWERTH,
op.cit., § 14 N. 24).

    b) Der Beschwerdeführer hat aus Geschäften, die von der Vorinstanz
als vollendete, teilweise untauglich versuchte gewerbsmässige Hehlerei
gewertet wurden, einen Gewinn in der Höhe von rund Fr. 340'000.--
erzielt. Soweit der Erlös aus denjenigen Handlungen stammt, welche
die Vorinstanz als vollendete gewerbsmässige Hehlerei qualifiziert hat,
sind die Voraussetzungen zur Anordnung einer Ersatz-Einziehung unstreitig
erfüllt. Fraglich ist einzig, ob dies auch für diejenigen Vermögenswerte
gilt, die der Beschwerdeführer durch vollendet untauglich versuchte
Hehlerei erlangt hat. Das ist aus den folgenden Gründen zu verneinen.

    aa) Bei der hier zu prüfenden Einziehungsvariante ergibt sich aus
der Formulierung, wonach die Gegenstände und Vermögenswerte durch eine
strafbare Handlung hervorgebracht oder erlangt worden sein müssen, dass
die Handlung - jedenfalls bei Delikten gegen das Vermögen - mindestens
bis zum Versuchsstadium gediehen sein muss.

    bb) Vorliegend hat der Beschwerdeführer von einem Arbeitskollegen
Computerteile übernommen und weiterverkauft und dabei mindestens
in Kauf genommen, dass sie durch eine strafbare Handlung erlangt
worden waren; nachträglich stellte sich dann heraus, dass teilweise
keine tatbestandsmässige und rechtswidrige Haupttat vorlag. Soweit die
Computer-Teile nicht nachweislich aus einer strafbaren Vortat stammten, war
der Vertrag zwischen dem Beschwerdeführer und dem oder den Käufern objektiv
nicht rechtswidrig und hatte der Beschwerdeführer zivilrechtlich Anspruch
auf den Kaufpreis. Die fraglichen Veräusserungshandlungen erfüllten
allein aufgrund der falschen Einschätzung des Beschwerdeführers den
Straftatbestand der (untauglich versuchten) Hehlerei. Sein deliktischer
Wille als solcher genügt bei den nicht durch ein Delikt gegen das
Vermögen erlangten Tatobjekten indessen nicht, um den von Art. 58 Abs. 1
lit. a StGB a.F. vorausgesetzten Zusammenhang zwischen strafbarer
Handlung und Vermögensvorteil zu begründen. Soweit die Einnahmen des
Beschwerdeführers aus einem objektiv legalen Rechtsgeschäft stammten,
waren diese Vermögenswerte nicht das Produkt einer strafbaren Handlung
und mithin nicht «unrechtmässig» im Sinne von Art. 58 Abs. 1 lit. a und
Abs. 4 StGB a.F. Im genannten Umfang besteht keine Grundlage für eine
Einziehung und folglich für eine Ersatzforderung des Staates.

    c) Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher gutzuheissen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten
aufzuerlegen und ist dem Beschwerdeführer eine angemessene Entschädigung
aus der Bundesgerichtskasse auszurichten (Art. 278 Abs. 2 und 3 BStP).

    Bei der Neubeurteilung wird die Vorinstanz den Betrag der
Vermögenswerte ausscheiden müssen, die aus objektiv legalen
Rechtsgeschäften stammen und deshalb nicht der Einziehung
unterliegen. Sollte die Feststellung der einzuziehenden Vermögenswerte
mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden sein, wäre auch
eine Schätzung des Deliktserlöses zulässig, sofern feststeht, dass
der geschätzte Betrag nicht höher ist als der tatsächlich erlangte
unrechtmässige Vermögensvorteil.