Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 II 633



125 II 633

64. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Dezember
1999 i.S. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement gegen A.
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG und Art. 103 lit. b OG, Art. 7
Abs. 1 und 17 Abs. 2 ANAG, Art. 8 EMRK; Bewilligung des nachträglichen
Familiennachzugs.

    Beschwerdelegitimation des Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartementes (E. 1a und b).

    Ein mit einem Schweizer Bürger verheirateter Ausländer, der erst
über eine Jahresaufenthaltsbewilligung verfügt (Art. 7 Abs. 1 erster
Satz ANAG), hat keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug gemäss Art. 17
Abs. 2 ANAG. Ob sich ein solcher aus Art. 8 EMRK ergibt, ist aufgrund
einer Güterabwägung zu prüfen (E. 2 und 3).

Sachverhalt

    A.- A. heiratete am 19. September 1995 in Jugoslawien den
Schweizer Bürger B. Sie reiste im September 1995 mit einem gültigen
Visum in die Schweiz ein. Anfangs Oktober 1995 erhielt sie im Rahmen
des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Aargau. Im
November 1995 lehnte die Fremdenpolizei des Kantons Aargau die Visierung
eines Einladungsschreibens an ihre Mutter D. und ihre Tochter aus
früherer Ehe C. (geboren 17. April 1987) ab. Mehrere von A. in der Folge
eingereichte Familiennachzugsgesuche für ihre Tochter C. wurden unter
Hinweis auf Art. 39 Abs. 1 lit. c der Verordnung vom 6. Oktober 1986
über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (Begrenzungsverordnung,
BVO; SR 823.21) mit der Begründung ungenügender finanzieller Mittel
abgewiesen. Die hiergegen von A. an den Rechtsdienst der Fremdenpolizei
des Kantons Aargau erhobene Einsprache blieb erfolglos.

    A. hat am 6. März 1998 Beschwerde beim Rekursgericht im Ausländerrecht
des Kantons Aargau (im Folgenden: Rekursgericht) mit dem Antrag
eingereicht, die Verfügungen der Fremdenpolizei aufzuheben und ihr
den Nachzug ihrer Tochter zu bewilligen. Das Rekursgericht hat die
Beschwerde am 9. April 1999 mit der Begründung gutgeheissen, gemäss
Art. 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt
und Niederlassung der Ausländer (ANAG, SR 142.20) bestehe ein Anspruch
auf Familiennachzug: Die mit einem Schweizer Bürger verheiratete
Beschwerdeführerin habe nach fünfjährigem Aufenthalt Anspruch auf die
Niederlassungsbewilligung und bis zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Art. 7 Abs. 1 ANAG); obwohl
sie sich erst seit knapp vier Jahren in der Schweiz aufhalte und damit
noch nicht im Besitz der Niederlassungsbewilligung sei, genüge, dass
gemäss Art. 17 Abs. 2 erster Teilsatz ANAG das Bundesamt für Ausländer
(im Folgenden: Bundesamt) den Zeitpunkt festgelegt habe, von welchem
an frühestens die Niederlassung erteilt werden dürfe (sogenannte
Kontrollentlassung). In Fällen, in denen - wie bei Bewilligungen nach
Art. 7 Abs. 1 ANAG - eine eigentliche Kontrollentlassung unterbleibe,
da der Entlassungszeitpunkt aufgrund fester Regeln des Bundesamtes und
nach Festlegung des anrechenbaren Einreisedatums durch die kantonale
Fremdenpolizei ermittelbar sei, und die dem Bundesamt auch nicht aufgrund
anderer Bestimmungen erneut unterbreitet werden müssten, sei davon
auszugehen, dass der Zeitpunkt, von wann an die kantonale Fremdenpolizei
frühestens die Niederlassungsbewilligung erteilen dürfe, stillschweigend
festgesetzt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt bestehe grundsätzlich ein
Anspruch auf Familiennachzug.

    Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat am 19. Mai
1999 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Es
beantragt, das Urteil des Rekursgerichts aufzuheben und festzustellen,
"dass aus der eidgenössischen Kontrollentlassung (Art. 17 Abs. 2 erster
Satz) kein Anspruch auf Familiennachzug im Sinne von Art. 17 Abs. 2 ANAG
abgeleitet werden" könne.

    A. beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Den gleichen Antrag stellt
das Rekursgericht mit Vernehmlassung vom 23. Juni 1999.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit es darauf eintritt,
im Sinne der Erwägungen ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (im Folgenden
auch Departement) ist als das in der Sache zuständige Departement gemäss
Art. 103 lit. b OG befugt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des aargauischen Rekursgerichtes zu führen, das kantonal letztinstanzlich
entschieden hat. Das Beschwerderecht der Bundesbehörden soll den richtigen
und einheitlichen Vollzug des Bundesverwaltungsrechts sicherstellen
(RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht
des Bundes, Basel/Frankfurt a.M. 1996, Rz. 1512). Weiterer Voraussetzungen
bedarf die Beschwerdelegitimation nicht (BGE 113 Ib 219 E. 1b; 123 II
16 E. 2c; 125 II 326 E. 2c). Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich
einzutreten.

    b) Soweit dem Feststellungsbegehren selbständige Bedeutung zukommt,
kann darauf nicht eingetreten werden. Dass für die Legitimation des
Departements das allgemeine Interesse an der richtigen Anwendung des
Bundesrechts genügt, besagt nicht, dass auf diesem Weg Feststellungen
zu bloss abstrakten Fragen des objektiven Rechts erlangt werden können
(vgl. BGE 122 II 97 E. 3 mit Hinweisen). Gegenstand der Beschwerde
bildet somit einzig die Frage, ob der Familiennachzug vorliegend zu Recht
bewilligt worden ist.

    c) Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens,
sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts
gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat - wie vorliegend - eine
richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, so ist das Bundesgericht
an deren tatsächliche Feststellungen gebunden, es sei denn, diese erwiesen
sich als offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder seien unter
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften getroffen worden (Art. 105
Abs. 2 OG; BGE 124 II 361 E. 2a mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Beschwerdegegenstand bildet - wie ausgeführt (E. 1b) - die Frage,
ob der Familiennachzug für die Tochter C. zu Recht bewilligt wurde.

    a) Das Rekursgericht kommt durch Auslegung von Art. 17 ANAG,
unter besonderer Berücksichtigung von dessen Wortlaut, zum Schluss,
dass bei Jahresaufenthaltern, die nicht förmlich aus der Eidgenössischen
Kontrolle entlassen werden, weil der Zeitpunkt, von wann an die kantonale
Fremdenpolizei frühestens die Niederlassungsbewilligung erteilen
dürfe, aufgrund fester Regeln sowie des anrechenbaren Einreisedatums
ermittelbar sei, das Bundesamt eine stillschweigende Kontrollentlassung
vornehme. Diese stillschweigende Kontrollentlassung sei der in Art. 17
Abs. 2 erster Teilsatz ANAG erwähnten ausdrücklichen Festsetzung des
Kontrollentlassungsdatums durch das Bundesamt gleichzusetzen; ab diesem
Zeitpunkt bestehe grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf Familienvereinigung.

    b) Die eidgenössische Kontrollentlassung ist heute ein
vollständig automatisierter Datenverarbeitungsvorgang des Zentralen
Ausländerregisters (ZAR), bei welchem das System rechnerisch mit Hilfe
einer Plausibilitätsprüfung - aufgrund des anrechenbaren Einreisedatums,
des Zulassungsgrundes und der Nationalität - die im Einzelfall für die
Erteilung der Niederlassungsbewilligung notwendige Anwesenheitsfrist
festlegt. Eine eigentliche Prüfung der gesuchstellenden Person durch das
Bundesamt, wie dies an sich in Art. 17 Abs. 1 ANAG in Verbindung mit Art.
11 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAV, SR 142.201)
vorgesehen ist, wird heute in der überwiegenden Zahl aller Fälle nicht mehr
vorgenommen. Eine förmliche Kontrollentlassung findet nur noch dann statt,
wenn dem Bundesamt bereits die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung oder
deren Verlängerung zur Zustimmung hat unterbreitet werden müssen.

    Die Entlassung aus der Eidgenössischen Kontrolle ist in der
Regel zwar eine notwendige Voraussetzung für die Erteilung der
Niederlassungsbewilligung (Art. 11 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 3 ANAV),
doch wird das freie Ermessen der Kantone, im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, eine Aufenthalts-
oder Niederlassungsbewilligung zu erteilen (Art. 4 ANAG), dadurch
nicht eingeschränkt. Sind die materiellen Voraussetzungen für eine
Niederlassungsbewilligung nicht erfüllt, darf diese nicht erteilt
werden. Dass das Bundesamt für Ausländerfragen den Zeitpunkt festlegt, ab
welchem ein Ausländer frühestens eine Niederlassungsbewilligung erhalten
kann, bedeutet nicht, dass er einen entsprechenden Rechtsanspruch hat,
ebenso wenig hat er einen solchen auf Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung
bis zu diesem Zeitpunkt (vgl. Art. 11 Abs. 2 ANAV; unveröffentlichte
Urteile vom 29. Oktober 1996 i.S. I., E. 2b, und vom 26. Oktober 1999 i.S.
P., E. 1d).

    c) Das Rekursgericht verkennt nicht, dass die Entlassung
aus der eidgenössischen Kontrolle keinen Rechtsanspruch auf eine
fremdenpolizeiliche Aufenthaltsbewilligung verschafft. Es vertritt
jedoch die Ansicht, ab dem Zeitpunkt der Kontrollentlassung verfüge der
Betreffende über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz, das
ihm einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug nach Art. 17 Abs. 2 dritter
Satz ANAG einräume.

    Das Rekursgericht übersieht damit zunächst, dass nur ein Aufenthalt,
der auf einem Rechtsanspruch beruht, ein gefestigtes Anwesenheitsrecht
zu begründen vermag (BGE 109 Ib 183 E. 2; 122 II 1 E. 1e, 289
E. 1c, 385 E. 1c; 124 II 361 E. 1b). Die blosse Festsetzung des
Kontrollentlassungszeitpunktes vermittelt jedoch keinen Anspruch auf eine
Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung (vgl. E. 2b). Sodann sieht Art.
17 Abs. 2 dritter Satz ANAG ausdrücklich den Einbezug lediger Kinder unter
18 Jahren in die Niederlassungsbewilligung der Eltern vor. Ist nur der
Zeitpunkt festgesetzt, von wann an frühestens die Niederlassung bewilligt
werden darf, besitzt der nachzugswillige Elternteil indes noch keine
Niederlassungsbewilligung, in die das Kind einbezogen werden könnte. Daran
ändert auch nichts, dass - wie das Rekursgericht ausführt - die Fassung
gemäss bundesrätlicher Botschaft von Art. 17 Abs. 2 ANAG der Ehefrau und
den Kindern eines unter Probefrist stehenden Ausländers einen Anspruch
auf Einsetzung in dessen Aufenthaltsverhältnis eingeräumt hatte. Nach der
Beratung in den Räten und der Anpassung durch die Redaktionskommission
lautete die definitive Fassung der Bestimmung (gemäss Wortlaut vom 26. März
1931) nämlich wie folgt:
      "Ist dieser Zeitpunkt bereits festgelegt oder ist der Ausländer
      im Besitz

    der Niederlassungsbewilligung, so haben seine Ehefrau und die Kinder
unter

    achtzehn Jahren, sofern sie mit ihm in gemeinsamem Haushalte leben
werden,

    Anspruch darauf, in die Bewilligung einbezogen zu werden."

    Damit sieht der Gesetzestext - selbst wenn in der ursprünglichen
Fassung der Einbezug in die Bewilligung und nicht ausdrücklich in die
Niederlassungsbewilligung statuiert wurde - einen Rechtsanspruch auf
Familiennachzug erst nach der Erteilung der Niederlassungsbewilligung
bzw. der Festlegung des Zeitpunktes vor, von wann an frühestens die
Niederlassung bewilligt werden darf. Dem Ausländer wird, auch wenn
er voraussichtlich dauernd im Lande bleibt, in der Regel zunächst
nur der Aufenthalt bewilligt (Art. 17 Abs. 1 ANAG). Die Erteilung
der Niederlassungsbewilligung setzt voraus, dass sich die Beziehungen
des Ausländers zur Schweiz gefestigt haben und er hier verwurzelt ist
(vgl. Art. 11 Abs. 1 ANAV). Während niedergelassene Ausländer somit
einen Rechtsanspruch auf Bewilligung des Familiennachzuges haben,
stellt Art. 4 ANAG die Bewilligung des Nachzuges für in der Schweiz
mit einer Aufenthaltsbewilligung lebende Ausländer in das Ermessen der
Fremdenpolizeibehörden (vgl. Art. 38 und 39 BVO). Die daraus resultierende
Privilegierung der Niedergelassenen ist indessen nicht zu beanstanden, da
sie auf einem sachlich haltbaren Kriterium beruht, nämlich den regelmässig
engeren Bindungen und Beziehungen der hier niedergelassenen Ausländer
zur Schweiz (vgl. WALTER KÄLIN/MARTINA CARONI, Diskriminierungsverbot
und Familiennachzug, Bern 1998, S. 64/65).

    d) Streitig bleibt, wie es sich mit einem allfälligen Anspruch
auf Familiennachzug in der Zeitspanne verhält, wo die Bundesbehörden
den Zeitpunkt der Niederlassung bereits festgelegt haben, der
Kanton die Niederlassungsbewilligung aber noch nicht erteilt hat. Im
vorliegenden Verfahren steht für die mit einem Schweizer verheiratete
Beschwerdegegnerin jedoch bereits im Zeitpunkt der Einreise fest, wann
ihr die Niederlassungsbewilligung erteilt wird, nämlich gemäss Art. 7
Abs. 1 ANAG nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt
von fünf Jahren. Die vom Rekursgericht angenommene stillschweigende
Kontrollentlassung würde deshalb mit dem Einreisedatum (entsprechend dem
Vermerk auf den Ausweispapieren) zusammenfallen und führte im Ergebnis
dazu, dass ein mit einem Schweizer Bürger verheirateter Ausländer,
der selber erst über eine Jahresaufenthaltsbewilligung verfügt (Art. 7
Abs. 1 erster Satz ANAG), von Beginn seines Aufenthaltes in der Schweiz an
einen gesetzlichen Anspruch auf Familiennachzug hätte. Die Annahme eines
Rechtsanspruchs auf Familiennachzug bereits im Zeitpunkt der Einreise ist
aber mit der dargestellten Regelung von Art. 17 ANAG (vgl. E. 2c) gerade
nicht vereinbar. Im Weiteren ist auch darauf hinzuweisen, dass der hier zu
beurteilende nachträgliche Familiennachzug eines Kindes aus erster Ehe der
Beschwerdegegnerin von Art. 17 Abs. 2 ANAG direkt gar nicht erfasst wird,
da diese Bestimmung auf den Nachzug gemeinsamer Kinder zugeschnitten ist,
womit es zum vornherein nur um deren analoge Anwendung gehen kann (BGE
118 Ib 153 E. 2b; 125 II 585).

    e) Ein das Ermessen der Fremdenpolizeibehörden einschränkender
Anspruch auf Familiennachzug ergibt sich vorliegend indessen aus Art. 8
EMRK (SR 0.101): Wenn die in der Schweiz wohnhaften Familienangehörigen
hier über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügen (d.h. wenigstens
einen festen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung haben:
BGE 122 II 1 E. 1e mit Hinweisen) und eine intakte und tatsächlich
gelebte Beziehung zu nahen Verwandten vorliegt, kann die Verweigerung
der Einreise oder des Aufenthaltes bzw. die Wegweisung einen Eingriff in
das Familienleben darstellen, wenn die Rechtfertigungsvoraussetzungen von
Art. 8 Ziff. 2 EMRK nicht erfüllt sind (BGE 109 Ib 183 E. 2; 110 Ib 201
E. 2; 115 Ib 1 E. 2e; 120 Ib 1 E. 1d und 3a; 122 II 1 E. 1, 385 E. 4b;
WALTER KÄLIN/MARTINA CARONI, aaO, S. 53, 57/58; MARTINA CARONI, Privat-
und Familienleben zwischen Menschenrecht und Migration, Berlin 1999, S. 210
ff., S. 328 ff.). Ob im konkreten Fall aus Art. 8 EMRK ein völkerrechtlich
geschützter Anspruch auf Erteilung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung
abgeleitet werden kann, ist demnach aufgrund einer Güterabwägung zu prüfen
(BGE 110 Ib 201 E. 3; 115 Ib 1 E. 3 und 4; 120 Ib 1 E. 3b,c; 122 II 1 E. 2
und 3, 385 E. 4c; ALAIN WURZBURGER, La jurisprudence récente du Tribunal
fédéral en matière de police des étrangers, Bern 1997, S. 21/22; MARTINA
CARONI, aaO, S. 241-243 und 386-388 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

    f) Die Beschwerdegegnerin verfügt über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz (Art. 7 Abs. 1 ANAG). Die Beziehung zu
ihrer Tochter ist intakt und wird tatsächlich gelebt. Ob die materiellen
Voraussetzungen des Familiennachzugs gestützt auf Art. 8 EMRK erfüllt sind,
ist im Folgenden zu prüfen.

Erwägung 3

    3.- a) Zweck des Familiennachzuges gemäss Art. 8 EMRK ist es, das
familiäre Zusammenleben zu ermöglichen (BGE 118 Ib 153 E. 2b,c; vgl. BGE
115 Ib 97 E. 4). Leben die Eltern getrennt oder sind sie geschieden
und hält sich der eine Elternteil in der Schweiz, der andere aber im
Ausland auf, kann es nicht um die Zusammenführung der Gesamtfamilie
gehen. In solchen Fällen ist nicht ein bedingungsloser Anspruch auf
Nachzug der Kinder anzunehmen (BGE 118 Ib 153 E. 2b,c; 122 II 289 E. 3b;
124 II 361 E. 3a; vgl. BGE 115 Ib 97 E. 3a,b und E. 4; 119 Ib 81 E. 3a;
ALAIN WURZBURGER, aaO, S. 14/15). Der in Art. 8 EMRK gewährleistete
Familienschutz kann zwar unter Umständen einer Entfernungsmassnahme wie
einer Ausweisung - und damit einer zwangsweisen Trennung von Angehörigen
- entgegenstehen, wenn dadurch die Fortführung des Familienlebens
verunmöglicht oder stark beeinträchtigt wird. Art. 8 EMRK vermittelt
indessen nicht ein absolutes Recht auf Einreise und Erteilung einer
fremdenpolizeilichen Bewilligung an Familienmitglieder, namentlich wenn
ein Ausländer selbst die Entscheidung getroffen hat, von seiner Familie
getrennt in einem anderen Land zu leben (BGE 122 II 385 E. 4b; 124 II
361 E. 3a je mit Hinweisen).

    Somit räumt Art. 8 EMRK, obwohl diese Bestimmung unter anderem auch
die familiäre Beziehung getrennt lebender Eltern zu ihren Kindern schützt,
grundsätzlich nicht demjenigen Elternteil ein Recht auf Nachzug eines
Kindes ein, der freiwillig ins Ausland verreist ist, ein weniger enges
Verhältnis zum Kind hat als der andere Elternteil oder sonstige Verwandte,
die für das Kind sorgen, und seine bisherige Beziehung zum Kind weiterhin
- im bis anhin gewohnten Rahmen - pflegen kann. Das Bundesgericht hat
mehrfach festgehalten, das Ziel der Familiennachzugsregelung (gemäss Art. 8
EMRK und Art. 17 Abs. 2 ANAG) werde verfehlt, wenn der in der Schweiz
anwesenheitsberechtigte Ausländer jahrelang von seinem Kind getrennt lebt
und dieses erst kurz vor dem Erreichen des 18. Altersjahrs in die Schweiz
holt (BGE 115 Ib 97 E. 3a; 119 Ib 81 E. 3a). Ein Nachzugsrecht des in
der Schweiz lebenden Elternteils setzt vielmehr voraus, dass das Kind zu
diesem die vorrangige familiäre Beziehung unterhält und sich der Nachzug
als zu deren Pflege notwendig erweist (BGE 122 II 385 E. 4b; 124 II 361
E. 3a und E. 4d je mit Hinweisen). Dabei ist einerseits zu prüfen, ob im
Herkunftsland alternative Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die
dem Kindeswohl besser entsprechen; beispielsweise, weil dadurch bei schon
älteren Kindern vermieden werden kann, sie aus ihrer bisherigen Umgebung
und dem ihnen vertrauten Beziehungsumfeld herauszureissen. Andererseits
lässt sich aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 17 Abs. 2
ANAG und Art. 8 EMRK aber auch nicht ableiten, dass der in der Schweiz
ansässige Elternteil sein Kind erst dann soll nachziehen können, wenn es
an einer alternativen Betreuungsmöglichkeit im Heimatland überhaupt fehlt
(unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 30. September 1998 i.S.
K., E. 3a, vom 29. Oktober 1998 i.S. Y., E. 2a und 2c sowie vom 26. Juli
1999 i.S. R., E. 4 a,c).

    b) Vorliegend verblieb die Tochter der Beschwerdegegnerin in
Jugoslawien, als diese sich mit einem Schweizer verheiratete und
in der Folge an dessen Wohnort übersiedelte. Schon kurz nach ihrer
Einreise im Herbst 1995 bemühte sich die Beschwerdegegnerin jedoch
darum, ihre Tochter aus erster Ehe in die Schweiz nachzuziehen. Alle
diesbezüglichen Gesuche wurden aber abgelehnt. Aufgrund der verbindlichen
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 2 OG) ist davon
auszugehen, dass die Mutter-Tochter-Beziehung vorrangig ist. Ob Kontakte
zum leiblichen Vater bestehen, geht aus den Akten nicht hervor. Während
des Nachzugsverfahrens blieb C. zwar im gemeinsamen Haushalt ihrer
Grossmutter und Urgrossmutter wohnen, wo sie offenbar schon vorher zusammen
mit ihrer Mutter - nach deren Scheidung - gelebt hatte. Aus dem Umstand,
dass die Beschwerdegegnerin ihre Tochter vorübergehend - solange diese
nicht gültig in die Schweiz einreisen konnte - ihren Familienangehörigen
in Jugoslawien anvertrauen musste, kann indes nicht abgeleitet werden,
die bisherige, nicht frei gewählte Betreuungssituation im Herkunftsland
werde dem Kindeswohl besser gerecht. Angesichts des Alters von C. ist zudem
anzunehmen, dass einzig familiäre Gründe für das Familiennachzugsgesuch
ausschlaggebend gewesen sind.

    c) Das Departement wendet gegen die Bewilligung des Familiennachzuges
denn auch in erster Linie ein, in Anbetracht der angespannten finanziellen
Situation der Ehegatten A. und B. könne eine drohende Fürsorgeabhängigkeit
nicht ausgeschlossen werden.

    Das Bundesgericht hat in BGE 119 Ib 81 E. 2 und 122 II 1 E. 3c
festgestellt, dass, wenn ein Anspruch auf Familiennachzug aufgrund von Art.
8 EMRK oder Art. 17 Abs. 2 ANAG besteht, bloss finanzielle Bedenken für
die Abweisung des Gesuches nicht genügen; es muss konkret die Gefahr einer
fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit gegeben sein. Diese
Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, wie aus den umfangreichen -
im schriftlichen Urteilstext allerdings nicht wiedergegebenen -
Sachverhaltsabklärungen der Vorinstanz hervorgeht. Zwar hat der Ehemann
erhebliche - voreheliche - Schulden. Die Ehegatten beziehen indessen
keine Fürsorgeleistungen, sondern erzielen beide ein Erwerbseinkommen,
welches das Existenzminimum der Familie deckt und ihnen darüber hinaus -
in begrenztem Umfang - die Sanierung der aufgelaufenen Schulden erlaubt
(vgl. Betreibungsregisterauszug der Gemeinde M. vom 29. Dezember 1998 und
"Steuerbestätigung" vom 1. Juni 1999, auch Bestätigung der Gemeinde M. vom
5. März 1997). Unter diesen Umständen darf der Familiennachzug nicht
verweigert werden; der angefochtene Entscheid ist deshalb im Ergebnis
zu bestätigen.