Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 IV 269



125 IV 269

41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. November 1999 i.S. F.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 195 Abs. 3 StGB; Förderung der Prostitution.

    Strafbar im Sinne von Art. 195 Abs. 3 StGB macht sich einerseits,
wer kontrolliert oder darüber regelmässig Rechenschaft verlangt, ob, wie
und in welchem Mass die Person der Prostitution obliegt, und andererseits,
wer Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt. Die
Strafbarkeit setzt voraus, dass auf die Person im oben umschriebenen Sinn
ein gewisser Druck ausgeübt wird, so dass sie in ihrer Entscheidung nicht
mehr vollständig frei ist, ob und wie sie der Prostitution nachgehen will
(E. 1).

    Fall eines Begleitservices, in welchem der Tatbestand erfüllt war
(E. 2).

Sachverhalt

    Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach F. im
Appellationsverfahren am 27. Mai 1999 der Förderung der Prostitution im
Sinne von Art. 195 Abs. 3 StGB, der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 23
Abs. 1 al. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20), der mehrfachen Widerhandlung
gegen Art. 23 Abs. 2 ANAG sowie der Fälschung von Ausweisen im Sinne
von Art. 252 StGB schuldig und bestrafte ihn mit 15 Monaten Gefängnis,
abzüglich 118 Tage erstandener Untersuchungshaft, sowie mit einer Busse
von Fr. 1'000.--. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde nicht aufgeschoben.

    F. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt,
das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner
Freisprechung vom Vorwurf der Förderung der Prostitution an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 195 Abs. 3 StGB wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren
oder mit Gefängnis bestraft, wer die Handlungsfreiheit einer Person, die
Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser
Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der
Prostitution bestimmt.

    Strafbar macht sich somit einerseits, wer die Person bei der Ausübung
der Prostitution überwacht, wer also kontrolliert, ob, wie und in welchem
Mass sie dem Gewerbe obliegt, oder auch nur schon von ihr regelmässig
Rechenschaft darüber verlangt. Andererseits ist strafbar, wer Ort, Zeit,
Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt. Die Strafbarkeit
setzt voraus, dass auf die Person ein gewisser Druck ausgeübt wird,
so dass sie in ihrer Entscheidung nicht mehr vollständig frei ist,
ob und wie sie der Prostitution nachgehen will. Ein solcher Druck kann
eben darin bestehen, dass der Täter kontrolliert, ob die Prostituierte
genügend "anschafft", dass er Rechenschaft über die Einkünfte verlangt
oder die Umstände, wie sie ihrer Tätigkeit nachzugehen hat, näher festlegt
(vgl. JENNY, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 4. Band: Delikte
gegen die sexuelle Integrität und gegen die Familie, 1997, Art. 195 N.
11 f.; REHBERG, Strafrecht III, 7. Aufl. 1997, S. 412 lit. b; STRATENWERTH,
Schweizerisches Strafrecht, BT I, 5. Aufl. 1995, § 9 N. 11; WIPRÄCHTIGER,
Aktuelle Praxis des Bundesgerichts zum Sexualstrafrecht, ZStrR 117/1999
S. 146 f. mit Hinweis auf einen unveröffentlichten Entscheid des
Bundesgerichts).

Erwägung 2

    2.- a) Der Verurteilung wegen Förderung der Prostitution liegt im
vorliegenden Fall folgender Sachverhalt zu Grunde:

    Der Beschwerdeführer betrieb zusammen mit einem Partner von 1993 bis
Juli 1995 den Begleitservice "E.", der über drei Wohnungen in Zürich und
Aarau verfügte. Die dort beschäftigten Frauen gingen der Prostitution
nach und hatten sich praktisch rund um die Uhr und während sieben Tagen
in der Woche zur Verfügung zu halten, damit sie vom Beschwerdeführer
jederzeit - entsprechend den vom Kunden am Telefon geäusserten Wünschen -
eingesetzt werden konnten. Die Frauen wurden in den Wohnungen von den
jeweils gerade anwesenden Chauffeuren, die sie nach den Anweisungen
des Beschwerdeführers auch an ihren Einsatzort und wieder zurück
brachten, beaufsichtigt und durften die Wohnung grundsätzlich nicht
verlassen. Wollten sie Einkäufe tätigen oder für kurze Zeit ein Restaurant
aufsuchen, hatten sie vorgängig die Einwilligung eines Chauffeurs oder des
Beschwerdeführers einzuholen. Zumeist wurden sie dabei von einem Chauffeur
begleitet. Dauerte die bewilligte Abwesenheit - in der Regel eine halbe
Stunde - länger als vorgesehen, hatten sie Veränderungen ihres Standorts
telefonisch zu melden, um ihre Verfügbarkeit zu gewährleisten. Die
Chauffeure überwachten überdies am Einsatzort per Natel, wie lange der
Einsatz dauerte und ob die Kunden den Preis im Voraus bezahlt hatten. Die
Frauen mussten das einkassierte Geld umgehend dem Chauffeur abliefern,
der später mit dem Beschwerdeführer oder dessen Partner abrechnete. Die
Preise für die von den Frauen erbrachten Dienste waren nach der zeitlichen
Dauer abgestuft und als fixer Tarif vorgegeben. Die Frauen erhielten,
wenn sie auf Provisionsbasis arbeiteten, zwanzig Prozent des Entgeltes
als Lohn. In den ersten Monaten wurden sie allerdings, unabhängig von der
Anzahl der bedienten Kunden, mit einem fixen Monatslohn von Fr. 2'000.--
zuzüglich Kost und Logis entschädigt. Es wurden ihnen auch in anderer
Hinsicht Weisungen erteilt. So kam es - wenn auch selten - vor, dass
sie abartige Sexualpraktiken ausführen mussten, selbst wenn ihnen dies
nicht genehm, vom Kunden aber ausdrücklich gewünscht worden war. Sie
hatten also weder die Möglichkeit, sich gewissen, ihnen widerstrebenden
sexuellen Wünschen der Kunden zu widersetzen, noch, missliebige Kunden
abzuweisen. Auch wenn eine der Frauen einmal unpässlich war, hatte sie
sich zur Verfügung zu halten, wenn ein Kunde namentlich nach ihr verlangte.

    b) Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Schuldspruch
bundesrechtlich offensichtlich nicht zu beanstanden. Die Frauen wurden
im Begleitservice E. bei der Ausübung der Prostitution insbesondere
durch die Chauffeure überwacht, und es war in allen Einzelheiten von
vornherein festgelegt, wo, mit wem und zu welchen Konditionen welche
Liebesdienste ausgeführt werden mussten. Verschiedene von ihnen gaben
nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz an, sie seien sich
"wie in einem Gefängnis" vorgekommen.

    Gerade diese letzte Feststellung verdeutlicht nochmals, dass Druck
im oben umschriebenen Sinn auf die Frauen ausgeübt worden ist. Die
Hauptargumente des Beschwerdeführers, die Frauen hätten in kürzester
Zeit möglichst viel Geld verdienen wollen, sie hätten den Service
jederzeit verlassen können und seien bei einer Unbotmässigkeit mit keinen
eigentlichen Strafen bedroht worden, gehen an der Sache vorbei, da sie
nicht die Tatbestandsmerkmale des Art. 195 Abs. 3 StGB betreffen. Um Geld
zu verdienen, blieben die Frauen zwar in einem gewissen Sinne "freiwillig"
beim Service, obwohl sie sich "wie in einem Gefängnis" fühlten. Solange sie
jedoch aus welchen Gründen auch immer dabei blieben und keine Entlassung
riskieren wollten, wurden sie kontrolliert und wurden ihnen die Modalitäten
der Arbeit in allen Einzelheiten vorgeschrieben. Dies reicht für eine
Verurteilung nach Art. 195 Abs. 3 StGB aus (s. WIPRÄCHTIGER, aaO).
Die Beschwerde ist unbegründet und wird deshalb abgewiesen.