Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 IV 165



125 IV 165

26. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 2. Juli 1999 i.S. R.S., T.
Ltd., P.C., P.D., D. Trust, J.G. und N. Inc. gegen Schweizerische
Bundesanwaltschaft. Regeste

    Art. 73 BStP, Art. 259 BStP. Einziehung von angeblich aus
dem Drogenhandel stammenden Vermögenswerten bei Einstellung des
gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens.

    Die nach dem StGB und dem BetmG strafbaren Handlungen unterliegen
grundsätzlich der kantonalen Gerichtsbarkeit; die Bundesgerichtsbarkeit
bildet die Ausnahme (E. 5).

    Die sich aus Art. 259 BStP ergebende Ausnahmebefugnis der
Bundesanwaltschaft betrifft einzelne, dringend notwendige Ermittlungen
(E. 6).

    Art. 73 BStP gilt nur für die Einstellung von Ermittlungen im Rahmen
eines Bundesstrafverfahrens, d.h. für Straftaten, deren Verfolgung und
Beurteilung in die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 340 StGB fällt
(E. 7).

    Die Bundesanwaltschaft ist nicht zuständig, nach Einstellung
der Ermittlungen wegen nicht unter die Bundesstrafgerichtsbarkeit
fallender Geldwäscherei und Betäubungsmitteldelikte die Einziehung von
Vermögenswerten zu verfügen (E. 8).

Sachverhalt

    A.- Durch einen Bericht der Drug Enforcement Administration/USA (DEA)
vom August 1995 erhielt das Bundesamt für Polizeiwesen Kenntnis davon,
dass verschiedene mexikanische Staatsangehörige, insbesondere J.G.G.
(unter diesem sowie anderen Alias-Namen trat R.S. insbesondere gegenüber
Banken auf) und M.N., im Rahmen eines grossen internationalen Drogenhandels
auf mehreren Schweizer Banken bedeutende Vermögenswerte verwahren sollen,
die aus dieser kriminellen Tätigkeit herrühren dürften.

    Die Schweizerische Bundesanwaltschaft eröffnete am 3. November
1995 auf Antrag des Bundesamtes für Polizeiwesen vom 1. November
1995 (gestützt auf Art. 29 Abs. 4 BetmG in Verbindung mit Art. 259 des
Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege [BStP; SR 312.0]) gegen die
mexikanischen Staatsangehörigen R.S. (seit 28. Februar 1995 in Mexico in
Haft und Bruder des früheren mexikanischen Staatspräsidenten C.S.), M.N.,
J.G. und S.G. sowie allfällige Mitbeteiligte ein gerichtspolizeiliches
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der qualifizierten Widerhandlung
gegen das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel (Art. 19 Ziff. 1 und 2
BetmG; SR 812.121) und der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB).

    Am 15. November 1995 wurde das Ermittlungsverfahren auf die Ehefrau
von R.S., P.C., sowie deren Bruder A.R. ausgedehnt.

    Im November 1995 wurden Guthaben der Beschuldigten bei Banken in
Zürich beschlagnahmt.

    Am 12. bzw. 13. Februar 1997 wurden alle oder einzelne Bank-institute
der Städte Zürich, Genf, Lugano, Schaffhausen und Lausanne aufgefordert,
Angaben über Konti zu machen, an welchen 32 namentlich erwähnte
mexikanische (14) bzw. kolumbianische Staatsangehörige berechtigt seien.
Die Namen dieser Beschuldigten waren der Bundesanwaltschaft am 4. Februar
1997 durch die DEA übermittelt worden. Die gemeldeten Guthaben und
Kontenunterlagen wurden durch die Bundesanwaltschaft beschlagnahmt und
die Konten gesperrt.

    B.- Die mexikanischen Strafverfolgungsbehörden führen seit
1995 ebenfalls insbesondere gegen R.S. und dessen Ehefrau P.C. ein
Strafverfahren wegen Geldwäscherei, illegalen Drogenhandels, Veruntreuung
öffentlicher Gelder, ungerechtfertigter Bereicherung, Urkundenfälschung
und falschen Zeugnisses. Die beiden sollen insbesondere von 1990 bis 1995
sehr hohe Geldsummen (über 100 Millionen US$) aus dem Drogenhandel über
mexikanische und ausländische, namentlich auch über schweizerische Banken
gewaschen haben. R.S. soll von weiteren Beschuldigten und allfälligen
Dritten bei seinen illegalen Geschäften unterstützt worden sein.

    Am 16./17. November 1995 richtete die Generalstaatsanwaltschaft Mexico
ein Rechtshilfeersuchen in Sachen R.S. an die Schweiz. Ersucht wurde um
die vorsorgliche Beschlagnahme und Übermittlung von Bankunterlagen zu
Bankkonten in der Schweiz, an denen die mexikanischen Beschuldigten R.S.
(alias J.G.G. oder J.G.C.), M.N., P.C. und A.R. (sowie weitere Personen)
berechtigt seien. Die Guthaben seien zu beschlagnahmen.

    Am 27. November 1995 übertrug das Bundesamt für Polizeiwesen die
Durchführung des Rechtshilfeverfahrens - wegen des offensichtlichen Bezuges
zu Betäubungsmitteldelikten und Amtsvergehen/-verbrechen (es handelt sich
teilweise um Angehörige des früheren Staatspräsidenten von Mexico) und
weil die Bundesanwaltschaft schon ein eigenes Verfahren eröffnet hatte -
an die Bundesanwaltschaft.

    Am 16. August 1996 erklärte die Bundesanwaltschaft gegenüber
den mexikanischen Behörden, der Gegenstand des mexikanischen
Rechtshilfeersuchens vom 17. November 1995 decke sich in weiten Teilen
mit demjenigen ihres eigenen Ermittlungsverfahrens in Sachen R.S.; im
Interesse des eigenen Verfahrens sei daher der Vollzug des mexikanischen
Rechtshilfeersuchens einstweilen zurückgestellt worden.

    C.- Am 29. November/5. Dezember 1995 richtete die Bundesanwaltschaft
ihrerseits ein Rechtshilfeersuchen an Mexico. Weitere Ersuchen gingen
im Jahre 1996 an die USA, England (Grand Cayman), Spanien, Luxemburg,
Deutschland, Belgien und Holland.

    D.- Mit Verfügung vom 10. Oktober 1996 erklärte die Bundesanwaltschaft
die verlangte Rechtshilfe für zulässig und ordnete die Übermittlung
der bereits im Rahmen des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens
amtlich erhobenen Bank- und Kontenunterlagen an die mexikanischen Behörden
an. Über die verlangte Beschlagnahme der Konten werde derzeit noch nicht
entschieden.

    Zwei durch R.S. und P.C. gegen diese Verfügung eingereichte
Verwaltungsgerichtsbeschwerden vom 13. November 1996 hiess das
Bundesgericht mit Urteil vom 30. September 1997 gut und hob die
angefochtene Verfügung der Bundesanwaltschaft auf, weil es das
Rechtshilfeersuchen als den Anforderungen an die Begründung gemäss
Art. 28 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe
in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) nicht genügend erachtete. Die verlangte
Rechtshilfe wurde vorläufig verweigert und die Bundesanwaltschaft
eingeladen, bei den mexikanischen Behörden ein neues, den schweizerischen
Rechtshilfebestimmungen entsprechendes Ersuchen anzufordern.

    E.- Die Behörden des Kantons Genf führen bereits seit 1994 gegen den
(seit 23. September 1994 durch die mexikanischen Behörden zur Verhaftung
ausgeschriebenen) mexikanischen Staatsangehörigen C.C., Direktor der Banca
C. in Mexico City, eine Straf-untersuchung wegen Geldwäscherei. Dieser
soll regelmässiger Geschäftspartner von R.S. gewesen sein und sich auch
wiederholt an dessen Domizil aufgehalten haben.

    Auf Ersuchen des Generalstaatsanwalts von Mexico vom 1. Februar
1996 beschlagnahmten die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Genf,
an die das Bundesamt für Polizeiwesen das Ersuchen offensichtlich
weitergeleitet hatte, ein Konto von C.C. und Beteiligte bei der M. Bank
in Genf. Da dieser mit der Familie S. nicht nur geschäftlich verbunden,
sondern auch befreundet gewesen sein soll, wies der Generalprokurator
des Kantons Genf den Genfer Untersuchungsrichter am 29. August 1996 an,
die Untersuchung auf die dem durch die Bundesanwaltschaft eröffneten
Ermittlungsverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalte auszudehnen, soweit
die durch die Bundesanwaltschaft (bereits im November 1995) beschlagnahmten
Vermögenswerte auf Genfer Banken liegen, und diese auch kantonalrechtlich
zu beschlagnahmen.

    F.- Mit Verfügung vom 19. Oktober 1998 stellte die Bundesanwaltschaft
das gegen R.S., P.C., M.N., J.G. und S.G. wegen Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 BetmG) und Geldwäscherei (Art. 305bis StGB)
eröffnete gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren ein. Gleichzeitig
wurden die auf verschiedenen Konten bei Banken in Genf und Zürich
beschlagnahmten Vermögenswerte (im Betrag von über 118 Mio. US$,
davon ca. 23 Mio. US$ bei einer Bank in London unter dem Vorbehalt der
rechtshilfeweisen Gewährung) der Beschuldigten eingezogen.

    Die Verfügung wurde den Beschuldigten mit Zustelldomizil in der
Schweiz zugestellt und zudem im Bundesblatt veröffentlicht.

    G.- Gegen die Einziehungsverfügung der Bundesanwaltschaft haben
verschiedene Personen bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde
erhoben.

    R.S. und T. Ltd., Grand Cayman, beantragen mit Beschwerde vom
29. Oktober 1998 der Anklagekammer zur Hauptsache, die Einstellungs-
und Einziehungsverfügung der Bundesanwaltschaft aufzuheben, soweit
mit dieser die definitive Einziehung der Guthaben auf fünf näher
bezeichneten Konten bei Banken in Genf, Zürich und London verfügt
werde und die beschlagnahmten Guthaben freizugeben. Eventuell sei die
angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zuständigkeitshalber an
den Instruktionsrichter des Kantons Genf zu überweisen.

    P.C., Mexico, P.D., Mexico, und der D. Trust beantragen mit Beschwerde
vom 29. Oktober 1998 der Anklagekammer, Ziffer 2 der Einstellungs-
und Einziehungsverfügung der Bundesanwaltschaft vom 19. Oktober 1998
aufzuheben, soweit diese zwei näher bezeichnete Konten bei Banken in
Zürich und Genf betreffe; die Beschlagnahme dieser Konten sei aufzuheben.
Eventuell seien die Akten zur Vornahme weiterer Abklärungen an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    J.G. und N. Inc. beantragen der Anklagekammer mit Beschwerde vom 13.
November 1998 zur Hauptsache, die Einstellungs- und Einziehungsverfügung
der Bundesanwaltschaft aufzuheben, soweit mit dieser die Einziehung der
Guthaben auf zwei näher bezeichneten Konten bei einer Bank in Zürich
verfügt werde, und die beschlag- nahmten Guthaben freizugeben. Eventuell
sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache an die zuständige
Strafuntersuchungsbehörde zu überweisen.

    Die Schweizerische Bundesanwaltschaft beantragt, die Beschwerden
abzuweisen.

    Im zweiten Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Anträgen fest.

    H.- Am 4. November 1998 wies der Präsident der Anklagekammer des
Bundesgerichts die Gesuche von R.S. und T. Ltd. sowie P.C., P.D. und D.
Trust um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ab.

    I.- Am 23. Dezember 1998 teilte die Bundesanwaltschaft der
Anklagekammer des Bundesgerichts mit, die Schweiz werde für R.S.,
M.N., J.G. und S.G. ein Strafübernahmebegehren an Mexico stellen. Die
Bundesanwaltschaft werde dem Bundesamt für Polizeiwesen einen
entsprechenden Antrag unterbreiten.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Die Beschwerdeführer rügen zunächst, die Bundesanwaltschaft
sei im Zusammenhang mit den ihnen zur Last gelegten Tatbeständen der
Geldwäscherei und der BetmG-Widerhandlungen nicht zuständig zur Einziehung
der in Frage stehenden Vermögenswerte. Zuständig seien vielmehr die
kantonalen Behörden.

    b) Die Bundesanwaltschaft begründet ihre Zuständigkeit für die in
Frage stehende Einziehung mit ihrer Ermittlungszuständigkeit: In dem
durch sie geführten polizeilichen Ermittlungsverfahren gehe es um in
Mexico begangene Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19
Ziff. 1 al. 3-5 in Verbindung mit Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG) sowie um in
Mexico und in der Schweiz betriebene Wäscherei von Vermögenswerten, die aus
ausländischem Drogenhandel stammten (Art. 305bis StGB); die Haupttat sei
in Mexico verübt worden. Für diese beiden - der kantonalen Gerichtsbarkeit
unterstehenden - Delikte ergebe sich ihre Ermittlungszuständigkeit aus
Art. 259 BStP. Für die Betäubungsmitteldelikte ergebe sich dies direkt aus
Art. 29 Abs. 4 BetmG in Verbindung mit Art. 19 BetmG. Die Geldwäscherei
im Betäubungsmittelbereich sei zwar - anders als in einigen Ländern,
in denen diese in den Strafbestimmungen des BetmG geregelt werde -
im StGB geregelt, doch diese gesetzestechnische Lösung ändere nichts
daran, dass dem Bund im Bereich der Drogen- und Drogengeldbekämpfung ein
besonderes Oberaufsichtsrecht zustehe, was die Ermittlungskompetenz der
Bundesanwaltschaft begründe. Dem Bund komme zudem nach dem 3. Kapitel des
Geldwäschereigesetzes (SR 955.0; Art. 12-28) ein Aufsichtsrecht über die
Finanzintermediäre auf dem Gebiet der Geldwäschereibekämpfung zu. In ihrer
Vernehmlassung zur Beschwerde beruft sie sich zusätzlich auf das allgemeine
Oberaufsichtsrecht des Bundes nach Art. 102 Ziff. 2 BV bzw. Art. 392 StGB.
Aus dieser Ermittlungszuständigkeit ergebe sich nach Art. 73 BStP auch
ihre Zuständigkeit zur Einziehung.

Erwägung 5

    5.- a) Gemäss Art. 343 StGB verfolgen und beurteilen die
Kantone die nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch strafbaren
Handlungen, unter Vorbehalt der gemäss Art. 340-342 StGB ausdrücklich
der Bundesgerichtsbarkeit unterliegenden Delikte. Dieser Grundsatz
gilt auch für die in anderen Bundesgesetzen vorgesehenen strafbaren
Handlungen, deren Verfolgung den Kantonen zugewiesen wird (BGE 122 IV 91
E. 3a). Die Bundesgerichtsbarkeit bildet somit die Ausnahme vom Grundsatz
der kantonalen Gerichtsbarkeit, weshalb sie nur dann gegeben ist, wenn
eine Bestimmung des Bundesrechts sie ausdrücklich vorsieht (Markus Peter,
Bundesstrafgerichtsbarkeit und kantonale Gerichtsbarkeit, ZStrR 87 [1971]
166 f.).

    Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP)
gilt mit Ausnahme seines dritten Teils (Art. 247-278bis) nur für
Bundesstrafsachen, d.h. für Strafsachen, die durch ein Bundesgesetz
(oder ausnahmsweise durch ein kantonales Gesetz: vgl. Art. 8 BStP)
der Strafgerichtsbarkeit des Bundes zugewiesen sind, indem eine der
eidgenössischen Strafgerichtsbehörden (Art. 1 BStP) zuständig erklärt
wird.

    b) In der angefochtenen Verfügung werden Vermögenswerte mit der
Begründung eingezogen, sie stammten aus dem Drogenhandel. Den Beschuldigten
wurden im eingestellten Ermittlungsverfahren (die Einstellung wird damit
begründet, dass in Mexico gegen die Beschuldigten wegen derselben Delikte
eine Strafuntersuchung eröffnet worden ist) Betäubungsmitteldelikte und
Geldwäscherei vorgeworfen.

    Der Tatbestand der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) ist unter dem
17. Titel des StGB eingeordnet; die Delikte dieses Titels unterliegen
nur dann der Bundesgerichtsbarkeit, wenn sie gegen den Bund, gegen die
Behörden des Bundes etc. gerichtet sind (Art. 340 Ziff. 1 StGB). Dies ist
bei der hier in Frage stehenden Geldwäscherei offensichtlich nicht der
Fall. Auch die den Beschuldigten zur Last gelegten Betäubungsmitteldelikte
wären durch die kantonalen Behörden zu verfolgen und zu beurteilen,
wenn das Strafverfahren weitergeführt würde; gemäss Art. 28 BetmG
ist die Strafverfolgung der BetmG-Widerhandlungen ausdrücklich Sache
der Kantone. Bei beiden Straftatbeständen handelt es sich damit um
Bundesstrafsachen, die nach Bundesgesetz (Art. 343 StGB bzw. Art. 28 BetmG)
durch die kantonalen Behörden zu verfolgen und zu beurteilen sind.

Erwägung 6

    6.- a) Gemäss Art. 259 BStP kann die Bundesanwaltschaft bei
Widerhandlungen gegen die in Art. 258 BStP genannten Bundesgesetze,
d.h. solche, die dem Bund ein besonderes Oberaufsichtsrecht einräumen
(indem regelmässig besondere Bundesorgane mit dieser Oberaufsicht
beauftragt werden), Ermittlungen anordnen oder anordnen lassen, wenn die
strafbaren Handlungen ganz oder teilweise im Ausland oder in mehreren
Kantonen begangen wurden.

    b) Ob dem Bund im Zusammenhang mit der Geldwäscherei ein besonderes
Oberaufsichtsrecht zukommt, welches ihn auf Grund von Art. 259 BStP
ermächtigen würde, ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren zu
eröffnen, erscheint zumindest fraglich, kann aber offen bleiben. Ein
besonderes Aufsichtsrecht im Sinne von Art. 259 BStP ergibt sich aus Art.
29 Abs. 4 BetmG, sofern die in Frage stehenden strafbaren Handlungen -
wie hier - im Ausland verübt wurden (BGE 122 IV 91 E. 3c).

    c) Die Ausnahmebefugnis der Bundesanwaltschaft gemäss Art. 259 BStP
wurde damit begründet, es habe sich in der Praxis das Bedürfnis gezeigt,
dass bei den Widerhandlungen, die dem Bund ein Oberaufsichtsrecht
einräumen, vor der Anhandnahme der Verfolgung durch einen Kanton
eine zentrale Amtsstelle Ermittlungen anordne; solche Ermittlungen
(z.B. die Postsperre) hätten sich namentlich bei Widerhandlungen
gegen die Bundesgesetze über Betäubungsmittel, betreffend Lotterien
und gewerbsmässige Wetten, Frauen- und Kinderhandel sowie unzüchtige
Veröffentlichungen als notwendig erwiesen (Botschaft des Bundesrates
vom 10. September 1929 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die
Bundesstrafrechtspflege, BBl 1929 II 633 f.). Das ändert indessen nichts
daran, dass diese in Frage stehenden Widerhandlungen grundsätzlich durch
die Kantone zu verfolgen und zu beurteilen sind. Denn der Grundsatz,
dass im kantonalen Verfahren nur die kantonalen Behörden zu handeln
haben, sollte dadurch nicht aufgehoben werden (BBl 1929 II 633).
Auch die Anklagekammer hat betont, die sich aus Art. 259 BStP ergebende
Ermittlungsbefugnis ändere nichts daran, dass die Zuständigkeit und das
Verfahren grundsätzlich kantonal blieben (BGE 122 IV 91 E. 3a).

    Bei den in Art. 259 BStP erwähnten Ermittlungen handelt es sich um
einzelne, dringend notwendige Erhebungen. Sobald das Vorliegen einer
strafbaren Handlung und der schweizerische Gerichtsstand feststeht, haben
die kantonalen Behörden die Strafverfolgung durchzuführen (FRANZ STÄMPFLI,
Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934, Bern
1935, Art. 259 N. 2). Die praktische Bedeutung von Art. 259 BStP lag seit
jeher fast ausschliesslich auf dem Gebiet der Betäubungsmitteldelikte. Hier
führte die Bundesanwaltschaft vor allem dann eigene Ermittlungen durch,
wenn die BetmG-Widerhandlung im Ausland verübt wurde und in der Schweiz
noch kein Gerichtsstand feststand; sie beschränkten sich aber in aller
Regel auf einzelne dringend notwendige Erhebungen. Sobald sich der Verdacht
einer strafbaren Handlung bestätigte und der Gerichtsstand sich bestimmen
liess, wurde das Verfahren der zuständigen kantonalen Behörde übertragen.
Fälle, in denen die Bundesanwaltschaft unter Berufung auf Art. 259 BStP
ermittelt, können denn auch nicht dem Bundesstrafgericht überwiesen werden,
sondern sind durch die zuständigen kantonalen Behörden zu beurteilen
(PETER HUBER, Einige Probleme aus dem Bereich des gerichtspolizeilichen
Ermittlungsverfahrens im Bundesstrafprozess, ZBJV 1984, S. 396).

Erwägung 7

    7.- a) Gemäss der Botschaft des Bundesrates vom 10. September 1929
zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (BBl
1929 II 575 ff.) wurde die Bundesanwaltschaft ermächtigt, vor Einleitung
der Voruntersuchung Beschlagnahmen und Durchsuchungen durchzuführen
(Art. 75 BStP). Im Entwurf des Bundesrates wurde die Einziehung - da nach
der Aufhebung von Art. 202 aBStP eine bundesrechtliche Bestimmung über
die Einziehung gefehlt hätte, solange das StGB mit den entsprechenden
Bestimmungen über die Einziehung (Art. 55 und 56 des Entwurfes StGB) noch
nicht in Kraft getreten war - in Art. 174 geregelt und noch ausdrücklich
dem Richter vorbehalten; es wurde lediglich gesagt, die Bestimmung finde
«auch bei der Einstellung der Ermittlungen und der Voruntersuchung
Anwendung». In den Beratungen wurde es hingegen als sachgerechter
erachtet, diese sonst versteckte Bestimmung (über die Einziehung) von
allgemeiner Bedeutung aufgrund einer gewissen Analogie anschliessend
an die Durchsuchung und Beschlagnahme zu stellen. In Art. 75 Abs. 2
wurde zudem in Abweichung zum Entwurf des Bundesrates der Bundesanwalt
zur Einziehung zuständig erklärt, sofern er die Ermittlungen einstellt.
Sinngemäss wurde dies wie die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft zur
Beschlagnahme und Durchsuchung auch damit begründet, dass im polizeilichen
Ermittlungsverfahren kein Richter zur Verfügung stehe. Die Bestimmungen
wurden daher in einem Titel: «IX. Beschlagnahme, Durchsuchung und
Einziehung» zusammengefasst.

    Mit dem Inkrafttreten des StGB wurden die Bestimmungen über die
Einziehung (die damaligen Art. 71 und 72 BStP) durch die entsprechenden
Bestimmungen des StGB ersetzt bzw. hinfällig (Art. 343 BStP; Art. 398
Abs. 2 lit. o StGB). Die selbständige Einziehungskompetenz der
Bundesanwaltschaft (damaliger Art. 73 Abs. 2) blieb indessen mit dem
Inkrafttreten des StGB unangetastet. Dem Beschuldigten blieb dagegen nach
wie vor nur die (Aufsichts)-Beschwerde an den Bundesrat (Sten.Bull. 1934
SR 10).

    Mit dem Bundesgesetz über den Schutz der Geheimsphäre vom 23. März
1979 wurde der bis dahin geltende Art. 73 BStP im Sinne einer blossen
redaktionellen Verbesserung auf die Art. 71-73 BStP (die Art. 71 und 72
waren seit der Einführung von Art. 58 und 59 StGB frei) aufgegliedert.
Dadurch sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass alle dem Bundesanwalt
zugewiesenen Kompetenzen diesem «vor Einleitung der Voruntersuchung
zustehen, also ausserhalb des Strafverfahrens, sei es zum Zwecke der
Fahndung oder zum Zwecke der Prävention» (AB 1978 S 301). In Bezug auf
die Einziehung wurde die bisherige Bestimmung übernommen, da dies mit
der zu regelnden Materie nichts zu tun habe (AB 1978 S 302).

    b) In BGE 108 IV 154 erkannte das Bundesgericht, der Generalprokurator
des Kantons Genf sei, da ihm als Ankläger die erforderliche Unabhängigkeit
fehle, keine richterliche Instanz im Sinne von Art. 59 StGB; nur eine
solche («le juge pénal du fond») könne über die Einziehung entscheiden;
dies schon aus Gründen der Gewährung des rechtlichen Gehörs. Als Folge
dieses Urteils wurde als dringende Anpassung des Bundesstrafprozesses an
die EMRK im Zusammenhang mit der Änderung des OG u.a. - nachträglich, d.h.
ohne dass dies Bestandteil der Vernehmlassungsvorlage gewesen wäre -
mit dem neuen Art. 73 Abs. 2 BStP die Beschwerdemöglichkeit an die
Anklagekammer eingeführt (in Kraft seit 15. Februar 1992). Dies wurde
unter Hinweis auf BGE 108 IV 154 damit begründet, dass Entscheide
gemäss Art. 58 und 59 StGB von einer richterlichen Instanz zu fällen
seien. Der bei Einstellung der Ermittlungen im Bundesstrafverfahren für
die Einziehung zuständige Bundesanwalt - der im Bundesstrafverfahren von
der Voruntersuchung an als Partei auftrete - verfüge indessen über keine
richterähnliche Unabhängigkeit und sei damit kein unabhängiges Gericht
im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Denn Sachrichter seien je nach Art des
untersuchten Delikts die Bundesassisen oder das Bundesstrafgericht. Es
wäre jedoch unökonomisch, für solche Entscheide, die in der Regel
keine grosse Bedeutung hätten, diese Gerichte einzusetzen. Es
erscheine daher angebracht, die Anklagekammer des Bundesgerichts
auf Beschwerde hin entscheiden zu lassen. Die Änderung entspreche
der Praxis des Bundesgerichts und liege im Interesse des von der
Einziehung Betroffenen, weshalb auf die Durchführung eines zusätzlichen
Vernehmlassungsverfahrens verzichtet werde (Botschaft des Bundesrates
vom 29. Mai 1985 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die
Organisation der Bundesrechtspflege, BBl 1985 II 867). Diese Begründung
wird in der Botschaft des Bundesrates vom 18. März 1991 betreffend die
Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege
sowie die Änderung des Bundesbeschlusses über eine vorübergehende Erhöhung
der Zahl der Ersatzrichter und der Urteilsredaktoren des Bundesgerichts im
Zusammenhang mit Art. 73 Abs. 2 BStP wiederholt (BBl 1991 II 512 f.). In
den parlamentarischen Beratungen wurde diese Bestimmung diskussionslos
angenommen.

    Art. 73 BStP gilt bereits wegen des auf Bundesstrafsachen beschränkten
Geltungsbereichs dieses Gesetzes (E. 5a oben) nur für die Einstellung der
Ermittlungen im Rahmen eines Bundesstrafverfahrens. Der Hinweis in der
oben erwähnten Botschaft des Bundesrates (S. 512) auf den Sachrichter -
Bundesassisen/Bundesstrafgericht - unter ausdrücklicher Verweisung auf
die Art. 341 und 342 StGB macht ebenfalls deutlich, dass diese Bestimmung
nur für Bundesstrafsachen anwendbar ist, d.h. wenn die Voraussetzung der
Bundesgerichtsbarkeit gemäss Art. 340 StGB erfüllt ist; denn nur dann
sind die erwähnten Gerichte der zuständige Sachrichter.

Erwägung 8

    8.- Gilt nach dem Gesagten Art. 73 BStP nur für Ermittlungen bei
Straftaten, deren Verfolgung und Beurteilung in die Zuständigkeit des
Bundes nach Art. 340 StGB fällt, und begründet die Ermittlungsbefugnis
der Bundesanwaltschaft keine solche Zuständigkeit (E. 6 oben), war die
Bundesanwaltschaft nicht zuständig, nach Einstellung der Ermittlungen wegen
nicht unter die Bundesstrafgerichtsbarkeit fallender Geldwäscherei und
Betäubungsmitteldelikte die angefochtene Einziehung von Vermögenswerten zu
verfügen. Daran ändert auch Art. 29 Abs. 4 BetmG nichts. Diese Bestimmung
behält ausdrücklich allein Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gemäss
Art. 259 BStP vor. Es handelt sich um einen Vorbehalt gegenüber Art. 28
Abs. 1 BetmG, der die Strafverfolgung als Sache der Kantone bezeichnet,
der keine andere Bedeutung als der allgemeine Vorbehalt in Art. 259
BStP hat. Das BetmG statuiert denn auch ausdrücklich in Art. 24 die
Einziehungszuständigkeit des Kantons, in dem die Vermögenswerte liegen,
wenn die Straftat im Ausland begangen wurde, und enthält dazu keinen
Vorbehalt.

    Die Beschwerden sind daher insoweit gutzuheissen und die angefochtene
Verfügung aufzuheben. Die Sache ist an die Bundesanwaltschaft
zurückzuweisen, damit diese prüfe, ob und welchem Kanton die Akten im
Sinne von Art. 107 BStP zu neuer Entscheidung über die Einziehung der in
Frage stehenden Vermögenswerte zu überweisen sind.